Archiv für den Monat Januar 2020

Auswirkungen des „Brexit“ auf den Sport

(causasportnews / red.-cb. / 31. Januar 2020) Der „Brexit“ – er wird heute Tatsache. Nach 47 Jahren Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) verabschiedet sich das Vereinigte Königreich nun nach mehrjährigem Getöse aus der europäischen Staatengemeinschaft. Das Austrittsabkommen wurde letzte Woche seitens der EU unterzeichnet; am vergangenen Mittwoch hat das Unions-Parlament dem Abkommen zugestimmt.

Die Folgen des „Brexit“ für den europäischen Sport sind indessen derzeit kaum umfassend absehbar. Vorbehaltlich etwaiger Übergangsregelungen, ggf. auch in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, sind jedoch mögliche Konsequenzen insbesondere in einigen sport-relevanten Bereichen zu erwarten. Dies betrifft zum einen die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für abhängig beschäftigte Sportlerinnen und Sportler (Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV) sowie der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) für selbstständig erwerbstätige Athletinnen und Athleten. Zum anderen wird sich der „Brexit“ voraussichtlich im Bereich des europäischen Kartellrechts (Art. 101 AEUV) sowie im Beihilferecht (Art. 107 AEUV) auswirken. Diese Regelungen werden künftig im Verhältnis zu Grossbritannien keine Geltung mehr entfalten. So werden sich für die sportlichen Akteure nach dem Austritt des Königsreiches aus der EU Einschränkungen in Bezug auf Einreise und Aufenthalt ergeben. Fussballspielerinnen und -spieler, welche die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates besitzen, werden also in Zukunft nicht ohne weiteres für einen englischen Fussballklub spielen können, sondern werden eine Aufenthaltserlaubnis und/oder eine Arbeitsgenehmigung benötigen. Umgekehrt können auch britische Spieler/innen nicht mehr uneingeschränkt für europäische Vereine auflaufen. Die Nicht-Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV wird sich somit unweigerlich auf den europäischen Transfermarkt auswirken. Betroffen sind aber auch Athletinnen und Athleten, die einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Längere Trainingsaufenthalte britischer Akteure in einem Mitgliedstaat der EU können in Zukunft nicht mehr mit der Niederlassungsfreiheit gemäss Art. 49 AEUV begründet werden. Umgekehrt dürfen sich auch Staatsangehörige eines EU-Staates nicht mehr uneingeschränkt in Grossbritannien niederlassen. Den aktuellen politischen Gegebenheiten werden sich auch die internationalen Sportverbände anpassen müssen, im Fussball zweifelsfrei der Europäische Fussball-Verband (UEFA) durch eine entsprechende Harmonisierung des internationalen Fussball-Transferwesens. Immerhin ist England das Mutterland des Fussballs.

Von grosser wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite sind auch die wettbewerbsrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit dem „Brexit“. Nach den Regelungen der Art. 101 und 102 AEUV sind Beeinträchtigungen des europäischen Wettbewerbs sowie Missbräuche markbeherrschender Stellungen untersagt. Unternehmen und Vereine, aber auch Verbände und Ligen wie die Premier League, sind diesen kartellrechtlichen Einschränkungen nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU nicht mehr unterworfen. Sponsoren und Investoren können die Verbote, die sich aus den europäischen Verträgen ergeben, getrost unbeachtet lassen. Auch das europäische Beihilferecht, welches bestimmte staatliche Unterstützungsleistungen verbietet, findet nach dem Austritt Grossbritanniens aus der Staatengemeinschaft in diesem Rahmen keine Anwendung mehr. Staatliche Massnahmen zur Förderung des britischen Sports werden demnach nicht mehr an den Vorgaben der Art. 107 ff. AEUV gemessen werden.

Insgesamt lassen sich somit vor allem zwei Wirkungsbereiche feststellen: Auf der einen Seite werden nach dem „Brexit“ von Individualsportlerinnen und –sportler wohl höhere bürokratische Hürden zu meistern sein, die mit Unwägbarkeiten und Belastungen bei der Trainings-, Wettkampf- und ggf. Lebensgestaltung verbunden sind. Aktive profitieren bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Verhältnis zwischen Grossbritannien und einem Mitgliedsstaat der EU in Zukunft einerseits nicht mehr von den im AEUV verankerten Grundfreiheiten. Andererseits unterliegt der Wettbewerb im Vereinigten Königreich nach dem „Brexit“ nicht mehr den kartell- und beihilferechtlichen Beschränkungen durch das EU-Recht. Wie sich die konkreten Auswirkungen des „Brexit“ auf den Sport im Detail manifestieren werden, lässt sich erst nach dem erfolgten Austritt Grossbritanniens skizzieren. Es bleibt also spannend. Oder wie es die in der EU verbleibenden Franzosen sagen würden: Affaire à suivre.

