Archiv für den Monat Juli 2019

„Charity“- und Einvernahme-Tauglichkeit: Ein Beispiel aus dem Sport

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„Charity“-Fähigkeit von Franz Beckenbauer von der „BUNTE“ bildlich belegt. Copyright: BUNTE Entertainment Verlag GmbH

(causasportnews / red. / 28. Juli 2019) Die Geschichte um das „Sommermärchen, die grandiose Fussball-WM-Endrunde 2006 in Deutschland, bleibt weiterhin ein Mythos. Und bildet nach wie vor Gegenstand von juristischen Abklärungen, so auch der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, die zwar im Moment hauptsächlich mit sich selber beschäftigt ist und deren oberster Repräsentant, Bundesanwalt Michael Lauber, im Herbst um seine Wiederwahl zittern muss; es geht u.a. um Treffen mit dem FIFA-Präsidenten, bezüglich derer ihn sein Gedächtnis im Stich lässt – und das ist schlecht so, zumal sich der Jurist in zahlreiche Widersprüche verheddert hat. Bei der juristischen Aufarbeitung des „Sommermärchens“ stehen vor allem Lichtgestalten des deutschen Fussballs, so die deutsche Fussball-Ikone Franz Beckenbauer, im nicht nur juristischen Fokus. Er ist wohl die zentrale Figur im Frage- und Antwortspiel, was es mit den 6,7 Millionen Euro auf sich hat, die auf verschlungenen Wegen global verschoben worden sind. Für was sind diese Gelder geflossen? Diese und andere Frage beschäftigen die Ermittlungsbehörden in der Schweiz und auch in weiteren Ländern seit Jahren. Antworten könnte wohl Franz Beckenbauer geben – doch darauf werden Ermittlungsbehörden und die Welt weiterhin warten müssen. Falls er sich überhaupt an die Fakten erinnert, was in dieser Branche nicht unbedingt selbstverständlich zu sein scheint – vgl. oben, die „Causa Lauber“. Jedenfalls wird nun dem „Kaiser“ seitens der schweizerischen Ermittlungsbehörden Vernehmungsunfähigkeit attestiert (vgl. auch causasportnews vom 22. Juli 2019); darunter lassen sich juristisch etwa alle markanten physischen und psychischen Schwächen eines Menschen subsumieren, die es diesem verunmöglichen, vor Behörden zu erscheinen und im Vollbesitz aller hierzu notwenigen körperlichen und geistigen Kräfte auszusagen. Das die rechtliche Dimension der Angelegenheit. So ist es selbstverständlich nicht widersprüchlich, dass sich „Kaiser Franz“ kürzlich an „seinem“ „Charity“-Golfturnier in Bad Griesbach im Rottal einigermassen fit und aufgeräumt seinen Gästen präsentierte. Wer an einer Golfveranstaltung dabei ist, Reden hält und sich seiner Klientel widmet (Sachfrage), kann durchaus im rechtlichen Sinne Einvernahmeunfähig bedeuten (Rechtsfrage). Sachverhalte und rechtliche Würdigungen sind also auseinander zu halten. „Charity“- und Einvernahmefähigkeit sind juristisch gesehen eben zwei ganz verschieden Ebenen – wie es der „Fall Beckenbauer“ zeigt. Das versteht jede(r) Jurist(in), wohl aber nicht jede(r) Nicht-Jurist(in). Wie dem auch sei. Die Sache mit der Einvernahmeunfähigkeit rechnet sich für den „Kaiser“ (wie sich auch „sein“ Golfturnier für die eigene Stiftung gelohnt hat: 166 000 Euro seien zusammen gekommen, berichteten Medien. Allerdings ein „Klacks“ im Verhältnis zu den 6,7 Millionen Euro, die sich im Rahmen des „Sommermärchens“ immer noch nicht zuordnen lassen). Fussball und Golf sind auch nicht Dasselbe: Ein Golfball ist schliesslich auch kleiner als das berühmte runde Leder.

Auf der (juristischen) Strecke in diesem Vorgang von internationaler Tragweite bleiben im Moment vier andere ehemalige Mitstreiter des zweifachen Fussball-Weltmeisters: Die drei ehemaligen deutschen Funktionäre Dr. Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt sowie der ehemalige Schweizer FIFA-Generalsekretär Dr. Urs Linsi. So, wie es derzeit aus juristischer Optik ausschaut, ist für sie das „Sommermärchen“ noch nicht ganz vorbei. Aber auch bezüglich dieser Fussball-Protagonisten wäre es wohl ein Märchen zu glauben, irgendjemand müsste für den eingangs geschilderten Geldmittelfluss von 6,7 Millionen Euro im Zusammenhang mit der WM-Endrunde 2006 in Deutschland die strafrechtliche Verantwortung übernehmen. Die Verjährung naht – und was wäre schon ein Märchen mit Realitätsbezug?

