Archiv für den Monat September 2019

Frauen als Zuschauerinnen: Setzt sich die FIFA durch?

(causasportnews / red. / 29. September 2019) Am 10. Oktober wird die Nationalmannschaft Irans in Teheran ein Fussball-WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha austragen. Das alleine ist an sich noch keine Sensation. Diese könnte sich jedoch am besagten Tag neben dem Spielfeld ereignen. Denn die Fussballwelt schaut gespannt nach Teheran, ob der revolutionäre Schritt seitens des Verbandes von Iran gewagt wird, Frauen als Zuschauerinnen am Spiel teilnehmen zu lassen; was bis anhin verboten war. Das könne so nicht weiter toleriert werden, verlautete aus der Zentrale des Welt-Fussballverbandes FIFA in Zürich; und auch FIFA-Präsident Gianni Infantino hat Druck auf den Iran ausgeübt, damit die Frauen im Stadion dabei sein dürfen – sehr zum Missfallen der Politik im islamischen Staat, für die eine Teilnahme von Frauen an Fussballspielen, zusammen mit kreischenden Männern, ein regelrechtes Sakrileg darstellt. Nicht so für die FIFA, die aufgrund der Statuten sogar verpflichtet ist, den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen und jede Diskriminierung zu unterbinden hat. Somit muss die FIFA dafür sorgen, dass an Fussballveranstaltungen im Iran Frauen als Zuschauerinnen dabei sein dürfen. Setzt sich die FIFA diesbezüglich nicht durch, verletzt sie die eigenen Statuten, was Sanktionen der Ethikkommission gegenüber den verantwortlichen Organpersonen des Weltverbandes, so gegen den Präsidenten, führen müsste. Lässt der Verband Irans nun am 10. Oktober Frauen nicht oder nur beschränkt als Zuschauerinnen zu oder hält er sie durch Druck fern, müsste er folgerichtig von der FIFA ausgeschlossen werden. Was sich also im Teheraner Asadi-Stadion am 10. Oktober auf den Zuschauerrängen ereignen könnte, wird die Sportwelt mehr interessieren als das Resultat des WM-Qualifikationsspiels.

Nach der Wiederwahl des Bundesanwalts: Die Behörde gehört abgeschafft

stop-2717058_1280(causasportnews / red. / 28. September 2019) Die umstrittene Wahl von Michael Lauber zum Schweizerischen Bundesanwalt für eine weitere Amtsperiode gibt immer noch zu reden – auch ausserhalb der Schweiz. Das hängt vor allem mit dem Umstand zusammen, dass das Wahlgremium indirekt die widerrechtlichen und unopportunen Kontakte zwischen dem Bundesanwalt und dem Weltfussballverband FIFA (bzw. dessen Präsidenten) durch die Wahl legitimiert hat; in diesem Zusammenhang hat der Bundesanwalt immerhin das Gesetz verletzt und leidet offensichtlich an Gedächtnisschwäche – an sich keine optimale Voraussetzung für einen Ermittler und Ankläger… Sowohl im In- als auch im Ausland herrscht Unverständnis und auch Betroffenheit, dass das Schweizerische Parlament eine solche (Wieder-)Wahl vornehmen konnte (vgl. auch causasportnews vom 25. September 2019). Ganz zu schweigen vom Image-Schaden, den die Schweiz nach dieser Wahl erlitten hat und die das (Vor-)Urteil in der Welt, in der Schweiz seien die Verhältnisse zumindest sehr „verfilzt“ (Anmerkung: unter „Filz“ wird vor allem Günstlingswirtschaft, Mauschelei und Kumpanei verstanden) zementiert. Derzeit gilt für einmal das gängige Motto umgekehrt: „Tadel der Schuldigen und Lob der Unschuldigen“ (und nicht, wie in der Schweiz üblich: „Lob der Schuldigen, Tadel der Unschuldigen“). Wobei im konkreten Fall vor allem von den „Schuldigen“, welche die Wahl des alten und neuen Bundesanwalts ermöglicht haben, die Rede ist. Hierzu gehört insbesondere der schillernde Nationalrat der Liberalen, Christian Lüscher (FDP, Genf), der sich in einer flammenden Rede am Mittwoch für Bundesanwalt Lauber derart in Rage redete, dass dies selbst den Befürwortern der Lauber-Wahl peinlich wurde. In diesem Wahlgeschäft gaben (einmal mehr) die serbelnde und in der Schweiz immer noch überbewertete FDP und die Schweizerische Volkspartei (SVP) ein tristes Bild ab. Dass die Linken (SP, Grüne, CVP) die Wahl von Michael Lauber mehrheitlich unterstützen würden, verwundert nicht weiter (allerdings sprach etwa SP-Nationalrat Carlo Sommaruga von einer „Schande für die Strafverfolgung und das Image der Schweiz“). Jedenfalls spielten die direkt und indirekt hochbezahlten (Miliz-)Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit teils bescheidenen, schulischen Rucksäcken, die jedoch durchwegs mit Dritten (in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und über die Medien sowie im Rahmen von „Seilschaften“ jeglicher Art) verhängt sind, in Bern mehrheitlich eine traurige, aber gängige Rolle. Aufgrund der kleinmassstäblichen Verhältnisse in der Schweiz verwundert die skurrile Vorstellung des Parlamentes in dieser Woche bei der Wahl des Bundesanwaltes nicht. Zum Thema „Bundesanwaltschaft“ werden nun nach dem Debakel Optimierungsvorschläge für Verbesserungen der höchsten Ermittlungs- und Anklagebehörde des Landes zuhauf ausgebreitet. Dabei kann es realistischerweise nur eine Lösung geben: Die Auflösung dieser Behörde und Verlagerung der Kompetenzen der Bundesanwaltschaft auf die Kantone, die mit ihren Justiz-Organisationen weit kompetenter und professioneller zu agieren pflegen als die in einem Dauer-Tief stehende oberste Behörde, die immer wieder für Flops und Ärgernis sorgt und überdies als gewaltige Geldvernichtungsmaschinerie die Steuerzahlerinnen und –zahler unnötig belastet.