(Verfasserin: Dr. Caroline Bechtel, Institut für Sportrecht, DSH Köln)

Schweizer Justiz in Fussballverfahren vor dem Total-Crash

(causasportnews / red. / 29. Januar 2020) Alles begann so schön spektakulär-öffentlich, und die Schweiz sah die Chance gekommen, sich durch vorbehaltlos devotes Verhalten Freunde in den USA zu schaffen und sich der Welt-Öffentlichkeit als Sauber-Nation zu präsentieren, als am 27. Mai 2015 die Schweizer Behörden auf Ersuchen der US-Justiz frühmorgens im Zürcher Nobel-Hotel „Baur au Lac“ mehrere FIFA-Funktionäre aus den Betten holten und abführten. Es erfolgten Auslieferungen der Verhafteten, Schlammschlachten zwischen Funktionären und Ermittlungen  seitens der Bundesanwaltschaft. 25 Verfahren werden seither von der Schweizer Bundesanwaltschaft geführt; und in einem einzigen Fall ist seither Anklage wegen der sog. „Sommermärchen-Affäre“ im Zuge der WM-Endrunde 2006 in Deutschland erhoben worden. Es geht um dubiose Zahlungen, durch die sich zumindest vier Personen strafrechtlich verantworten müssen: Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt sowie der Schweizer Urs Linsi, ehemaliger FIFA-Generalsekretär. Das Verfahren gegen Franz Beckenbauer ist zwischenzeitlich abgetrennt worden. Seit einem halben Jahr liegt die Anklageschrift gegen die vier Beschuldigten beim Bundesstrafgericht in Bellinzona, und am 9. März 2020 soll nun der Prozess im Tessin abgehalten werden. Diese Zeitspanne von einem halben Jahr gibt zu Diskussionen Anlass, könnte aber damit zu tun haben, dass das Bundesstrafgericht seit geraumer Zeit ebenso vor allem mit sich selber beschäftigt ist wie die Bundesanwaltschaft. Animositäten, Querelen, ein Hauen und Stechen auf allen Ebenen und weiteres sollen Gründe dafür sein, dass die Behörden „Bundesanwaltschaft“ und „Bundesstrafgericht“ juristischen Tollhäusern ähneln. Das für sich alleine ist schon eine Bankrotterklärung des Schweizer Justizapparates; erschwerend kommt nun im zur Anklage gebrachten Vorgang hinzu, dass bezüglich der eingeklagten Taten die Verjährung droht; eingeklagte ist der Tatbestand des Betrugs (Art. 146 Strafgesetzbuch), der in der Praxis kaum je greift. Bis zum 27. April 2020 müssen gegen die Beschuldigten Verurteilungen vorliegen, ansonsten die Taten in jedem Fall verjährt sind.- Niemand glaubt mehr daran, dass dies gelingen wird. Hinter vorgehaltener Hand wird getuschelt, dass es allen Involvierten nicht ungelegen käme, wenn auf diese Weise die Verjährung eintreten würde. „In die Verjährung gleiten lassen“ wird in der Justiz diese Form der Verfahrenserledigung genannt. Die Bundesanwaltschaft würde sich jedenfalls nicht dem Ruf aussetzen, die Anklage nicht rechtzeitig erhoben zu haben (wobei aufgrund der Aktenlagen nach Meinung von Experten Freisprüche allerdings vorprogrammiert sind); falls das Bundesstrafgericht die Fälle in die Verjährung schlittern lässt, käme sie darum herum, die Funktionäre freisprechen zu müssen. Dass das Gericht also nicht unglücklich wäre, die Vorgänge nicht materiell-rechtlich beurteilen zu müssen, liegt auf der Hand.

So könnte der bevorstehende Prozess gegen die vier Fussball-Funktionäre dazu führen, dass sich die Schweiz am 9. März 2020 noch einmal global in Szene setzen könnte. Allerdings kaum mehr so spektakulär-saubermännisch wie am 27. Mai 2015 anlässlich der Verhaftungen im „Baur au Lac“ in Zürich. Die Welt könnte dann allerdings den Total-Crash der Schweizer Justiz im wohl grössten Fussball-Skandal aller Zeiten mitverfolgen. Das ganze könnte „garniert“ werden mit einem Prominenten-Schaulaufen in Bellinzona. Befragt werden sollen am Prozess nämlich der ehemalige FIFA-Präsident Joseph Blatter und die Fussball-Ikone Günter Netzer. Logisch, dass sich der abgehalfterte, ehemalige FIFA-Spitzenfunktionär diese Gelegenheit, wieder einmal in der Öffentlichkeit stehen zu können, nicht nehmen lassen wird. Geladen zur Befragung ist übrigens auch Franz Beckenbauer, der eigentlich ebenfalls auf der Anklagebank sitzen müsste. Allerdings gilt er (als Beschuldigter) als nicht einvernahmefähig; hingegen ist das Bundesstrafgericht der Meinung, dass er im Verfahren gegen seine (ehemaligen)Kollegen dennoch befragt werden könnte. Wetten, dass der „Kaiser“ aber auch als Auskunftsperson nicht dabei sein wird!

