Archiv für den Monat April 2016

„Sommermärchen“ dank Erinnerungsschwächen weiter intakt

(causasportnews / red. / 27. April 2016) Das „Sommermärchen“ 2006 (Fussball-WM-Endrunde in Deutschland) bleibt märchenhaft. Die Hoffnungen auf Klärung der Vorgänge im Zusammenhang mit dem WM-Zuschlag an Deutschland im Jahr 2000 ruhten jüngst auf dem Landgericht Köln, das heute die Unterlassungsklage von Günter Netzer gegen Theo Zwanziger hätte verhandeln sollen, wobei das „Sommermärchen“ durchaus von der Realität hätte entzaubert werden können. Da hatte nämlich der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger gesagt, der ehemalige Fussball-Professional Günter Netzer hätte ihm gegenüber in einem Gespräch im Jahr 2012 eingestanden, für den WM-Zuschlag an Deutschland seien vier Stimmen von FIFA-Exekutivkomitee-Mitgliedern „gekauft“ worden (vgl. auch causasportnews vom 24. April 2016). Dem widersprach Günter Netzer, der von Theo Zwanziger die Unterlassung der Behauptung verlangte. Der Inhalt des besagten Dialogs wäre nun Gegenstand der beim Landgericht Köln eingereichten Unterlassungsklage in der Causa Netzer c. Zwanziger gewesen. Eine Entscheidung hätte wohl auch Klarheit in Bezug auf das seit letztem Jahr nicht mehr ganz so märchenhafte „Sommermärchen“ 2006 bringen können. Daraus wurde nun allerdings nichts, denn weil sich die Parteien vor der Verhandlung auf einen Vergleich geeinigt haben, ist der mit Spannung erwartete Prozess in Köln entfallen. Die beiden Protagonisten könnten sich an den Inhalt des Gesprächs nicht mehr genau erinnern, liessen die involvierten Anwälte verlauten. Item. Theo Zwanziger erklärte vergleichsweise, die getätigte Aussage nicht mehr zu wiederholen; Günter Netzer bekräftigte, er habe die Aussage mit Bezug zum Stimmenkauf nicht getätigt. Folge des Vergleichs: Das deutsche „Sommermärchen“ bleibt (weiterhin bzw. vorläufig) intakt – offensichtlich dank Erinnerungsschwächen zweier in die Jahre gekommener, ehemaliger Fussball-Protagonisten. Es wird mithin immer schwieriger, noch einen Beweis dafür beizubringen, dass die WM-Endrunden-Vergabe an Deutschland dank einem „Stimmenkauf“ zu Stande gekommen ist.

Max Kruse/Marco Reus: Si duo idem faciunt (non) idem est?

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DFB-Bundestrainer Joachim Löw: Zweierlei Mass? (Bild: User:Steindy)

(causasportnews / man / 26. April 2016) Die Fussball-Europameisterschaft steht vor der Tür, und die deutsche Nationalmannschaft hat ein grosses Ziel. Als amtierender Weltmeister will sie selbstverständlich auch Europameister werden. Dafür bedarf es einer starken Mannschaft. Die Nominierungen von Nationalspielern stehen unter medialer Beobachtung. Dasselbe gilt für Suspendierungen. Der jüngste Fall ist derjenige von Max Kruse. Dessen Rauswurf beruht auf mehreren Vorfällen. Ende vergangenen Jahres „vergass“ der Spieler nach durchzechter Pokernacht 75 000 Euro in einem Taxi. Dann kursierte ein Nacktvideo mit ihm im Internet. Nun nahm der Fussball-Star einer Reporterin den Fotoapparat ab und löschte Bilder, die ihn beim nächtlichen Tanz in einer Berliner Diskothek zeigten. Das war dem Bundestrainer Joachim Löw zu viel. Er sah sich zum Handeln veranlasst und suspendierte Max Kruse, weil dieser seiner Vorbildrolle als fokussierter und konzentrierter Nationalspieler zum wiederholten Male nicht entsprochen und sich trotz eindringlicher Mahnungen abermals unprofessionell verhalten habe. Die Massnahme des Bundestrainers darf als richtig qualifiziert werden und ist als deutliches Signal an jeden Nationalspieler zu verstehen. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) sah dies jedoch anders. Sie empörte sich und bescheinigte dem deutschen Fussball eine zur „Triplemoral“ gesteigerte Form doppelmoralischen Verhaltens. Dabei verwies die FAS auf einen anderen Nationalspieler (Marco Reus), der trotz Fahrens ohne Führerschein nicht aus dem Kader gestrichen worden sei. Für die FAS schienen die Fälle offenbar miteinander vergleichbar zu sein, frei nach dem Motto: „Si duo idem faciunt (non) idem est“. Aus sportfachlicher Sicht sind sie es indessen nicht. Denn schliesslich besteht ein Unterschied darin, ob ein Nationalspieler Nächte durchzecht und Ermahnungen des Bundestrainers ignoriert (Max Kruse) oder aber ein Fehlverhalten ohne Bezug zum Fussball einräumt und sich geläutert zeigt (Marco Reus). Nicht allen Medien will dieser Unterschied einleuchten. Schlimmer noch: Indem die FAS eine nachvollziehbare Entscheidung als „Triplemoral abkanzelt, schwingt sie sich selbst zum moralischen Oberrichter auf. Diesem fehlt zwar bekanntlich jegliche Bindung an eine Prozessordnung. Ein Blick ins Matthäus-Evangelium täte ihm gleichwohl gut. Denn dort steht die Moral von dieser Geschicht‘: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“!