Parlament peinlich

Switzerland, Bern, 01.12.2010 Parlament mit Schnee.  © 2010 Béatrice Devènes

© Béatrice Devènes

(causasportnews / red. / 25. September 2019) Also sprach der immer wieder (erfolgreich tätige) investigativ agierende Journalist der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), Thomas Kistner, vor ein paar Tagen anlässlich des traditionellen Sportrechtseminars des Württembergischen Fussballverbandes e.V. in Wangen im Allgäu: Sollte der amtierende Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber für eine weitere Amtsperiode gewählt werden, hätte die Schweiz definitiv am 25. September 2019 den Beweis erbracht, dass sie eine „Bananenrepublik“ sei (vgl. auch causasportnews vom 5. September 2019). „Was in diesem Land im Zusammenhang mit dem Bundesanwalt und die Ermittlungen um die FIFA abgeht, wäre hier, in Deutschland, undenkbar“, sagte der Journalist vor bestandenen Richtern, Anwälten und Verbandsfunktionären.- Und so kam es nun, wie von Thomas Kistner befürchtet und vermutet, auch: Das Schweizerische Parlament hat am Mittwoch Bundesanwalt Michael Lauber, der im FIFA-Komplex eine mehr als schlechte Rolle gespielt hat und in diesem Segment nicht mehr amten darf (!), für eine weitere Amtsdauer, wenn auch knapp, wieder gewählt. Nun ist die Schweiz in den Augen des kritischen Auslandes also eine „Bananenrepublik“. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm; aber peinlich ist die erneute Wahl von Bundesanwalt Michael Lauber alleweil. Das Schweizerische Parlament lieferte bei diesem Wahlgeschäft in der Tat ein Bild von „Filz“, unsäglicher, politischer Kungelei, Verflechtungen und Opportunismus. Was dem Land wohl einen gewaltigen Reputationsschaden zufügen wird. Ein Bundesanwalt, der Gesetze verletze und an Amnesie leide, sei schlicht nicht (mehr) tragbar, meinte Thomas Kistner unwidersprochen vor versammelter, deutscher Sportrechtsprominenz. Mit den Gedächtnisstörungen spielte der Journalist auf den Umstand an, dass sich Michael Lauber nicht mehr an Gespräch mit FIFA-Präsident Gianni Infantino erinnern konnte. Bei der Wahl des Bundesanwaltes gab das Parlament in Bern in der Tat ein desaströses und deprimierendes Bild ab. Aber so funktioniert eben der Schweizer Polit-„Filz“, dem die Eigeninteressen durchwegs näher stehen als die Sachpolitik und das Wohl des Landes. Die Rechtsstaatlichkeit ist jedenfalls an diesem Mittwoch stark malträtiert worden und in den Augen des unbefangenen Auslandes auf der Strecke geblieben. Dass Michael Lauber für seine Wiederwahl noch die Dienst einer PR-Agentur in Anspruch nahm, sagt an sich alles. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Schweizer Parlament gelten weitgehend als besonders anfällig für Beeinflussungen jeglicher Art.