Präsidenten von der Rolle

© U.S. Embassy Bern, Switzerland

(causasportnews / red. / 27. Januar 2020) Was ist nur los mit den Präsidenten und Präsidentinnen auf dieser Welt? Weshalb muss es oft derart peinlich werden, wenn diese Aktivitäten entfalten? Am zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos stand vor allem ein Präsident im Fokus des Interesses: US-Präsident Donald Trump (Greta Thunberg ist bekanntlich noch nicht Präsidentin; das dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein). Die Welt, und dazu gehören auch Politikerinnen und Politiker sowie die Medien werden zwar nicht müde zu betonen, wie peinlich und verachtenswert sie den wohl mächtigsten, aber gleichzeitig auch ungeliebtesten Mann der Welt finden, doch wenn er dem WEF in der Schweiz seine Aufwartung macht, wie in der vergangenen Woche, wirft sich die Wirtschafts-, Polit- und Medien-Prominenz vor ihm in den Davoser Schnee und erstarrt in Ehrfurcht. Keine Ausnahme bildete etwa die stramme Schweizer Bundespräsidentin, die den aus ihrer (linken) Sicht Schlechten dieser Welt jeweils den Spiegel vorzuhalten pflegt, Simonetta Sommaruga, die vor dem US-Präsidenten derart fasziniert zu sein schien, dass sie darob vergass, was sie mit einem aus Schweizer Sicht angedachten Freihandelsabkommen mit den USA eigentlich zu erreichen gedachte und von Donald Trump kurzerhand ins politische Abseits manövriert wurde. Als Präsidentin peinlich müsste Simonetta Sommaruga nach diesem Auftritt bezeichnet werden. Apropos Abseits: Da wurde anlässlich des WEF ein Abendprogramm mit dem US-Polit-Star abgehalten, den angeblich die Welt nicht mag und auch auf allen Ebenen bekämpft wird, obwohl er in einem höchst-demokratischen Verfahren gewählt worden ist und auch die zweite Amtsperiode als US-Präsident absolvieren dürfte. Mit von der Partie war sonderbarerweise der FIFA-Präsident Gianni Infantino, dem die Ehre zukam, den Abend mit dem US-Präsidenten zu eröffnen. Vor allem die Wirtschafts- und Polit-Vertreter fragten sich, weshalb gerade der oberste Fussball-Funktionär. Klar, der Fussball ist weltumspannend weit wichtiger als Wirtschaft und Politik zusammen. Schliesslich soll 2026 die WM-Endrunde der Männer in den USA, in Kanada und in Mexiko ausgetragen werden; bezüglich Mexiko bleibt die Ausgangslage speziell spannend, zumal bis dann der von Donald Trump angekündigte Mauerbau an der Grenze zwischen den USA und Mexiko vollzogen sein wird, aber zweifelsfrei zumindest per Flugzeug überwunden werden kann. Die Anbiederung des FIFA-Präsidenten, der sich bescheiden als zweitwichtigsten Mann in Davos bezeichnete, gegenüber seinem Freund aus dem Oval Office hinterliess in den Bündner Bergen den erwartet sonderbaren Eindruck, und was sich „Johnny“ (so nannte Donald Trump seinen zum persönlichen Sportsfreund mutierten Gianni Infantino) und „Donny“ eigentlich zu sagen hatten, gelangte nicht an die Öffentlichkeit. Zumindest der FIFA-Präsident wird, falls in Davos etwas Substantielles besprochen worden sein sollte, das auch schon wieder vergessen haben; er gilt seit der Affäre um den Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber eh als nicht gerade „gedächtnisstark“, konnten sich beide Protagonisten Michael Lauber und Gianni Infantino bekanntlich weder an Gespräche noch an allfällige Inhalte solcher Besprechungen erinnern. Wenigstens hatte das Treffen Trump – Infantino in Davos eine humoristische Seite – früher hiess es „Dick und Doof“, heute „Johnny und Donny“. Am WEF darf es ja auch lustig sein. Diesbezüglich hat die Schweizer Bundespräsidentin ohne Zweifel dazugelernt…