Kommt bald „Sepp – Der Film“?

1459926539(causasportnews / red. / 25. April 2016) Seit einigen Tagen ist das angekündigte Buch des ehemaligen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter, geschrieben vom langjährigen FIFA-Mitarbeiter Thomas Renggli, im Verkauf (Thomas Renggli/Sepp Blatter, Mission & Passion Fussball, Werd & Weber Verlag, 2016; als speziell darf hervorgehoben werden, dass der SP-Politiker und ehemalige Nationalrat Andreas Gross und der Ex-Chefredaktor der „Schweizer Illustrierten“, Peter Rothenbühler – beide nicht gerade als Verfechter bürgerlichen Gedankengutes bekannt – mitgewirkt haben). Nach der Buchvernissage im FIFA-Restaurant „Sonnenberg“ in Zürich (vgl. auch causasportnews vom 18. April 2016) folgte in den letzten Tagen in den Medien Verriss um Verriss. In der Tat sind die Reflexionen des zwischenzeitlich 80 Jahre alt gewordenen Wallisers nach über 40 Jahren Tätigkeit für die FIFA auch bei objektiver Betrachtung kein „Gassenhauer“. Begegnungen, Fussball-Höhepunkte, Emotionales, Reminiszenzen und Erkenntnisse aus der Warte von Joseph Blatter werden zwar unterhaltsam geschildert, die „Räubergeschichten“, auf die die Welt gewartet hat, fehlen jedoch – und das will heute das Publikum, wenn sich eine Persönlichkeit wie Joseph Blatter aufmacht, dem Globus die Welt aus subjektiver Sicht zu erklären. In der Publikation findet sich nichts, das die Welt aus dem Munde des ehemaligen FIFA-Präsidenten nicht schon mindestens einmal vernommen hätte. Alles in allem scheint es sich eher um Papier gewordene Frustbewältigung zu handeln. Und nun soll die begonnene publizistische Tätigkeit von Joseph Blatter eine Fortsetzung finden: Er wird Kolumnist einer Sonntags-Zeitung. Die Protagonisten der „Neuen Zürcher Zeitung“ übergiessen den künftigen Journalisten-Kollegen mit Häme auf Vorschuss und schreiben, das Schlimme an Blatters Buch sei, dass man die Vorfreude auf die angekündigte Kolumne verliere („NZZ“ vom 25. April 2016, 35). „Schau’n mer mal“, würde Franz Beckenbauer sagen. Und was kommt danach? „Sepp – Der Film“ vielleicht? Bei Otto Waalkes bedeutete das 1985 auch den grossen Durchbruch –  seit „Otto – Der Film“ finden Otto (fast) alle lustig…