Mount Everest und Bremen im Brennpunkt

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Stau überall in den Bergen – hier am Jenner (1874m) bei Berchtesgaden (Bild: Urs Scherrer)

(causasportnews / red. / 25. September 2019) Das Bergsteigen, vor allem der Gang zum Dach der Welt, ist ein Kernthema in der neuen Ausgabe von „Causa Sport“ (Heft 3/2019, Erscheinungsdatum 30. September 2019). Dabei geht es, wie der Cover des Heftes zeigt, nicht nur um die Stau-Situation am höchsten Berg der Welt, sondern auch etwa um die Rechtsfolgen nach dem Abbruch einer Everest-Expedition aufgrund eines Erdbebens. Das Thema „Bergsteigen“ wird auch aus der Sicht eines Theologen abgehandelt; Dr. theol. Fulvio Gamba (Zürich) schildert seine Eindrücke einer Matterhorn-Besteigung. Er fühlte sich dabei nicht nur dem Himmel näher…

Besondern Raum im neuen Heft von „Causa Sport“ wird dem Bremer-Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 019 eingeräumt. Die Auferlegung der Kosten für ausserordentliche Polizeieinsätze an die Liga (konkret die Deutsche Fussball-Liga, DFL) bei Hochrisiko-Spielen ist vielerorts auf grosse Beachtung und seitens namhafter Juristen ebenso auf Kritik gestossen. Prof. Dr. Martin Nolte (Deutsche Sporthochschule Köln) erachtet die Entscheidung mehr als problematisch („Entscheid nach Rechtsempfinden – Schaden für den Rechtsstaat“).

„Causa Sport“ behandelt weitere brisante Aspekte des Sports. Dr. Carolin Bechtel (Köln) setzt sich etwa mit einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Juni 2019 auseinander („Kann ein Italiener Deutscher Meister werden?“). Die Doping-Bekämpfung in der Schweiz und in Japan (in Tokyo finden im nächsten Jahr die Olympischen Sommer-Spiele statt) bildet der Aufsatz von JD Shoichi Sugiyama (Tokyo) und MLaw Sena Hangartner (Zürich). Der Mediziner Dr. Ortlieb Böhm (Wieda) beschäftigt sich mit einem Urteil des Bezirksgerichts Zürich, das in „Causa Sport“ 2/2019 publiziert worden ist („Eiseninfusionen bei Athletinnen und Athleten nicht immer zeitgemäss“). Weitere Beiträge aus der Welt des Sport und mit dem Bezug zu diesem runden auch das neue, vielfältige Heft von „Causa Sport“ ab.

Jatta Bakery – das war es dann wohl doch (noch) nicht

question-2309042_1920(causasportnews / red. / 24. September 2019) Vor ein paar Tagen schien alles in trockenen Tüchern im Identitäts-Rätsel um den HSV-Spieler Jatta Bakery (causasportnews vom 16. September 2019). Offiziell gaben sowohl die staatlichen Behörden als auch die Verbandsjustiz Entwarnung: Jatta Bakery ist Jatta Bakery, hiess es unisono.- Doch das ist nun offenbar doch nicht mehr so sicher. Die Bremer Staatsanwaltschaft geht derzeit einem Hinweis aus Medienkreisen nach, wonach der Spieler bei seiner Registrierung als Flüchtling eine E-Mail-Adresse angegeben habe, die den Namen „Bakary Daffeh“ enthalten haben soll. Zwei Trainer wollen den angeblichen Jatta Bakery, der als gambischer Migrant in Deutschland entsprechend registriert wurde, unter diesem Namen Bakary Daffeh gekannt haben. Das Identitätsgerangel um den talentierten Jung-Spieler geht also weiter. Der Spieler selbst hat öffentlich bekräftigt, seit jeher Jatta Bakery zu sein. Der HSV, seine Anhänger und weitgehend auch die Medien stützten bis anhin den Spieler und warfen teilweise Personen, die an dieser Version zu zweifeln wagten, Rassismus vor. Nicht auszudenken also, falls Jatta Bakery doch einmal Bakary Daffeh gewesen sein sollte…