Höhen, Tiefen und Dramen um eine Sport-Legende

(causasportnews / red. / 25. Juli 2019) Schon die Disziplin ist dazu angetan, Stoff für Dramen, Niedergänge und Highlights abzugeben; etwas, was die Menschen immer wieder fasziniert. Zum einen abstösst und zum andern bewegt und berührt. Aber kaum jemanden „kalt“ lässt. Boxen hat seit jeher Künstler und Literaten animiert – und „Otto Normalverbraucher“ in den Bann gezogen. Seit Deutschland die guten Preisboxer ausgegangen sind und an Samstagabenden keine Kämpfe mehr von Publikumslieblingen zu sehen sind, stellt sich die Nation durchwegs die Sinnfrage, frei nach Loriot: Ein Leben – oder ein Samstagabend – ohne Boxen ist möglich, aber sinnlos. In andern Ländern wird diese Sport-Sparte kaum mehr wahr-, geschweige denn ernst genommen. Höchstens in den USA, wo der Drang zur Einfachheit der Verhältnisse durchwegs sichtbar wird – nicht nur im Sport, ist das Boxen noch ein Thema. Ebenso in der „Neuen Zürcher Zeitung“, welche auch heute noch vor allem über die internationale Boxszene schreibt wie zu den Zeiten, als der ehemalige Boxer, von dem gleich die Rede sein soll, geboren wurde, und damit der überalterten Leserschaft gerecht wird.

Boxen sorgte in der Schweiz vor ein paar Tagen für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass eine markante Box-Persönlichkeit, der 56jährige Enrico Scacchia, einem Krebsleiden erlag. Der Berner war eine schillernde Figur innerhalb und ausserhalb des Sportes. Er sah gut aus, lebte sein Leben unkonventionell, wurde im Sport jedoch nie ein ganz „Grosser“, aber arbeitete konsequent an diesem Ziel – und erreichte es nicht. Eine gewisse Selbstüberschätzung war Teil dieser trotz allem sympathischen Persönlichkeit.

Enrico Scacchias Wille war stärker als die Ratio, als ihm der Schweizerische Boxverband vor rund 25 Jahren die Wettkampflizenz aus medizinischen Gründen verweigerte. Trotz einer diagnostizierten Schädigung des Gehirns erblickte Enrico Scacchia in der Lizenzverweigerung eine unakzeptable Persönlichkeitsverletzung. Der Berner Appellationshof versetzte dem Boxer den juristischen KO-Schlag und befand, dass aus Gründen des gesundheitlichen Schutzes mit der Verweigerung der Kampflizenz von einer gerechtfertigten Persönlichkeitsverletzung ausgegangen werden müsse (Art. 28 Abs. 2 ZGB; vgl. dazu auch Urs Scherrer / Remus Muresan / Kai Ludwig, Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 279). Enrico Scacchia sorgte also nicht nur in seiner Sportart für Aufsehen, sondern war auch dafür verantwortlich, dass sich ein zweitinstanzliches Zivilgericht (Urteil des Appellationshofes Bern vom 18. April 1995; 774/III/94) mit dieser delikaten, persönlichkeitsrechtlichen Problematik zu befassen hatte (vgl. dazu auch den ähnlich gelagerten Fall des deutschen Box-Veterans Andreas Sidon; Causa Sport, 2013, 212 ff.).