Der Sport in der „Öko-Falle“

© Petra Wessman

(causasportnews / red. / 22. Januar 2029) Dass der Sport von dem seit rund einem Jahr tobenden Öko-Sturm erfasst würde, war vorauszusehen. Er gehört weltweit nicht gerade zu den Segmenten, die keine ökologisch relevanten Negativ-Spuren hinterlassen: Der Sport und seine Exponenten touren um die Welt und gelten als markant umweltbelastend (vgl. dazu auch etwa Urs Scherrer, Schaffen wir den organisierten Sport ab!, in: Causa Sport 4/2019, 465 ff.). Nun stehen diesbezüglich eine Sport-Grossveranstaltung und ein Tennis-Star im Mittelpunkt des Interesses und der Kritik. Bereits im Vorfeld und danach während der Qualifikations-Wettkämpfe des „Australian Open“ in Melbourne geriet einer der bedeutendsten Tennis-Events in die Schlagzeilen. „Schuld“ an diesem Umstand waren die seit Wochen anhaltenden Buschbrände in Australien mit katastrophalen Ausmassen. Diese ökologische Apokalypse wird auf die Klimaerwärmung zurückgeführt, jedoch nur verhalten wurde verlangt, diesen Anlass im Katastrophengebiet abzusagen. Unter den im Land herrschenden Zuständen litten und leiden auch die besten Tennisspielerinnen und Tennisspieler der Welt am Turnier in Melbourne. Aber nichts da – die Veranstaltung wird „durchgeboxt“. Vor allem natürlich aus kommerziellen Gründen. Veranstalter und Spieler(innen) fragten sich deshalb nur, wie Schäden von den Akteurinnen und Akteuren abgewendet werden könnten. Ein Verzicht auf die Veranstaltung kam für die Involvierten nie in Frage – das Klima schützen sollen die andern; lediglich die Protagonisten sollen keine Schäden erleiden. Das wird auch am derzeit stattfindenden „WEF“ in Davos klar, zu dem Politiker und Wirtschaftsführer aus der ganzen Welt ins beschauliche Landwassertal gekarrt und geflogen wurden und werden und an dem von Politikern und Klimaaktivisten darüber diskutiert wird, wieviele Bäumchen zur Rettung des Planeten gepflanzt werden sollen; man war sich aber einig, dass die Welt, falls sie dann noch existiert, in 30 Jahren „klimaneutral“ sein solle. Ein realer Beitrag zur Umweltentlastung wäre ein Verzicht auf die geschwätzige, unnütze Veranstaltung in Davos gewesen. Davon sprach jedoch niemand; Verzicht ist nicht das „Ding“ auch von Politikern und Wirtschaftsführern. Verzichten sollen die andern.

Obwohl er der Klimadiskussion z.B. als Vielflieger und globalen Reisenden ausweichen wollte, hat es den weltbesten Tennisspieler nun doch erwischt; und zwar im Zusammenhang mit seinem Sponsor „Credit Suisse“ („CS“). Umweltaktivisten nehmen Roger Federer diese (für den Spieler lukrative) Partnerschaft übel, weil sich die Bank sich in ökologisch diskutablen Bereichen bewegt. Weil diesbezüglich ein Fass geöffnet wurde, hat sich der Basler Tennis-Held beim Aufkommen der ersten Kritiken sofort mit den Klimaschützern solidarisiert und Verständnis genuschelt. Dass es die Klimaaktivisten mit der Kritik an der „Credit Suisse“ jedoch ernst meinen, zeigte eine Besetzungsaktion einer „CS“-Filiale in Lausanne durch in Tenniskleider auftretenden Aktivisten. Der zuständige Strafrichter in Renens bei Lausanne hat die Besetzer vom Vorwurf deliktischen Handelns – es ging um Hausfriedensbruch – freigesprochen – ein „Notstand“ sei dies gewesen, begründete er sein Urteil und bewies damit, dass sich die Justiz eben auch in unserer aufgeklärten Zeit vor politische Karren spannen lässt. Roger Federer trifft das alles nach seiner Solidaritäts-Bezeugung den Klimaaktivisten gegenüber nicht gross, und selbstverständlich ist von Verzicht auf den Sponsoring-Betrag, den er jährlich erhält, keine Rede.

Der Sport und seine Protagonisten setzen sich zwar verbal für die Gesundung und Rettung des Klimas ein, doch Verzicht entspricht nicht ihrer Grundhaltung. Nehmen ist seliger als geben, und verzichten sollen gefälligst die andern. Auf den Öko-Zug springen nun Sportlerinnen und Sportler, welche etwa durch ihre Reiserei die Umwelt belasten, zuhauf auf. So etwas die Schweizer Ski-Fahrerin Wendy Holdener, die sich vor den Werbekarren einer Energiegesellschaft spannen lässt und in Inseraten fordert: „Gemeinsam umdenken, umschalten“. Mit „gemeinsam“ sind selbstverständlich „die andern“ gemeint. Weshalb denn konsequent sein (auch als in der Welt herumreisende Skifahrerin), wenn es auch sonst geht? Der Sport befindet sich bezüglich der „Öko-Diskussion“ in einer regelrechten Falle und kann sich aus diesem Würgegriff nicht mehr befreien. Er befindet sich mehr als nur im Spannungsfeld von Kommerz und Verzicht. Wetten, dass sich die von Umweltsünden malträtierte Welt letztlich nur durch Total-Verzicht retten lässt? So z.B. Verzicht auf den Mobilitäts-Wahnsinn am Boden und in der Luft (nicht nur auf Kreuzfahrten also), Verzicht auf den weltweiten, umweltschädigenden Online-Handel, usw. Aber wer will schon verzichten – das sollen gefälligst die andern…