Publikationen zu „Good Governance im Sport“ – und zur staatlichen Sportförderung

190924_UG_Linden(causasportnews / red. / 19. September 2019) In der „Schriftenreihe Causa Sport“ sind soeben zwei für die Praxis wichtige Publikationen erschienen: Antworten auf die im organisierten Sport von Bedeutung gewordenen Governance-Fragen bietet die Untersuchung von Erik Linden, der vier gewichtige Institutionen des Sports, das Internationale Olympische Komitee (IOC), den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), den Internationalen Fussballverband (FIFA) sowie den Europäischen Fussballverband (UEFA), nach den 70 Good-Governance-Vorgaben des FEKDTS-Konzepts bewertet. Gemäss dieser Analyse können letztlich die Folgerungen gezogen werden, was in Sachen Governance für (auch andere) grosse Sportverbände und –organisationen gilt. Die Thematik nicht nur verstehen, sondern Vorschläge für die Praxis zu vermitteln – das ist das – erreichte – Ziel dieser Untersuchung (Erik Linden, Good Governance im Sport, Schriftenreihe Causa Sport, Bd. 19, 2019; ISBN 978-3-03891-129-6; CHF 66.-).

190924_UG_ZollingerDie Dissertation von Marco Zollinger untersucht die rechtlichen Rahmenbedingungen der staatlichen Sportförderung in der Schweiz auf der Ebene des Bundes, der Kantone sowie der Kommunen. Der Staat ist im Bereich der Sportförderung (selbstverständlich) an die Schranken des Rechts gebunden. Sich hier einen Überblick zu verschaffen ist nicht ganz einfach, wird aber in dieser Publikation gut nachvollziehbar vermittelt. Besonders beleuchtet werden die staatlichen Massnahmen zur Förderung des Leistungssports (Marco Zollinger, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der staatlichen Sportförderung in der Schweiz, unter besonderer Berücksichtigung des Leistungssports, Schriftenreihe Causa Sport, Bd. 20, 2019; ISBN 978-3-03891-137-1; CHF 74.-).

Jatta Bakery ist Jatta Bakery

(causasportnews / red. / 16. September 2019) Wenn heute Abend die beiden Hamburger Klubs FC St. Pauli und Hamburger Sport-Verein (HSV) im Millerntor-Stadion aufeinandertreffen, liegt in jeder Hinsicht und im wahrsten Sinnen des Wortes Zündstoff in dieser Partie drin. Kaum mehr Thema wird der Identitäts-Knatsch um den HSV-Spieler Jatta Bakery sein. Vor wenigen Wochen schockte die Meldung nicht nur die Fussball-Öffentlichkeit und das Umfeld des HSV, dass der 21jährige Spieler Jatta Bakery allenfalls nicht Jatta Bakery sein könnten, sondern ein zwei Jahre älterer Spieler mit dem Namen Bakary Daffeh (causasportnews vom 11. August 2019). Das hat sich nun zwischenzeitlich offensichtlich alles geklärt – beziehungsweise sieht es so aus. Die Geschichte um den HSV-Spieler erinnert an das Sommermärchen um die Fussball-WM-Endrunde 2006 in Deutschland, wo es einem Heer von Experten seit Jahren nicht gelingt, Licht in das Dunkle eines banalen Vorgangs zu bringen, insbesondere bezüglich einer Zahlung von 6,7 Millionen Euro.- Der Vorwurf der falschen Identität des Spielers aus Gambia, der seit 2016 erfolgreich beim HSV kickt, scheint sich zumindest nicht beweisen zu lassen. Zwischenzeitlich sind die Ermittlungen in dieser Sache eingestellt worden; Jatta Bakery verfügt über einen gültigen Reisepass auf den Namen Jatta Bakery und mit dem vermerkten Geburtsdatum 6. Juni 1998. Angeblich liegt nun auch eine entsprechende Geburtsurkunde vor. Seine Aufenthaltserlaubnis ist also nicht in Frage gestellt. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat alle entsprechenden Nachforschungen eingestellt. Auch für die Fussballbehörden hat sich alles glücklich gefügt. Spielproteste von drei Klubs wegen des Einsatzes eines nicht identifizierbaren Spielers durch den HSV haben sich ebenfalls in Luft aufgelöst. Ende gut, alles gut also um dieses Identitätsgerangel, das zumindest formell ad acta gelegt werden kann. So scheint es derzeit jedenfalls. Der unbefangene Betrachter der Szene reibt sich allerdings verwundert die Augen, wie und weshalb eine solche Behauptung, dass Jatta Bakery eine andere, zwei Jahre ältere Person sein könnte, vielleicht doch Bakary Daffeh, den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Schön jedenfalls, dass das Märchen um eine gelungene Integration eines eingewanderten Fussball-Wunderkindes ein gutes Ende genommen hat. Allerdings würde man die investigativen Medien unterschätzen, wenn davon ausgegangen werden sollte, die Suche nach einem gewissen Bakary Daffeh würde nun nicht fortgesetzt.