Theo Zwanziger vor nächstem juristischen Gefecht

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Dr. Theo Zwanziger

(causasportnews / red. / 24. April 2016) Kaum hat der ehemalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger eine juristische Attacke seitens des Fussballverbands von Katar (QFA) abgewehrt (vgl. causasportnews vom 20. April 2016), erwartet ihn bereits die nächste rechtliche Herausforderung: Am 27. April wird er (erneut) als Beklagter vor Gericht erscheinen müssen, diesmal vor dem Landgericht Köln. Verhandelt wird dann die Causa Günter Netzer c. Theo Zwanziger. Prozessgegenstand ist eine Unterlassungsklage des Ex-Fussballspielers Günter Netzer gegen den langjährigen DFB-Präsidenten. Im weitesten Sinne dreht sich das Verfahren um das angeblich gekaufte „Sommermärchen“, also die WM-Endrunde 2006 in Deutschland. Dieses Märchen ist zwischenzeitlich – je nach Sichtweise – zur Tragödie oder Komödie geworden. Gemäss Medienberichten soll diese WM-Vergabe manipuliert worden sein – eventuell mit 6,7 Millionen Euro, von denen immer noch nicht klar ist, für was sie von Deutschland aus in Richtung weite Welt geflossen sein sollen (causasportnews berichtete verschiedentlich darüber). Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte Theo Zwanziger im vergangenen Jahr gesagt, Günter Netzer hätte ihm im Jahr 2012 eingestanden, dass beim WM-Zuschlag für Deutschland (im Jahr 2000) vier Stimmen von FIFA-Exekutivkomitee-Mitgliedern gekauft worden seien. Günter Netzer bestreitet, eine solche Aussage getätigt zu haben und reichte die Unterlassungsklage ein, nachdem sich Theo Zwanziger geweigert hatte, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Nun soll das Landgericht nach dem Begehren des ehemaligen Weltklasse-Fussballers die Unterlassung der Äusserung anordnen. Günter Netzer will seine Behauptung durch seine Frau, die beim fraglichen Gespräch in Zürich dabei gewesen sei soll, erhärten lassen. Theo Zwanziger meint hierzu, Elvira Netzer sei nicht einmal während der ganzen Zeit des Gesprächs dabei gewesen. Der ehemalige DFB-Präsident und versierte Jurist scheint auch dieser Klage entspannt entgegen zu blicken und meinte, Elvira Netzer solle ruhig einen Meineid schwören. Ob Theo Zwanziger nach der „Causa Katar“ auch in diesem Verfahren siegreich bleiben wird, soll sich nun in Köln weisen. Kaum erhellen wird das Verfahren am 27. April 2016 die seit Monaten diskutierte Frage, wofür aus einer Kasse des DFB 6,7 Millionen Euro bezahlt worden sind. Eines der bestgehüteten Geheimnisse im organisierten Fussball dürfte so schnell nicht enthüllt werden – auch nicht im Kölner Verfahren.

Menschenrechte, Nichtdiskriminierung, Gleichheit der Geschlechter – Die FIFA als philantropische Vorreiterin?

Flag_of_FIFA.svg(causasportnews / red. / 22. April 2016) Mitte kommender Woche, am 27. April 2016, werden die signifikant geänderten Statuten des Weltfussballverbandes FIFA in Kraft treten. Im Fokus des Interesses werden dabei vor allem diejenigen Statutenbestimmungen stehen, die die Organisation der FIFA sowie die Tätigkeit ihrer Funktionäre (insbesondere etwa Amtszeitbeschränkungen und Offenlegung der Vergütungen) betreffen; diese machen den Kern der jüngsten, allgemein als eminent wichtig empfundenen FIFA-Reformen aus.

Mit der Statutenrevision einher geht jedoch auch eine weitere, für die Zukunft der FIFA richtungsweisende Bestimmung: Gemäss dem neuen Art. 3 der FIFA-Statuten verpflichtet sich die FIFA, „alle international anerkannten Menschenrechte zu respektieren“ und sich für den Schutz dieser Rechte einzusetzen. Zusammen mit dem bereits vorbestehenden, im Zuge der jüngsten Statutenrevision nur marginal ergänzten „Nichtdiskriminierungsartikel“ (Art. 4 der FIFA-Statuten, in dessen Titel nun aber auch der Ausdruck „Gleichheit der Geschlechter“ prominent figuriert) werden die Aktivitäten des Sportverbandes zusehends mit einem „guten Gewissen“ unterlegt. Es wird interessant sein zu sehen, wo die FIFA schliesslich die Grenze ziehen wird – Umwelt- und Tierschutz, Armutsbekämpfung, Minderheitenschutz? Die Liste von potenziell (auch) noch aufzunehmenden Aspekten ist lang.