Beckenbauer angeschlagen – Netzers Sekundenschlaf

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Copyright by Luke Rauscher

(causasportnews / red. / 22. Juli 2019) Gleich zwei Fussball-Ikonen durchleben im Moment schwierige Phasen. Da wäre einmal die Lichtgestalt des Weltfussballs, Franz Beckenbauer, der in der „Sommermärchen“-Affäre wohl (strafrechtlich) ungeschoren davonkommt. Nicht ganz überraschend hat die Schweizerische Bundesanwaltschaft bestätigt, dass sie die Ermittlungen gegen den 73jährigen Fussball-„Kaiser“ nicht weiterführen wird. Diese drehen sich (immer noch) insbesondere um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro im offenbaren Zusammenhang mit der Vergabe der Fussball-WM-Endrunde 2006 an den Deutschen Fussball-Bund (DFB). Das bedeutet zweifellos, dass sich Franz Beckenbauer in die Verjährung wird retten können; diese tritt im April 2020 ein. Bis zu diesem Zeitpunkt müsste ein erstinstanzliches Urteil vorliegen. Gemäss Arztberichten soll „Kaiser Franz“ gesundheitlich derart angeschlagen sein, dass auch die Ermittlungsbehörde von mangelnder Einvernahme– und Verhandlungsfähigkeit ausgeht. Diese ist gegeben, wenn der Betroffene beispielsweise nicht geistig verwirrt, nicht betrunken und nicht unter Schock steht. Er muss in der Lage sein, der Vernehmung zu folgen und verständliche Angaben und Ausführungen zum Befragungsgegenstand zu machen. Diese Fähigkeit geht Franz Beckenbauer offensichtlich derzeit ab. Es ist allerdings nicht bekannt, weshalb dem deutschen Fussball-Weltmeister und Weltmeister-Trainer die für Vernehmungen erforderlichen Fähigkeiten abgesprochen werden. Durch Umkehrschluss kann gefolgert werden, dass es dem seit Jahren aus der Öffentlichkeit verschwundenen „Kaiser“ sehr schlecht geht; das dürften wohl seine Anwälte so glaubhaft gemacht haben. Verwundert reibt sich allerdings der objektive Betrachter des Geschehens die Augen, weil Franz Beckenbauer immerhin vor ein paar Tagen anlässlich eines Charity-Golfturniers mit Journalisten parlierte. Formell wird das Ermittlungsverfahren gegen Franz Beckenbauer nun von den andern Ermittlungsverfahren in der selben Angelegenheit, so gegen den ehemaligen DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger und den ehemaligen Schweizer FIFA-Generalsekretär Dr. Urs Linsi, abgetrennt. Aber auch diese Funktionäre werden das juristische Unentschieden über die Distanz (Verjährung) retten können. Die Ermittlungsbehörde ist weit davon entfernt, Licht ins Dunkel der ominösen Zahlung bringen zu können. Zudem steht nun offenbar nur noch der Betrugs-Tatbestand (Art. 146 des Strafgesetzbuches; StGB) im Fokus der Ermittler. In Juristenkreisen ist das aus der Bibel abgewandelte Bonmot kein Geheimnis: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass es zu einer Verurteilung wegen Betrugs kommen wird.“. So gesehen spielt es im konkreten Fall wohl keine Rolle (mehr), ob Franz Beckenbauer, der sich offenbar an die Zahlung nicht mehr erinnern kann, einvernahmefähig ist oder nicht. Das juristische Hornberger Schiessen der Bundesanwaltschaft wird für alle Beschuldigten im Pulverdampf der mangelnden Nachvollziehbarkeit enden. Unangenehm ist die Angelegenheit für „Kaiser Franz“ dennoch. Selbstverständlich gilt für ihn (und auch für Theo Zwanziger und Urs Linsi) die Unschuldsvermutung.

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Derzeit gerät auch eine andere Lichtgestalt des Deutschen Fussballsports in Bedrängnis: Günter Netzer. Seit Jahren soll die Rechtevermarktungsgesellschaft „Infront Sports & Media AG“ in Zug (Schweiz) im Auftrag des DFB Bandenwerbung verkauft haben. Mit dabei der stets griesgrämig wirkende Alt-Star als Lobbyist der Innerschweizer Rechtevermarktungsgesellschaft. 30 Sekunden bezahlte Werbung – aber nur 29 Sekunden gesendet. Verlust: 1 Sekunde. Es geht letztlich um Millionen. Das Deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ spricht in seiner neusten Ausgabe (Nr. 30 / 20. Juli 2019) von „Sekundenklau“. Zu den Protagonisten des vom Neffen des ehemaligen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter, Philippe Blatter, geführten Zuger Unternehmens zählte jahrelang und bis vor zwei Jahren der nun bald 75jährige ehemalige Star-Fussballer Günter Netzer, der entsprechende Verträge (mit-)unterzeichnet haben soll, sich aber an die Vorgänge offensichtlich nicht erinnern kann. Dieser unternehmerische „Sekundenschlaf“ dürfte dazu führen, dass der begnadete Ex-Spitzen-Fussballspieler mit Schweizer Pass einigermassen heil aus der Sache herauskommen dürfte. Ein Spitzenmanager von „Infront Sports & Media AG“ ist deswegen gefeuert worden. Die Umstände des „Sekundengeschäfts“ sind im Moment nicht genau zu erhellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings ausgedehnt. Für Günter Netzer gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Tennis-Heroe Roger Federer als unlauterer Wettbewerber auf Instagram?