Spezielle Geldflüsse im Sport-Verbandswesen

euro-447214_1280(causasportnews / red. / 12. September 2019) Die Enthüllungsplattform „Football Leaks“ ist für den Sport eher ein Fluch (weil durchwegs negativ besetzt), für die Medien tendenziell ein Segen. Letztere können die Geschichten, welche das umfangreiche Recherche-Material hergibt, jedenfalls trefflich in der „Sauregurkenzeit“ ausbreiten. Wie nun etwa die Enthüllung zu Geldflüssen im organisierten Weltfussball, welche das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in der aktuellen Nummer (37/ 7. September 2019) der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringt. Erstaunlich ist die Story alleweil. Sie beginnt am Sitz des Europäischen Fussballverbandes (UEFA) in Nyon und könnte durchaus dereinst vor Gericht enden. So soll die UEFA dem Ukrainischen Fussballverband (FFU) seit ungefähr 15 Jahren Geld, das dem Verband diskussionslos zusteht, an eine Unternehmung auf den Britischen Jungferninseln bezahlt haben. Hinter dieser „Newport Management Ltd.“ im bekannten Steuerparadies soll ein bekannter Oligarch aus der Ukraine, der gleichzeitig als Präsident des Fussballklubs Dynamo Kiew amtet, stehen. Sein Bruder ist offenbar ein einflussreicher Funktionär der UEFA und war auch während vieler Jahre Präsident von Dynamo Kiew. Wie auch immer die personellen Verflechtungen sind: Sonderbar ist, dass Gelder, welche einem Mitgliedsverband der UEFA zustehen, nicht dem berechtigten Verband direkt, sondern einem Dritten in einer Steueroase bezahlt werden; Verbandsverantwortliche, hier der FFU, sind verpflichtet, dass Gelder ausschliesslich dem berechtigten Verband für dessen Aktivitäten im Dienste des Fussballs zufliessen. Das macht ein weiteres, grosses Problem manifest: An sich ist es einem Verein nach Schweizerischem Recht – und als solcher ist die UEFA organisiert – nicht gestattet, ein Vereinsmitglied (hier die FFU) derart grosszügig zu begünstigen; es müssen ideale Zwecke verfolgt werden. Im konkreten Fall ist immerhin von rund 400 Millionen Franken, die auf diese Weise während mehrerer Jahre an die FFU bezahlt worden sind, die Rede. Schleierhaft scheint, dass mit diesem Betrag aus der Sicht der UEFA Dritte ideell gefördert worden sein sollen. Aber vielleicht war es doch so. Es sei niemandem irgendetwas unterstellt und es gilt für alle die Unschuldvermutung, doch grundsätzlich ist vor Augen zu halten, dass eine vereinsrechtlich unzulässige Zweckverfolgung immer dann vorliegt, wenn einem Vereinsmitglied ein konkreter ökonomischer, geldwerter Vorteil verschafft wird. Sollte die zentrale Bestimmung von Art. 60 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) hier „geritzt“ worden sein, könnte dies zumindest vereinsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Die Organe eines Verbandes, konkret die UEFA, hat erstens die Pflicht dafür zu sorgen, dass, wenn schon, einem Mitglied, hier der FFU; direkt Gelder zufliessen; zweitens hat sie, zusammen mit der UEFA, zu beachten, dass bei einer solchen Konstellation keine unerlaubte, wirtschaftliche Zweckverfolgung angestrebt werden darf. Dies alles sind lediglich theoretische Überlegungen, die sich aufdrängen, sollten die vom Nachrichtenmagazin verbreiteten Fakten zutreffen. Nicht ganz wohl scheinen sich nun die Verantwortlichen der UEFA zu fühlen, allen voran der langjährige UEFA-Chefjurist Alasdair Bell und weitere Exponenten, durchwegs Weg-Gefährten des amtierenden FIFA-Präsidenten Gianni Infantino. Niemand scheint in diesem Vorgang die Übersicht zu haben. Jedenfalls sind sie alle nicht mehr in Nyon anzutreffen; die Funktionärs-„Karawane“ ist weitergezogen: Alasdair Bell & Co. sind seit rund einem Jahr beim Weltfussballverband FIFA in Zürich tätig und ihrem ehemaligen Chef gefolgt…Für den „Spiegel“ passt das alles zusammen. Der Vorgang dokumentiere „ein Ausmass an Misswirtschaft, das die Uefa auf eine Stufe mit dem Fussballweltverband stellt. Und tiefer als die Fifa kann eine Institution kaum sinken“, schreibt das Hamburger Magazin zur Enthüllung.

