
(causasportnews / red. / 12. März 2023) Der FC Hakoah Zürich hat im vergangenen Jahr sein 100jähriges Bestehen gefeiert. Der Verein ist allerdings mehr als nur ein Fussballklub, nämlich eine Fussballsportvereinigung, die tief verwurzelt in der jüdischen Kultur ist. Das wird aus einer aktuellen Publikation manifest. Der Klub steht gemäss Untertitel des soeben erschienenen Buches für 100 Jahre Vielfalt, Offenheit und Toleranz; der Haupttitel ist selbstredend: «De Stern ufem Herz, in Züri dihei» (Der Stern auf dem Herzen, in Zürich zu Hause). Die Autorinnen und Autoren des Bandes halten vorweg fest, dass es zwar nicht (mehr) dem Zeitgeist entspreche, ein Buch zu verfassen, doch, um etwas Bleibendes zu schaffen, eigne sich eben eine Publikation, wie sie nun vorliegt und vom Zürcher Chronos-Verlag produziert und vertrieben werde auch in der modernen Zeit. Das fast 150 Seiten starke, teils mit Bildern versehene Werk, ist ein kulturgeschichtliches Juwel, insbesondere aufgrund der einmaligen Konstellation im Spannungsfeld zwischen organisiertem Sport und Judentum. Die Fragen (und die Antworten dazu), weshalb Juden in Zürich einen jüdischen Fussballverein gegründet haben, sind zentral und können nur im allgemeinen, kultur-geschichtlichen Kontext verstanden werden. So sind die komplementären Ausführungen zur Gründung jüdischer Turnvereine in der Schweiz nicht nur in historischer Hinsicht von bemerkenswerter Bedeutung (der von Max Nordau geprägte Begriff des «Muskeljudentums» fördert das Verständnis, weshalb der Sport eine personelle und personenbezogene, jüdische Komponente aufweisen soll). Der FC Hakoah (Hakoah heisst auf Hebräisch «Stärke») galt lange Zeit als Auffanginstitution im Raum Zürich für jüdische Immigranten und durchlebte in den letzten Jahren nachvollziehbar eine bewegte Geschichte, auch eine Geschichte bekannter Namen und Exponenten (diese Geschichte kann übrigens im Moment im Museum des FC Zürich nachverfolgt werden). So wurde um die Mitte des letzten Jahrhunderts der aus Polen eingewanderte Textilwarenhändler Abraham Schawinski Juniorenobmann beim FC Hakoah, sein Sohn, der immer noch im Mediengeschäft aktive Roger Schawinski, auch Gründer des Kult-Radiosenders «Radio 24», kickte für den Nachwuchs.
Es versteht sich fast von selbst, dass der Verein am organisierten Sportleben in Zürich nicht immer konfliktfrei teilnahm. So führte die Thematik der Sabbatheiligung zu einer jahrelangen Fehde mit dem Fussballverband des Kantons Zürich, der seine Delegiertenversammlungen (konsequent oder wie auch immer) an Samstagen abzuhalten pflegte. Beleuchtet wird das Verhältnis des FC Hakoah zu den bekanntesten Zürcher Fussballklubs, FC Zürich und Grasshopper Club Zürich (GC). Auf der einen Seite war und ist die Beziehung der jüdischen Fussballer zum (ehemaligen) sog. «Arbeiterklub» FC Zürich unproblematisch, und das Zusammenwirken auf verschiedenen Ebenen zwischen dem Stadtklub und dem FC Hakoah gestaltet sich bis heute geradezu harmonisch und freundschaftlich. Geradezu «schwierig» (Publikation) ist auf der anderen Seite das Verhältnis des jüdischen Klubs und jüdischer Sportler zu GC zu qualifizieren. Hierzu findet sich in der Publikation Detailliertes, das nun schnörkellos wiedergegeben wird. «Lange galt in der jüdischen Gemeinschaft Zürichs der noble Verein als antisemitisch», heisst es wörtlich. Ebenso wird festgehalten, dass im GC «lange eine gewisse antisemitische Tradition bestand». Diese sei lange mit dem ehemaligen Zentralpräsidenten Walter Schoeller (im Amt von 1934 bis 1967) verbunden gewesen und sei es teils auch heute noch (so wird etwa in der Tennis-Sektion bis heute der traditionelle «Schoeller Cup» ausgetragen; der Name «Schoeller» wird also perpetuiert). Der Geschäftsmann Walter Schoeller sei, wie fast alle GC-Unterstützer, im Umfeld der Freisinnigen Partei (FDP) und der heutigen Credit Suisse (CS) anzutreffen gewesen. Unter dem GC-Zentralpräsidenten waren jüdische Sportler nicht willkommen, und Arbeiterkindern war es sogar untersagt, für GC zu spielen. «Die antisemitische Haltung bei den Grasshoppers lässt sich klar mit Schoellers Amtszeit verbinden», heisst es im Buch. Wieweit sich das «schwierige Verhältnis von GC» zum jüdischen Fussball auch heute noch nachzeichnen lässt, ist der Publikation nicht zu entnehmen. Für GC und Zürich beschämend ist das in der Publikation zu diesem Kapitel gezogene Fazit: «»Schoeller duldete im Verein keine Juden, es sei denn, sie gehörten zum Geldadel».- Selbstverständlich hat sich bis heute in dieser Hinsicht im Grasshopper Club und in der Stadt Zürich einiges (alles?) geändert, und die Verhältnisse haben sich ebenfalls verändert und gewandelt. Die Fussballsektion des Clubs versucht seit Jahren, an die sportlichen Erfolge früherer Zeiten anzuknüpfen. Sportlich und wirtschaftlich mutet der Kraftakt sonderbar an, dass sich der Fussball-Rekordmeister vor drei Jahren chinesischen Investoren ausgeliefert hat. So ist denn zufolge der Erfolglosigkeit des Clubs wenigstens die unrühmliche Vergangenheit von GC mit Blick auf das Verhältnis beispielsweise zum jüdischen Sport weitgehend nur noch Geschichte. Und das ist wohl auch gut so.
(FC Hakoah Zürich, Hrsg., «De Stern ufem Herz, in Züri dihei», Hundert Jahre Vielfalt, Offenheit und Toleranz, Chronos Verlag, Zürich, 2023)