Dabei ist bereits die (rechtliche) Tragweite des neuen Art. 3 der FIFA-Statuten nicht ohne Brisanz. Der Schutz von Menschenrechten ist primär Aufgabe der Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft, nicht von privaten Einrichtungen und Organisationen wie der FIFA. Im Grunde haben die einzelnen Staaten sicherzustellen, dass private Einrichtungen im ihrem Hoheitsbereich die Menschenrechte achten – und nicht umgekehrt. Mit der (demnach etwas „konzeptionsfremden“) Selbstverpflichtung der FIFA zur Respektierung „aller international anerkannten Menschenrechte“ könnte die FIFA eine Türe öffnen, die ihr einiges Ungemach einbringen könnte. Zudem ist vollkommen unklar, was unter den Begriff der „international anerkannten Menschenrechte“ fällt. Sollen zu diesen beispielsweise auch sog. „Sozialrechte“ gehören? Über solche und ähnliche Fragen besteht bereits im Rahmen der Diskussionen über den Schutz der Menschenrechte im (zwischen-)staatlichen Kontext Uneinigkeit.

Ein vom renommierten Menschenrechtsexperten Prof. Dr. John Ruggie von der Harvard Kennedy School (Boston, USA) im Auftrag der FIFA kürzlich vorgelegter Bericht zu „FIFA & Human Rights“ hat diesbezüglich nur wenig Erhellendes erbracht. Der Bericht fokussierte hauptsächlich darauf, wie die FIFA die Respektierung der Menschenrechte konkret in ihre weltweiten Aktivitäten einbetten kann. Gestützt auf die Empfehlungen von Prof. Ruggie, dem früheren UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte, beabsichtigt die FIFA nunmehr, eine eigenständige „FIFA Human Rights Policy“ auszuarbeiten, welche die Grundlage für alle künftigen Geschäftsbeziehungen der FIFA bilden soll. Die neue Policy soll dabei insbesondere die Erwartungen definieren, welche die FIFA an ihre Geschäftspartner hat und – als entscheidenden Punkt – als Voraussetzung für das Eingehen einer Geschäftsbeziehung betrachtet. Es scheint, als wolle die FIFA mit solchen Bestrebungen, die im nicht-sportbezogenen Wirtschaftsleben schon länger verbreitet sind (etwa in Form der sog. Business Social Compliance Initiative BSCI), auch im Bereich der immer wichtiger werdenden „Corporate Social Responsibility“ eine Vorreiterrolle unter den internationalen Sportverbänden in Sachen Philantropie übernehmen.

Von besonderer Bedeutung wird allerdings sein, wie die Human Rights Policy schlussendlich um- und durchgesetzt werden wird – ob sie beispielsweise dazu führt, dass Mitgliedsverbände aus bestimmten Ländern vom Bewerbungsprozess für eine Fussballweltmeisterschaft ausgeschlossen oder im Extremfall einem Verband, der den Zuschlag erhalten hat, die Austragungsrechte gar wieder entzogen werden. Oder ob die FIFA bestimmten Unternehmen, die gewisse Menschenrechtsstandards nicht erfüllen, Geschäftsbeziehungen verweigert. Im Zusammenhang mit solchen Vorgängen sind rechtliche Komplikationen freilich nicht weit; so ist nicht ausgeschlossen, dass entsprechend betroffene Unternehmen gegen die FIFA auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts vorzugehen versuchen werden. Dabei ist zwar grundsätzlich anzunehmen, dass die FIFA aufgrund der hehren Motive (Schutz der Menschenrechte) eine gute Argumentationsposition haben wird. Ob diese jeweils vor den zuständigen gerichtlichen Instanzen oder Wettbewerbsbehörden letztlich Bestand haben werden, muss sich zeigen.