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(causasportnews / red. / Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt / 20. Juli 2019) Sportler (und Sportlerinnen) sind in den sozialen Medien so präsent und treten mit ihren Fans in Kontakt wie Popstars, Schönheitsidole oder sonstige Personen, die den Status des Influencers erlangt haben. Und ähnlich wie diese werden sie gesponsert – also bezahlt – dafür, dass sie bestimmte Produkte benutzen und dies in der Öffentlichkeit zu Werbezwecken zeigen. Kein Bild von Roger Federer (ausser während eines Matches) ohne eine Luxusuhr der Marke „Rolex“ am Handgelenk. Wenn Sportler in sozialen Netzwerken Beiträge mit einem Hinweis auf solche Produkte veröffentlichen, bewegen sie sich allerdings in einer rechtlichen Grauzone. Wie nachfolgend geschildertes Beispiel zeigt:

Die Schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz (SSK) wirft dem Tennis-Heroen vor, auf seinem Instagram-Account Schleichwerbung für eine Kleidermarke zu betreiben. Er soll einen Beitrag gepostet haben, in dem er auf Produkte Bezug nimmt, für deren Vermarktung er bezahlt worden sei. Weil der Beitrag nicht als Werbung gekennzeichnet war, hat die SSK bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK), einer Selbstregulierungsorganisation der Werbebranche, Beschwerde eingereicht. Erst kürzlich wurden Snowboard-Olympiasieger Iouri Podlatchikov und Mountainbikerin Jolanda Neff von der SLK wegen Schleichwerbung in Beiträgen auf sozialen Netzwerken gerügt.

In der Schweiz existiert (anders als in der EU) keine besondere gesetzliche Regelung betreffend die Deklaration von Werbung in sozialen Netzwerken. Es gibt dazu nur den Grundsatz Nr. B. 15 der SLK betreffend „Trennung zwischen redaktioneller Information und kommerzieller Kommunikation“, der ausdrücklich festhält, dass das Trennungsgebot auch gilt, wenn eine Person eine Social-Media-Plattform nutzt und Sponsoringleistungen erhält; dann muss die Person „ihr Verhältnis zur leistungsgebenden Person offenlegen“. Schranken bestehen aber auch bei nicht entgoltenen Veröffentlichungen: „Unentgeltliche redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen oder ihre Produkte hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur unlauteren Schleichwerbung überschreiten.“. Eine Überschreitung liegt gemäss SLK vor, wenn eine Veröffentlichung „über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse des Publikums hinausgeht.“. Die Rechtswissenschaft umschreibt Schleichwerbung als die in werbender Absicht und zumeist gegen Entgelt erfolgte, nicht als Werbung gekennzeichnete Bezugnahme auf ein Unternehmen oder dessen Produkte in Wort, Bild oder Ton.

In der Literatur zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird argumentiert, dass Sponsoring und Werbebotschaften im Internet und in sozialen Netzwerken heutzutage allgegenwärtig seien und daher mit Werbung gerechnet werden müsse; insofern werde das Trennungsgebot nicht verletzt und liege darum keine Schleichwerbung vor. Ausnahmsweise könne aber nach der Grundregel von Art. 2 UWG auch in einem solchen Fall ein unlauteres Verhalten vorliegen.

Die SLK hat nun zu entscheiden, ob der erwähnte Beitrag von Roger Federer auf Instagram den Grundsatz Nr. B. 15 verletzt hat. Sanktionsmöglichkeiten hat die SLK jedoch keine, sie kann nur ermahnen.