„Fall Estermann“ und kein Ende

(causasportnews / red. / 16. Januar 2020) Es ist einer der unappetitlichsten Fälle aus dem Pferdesport der letzten Jahre – und die „Causa Estermann“ findet eine Fortsetzung, und zwar am Luzerner Kantonsgericht. Nach dem vernichtenden Urteil des Bezirksgerichts Willisau im November des vergangenen Jahres (vgl. auch causasportnews vom 23. und vom 26. November 2019), bei dem ein Schuldspruch des Springreiters Paul Estermann wegen mehrfacher, vorsätzlicher Tierquälerei resultierte, wäre es seitens des Verurteilten eine Option gewesen, den Entscheid in Rechtskraft erwachsen zu lassen, zumal Experten eher davon ausgingen, dass der Schuldspruch auch vor einer nächsten Instanz kaum mehr abzuwenden sein würde und sich der Reiter aufgrund des öffentlichen Drucks aus dem Elitekader der Schweizer Springreiter des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport (SVPS) zurückzog. Nun ist doch eher überraschend bekannt geworden, dass der Top-Reiter die bedingt ausgefällte Geldstrafe und die Busse nicht akzeptieren würde und an die zweite Luzerner Instanz gelangt sei. Dort wird er versuchen, den Schuldspruch des Bezirksgerichts Willisau in einen Freispruch umzuwandeln. Paul Estermann wird vorgeworfen, gegenüber zwei Pferden im Training die Peitsch zu stark eingesetzt zu haben. Die skandalöse Geschichte um Attacken gegenüber der wehrlosen „Kreatur Pferd“ ist somit noch nicht zu Ende geschrieben. Sie hat auch dazu geführt, die Konformität der Verwendung von Tieren als Sportgeräte im Allgemeinen zu hinterfragen.

Ein „Schwergewicht“ im IOK – und was in der „Causa Gewichtheben“ (nicht) geschieht

© hjalmarGD

(causasportnews / red. / 14. Januar 2019) Seit dem Bekanntwerden der Zustände im Internationalen Gewichtheber-Verband (IWF), die federführend vom Deutschen Journalisten und Publizisten Hans-Joachim Seppelt aufgedeckt bzw. transparent gemacht worden sind (vgl. auch causasportnews vom 6. Januar 2020) herrscht Betroffenheit und einigermassen gespenstische Ruhe. Allenthalben wundert sich die Öffentlichkeit, dass die (Straf-)Behörden bisher nicht zum grossen Schlag gegen Unregelmässigkeiten, Betrügereien, Filz und Nepotismus im Weltverband ausgeholt haben. Auch der autoritäre IWF-Präsident Tamas Ajan lässt sich ob der Aufdeckungen seines Machtkartells mit teils mehr als haarsträubenden Auswirkungen nicht aus der Ruhe bringen. Das Internationale Olympische Komitee (IOK) in Lausanne scheint sich ebenfalls nicht stark für die „Causa Gewichtheben“ zu interessieren, obwohl Vermarktungsgelder des IOK zu Gunsten des Gewichtheber-Weltverbandes auf kaum nachvollziehbaren Pfaden versickert sein sollen. Im Fokus stehen dabei zwei Konten, die angeblich auf der Schweizer Bank UBS geführt werden, für die einzig der soeben 81 Jahre alt gewordene Präsident aus Ungarn die Verfügungsgewalt besitzt. Geschwiegen und ausgesessen wird die unappetitliche Sache auch seitens des IOK, das offenbar kaum ein grosses Interesse an der Erhellung von Geldmittelflüssen bezüglich Zahlungen mit Absender Lausanne zugunsten des IWF an den Tag legt. Wichtiger war im Moment für die Olympioniken des IOK, dessen über 100 Mitglieder natürliche Personen sind, die Wahl des aktuellen FIFA-Präsidenten Gianni Infantino, der nun nach einigen politischen Manövern den Sprung an die Spitze des Olympischen Sports geschaffen hat. Gleich nach dem Amtsantritt 2016 sollte der FIFA-Präsident im IOK Einsitz nehmen, was jedoch in einem ersten Anlauf misslang. Nach ziemlich genau vier Amtsjahren an der Spitze der FIFA wählte die IOK-Session den 50jährigen Walliser nun in das IOK; er erhielt 63 Stimmen. 13 IOK-Mitglieder stimmten gegen ihn, 3 Mitglieder enthielten sich der Stimme. Dass der amtierende FIFA-Präsident als natürliche Person in das als Verein gemäss Schweizerischem Recht (Art. 60 ff. ZGB) organisierte IOK aufgenommen wird, hat Tradition: Von 1999 bis 2015 war Gianni Infantinos Vorgänger, der Walliser Josef Blatter, Mitglied des Komitees. Im Zuge seines abrupten Abgangs 2016 im Welt-Fussballverband verzichtete er danach auf eine Wiederwahl.

