Archiv für den Monat Dezember 2018

Dichtung und Wahrheit – wenn Medienschaffende mit sich selbst beschäftigt sind

(causasportnews / red. / 31. Dezember 2018) Nichts deutete darauf hin, dass sich die mediale Landschaft zum Jahresende 2018 anders präsentieren könnte als die Jahre zuvor. Doch kurz vor Heiligabend platzte in Hamburg die publizistische Bombe dieses Jahrtausends: Ein Star-Reporter des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ ist der Artikel-Fälschung überführt worden. Claas Relotius heisst der Vorzeige-Journalist des Magazins, der für seine Reportagen nicht nur permanent mit Lob von allen Seiten und mit Preisen aller Art überschüttet worden ist. Und nun das. Der Mann hat zwar geschrieben wie ein junger literarischer Gott, doch seine Geschichten sind zu einem schönen Teil erfunden worden. Die Magazin-Verantwortlichen versuchten zwar dem Skandal umgehend durch „mea culpa“-Bezeugungen die Spitze zu nehmen, doch da war der Super-GAU bereits nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. „Sagen was ist“, verlautete aus Hamburg auf dem Cover des Weihnachtshefts – doch auch diese Offensive in eigener Sache im medialen Schlamassel konnte peinlicher nicht sein. Zwar brüsteten sich die „Spiegel“-Macher damit, in diesem unsäglichen Desaster für volle Transparenz zu sorgen (hoffentlich auch!), doch etwas anderes hätte die Angelegenheit zweifellos nur noch verschlimmert. Die Fälschungen von Claas Relotius müssten zwar zu einem „Köpferollen“ in der Chef-Etage der „Spiegel“-Redaktion, die sich immer noch mit einem ausgeklügelten „Text-Controlling“ und nicht mehr zu überbietender Qualitäts-Kontrolle im Rahmen des Qualitäts-Journalismus brüstet, führen, doch nichts dergleichen geschah bis zum letzten Tag des zu Ende gehenden Jahres. Die Hilf- und Mutlosigkeit der Journalisten mit Links-Drall aus dem Norden Deutschlands, die immer wieder mit der Moral-Keule um sich zu schlagen pflegen, manifestierte sich darin, dass den Magazin-Machern klar werden musste, dass der vom „Spiegel“ gepflegte Journalismus abgedankt hat. „Geschichten-Journalismus“ ist pannenanfällig und gehört auf den Müllhaufen der Medien-Historie, wie der „Fall Relotius“ belegt. Vor allem, wenn die Geschichten geschliffen und perfekt geschrieben daher kommen, dass sie schlicht schöner als die Wahrheit sein müssen. „Sagen, was ist“, ist längst Geschichte geworden in Hamburg (und in anderen Medien, welche die Texte von Claas Relotius auch ausserhalb Deutschlands ebenfalls mit viel Brimborium immer wieder gebracht haben); von Reportagen wird erwartet, dass sie gleichsam Belletristik zugeordnet werden müssen – mit der Wahrheit höchstens noch als Nebenprodukt, so, wie es Claas Relotius offenbar verstanden hat? – Und inwieweit berührt dieses Vorkommnis, das vielleicht nur die Spitze eines journalistischen Eisbergs darstellt, den Sport? Insbesondere der „Spiegel“ hat sich seit Jahren dem Generalthema „Sport“ verschrieben, hat echte und vermeintliche Skandale thematisiert, Mutmassungen angestellt und mediale Attacken gegen den organisierten Sport und seine Protagonisten geritten – teils zu Recht, teils zu Unrecht. Die „Football-Leaks“-Berichterstattung in diesem Jahr war im „Spiegel“ ein Dauerbrenner, und immer wieder bildete das (gemäss „Spiegel“ gekaufte) Sommermärchen der Fussball-WM-Endrunde 2006 ein Thema, um gegen den organisierten Sport medial ins Feld zu ziehen. „Dank“ oder wegen Claas Relotius war es zu diesem Jahresende anders: Im letzten Heft des Jahres, in dem der „Spiegel“ mit sich selbst beschäftigt war, wurde nur die Welt-Anti-Doping-Agentur lau thematisiert („Ist die Welt-Anti-Doping-Agentur noch zu retten?“) – evidenter wäre im Anschluss an die Titelgeschichte „Sagen, was ist“ wohl eine Story gewesen: „Ist der ‚Spiegel‘ noch zu retten?“. Glück auch für die katholische Kirche, dass das Nachrichten-Magazin vor Weihnachten sich selbst zum Hauptthema gemacht hat (obwohl die gewählte Offensive letztlich einer Bankrotterklärung glich). Sonst wäre die Titelgeschichte zu Weihnachten wohl eine (übliche) Attacke gegen den Katholizismus geworden (so rückte diesmal „Die starke Maria“ in den hinteren Teil des Magazins). Über Jahre bestätigten die „Spiegel“-Macher, dass mit Artikeln gegen den organisierten Fussball (mit der FIFA im Fadenkreuz) und gegen die katholische Kirche die Leserschaft bei Laune gehalten werden kann. Die Lehre der Geschichte für den „Spiegel“ zum Jahresende 2018 wird sein, dass ein Nachrichten-Magazin getrennt Fakten sowie Wertungen und keine geschliffenen Reportagen mit divergierendem Wahrheitsgehalt zu präsentieren hat. Wer schöne Literatur unter Ausklammerung von Wahrheit und Fakten wünscht, greife derzeit mit Gewinn beispielsweise eher zu Nele NeuhausCharlotte LinkDonna Leon, Daniel Kehlmann oder Martin Suter – aber nicht (mehr) zum „Spiegel“ gemäss aktueller Konzeption.