Legendäre HSV-Uhr definitiv abgelaufen

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(causasportnews / red. / 19. Juli 2019) An sich war der Abstieg des renommierten Hamburger Sport-Vereins e.V. (HSV) aus der 1. Fussball-Bundesliga vor etwas mehr als einem Jahr nur als Ausrutscher gedacht, doch nun sind alle Illusionen definitiv geplatzt und Realismus an Stelle des Unglaublichen getreten. Der HSV hat den sofortigen Wiederaufstieg nicht geschafft und wird auch in der Saison 2019/2020 in der 2. Bundesliga spielen (vgl. dazu auch Causa Sport 2/2019, 221 ff.). Das hat Folgen. So ist bekannt worden, dass die legendäre Uhr im Volksparkstadion in Hamburg, welche bis vor einem Jahr die 1. Liga-Zugehörigkeit des als unabsteigbar geglaubten Klubs bis zur Sekundeneinheit angezeigt hatte, nicht nur vorübergehend gestoppt, sondern nun gleich die ganze entsprechende Installation abgebaut worden ist. Alles andere wäre auch lächerlich geworden, und die Klub-Verantwortlichen wurden offensichtlich gewahr, dass es sinnlos würde, die Zugehörigkeit des HSV zur 1. Bundesliga bis 2018 in irgendeiner Form weiter anzuzeigen oder die entsprechende Einrichtung quasi als Mahnmal dieser fussballerischen Apokalypse stehen zu lassen. Seit der Einführung der Bundesliga 1963/64 ist der HSV, eben bis zum letzten Jahr, nie abgestiegen und gehörte der 1. Bundesliga damit am längsten an. Das ist nun Geschichte, so, wie die Kult-Uhr im Stadion, welche bis zum Fall des Vereins in die Zweitklassigkeit Garantin für die als unendlich gehaltene zeitliche Dimension der HSV-Präsenz im fussballerischen Oberhaus zuständig war. Trotz dieses fussballerischen Malheurs vom letzten Sommer und dem verpassten Wiederaufstieg nach Abschluss der Saison 2018/19 hat sich der HSV für die bevorstehende Saison (erneut) das undiskutable Ziel gesetzt: Wiederaufstieg! Auf dass dann wohl bald wieder eine Uhr im Volksparkstadion in Gang gesetzt werden dürfte, welche die Liga-Zugehörigkeit der Hamburger in der obersten Spielklasse neu zu messen beginnen wird. Schau‘ mer mal, ob es der HSV 2020 schaffen wird – mit neuem Elan und weiterhin mit den Millionen von Vereins-Sponsor Klaus-Michael Kühne, der trotz seines Wohnsitzes in der Schweiz den HSV in seiner Heimat-Stadt Hamburg seit Jahren finanziell stützt.

„naming right“ – ein Vermarktungsmodell mit Tücken

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(causasportnews / red. / 16. Juli 2019) Die Vergabe von Namensrechten, bspw. an einer Sportstätte, bildet eine Variante des Sportsponsorings und ist vor allem im Zusammenhang mit Eishockey- und Fussballstadien ein probates Mittel dieser meistens für Klubs einträglichen Rechtevermarktung. Auf dem Platz Zürich ist kürzlich ein „naming right-Projekt“ bekannt geworden, das vielleicht deshalb keine grossen Wellen geworfen hat, weil diese Sport-Vermarktungsform auch problematisch sein kann. Die Grossbank „Credit Suisse“ hat mitgeteilt, ab sofort und für zehn Jahre ab Fertigstellung des geplanten, neuen Fussballstadions in Zürich das Namensrecht an der Sportstätte auf dem Hardturm-Areal gesichert zu haben. „Credit Suisse Arena“ soll das Stadion originellerweise heissen, in dem die beiden derzeit renommiertesten Fussballklubs der Stadt Zürich, FC Zürich und Grasshopper Club, dereinst spielen werden. Wenn es dann auch (sportlich) soweit kommen sollte: Der FC Zürich ist derzeit relativ unstabil in der obersten Spielklasse der Swiss Football League (SFL) tätig, der Grasshopper Club dümpelt ab der neuen Saison sogar in der Zweitklassigkeit herum, in der sog. Challenge League der SFL (vgl. zum Abstieg des Grasshopper Clubs aus der Super League auch den Beitrag von Prof. Dr. Urs Scherrer in der aktuellen Ausgabe von „Causa Sport“ 2/2019, 221 ff., sowie causasportnews vom 23. Mai 2019). Der Vertrag zwischen der Bank ist mit der Stadion-Betriebsgesellschaft abgeschlossen worden, an der die beiden Fussball-Klubs zu je 49 Prozent beteiligt sind (die restlichen zwei Prozent hält eine Finanzgesellschaft). Nicht bekannt gegeben worden ist, wieviel der „Credit Suisse“ der Erwerb des Namensrechts wert ist. Aus Kreisen des Grasshopper Clubs verlautete, dass diese Finanzierungsspritze wichtig für die Klubaktivitäten sei. Damit wird wohl das perpetuiert, was in früheren Jahren an der Tagesordnung war: „Credit Suisse“ galt lange mehr als generöse Hausbank des Grasshopper Clubs; die Bank finanzierte immer wieder mit namhaften Beiträgen die Clubaktivitäten. Was dann und wann auch zu Verstimmungen beim Stadt-Rivalen FC Zürich geführt hat. So, wie sich FC Zürich und Grasshopper Club seit Jahrzehnten sportlich duellieren, ist im Banking die Rivalität zwischen „Credit Suisse“ und „UBS“ legendär. „Credit Suisse“ war immer dem Grasshopper Club zugeneigt, die 2008 kollabierte und mit Staatsmitteln gerettete „UBS“ dem FC Zürich. Insofern ist der jetzige Sponsoringdeal nicht ganz „ohne“, auch wenn die beiden Klubs gemeinsam im neuen Stadion spielen werden und das Namensrecht am gemeinsamen Stadion lediglich an die „Credit Suisse“ verkauft worden ist. Manch‘ ein Anhänger des FC Zürich und „UBS“-Kunde wird sich schwer tun, die Spiele „seines“ Klubs in der „Credit Suisse Arena“ zu verfolgen. Ob es deshalb ein kluger Schachzug war, das Namensrecht am Zürcher Stadion (nur) der „Credit Suisse“ zu überlassen, wird sich dereinst zeigen. Oder ist es nur ein verkapptes Sponsoring für die in Geldnöten steckenden Grasshoppers? Die Mitteilung seitens „Credit Suisse“, mit dem Engagement könne Präsenz gleich in zwei Fussball-Ligen markiert werden, mutet jedenfalls einigermassen speziell an: Wen interessieren schon die Spiele in der Challenge League?