Vom „Baur au Lac“ in die Untersuchungsmühlen

(causasportnewsd / red. / 10. Januar 2020) Das Luxus-Hotel „Baur au Lac“ zählt zu den nobelsten Adressen der Stadt Zürich. In diesem Hotel pflegten u.a. die Top-Fussballfunktionäre zu wohnen, falls sie in der Limmatstadt i.S. Weltfussball unterwegs waren (der Sitz des Weltfussballverbandes FIFA befindet sich ebenfalls in Zürich). Das war bis 2015 so; dann ereignete sich eine Wende, die alles andere als nobel zu bezeichnen war: Das Hotel an bester Lage am Zürichsee geriet weltweit in die Schlagzeilen, und entsprechende Bilder gingen um die Welt, als die Schweizer Behörden auf Ersuchen der Amerikaner in einer spektakulären, medial orchestrierten Aktion in den frühen Morgenstunden des 27. Mai 2015 sechs Fussball-Funktionäre im „Baur au Lac“ aus den Betten holten und abführten. Bis heute wirkt dieses Ereignis nachhaltig. Für die Schweiz und das Nobel-Hotel bedeutete diese Vorgehensweise allerdings ein bis heute nachwirkender Reputationsschaden. Für die Verhafteten war der Tapetenwechsel vom Hotel „Baur au Lac“ ins Untersuchungsgefängnis ein Schock; die Funktionäre waren sich sehr sicher und hätten nie daran gedacht, dass die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der als „sicher“ geltenden Schweiz derartige Folgen zeitigen könnte.

Gegen zwei der damals verhafteten Funktionäre, Nicolas Leoz (Paraguay) und Eduardo Deluca (Argentinien), sind die im Nachgang zu den Verhaftungen angehobenen Strafverfahren beendet, bzw. abgeschlossen worden. Der 91jährige Paraguyaner verstarb im letzten Jahr, und gegen den 80 Jahre alten Argentinier wurde im Dezember des vergangenen Jahres ein noch nicht rechtskräftiger Strafbefehl erlassen. Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung wurde als erfüllt angesehen. Beide ehemaligen Fussballfunktionäre hatten nach Auffassung der Schweizer Behörden Gelder des Fussballverbandes von Südamerika abgezweigt. Eduardo Deluca wurde mit einer bedingten Geldstrafe von 36‘000 Franken und einer Busse von 5‘000 belegt. 16,4 Millionen Franken werden an den Verband zurückbezahlt; die Gelder sind von den Behörden auf Konten der beiden Funktionäre bei den Schweizer Banken Credit Suisse und Julius Bär beschlagnahmt worden.