Theo Zwanzigers Prozessieg gegen Katars Fussballverband

(causasportnews / red. / 20. April 2016) Die Äusserung des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Katar sei ein „Krebsgeschwür des Weltfussballs“ bleibt für diesen ohne juristische Konsequenzen. Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (6 O 226/15) hat am 19. April 2016 eine entsprechende Unterlassungsklage des Fussballverbands von Katar (Qatar Football Association, QFA) abgewiesen. Der unterlegen Verband hat Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf angekündigt. Das Gericht erkannte, die Äusserung von Theo Zwanziger sei zwar ein beleidigendes Werturteil, jedoch durch die Meinungsfreiheit gedeckt und keine Schmähkritik. Der Satz des Anstosses fiel anlässlich eines Interviews, das Theo Zwanziger am 2. Juni 2015 dem Hessischen Rundfunk gewährt hatte. Im Rahmen dieses Interviews, bei dem verschiedene Probleme im Weltfussball zur Sprache kamen, so auch die umstrittene Vergabe der WM-Endrunde 20122 durch die FIFA an Katar, sagte der ehemalige DFB-Präsident und einstiges Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees: „Ich habe immer gesagt, dass Katar ein Krebsgeschwür des Fussballs ist“ (vgl. hierzu auch causasportnews vom 15. Juni 2015 und 12. Februar 2016). Das abweisende Urteil war erwartet worden; das Berufungsverfahren dürfte kaum mit einem anderen Resultat enden. Insbesondere in Deutschland ist das Düsseldorfer Urteil weitgehend positiv aufgenommen worden. Allerdings unzutreffenderweise sind auf Grund dieses Entscheids bereits Prognosen für den „Fall Böhmermann“ gestellt worden. Der „Fall Zwanziger/QFA“ kann mit der „Causa Böhmermann“ allerdings nicht einmal ansatzweise verglichen werden. Falsch ist auch die von Medien verbreitete „Glücksmeldung“, Theo Zwanziger dürfe nun Katar unbesehen als „Krebsgeschwür des Fussballs“ bezeichnen. Das Gericht hat einzig die getätigte Äusserung im Kontext des gewährten Interviews beurteilt.

Einmal mehr: Deutsche Glücksspielregelung rechtswidrig

index(causasportnews / red. / 20. April 2016) Der in Deutschland vieldiskutierte Glücksspielstaatsvertrag sieht unter anderem die zahlenmässige Begrenzung von erteilbaren Sportwettenkonzessionen auf 20 vor. Diese Normierung verstösst nach einem soeben bekannt gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden allerdings gegen das Recht der Europäischen Union (EU). Nach Auffassung des Gerichts krankt das Konzessionsverfahren an der notwendigen Transparenz; zudem sei es unverhältnismässig. Die Begrenzung der Anzahl Sportwettenkonzessionen auf 20 stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die EU-Grundfreiheiten dar und könne demnach nicht angewendet werden. Dem Urteil lag der Fall eines Sportwettenanbieters zugrunde, der sich um eine bundesweite Konzession bemüht und auch die herfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hatte, jedoch wegen der Konzessionserteilungsbegrenzung keine Konzession erhielt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden erkannte nun, dass das zuständige hessische Innenministerium dem klagenden Sportwettenunternehmen eine Konzession erteilen müsse. Die Feststellungen des Gerichts dürften auch Auswirkungen auf die politische Diskussion haben. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer hatten sich noch vor dem Bekanntwerden der Wiesbadener Entscheidung darauf verständigt, an der zahlenmässigen Begrenzung der erteilbaren Konzessionen zwar festzuhalten, die Zahl aber auf 40 zu erhöhen. Der Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes, Mathias Dahms, hat jedoch auch für diese Vorgehensweise kein Verständnis und betrachtet die Begrenzung auf 40 Konzessionen ebenfalls als rechtswidrig, da jeder Bewerber, welcher die Voraussetzungen erfülle, auch Anspruch auf eine Konzession habe. „Eine Beschränkung auf 40 Konzessionen ist genauso willkürlich wie eine Beschränkung auf 20“, sagt er. Mathias Dahms fordert nun von den Ministerpräsidenten, ihre Pläne zu überdenken. Es gelte, Rechtssicherheit herzustellen und den Glücksspielstaatsvertrag grundlegend zu reformieren.