852 000 Franken für Becker-Devotionalien

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(causasportnewss / red. / 12. Juli 2019) Boris Becker ist offenbar doch mehr wert als sein Ruf: Die Auktion seiner Erinnerungsstücke brachte umgerechnet immerhin 852 000 Franken. Die Becker-Devotionalien kamen in London unter den Hammer, weil dem einstige Tennisidol finanziell das Wasser bis zum Hals steht und er eine Zwangsversteigerung einiger Objekte, die mit einer zweifellos grosse Tennis-Karriere verbunden sind, nicht mehr abwenden konnte (vgl. auch causasportnews vom 26. Juni 2019). Im Vorfeld der Versteigerung, an der sich gegen 500 Bieter aus mehr als 30 Ländern beteiligten, wurde spekuliert, wieviel die 82 Versteigerungs-Objekte einbringen würde. Die Gesamtsumme überrascht eher, nachdem durchwegs mit Gesamt-Erlösen zwischen 300 000 und 500 000 Franken gerechnet wurde. Die Summe mutet im Vergleich zum Schuldenberg von rund 56 Millionen Euro, die Boris Becker im Verlaufe der Jahre aufgehäuft haben soll, allerdings dennoch wie der berühmte Tropfen auf einen heissen Stein an. Nach dieser Versteigerung ist das ehemalige Tennis-Idol finanziell selbstverständlich noch nicht aus dem Schneider. Nach wie vor herrscht über die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse (bzw. Schulden) des 52jährigen Deutschen Unklarheit. Boris Becker, gegnerische Parteien, Richter, Treuhänder, Zwangsvollstrecker, Finanzfachleute und Anwälte reden unterschiedlich davon, dass „Bobele“, so sein sportlicher Kosename, insolvent, zahlungsunfähig und –unwillig, illiquid oder schlicht pleite sei. Sicher ist allerdings auch in dieser Causa: Affaire à suivre.