Heben (lassen) und nehmen – mehr als ein Skandal in der Schwerathletik

(causasportnews / red. / 6. Januar 2010). Wenn der deutsche Journalist und Autor Hans-Joachim Seppelt an die Öffentlichkeit tritt, ist zumindest Authentizität garantiert – anders etwa, als wenn die selbsternannten „Qualitätsjournalisten“, wie etwa des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, mit ellenlangen Berichten aufwarten, die sich ab und zu auch als Fake-Reportagen erweisen können (siehe z.B. der „Fall Relotius“). Der 57 Jahre alte Berliner hat natürlich auch die Vorteile der Visualität auf seiner Seite; (ungeschminkte) Bilder „lügen“ jedenfalls eher nicht. Wie am Sonntagabend im deutschen, öffentlich-rechtlichen Sender ARD, als Hans-Joachim Seppelt und Kollegen mit brisanten Neuigkeiten aus der organisierten Sportwelt aufwarteten. „Geheimsache Doping – der Herr der Heber“, wurde die ARD-Doku betitelt. Im Fokus der erschütternden Enthüllungen stand der Präsident des Internationalen Gewichtheber-Verbandes (International Weightlifting Federation, IWF), Tamás Aján, ein Ungare; zufälligerweise hat dieser Weltverband seinen Sitz in Budapest. Nach den ARD-Recherchen könnte man das lapidare Fazit ziehen: Dieser Weltverband ist mehr als nur ein „Sauladen“, in dem Sportbetrügereien gedeckt werden, ein gigantisches, weltumspannendes Doping-Netzwerk (sogar „Kinder-Doping“!) betrieben wird, Verbandsgelder versickern, bestochen und Vetternwirtschaft betrieben wird und der Präsident seine treuen Vasallen um sich schart. Im Fokus steht dabei der über 80jährige Top-Funktionär dieser Kraftsport-Gilde, eben der „Herr der Heber“, der den Weltverband in einer patriarchalischen Form führt und beherrscht, wie man es heute kaum mehr für möglich halten würde (für ihn und andere Verbandsprotagonisten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung). Offensichtlich ist die Sportart, über deren Sinn durchaus auch eine Debatte geführt werden könnte, prädestiniert für derartiges Tun. Eigenartig mutet allerdings der Umstand an, dass sich bspw. das Internationale Olympische Komitee (IOK) mit dem (Deutschen) Präsidenten Thomas Bach an der Spitze einen Deut um die frivole Welt der Gewichtheber/innn schert. Im Gegenteil: Munter sprudeln die Gelder des Olympischen Sportes, insbesondere aus der Rechteverwertung, in Millionenhöhe auch in die Kassen der Heber – oder sollten es zumindest. Indessen wurden Belege präsentiert, dass Zahlungen etwa auf Konten der Schweizer Grossbank UBS in Zürich, die 2008 mit Staatsgeldern vor dem Kollaps bewahrt werden musste und sich stark im Sport-Sponsoring engagiert, verschoben wurden; diese Konten bildeten aber dann eher keinen Bestanteil der Verbandsbuchhaltung. Eigentlich ein sonderbarer Umstand, dass solche Aktivitäten aus Bankensicht „compliance-konform“ sein sollen – ein eigenartiges Geschäftsgebaren ist dies alleweil. Geradezu erschüttert zeigte sich der Basler Strafrechtsprofessor und Anti-Korruptionsexperte Mark Pieth ob der Vorgänge im Weltverband. Er hat für die ARD einen strafrechtlichen Befund verfasst und sieht in den Aktivitäten des IWF-Präsidenten und seiner Entourage sogar ein dreisteres Vorgehen als etwa (wohl vor einigen Jahren) im Weltfussballverband FIFA. Er macht einen Anfangsverdacht mit Blick auf zahlreiche Delikte aus, wie Falschbeurkundung, ungetreue Geschäftsbesorgung und Veruntreuung. Gemäss seiner Einschätzung müssten zumindest auch die Schweizer Strafverfolgungsbehörden tätig werden (der Schweizer Verband als Mitglied der IWF hat den Sitz in Basel, die IWF gehört zudem dem Olympischen Sport an, der von Lausanne aus organisiert und dirigiert wird, der IWF-Präsident ist überdies Ehrenmitglied der Olympioniken!). Da Offizialdelikte im Raum stehen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Verbandsfunktionärs-erprobten Schweizer Strafverfolgungsbehörden zuschlagen…Affaire à suivre also.

Die (rechtlichen) Folgen der „Operation Aderlass“

(causasportnews / red. / 4. Januar 2020) Ende Februar jährt sich zum ersten Mal eine denkwürdige Aktion gegen systematisches Doping, die sog. „Operation Aderlass“, die zur Aufdeckung eines gigantischen, internationalen Dopingnetzwerkes um einen Erfurter Sportmediziner führte. Fahnder schlugen Ende Februar 2019 anlässlich der nordischen Ski-Weltmeisterschaft im Österreichischen Seefeld zu und deckten für den Sport und dessen (vermeintliche) Integrität Demoralisierendes auf: Athleten bei Eigenbluttransfusionen wurden auf frischer Tat ertappt (einem Sportler steckt beim Zugriff der Polizei noch eine Nadel im Arm), die Ermittler entdeckten Lager von Blutbeuteln und erhoben Beweise für widerrechtliche Praktiken mit Schwerpunkt „Blutdoping“ (Eigenbluttransfusionen); Protagonisten des Doping-Netzwerkes wurden in Seefeld und an anderen Orten in Haft genommen. Nach diesen „schwarzen“ Stunden für den organisierten Sport vor bald einem Jahr wurden die Ermittlungen international ausgeweitet und polizeiliche Massnahmen in Europa zuhauf durchgeführt. Während der letzten Monate wurde bald einmal klar, dass die kriminellen Praktiken vom 41jährigen Sportarzt in Erfurt, der im Zuge der „Operation Aderlass“ verhaftet wurde und als Hauptbeschuldigter des Skandals gilt, ausgingen. Es ergab sich in der Folge, dass vor allem die Disziplinen Winter- und Radsport betroffen waren und sind; und das seit Jahren. Nicht viel hätte offensichtlich gefehlt, und es wäre schon 2018 auch an den zwei Schweizer Rad-Rundfahrten, „Tour de Romandie“ im April 2018 und zwei Monate später an der „Tour de Suisse“ zu Razzien gekommen; es wurde vermutet, dass an diesen Rundfahrten Blutdoping im Rahmen des Netzwerkes des Sportarztes praktiziert wurde. Offensichtlich waren die Fahnder jedoch damals noch zurückhaltend und später überzeugt, dass ein polizeilicher Schlag anlässlich der WM in Seefeld erfolgsversprechender sei, vor allem auch deshalb, weil vor einem Jahr, kurz vor der WM, der Österreichische Ski-Langläufer Johannes Dürr zum „Kronzeuge“ avancierte. Und noch nicht vergessen ist der Dopingskandal vor über 20 Jahren anlässlich einer Razzia im Rahmen der Tour de France beim Team „Festina-Lotus“. Von diesem Reputationsschaden hat sich der Radsport bis heute nicht erholt. Vielleicht auch deshalb wählten die Fahnder die (für den längst „angezählten“ Radsport) schonende, aber auch effizientere Methode und wurden in Seefeld aktiv.