Was „Der Spiegel“ im Zusammenhang mit Dynamo Kiew auch noch zu berichten wusste: Der während kurzer Zeit in Kiew aktive Schweizer Nationalspieler Admir Mehmedi erhielt sein Salär nicht etwa vom Klub als Arbeitgeber bezahlt, sondern – von der selben Firma „Newport Management Ltd.“ auf den Britischen Jungferninseln. Der derzeit beim VfL Wolfsburg tätige Kicker kassierte so im ersten Vertragsjahr in Kiew steuergünstig rund eine Million Euro netto.

Vom Stellenwert des Nationalmannschafts- und Klub-Fussballs

(causasportnews / red. / 6. September 2019) Es kommt immer wieder vor, dass ein Fussballspiel im Vorfeld mehr zu reden gibt als dann das Spiel selbst. So war es etwa vor dem gestrigen EM-Qualifikationsspiel Irland – Schweiz, das 1:1 endete. Es war ein freudloses Spiel, „zum vergessen“, würde der Stammtisch zusammen fassen. Nicht aber das, was zuvor geschah. Da hat sich doch ein Mannschaftsträger des Schweizer Teams, Xherdan Shaqiri vom FC Liverpool, aus dem National-Team verabschiedet. Weshalb genau weiss eigentlich niemand. Deshalb belässt der Vorgang Raum für Spekulationen. Die Absage des Spielers an die Adresse der Nationalmannschaft könnte aber durchaus als Fingerzeig gedeutet werden. Dafür, dass das Thema „Nationalmannschaft“ für Fussballspieler an Bedeutung verliert – sowohl weltweit als auch in Europa (Spiele, wie gestern das 0:6 ausgegangene EM-Qualifikationsspiel Gibraltar gegen Dänemark sind letztlich nur noch Folklore und interessieren kaum, höchstens mit Blick auf die Qualifikations-Tabellen). Was durchaus dem Trend der Zeit entspricht. Die Akteure sind mit ihren Klubs arbeitsvertraglich verbunden und sehen dort mehr Chancen, mit ihren Arbeitgebern Titel zu gewinnen oder generell Erfolge zu erzielen. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass Xherdan Shaqiri in der erfolgreichen Klopp-Truppe hart um einen Stammplatz kämpfen muss. Dass die Klubs ihre Spieler für Nationalmannsschafts-Einsätze ungern abstellen, ist seit Jahren bekannt. Da meinte doch kürzlich der Fussball- und Gourmet-Experte Reiner Calmund in diesem Zusammenhang: „Mit der Nationalmannschaft habe ich als Spieler nur alle vier Jahre die Chance, Weltmeister zu werden. Die Champions League kann ich jedes Jahr gewinnen.“. Mit andern Worten: Der Klub ist den Spielern näher am Herzen als die Nationalmannschaft. Unter dieser Prämisse könnte mit dem Verhalten des Liverpool-Akteurs vor dem Irland-Spiel der Schweizer durchaus ein signifikanter Trend eingeläutet worden sein. Das würde auch den heutigen, gesellschaftlichen Tendenzen entsprechen, sich vom Länderdenken abzuwenden und global zu denken und zu handeln. Was national (geprägt) ist, wird auch im Sport immer mehr an Bedeutung verlieren. Das gilt für die Weltmeisterschaften der FIFA wohl ebenso wie für die Europameisterschaften der UEFA. Zweifelsfrei auch aufgrund der heutigen Völkermobilität. Deshalb ist es keine graue Theorie (mehr), dass in der nächsten Ausgabe von „Causa Sport“ (Heft 3/2019 erscheint am 30. September 2019: http://www.causasport.org) ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union wiedergegeben und von der Sportrechtsspezialistin und Leichtathletin Dr. Caroline Bechtel, Deutsche Sporthochschule Köln, kommentiert wird unter dem vielsagenden Titel: „Kann ein Italiener Deutscher Meister werden?“.