„Fachanwaltschaft Sportrecht“ eingeführt

(causasportnews / red. / 10. Juli 2019) Die Satzungsversammlung der Deutschen Bundesrechtsanwaltskammer hat mit Wirkung ab 1. Juli 2019 die „Fachanwaltschaft Sportrecht“ eingeführt und die Fachanwaltsordnung entsprechend angepasst (vgl. dazu auch „Causa Sport“ 4/2018, 441). Rechtsanwältinnen und -anwälte, welche in der Querschnittmaterie „Sportrecht“ (vgl. zur Begrifflichkeit Urs Scherrer/Remus Muresan/Kai Ludwig, Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 313 f.) den Nachweis entsprechender theoretischer und praktischer Kenntnisse erbracht haben, können nun diesen Fachanwalts-Titel führen. In praktischer Hinsicht müssen Kandidatinnen und Kandidaten u.a. belegen, dass sie bisher mindestens 80 Fälle aus dem Sportrecht bearbeitet haben (20 dieser Fälle sollen rechtsförmliche Verfahren betreffen, wozu auch Sport-Verbands- und Schiedsgerichtsverfahren im Sport gehören), was für viele Interessentinnen und Interessenten eine ansprechende Hürde darstellen dürfte. Die Nachfrage nach dem Prädikat „Fachanwalt Sportrecht“ sei recht gross, sagt Prof. Dr. Martin Nolte von der Sporthochschule Köln (DSHK), u.a. Co-Redaktor der Sport-Fachzeitschrift „Causa Sport“, der die Einführung der „Sport-Fachanwaltschaft“ massgeblich begleitet hat. Gemäss seiner Einschätzung trägt die anwaltliche Spezialisierung im Sportrecht der Komplexität und dem hohen Schwierigkeitsgrad des Fachgebietes Rechnung, erklärte der Inhaber des Sportrechts-Lehrstuhls an der DSHK in einem Interview mit dem juristischen Informationsdienstleister „juris“.

Et tu, Neymar?

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(causasportnews / red. / 9. Juli 2019) Transferzeit im organisierten Fussball ist immer mehr auch „Streikzeit“. Derzeit proben zwei Top-Stars der Branche den Aufstand gegen ihre Klubs, von denen sie sich trennen wollen. Zum einen der Brasilianer Neymar, der nach zwei Jahren in Paris (bei Paris Saint-Germain) offenbar zurück zum FC Barcelona will, zum andern der französische Weltmeister Antoine Griezmann, den es von Atlético Madrid ebenfalls zum FC Barcelona zieht. Letzterer verfügt offensichtlich gemäss seinem bis 2023 laufenden Vertrag über eine Ausstiegsklausel – er kann also weg, falls ein Klub den im Vertrag festgeschriebenen Betrag – die Rede ist von Euro 120 Millionen – bezahlt. Anders sieht die Rechtslage bei Neymar aus: Von einer Ausstiegsklausel ist nichts bekannt, obwohl er aufgrund einer solchen Vertragsregelung damals den FC Barcelona in Richtung Paris verlassen konnte (die Vertragsauskaufszahlung betrug deshalb damals Euro 222 Millionen, und Neymar sorgte damit – und nebst weiteren Zahlungen im Zusammenhang mit diesem Übertritt – für den bisher teuersten Transfer der Fussballgeschichte). Antoine Griezmann muss also Druck aufsetzen, dass ein Klub die festgelegte Vertragsauskaufssumme bezahlt, Neymar bleibt im Moment nur das Mittel „Streik“. Er ist grundsätzlich an den Arbeitsvertrag gebunden. So versucht er nun, mit Pression, wie die Franzosen sagen, aus dem Vertrag zu kommen. Dass ihn Paris Saint-Germain wegen vertragswidrigen Verhaltens entlassen wird, ist natürlich unrealistisch. Eine Vertragsbeendigung wäre für Neymar eine Traumkonstellation, um den Klub vertragsfrei verlassen zu können. Das wissen auch die Franzosen. Der Brasilianer wird durch „Streik“ (konkret fehlte er unentschuldigt zum Trainingsbeginn) das (juristische) Terrain ebnen, um der noch länger dauernden, vertraglichen Bindung entkommen zu können. „Passiver Widerstand“ und Streiks sind seit jeher die probaten Mittel der Super-Stars, um Vertragsänderungen oder Klubwechsel zu erzwingen. Ousmane Dembélé, der Brasilianer Ronaldo oder Henrich Mchitarjan sind nur einige wenige Namen von Star-Kickern, welche ihre Vertrags- und Klubwechselwünsche mit dem Mittel des „Streiks“ durchgedrückt haben. Und nun also auch der teuerste Fussballspieler der Welt: Et tu, Neymar?, wären die Betrachter der Szene geneigt zu fragen.