Wie kürzlich verlautete, hat die Staatsanwaltschaft München, welche in diesen Vorgängen zuerst Ermittlungen eingeleitet hatte, nun Anklage gegen den Arzt und vier weitere Beschuldigte erhoben. Es ist vorgesehen, dass die Strafverfahren wegen der aufgedeckten und offenbar beweisbaren Dopingpraktiken gegen Mitte des Jahres durchgeführt werden. Der Erfurter Mediziner muss sich auch wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Weitere Verfahren dürften folgen. Die „Operation Aderlass“ und ausgedehnte Ermittlungen insbesondere in den Alpenländern sind noch im Gange.

Lawinenunglück mit neuer, juristischen Dimension

(causasportnews / red. / 3. Januar 2020) In den letzten Tagen des zu Ende gegangenen Jahres 2019 waren in den europäischen Alpenländern zahlreiche Lawinenunglücke, welche zum Teil Tote und Verletzte forderten, zu verzeichnen. Neben den menschlichen Tragödien stellten sich bei allen diesen Vorgängen die etwa gleichen, juristischen Grundsatz-Fragen, und zwar sowohl in strafrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht (mit Blick auf das Zivilrecht steht jeweils die „Verkehrssicherungspflicht“ von Bergbahnen- und Pistenbetreibern im Zentrum; vgl. hierzu die verschiedenen, in „Causa Sport“ thematisierten Fälle).

Speziell präsentiert sich die Ausgangslage nach einem Lawinenniedergang in Andermatt im Schweizer Kanton Uri. Kurz nach Weihnachten donnerte eine Lawine über jene Piste am Oberalppass, die zur neuen, vom ägyptischen Investor Samih Sawiris initiierten Tourismus-Destination in der Zentralschweiz gehört. Vor einem Jahr wurde u.a. diese Piste, welche den Zusammenschluss der Skigebiete zwischen Andermatt und Sedrun mitermöglicht, mit Pauken und Trompeten eröffnet („eine Vision wird Realität“, frohlockte damals die Urner Regierungsrätin und gescheiterte Bundesrats-Anwärterin Heidi Z’Graggen). Am 26. Dezember 2019 ereignete sich dann der in allen europäischen Medien vermeldete Lawinenniedergang, bei dem in geradezu wunderbarer Weise keine Personen zu Schaden kamen; zwei Frauen erlitten lediglich leichte Verletzungen. Es war dies trotz allem ein touristischer „Super-Gau“. Die Realisierung des Pisten-Projektes war von zahlreichen Bewilligungen abhängig gemacht worden, und, obwohl beim Lawinenniedergang glücklicherweise keine nennenswerten Personenschäden resultierten, stellte sich im Nachgang die Frage, ob bei einer solchen Konstellation im schlimmsten Fall nicht auch die öffentliche Hand eine Haftung treffen würde, falls die Pistenbewilligung von rigorosen Bewilligungen abhängig gemacht worden war, wie im konkreten Fall; wobei selbstverständlich immer auch die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten durch Pistenbetreiber ein juristisches Element der rechtlichen Aufarbeitung nach einem solchen Ereignis in Betracht kommt. Im konkreten Fall mussten zahlreiche Bedingungen erfüllt werden, damit die Bewilligung letztlich erteilt werden konnte. Gerade der „Fall Andermatt“ wirft eine neue Frage juristische Verantwortlichkeits-Dimensionen im Zusammenhang mit erteilten Bewilligungen auf. Wer (der Staat) bezüglich eines Vorgangs überhaupt eine Bewilligungspflicht vorsieht, dürfte verantwortlich werden, falls sich grundsätzlich Konstellationen ergeben, auf Grund derer Schaden entsteht. Konkret hiess etwa das Bundesamt für Verkehr das Lawinenschutzkonzept für die fragliche Piste gut. Notiz am Rande: Für das fragliche Gebiet verliehen die Fachleute von „Seilbahnen Schweiz“ (der Verband der Schweizerischen Seilbahnbranche, ein privater Verein nach Schweizerischem Recht, Art. 60 ff. ZGB) das Gütesiegel „geprüfte Pisten“. Nur wer keine Bewilligungspflicht vorsieht, wird im Schadenfall von Haftung befreit, liesse sich die Rechtslage also zusammenfassen. Oder anders: „Vertrauenshaftung“ dürfte diese Anspruchsgrundlage gegenüber staatlichen Bewilligungsbehörden genannt werden.