
Von der Europäischen Kommission droht den Sportverbänden mal wieder Ungemach
(causasportnews / red. / 2. Oktober 2016) Der internationale Eislaufverband (International Skating Union, ISU) hat kürzlich unerfreuliche Post von der Europäischen Kommission bekommen. Diese hat – nach nunmehr fast einem Jahr (siehe schon Causa Sport News vom 18. Oktober 2015) – ihre ersten Abklärungen zur Frage der Vereinbarkeit bestimmter Regelungen der ISU mit dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union (EU) abgeschlossen, und zwar mit einem negativen Resultat. Nach der – zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich vorläufigen – Einschätzung der Kommission verstossen die Bestimmungen in den ISU-Regularien über die Teilnahme von Athletinnen und Athleten an von der ISU nicht anerkannten Veranstaltungen gegen das EU-Kartellrecht.
Ausgelöst wurde das Verfahren vor der Europäischen Kommission durch eine Beschwerde zweier niederländischer Eisschnellläufer, die an einem überwiegend kommerziellen Interessen dienenden, von der ISU offiziell nicht anerkannten Rennen teilnehmen wollten. Ihnen drohte – nach eigener Darstellung – im Fall einer solchen Teilnahme der Ausschluss von ISU-Wettbewerben und u.U. sogar von den Olympischen Spielen. Die Europäische Kommission hat die massgeblichen Regeln der ISU nun einer ersten Begutachtung unterzogen und ist zum Ergebnis gekommen, dass der Eislaufverband seine Monopolstellung missbrauche, wenn er den seiner Zuständigkeit unterstellten Athletinnen und Athleten faktisch jede Teilnahme an nicht anerkannten Wettbewerben untersage. Dadurch würde einerseits die unternehmerische Freiheit der Sportler übermässig eingeschränkt und andererseits verhindert, dass neue Marktteilnehmer Eisschnelllauf-Wettbewerbe ausrichten.
Die Haltung der Europäischen Kommission hat mitunter zu Reaktionen geführt, die bereits das Ende des sog. „Ein-Platz-Prinzips“ im organisierten Sport (zumindest für den Bereich der EU) nahen sehen. Nach diesem Grundsatz wird eine Sportart in einem bestimmten geografischen Raum jeweils nur durch einen einzigen Verband offiziell vertreten. So wird z.B. vom Internationalen Olympischen Komitee für jedes Land jeweils nur ein Nationales Olympisches Komitee anerkannt, das Athletinnen und Athleten zu den Olympischen Spielen melden kann. Sollte sich die ISU-Regelung vor dem Hintergrund des EU-Wettbewerbsrechts tatsächlich als unhaltbar erweisen, könnte das „Ein-Platz-Prinzip“ durchaus unter Druck geraten. Dass es letztlich so weit kommt, erscheint derzeit indessen alles andere als sicher. „Sollte die ISU-Regelung wirklich so ausgestaltet sein, wie es jetzt von der Europäischen Kommission dargestellt wird, könnte sie wettbewerbsrechtlich in der Tat problematisch sein“, schätzt Dr. Remus Muresan, Europarechtsexperte in der auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei Scherrer Jenny & Partner, die Situation ein. Er weist aber auch darauf hin, dass derzeit keineswegs klar sei, ob die Einschätzung der Kommission zutreffend ist. Remus Muresan hat insbesondere Zweifel daran, ob die EU-Wettbewerbshüter die einschlägigen ISU-Regelungen in ihrer tatsächlichen Tragweite vollumfänglich korrekt erfasst hätten: „Das entsprechende Konzept im ISU-Regelwerk ist durchaus komplex, hier müssen zahlreiche verschiedene Bestimmungen in Bezug zueinander gesetzt werden, und erst dann können die Auswirkungen auf den Wettbewerb geprüft werden“. Gemäss dem Europa- und Sportrechtsexperten ist die ISU jetzt gefordert, der Europäischen Kommission die relevanten verbandsrechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen hinreichend klar darzulegen: „Was die Kommission jetzt braucht, sind keine extensiven wettbewerbsrechtlichen Ausführungen, sondern eine vollständige und verständliche Darstellung der sportspezifischen Fakten und Zusammenhänge“. Dazu hat die ISU nun Gelegenheit: Nach der Mitteilung durch die Kommission kann sie sich schriftlich zu dieser äussern und auch eine Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nimmt. Anschliessend wird die Kommission eine förmliche Entscheidung treffen, gegen die dann wiederum Rechtsmittel beim Gericht sowie bei Gerichtshof der EU eingelegt werden kann. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist mithin noch lange nicht gesprochen.