Ex-FIFA-Präsident Blatter im Un-Ruhestand: Si tacuisses…

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Joseph S. Blatter | Bild: Alexanderps

(causasportnews / red. / 18. April 2016) Der abgetretene FIFA-Präsident Joseph Blatter hat fraglos viel Positives für den Fussball, ja für den Sport insgesamt bewirkt. Sein Ausscheiden aus dem Weltfussballverband war indessen negativ geprägt, und während der letzten Phase seines Wirkens als Top-Funktionär legte sich zusehends ein Schleier von Günstlingswirtschaft, Korruption und diskutabler Unternehmungsstruktur über die FIFA, das Lebenswerk und die „Geliebte“ (O-Ton) des zwischenzeitlich 80 Jahre alt gewordenen Wallisers. Der Schnitt mit der FIFA ist für Joseph Blatter noch nicht endgültig vollzogen: Die Bundesanwaltschaft ermittelt weiter gegen ihn und bezüglich der durch den Weltverband wegen Verstössen gegen das FIFA-Ethikreglement verhängten Sanktionen läuft das Verfahren vor dem Sportschiedsgericht CAS noch. Bei der FIFA ist der Ex-Präsident zur Zeit eine „persona non grata“ – isoliert, ge- und verbannt. Das hindert ihn aber offenbar nicht daran, sich in der Öffentlichkeit zu äussern und insbesondere seinen Unmut gegen das ihm Widerfahrene kund zu tun. So, wie es Joseph Blatter vergangene Woche an der Universität Basel – im Rahmen einer von der Juristischen Fakultät organisierten Podiumsdiskussion – getan hat. Zu Beginn der Veranstaltung wurde er allerdings von Studenten in klassenkämpferischen Art niedergeschrien; gegen Ende musste er sich dann vom früheren Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Luis Moreno Ocampo, bezüglich des „richtigen“ Verhaltens im Umgang mit Korruption coram publico belehren lassen (pro memoria: Moreno Ocampo war 2012 für die damals neu geschaffene Position des Vorsitzenden der Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission im Gespräch gewesen; ihm wurde letztlich aber der Amerikaner Michael J. Garcia vorgezogen – ein Umstand, zu dem Moreno Ocampo in seiner Diskussion mit Joseph Blatter gewiss die erforderliche objektive Distanz hatte…). Dazwischen durfte sich der Ex-FIFA-Präsident die von Studenten der Juristischen Fakultät in einer ganzen Woche (!) erarbeiteten Vorschläge für (weitere) FIFA-Reformen anhören – gemäss Prof. Mark Pieth, der die Podiumsdiskussion organisiert hatte, waren darunter durchaus neue und beachtenswerte Ideen. Ob Domenico Scala, der Vorsitzende der FIFA Audit und Compliance Kommission, und Francois Carrard, der Vorsitzende der FIFA-Reformkommission, die beide über Monate hinweg unter Rückgriff auf hochkarätige Insider aus dem Fussballbusiness umfassende Reformvorschläge in Bezug auf die FIFA ausgearbeitet haben (und von denen die allermeisten nun auch tatsächlich umgesetzt werden), diese Einschätzung teilen, ist nicht bekannt.