Bundesanwalt Lauber stolpert wohl über den „Fall FIFA“

img_2739(causasportnews / red. / 5. September 2019) Das war kein guter Tag gestern für den amtierenden Bundesanwalt Michael Lauber: Zuerst wurde bekannt, dass der oberste Ermittler des Bundes in den Vorgängen, welche den Weltfussballverband (FIFA) betreffen, nicht mehr amten darf und in den Ausstand treten muss (Urteil des Bundesstrafgerichts in Bellinzona vom 3. September 2019; CA.2019.13 – 16), danach erklärte die Gerichtskommission, dem Schweizerischen Parlament den Bundesanwalt nicht mehr zur Wiederwahl vorschlagen zu wollen. Das bedeutet nach menschlichem Ermessen, dass Bundesanwalt Michael Lauber am 25. September wohl nicht mehr gewählt werden dürfte und somit über den „Fall FIFA“ stolpern wird.

Eigentlich sind die Fakten klar: Der Bundesanwalt hat im Zusammenhang mit Treffen mit FIFA-Präsident Gianni Infantino Bestimmungen der Strafprozessordnung verletzt. Deshalb ist er selbstverständlich nicht mehr tragbar, zumal der höchste Strafverfolger der Schweiz nicht nur an Gedächtnislücken leidet; er erinnert sich nicht mehr, wann und wo und wie oft er mit dem FIFA-Präsidenten gesprochen hat (auf Protokolle kann er sich unglücklicherweise nicht abstützen), sondern auch völlig uneinsichtig ist. Die Wahl des Bundesanwalts durch das Parlament ist ein politischer Prozess. Und wenn Politiker/innen aktiv werden, ist bei umstrittenen Personalentscheiden das Chaos in der Regel vorgezeichnet. Auch in der „Causa Lauber“. Da erklärte der Sprecher der Gerichtskommission, SP-Mann Matthias Aebischer, ein ehemaliger TV-Mitarbeiter, kürzlich, die Kommission könne gar nicht anders, als Michael Lauber zur Wiederwahl zu empfehlen. Allerdings meinte er verunsichert, man sei sich auch nicht ganz im Klaren, ob im konkreten Vorgang juristisch oder politisch entschieden werden müsse. Tatsächlich? Selbstverständlich ist in einem solchen Fall aufgrund der Rechtslage politisch zu urteilen. Auch wenn der Antrag der Kommission nun contra den amtierenden Bundesanwalt vorliegt, ist die Personalie noch nicht ganz durch. Zu wählen haben letztlich die Parlamentarier/innen. Und diese fallen derzeit durch die wildesten Theorien auf. So etwa der Freisinnige Genfer Nationalrat und Anwalt (!) Christian Lüscher, der Michael Lauber wieder wählen will, weil sich einzelne Parlamentarier/innen nur emotional entscheiden würden und sich auf Kosten des Bundesanwalts profilieren wollten. Auch möglich. Nur auf die Idee, in der „Causa Lauber“ zu würfeln oder eine Entscheidung per Los herbeizuführen, ist noch niemand gekommen. Das ist aber auch noch möglich bis zum Wahltag.

Das ist an sich das Schöne an der Politik, dass noch so absurd dahingeredet werden kann – von irgendeiner Seite wird stets applaudiert. Diesmal von der CVP, die den Bundesanwalt (nachvollziehbar) wieder wählen will. Das Gerangel um die Wiederwahl von Bundesanwalt Michael Lauber ist u.a. Wasser auf die Mühle des ehemaligen DFB-Präsidenten und Juristen, Dr. Theo Zwanziger, gegen den die Bundesanwalt Anklage im Vorgang „Sommermärchen“ erhoben hat (vgl. auch causasportnews vom 14. August 2019). Er nannte die Ermittlungen der Schweizer Behörden im FIFA-Komplex eine Absurdität und bezeichnete die Vorgänge im Rahmen der Schweizer Justiz als Trauerspiel und die Schweiz sinngemäss als „Bananenrepublik“. Zumindest ein gewisses Verständnis für derartige Qualifikationen kann man schon haben…