Frauenfussball-WM: Die Sache mit den Zahlen

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(causasportnews / red. / 8. Juli 2019) Nun ist sie also zu Ende, die Frauenfussball-WM 2019 in Frankreich, welche die Welt während eines ganzen Monats in Atem gehalten haben soll. Dicitur. Es sei das beste Turnier aller Zeiten gewesen, zog der Weltfussballverband FIFA ein rasches Fazit. So tönt es immer nach einem Gross-Anlass. Die Medien feiern das Turnier als „Durchbruch“ auf und neben dem Platz. Vor allem neben dem Platz – das ist im Fussball oft wichtiger als das, was auf dem grünen Rasen geschieht. Dank hoher TV-Einschaltquoten seien die Preise für Werbung zumindest in Frankreich gleich um 50% gestiegen. Immerhin, so verlautet ein Tag nach dem Finalspiel offiziell, hätten mehr als eine Milliarde Menschen das Geschehen in den Stadien und an den Fernsehschirmen verfolgt. Euphorie also total rund um den Globus, vor allem nach dem Sieg des Teams aus dem Land, das ja wohl nicht gerade als Fussball-Hochburg zu qualifizieren ist, auch wenn es 2026 die WM der Männer (mit)ausrichten wird. Allerdings ist das so eine Sache mit der Begeisterung und den Zahlen. Erstere kann gefühlt oder verordnet werden, Zahlen sind jedoch unbestechlich. Das ist klar, seit der aktuelle Präsident aus dem Land der Siegerinnen von gestern die Meinung kundtat, dass bei seiner Inauguration 2017 soviele Menschen zugegen waren wie noch nie zuvor bei der Installierung eines US-Präsidenten. Fotos belegten allerdings, dass es bei Donald Trump wohl nicht einmal 800 000 Menschen waren, die 2017 zu seiner Amtseinführung zum Capitol strömten; bei Amtsvorgänger Barack Obama sollen es immerhin 1,8 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner gewesen sein. Seither bilden „Fake News“ zumindest eine wissenschaftliche Disziplin. Das alles gilt natürlich nicht für die Stadt Zürich, die soeben ihr alle drei Jahr stattfindendes „Züri Fäscht“ (Zürich-Fest), die grösste Unterhaltungs-Show der Schweiz, hinter sich gebracht hat. Alle Besucher(innen)-Rekorde seien gebrochen worden, hiess es gleich nach Abschluss der Festlichkeiten, die etwa unter dem Titel „panem et circenses“ gestanden haben dürften. Wie die Veranstalter allerdings 2,5 Millionen Besucher/innen zählen konnten, bleibt wohl deren Geheimnis. Es ist halt so eine Sache mit den Zahlen; und das gilt selbstverständlich auch für die nun abgeschlossene Frauenfussball-WM. Der Zeitgeist lässt im Kontext des Geschehens keine alternative Meinungsvielfalt zu. Es musste so sein, dass diese WM alle Rekorde brechen und die Emanzipation im Fussball Realität würde – auf und neben dem Platz natürlich. Alles andere wäre wider den Zeitgeist oder den Mainstream. Der Frauenfussball hat so gut zu sein (oder noch besser) wie derjenige der Männer. Das gebieten die heutigen Meinungsmacher. Nur nicht hinterfragen. Oder nur ein bisschen: Weshalb war denn etwa im sozialistischen Zürich, in der Sitz-Stadt der FIFA, während der WM in Frankreich keine einzige Public Viewing-Veranstaltung auszumachen? Und welche Sportsfreundinnen und –freunde haben sich vom 7. Juni bis zum 7. Juli nur einmal zu Grillfesten und gemeinsamen (Frauen-)Fussball-Genüssen zusammen gefunden? Die Wahrheit über den Frauenfussball wird nun allerdings in den nationalen Meisterschaften manifest und nicht vom ideologisch geprägten Wunschdenken der internationalen Meinungsführerschaft geprägt werden. Wenn die Frauen nun nur noch in ausverkauften Stadien spielen werden, hat es diese Sportart in der Tat geschafft, sich zu emanzipieren. Zuschauer/innen begeben sich (meistens) freiwillig ins Stadion. Solche Zahlen werden objektiv verifizierbar sein. Das gilt auch für die Saläre und bezüglich Transferzahlungen der Fussballerinnen im Vergleich zu ihren kickenden, männlichen Kollegen. Die FIFA wird hier sicher bald mit einem Umverteilungs-Modell im Frauen-Klub-Fussball aufwarten. Gleichheit lässt sich im Sozialismus bekanntlich besonders gut realisieren. Und wetten, dass aufgrund der angeblich explodierten TV-Zahlen die nächste Frauen-WM mit noch mehr teilnehmenden Teams bestritten wird?