Man muss sich fragen, weshalb sich Joseph Blatter solche Auftritt antut. Dass sich das Publikum daran ergötzt, wenn eine Person auf diese Weise fast schon „vorgeführt“ wird, ist keine Überraschung mehr. Jedenfalls haben auch die Organisatoren der Basler Veranstaltung dem Walliser, der nach eigenen Worten „nie aufgibt“, mit diesem Event keinen Dienst erwiesen. Der ehemalige FIFA-Präsident sich selbst mit der Teilnahme daran allerdings auch nicht. Und es könnte noch schlimmer kommen. Denn Joseph Blatter hat ein Buch geschrieben. „Sepp Blatter, Mission & Passion Fussball“ wird es heissen. Offenbar hat er das Buch schreiben lassen, und zwar von einem früheren persönlichen Kommunikationsmitarbeiter der FIFA, der zusammen mit Joseph Blatter den Dienst im Weltfussballverband quittierte. Am 21. April 2016 soll es der Öffentlichkeit vorgestellt werden, und zwar im Restaurant „Sonnenberg“ in Zürich, das – nota bene – der FIFA gehört und an einen Event-Manager verpachtet ist. In der „Höhle des Löwen“ wird sich Sepp Blatter also zu Wort melden. Nur hundert Meter vom früheren FIFA-Sitz entfernt, in dem er über Jahre die Grundsteine zur Erfolgsgeschichte des Weltfussballverbandes gelegt hat. Er wird seine Sichtweise der Dinge darlegen. Aus dem Stand heraus und zwischen Buchdeckeln. Und sich anlässlich eines (weiteren) Podiumsgesprächs mit zwei Linken (!) austauschen. All das ist dem Ex-FIFA-Präsidenten fraglos unbenommen. Aber muss das wirklich auch alles gemacht werden? Sepp Blatter, eine Persönlichkeit des Fussballs, will offenbar Gegengewichte zur öffentlichen, klar negativ gefärbten Meinung setzen. Und seine „Claqueure“ und Einflüsterer halten ihn offenkundig nicht davon ab. Sie profitieren vor allem persönlich von der Show, die sie selbst inszenieren – in ihrem Sinne, aber nicht im Sinne der Sache; und schon gar nicht im Interesse des ehemaligen FIFA-Präsidenten. Würde Joseph Blatter wenigstens bis auf Weiteres alleine die Fakten sprechen lassen, wäre ihm vermutlich weitaus mehr gedient. „Si tacuisses, philosophus mansisses“ wäre die Losung gewesen, die man ihm hätte zuflüstern müssen. Denn die Zeit heilt Wunden und lässt einiges vergessen, auch im Fussball. Und die  moderne Sport-Geschichte ist überwiegend interpretationsfrei.

Olympische Luftschlösser

Olympic_rings_with_white_rims.svg(causasportnews / red. / 17. April 2016) Austragungsorte für Olympische Spiele zu finden, wird immer schwieriger, und früher oder später werden diese Grossveranstaltungen wohl nur noch an fixen Standorten (Sommer- und Winterspiele) ausgetragen werden. Die Sportmacht Deutschland versucht seit 1972 (München), wieder Olympische Spiele nach ins Land zu holen – vergeblich. Ende des letzten Jahres hat die Hamburger Bevölkerung den Bestrebungen, 2024 die Sommerspiele in Hamburg und Kiel auszutragen, eine Abfuhr erteilt. Aber auch Projekte für Olympische Winterspiele etwa in München und Garmisch-Partenkirchen sind am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Sogar die Kandidatur Berlin 2000 hat trotz der damaligen Wiedervereinigungseuphorie in Deutschland kläglich Schiffbruch erlitten (siehe zum Ganzen auch den Bericht über das 12. Stuttgarter Sportgespräch zum Thema „Deutschland ohne Olympisches Feuer?!“, Causa Sport 1/2016, 92). Wenn es Deutschland nicht schafft – wer denn? Das fragt sich die Welt – und es scheint, dass die Spiele nur noch in Ländern ausgetragen werden (können bzw. sollen), die als wenig „salonfähig“ gelten (Russland, Brasilien, Korea). Obwohl auch in der Schweiz nicht die geringsten Chancen bestehen, Olympia-Projekte zu realisieren und die Volksmeinung klar contra Olympia gerichtet ist, werden immer wieder Versuche unternommen, Kandidaturen für Olympische (Winter-)Spiele in der Schweiz zu lancieren. Neuerdings sind entsprechende Pläne aus dem Kanton Graubünden bekannt geworden. Olympische Spiele im Jahr 2026 sind jedenfalls in Vorbereitung. Selbstverständlich könnte eine derartige Mega-Veranstaltung nur mit Hilfe öffentlicher Mittel realisiert werden. Aus Graubünden sind die Fühler deshalb bereits in Richtung der Wirtschaftsmetropole Zürich ausgestreckt worden, und just an dem Tage, als die Zürcher Regierung ein Mammut-Sparprogramm für den Kanton Zürich verkündete, verlautete aus denselben Kreisen, dass die Bündner Kandidatur mit einem Rückhalt aus Zürich rechnen könne – den Infrastrukturen des Zürcher Hallenstadions und des Eisstadions in Zürich-Kloten könnten diesbezüglich Bedeutung zukommen. Jedermann weiss selbstverständlich, dass es nie zu Olympischen Winterspielen 2026 in der Schweiz kommen wird und ein zusätzlicher Support aus Zürich (nebst den Millionen des Finanzausgleichs, die jedes Jahr ohnehin von Zürich ins Bündnerland gelangen) unrealistisch ist. Generell würde ein solcher Anlass die räumlichen und finanziellen Möglichkeiten des kleinen Landes Schweiz bzw. der Regionen, die für die Austragung von derartigen Spielen noch am ehesten in Frage kämen, sprengen. Die Promotoren derartiger Pläne setzen auf die Nachhaltigkeit solcher Projekte, obwohl bekannt ist, dass grosse Sportveranstaltungen alles andere als nachhaltig sind. Dieses Argument wird jeweils vorgeschoben. Es ist geradezu notorisch, dass grosse Sportveranstaltung einem Land oder einer Region letztlich wenig bis nichts bringen. Unter Kostenaspekten mutet es deshalb geradezu absurd an, dass die Zürcher Regierung solchen Plänen nicht gleich ehrlich-realistisch negativ entgegen tritt. Sie hilft mit derartigen Äusserungen nur mit, olympische Luftschlösser zu bauen. Zu vermuten ist allerdings, dass die Politiker hoffen, sich mit einem solchen Projekt wenigstens temporär in der Öffentlichkeit profilieren zu können – auch wenn am Ende die Realität für Remedur sorgen wird.

„Panama-Papiere-Skandal“ erfasst auch den Sport

(causasportnews / err. / 14. April 2016) Die widerrechtlich erlangten und von „investgativen Journalisten“ ausgewerteten und auf der ganzen Welt verbreiteten „Panama-Papiere“ beschlagen auch den Sport: Die in Panama durch eine dort ansässige Anwaltkanzlei betreuten Offshore-Gesellschaften und deren Konten wurden und werden offenbar auch von Top-Sportlern genutzt, so etwa vom Fussballspieler Lionel Messi. Auch der FIFA-Präsident Gianni Infantino wird in diesem Zusammenhang genannt und (erwartungsgemäss) attackiert: Noch im Dienste der UEFA stehend hatte der unlängst gewählte FIFA-Präsident für den Europäischen Kontinentalverband vor rund zehn Jahren einen Vertrag mit einer Offshore-Gesellschaft unterzeichnet. Für diese Vertragsunterzeichnung wird Gianni Infantino nun massiv gescholten – völlig zu Unrecht allerdings, wie etwa auch die nicht gerade FIFA-freundliche Juristin Sylvia Schenk (Transparency International) betont hat. Die von einem amerikanischen Verbund investigativer Journalisten gelenkte Medienkampagne gegen Personen und Gesellschaften, die grundsätzlich rechtskonform Offshore-Vehikel halten, dürfte rein politisch motiviert sein und dazu dienen, einen weiteren Schlag seitens der USA gegen Konkurrenten im internationalen Finanzgeschäft, wie etwa die Schweiz, zu führen. Die USA und Grossbritannien sind in den Geschäften, die sie nun erneut durch journalistische Attacken, ausgelöst durch kriminelle Akte (Datendiebstahl usw.), verurteilen, am aktivsten. Der vom Zaun gerissene „Panama-Papiere-Skandal“ ist deshalb offensichtlich in der Stossrichtung klar und das Schwingen der Moralkeule der „investigativen Journalisten“ mehr als deplatziert; der „Skandal“, der noch keinerlei rechtswidrige Aktivitäten von Nutzern von Offshore-Gesellschaften zu Tage gefördert hat, ist ein penibles Zeichen unsäglicher Doppelmoral der Urheber und Verbreiter des investigativen Journalismus‘, durch den die immer wieder betonte Wächterfunktion der Medien zu Gunsten politischer Agitation missbraucht wird. Dass sich die „Plattform Sport“ ebenfalls eignet, um die wirklichen Ziele im Zusammenhang mit den Panama-Papieren zu vernebeln, ist bedauerlich, aber eine Tatsache. Es entspricht ebenfalls einer notorischen Tatsache, dass der Sport immer wieder für politische Ziele missbraucht wird. Ob an Vehikeln, wie Offshore-Gesellschaften, die nach geltendem Recht zulässig sind, auch künftig festgehalten werden soll, ist eine Frage, die letztlich die Politik zu entscheiden hat. Mehr zu diesem Thema unter unserer Rubrik „ Hintergrundthemen„.