Jahresend-Ausgabe von «Causa Sport» mit Schwerpunktthemen Art. 6 EMRK und Verbands-Sanktionsrecht

(causasportnews / red. / 30. Dezember 2018) Die letzte Ausgabe dieses Jahres von „Causa Sport“ (Heft 4/18) behandelt einmal mehr eine Fülle von verschiedenen Rechtsfragen (vgl. hierzu auch www. causasport.org). Ein Schwerpunktthema bildet (wieder einmal) die „Causa Pechstein“, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. Oktober 2018 erneut für Gesprächsstoff sorgt. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage der (richterlichen) Unabhängigkeit bzw. Abhängigkeit des Internationalen Sportschiedsgerichts in Lausanne (Court of Arbitration for Sport, CAS) mit Blick auf Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Athletin ist am Europäischen Gerichtshof weitgehend abgeblitzt. Die das Urteil erörternde Einführung bildet ein Schwerpunktthema der Jahresend-Ausgabe und ist vom Europarechtler Dr. iur. Remus Muresan verfasst worden. Vom selben Autor (zusammen mit dem deutschen Sportrechtsspezialisten, Rechtsanwalt Sven Diener, Düsseldorf) findet sich im Heft ein Aufsatz zur praktisch bedeutsamen Verbandsjustizproblematik des „Rechts auf Schweigen“ in Sanktionsverfahren. Die Thematik ist nicht nur im staatlichen Strafrecht brisant (Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss; „nemo tenetur“), sondern auch in Verbands-Sanktionsverfahren (wobei Verbände ab und zu in ihren Regelwerken vorsehen, dass in Sanktionsverfahren Beschuldigte an den Untersuchungshandlungen mitwirken müssen). Wiedergegeben werden zudem zahlreiche Urteile insbesondere österreichischer und schweizerischer Gerichte (zu den Themenbereichen Champions League-Programm des ORF, zur Schieds- bzw. Nicht-Schiedsfähigkeit arbeitsrechtlicher Streitigkeiten, zum „Fall Vienna“, usw.). In der aktuellen Ausgabe findet sich aber auch bisher kaum Beachtetes: So wird die Frage beantwortet, was Sägegeräusche im Wald bedeuten können, und es wird der auch politisch aktuelle Vorgang beleuchtet, wies es sinnvollerweise gelingen kann, im Jahr 2026 in den USA und in Mexiko (sowie in Kanada) eine Fussball-WM-Endrunde zu veranstalten, obwohl zwischen den beiden Ländern eine Mauer gebaut werden soll…

Michael Schumacher: Auch nach fünf Jahren bleibt Privates privat

Michael Schumacher in einer Aufnahme aus dem Jahr 2012 (Bild: emperornie)

(causasportnews / red. / 29. Dezember 2018) Und wieder ist ein Jahr vorüber… – Gemeint ist am heutigen Tag allerdings nicht das Kalenderjahr 2018, dessen Ende in zwei Tagen Tatsache sein wird, denn das Datum des 29. Dezember steht insbesondere für ein Ereignis, das die gesamte Sportwelt 2013 unter Schock gesetzt hat. Damals, vor fünf Jahren, verbreitete sich in Windeseile die Meldung um den Globus, dass der beste Formel 1-Fahrer aller Zeiten, Michael Schumacher, beim Skifahren in den französischen Alpen schwer verunglückt sei. Die Nachrichtenlage zum Gesundheitszustand des ehemaligen Champions war zuerst verworren; es schien zunächst nicht aussichtslos, dass der siebenfache Weltmeister in der Automobilsport-Königsklasse wieder genesen würde. Doch allmählich zerschlug sich jede diesbezügliche Hoffnung, und nach nun exakt fünf Jahren seit dem tragischen Unfall im Schnee sind sogar die Chancen auf ein Wunder als nicht allzu gross einzustufen. Gesichert ist bezüglich des Gesundheitszustandes von Michael Schumacher allerdings nichts. Dessen Familie schirmt den ehemaligen Top-Sportler gänzlich von der Öffentlichkeit ab, was in den letzten Jahren immer wieder zur juristisch relevanten Grundsatzdiskussion geführt hat und immer noch führt: Hat die Öffentlichkeit, in deren Rahmen sich Michael Schumacher während seiner aktiven Karriere einen der vordersten Plätz in den Sport-Annalen gesichert hat, auch einen Anspruch darauf zu wissen, wie es dem verunglückten Deutschen mit Wohnsitz in der Schweiz, der am 3. Januar 2019 50 Jahre alt wird, geht? Hat sie, juristisch qualifiziert, nicht, auch wenn Michael Schumacher persönlichkeitsrechtlich als „absolute Person der Zeitgeschichte“ gilt (vgl. dazu etwa Andreas Meili, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., 2018, Rz. 52 zu Art. 28 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB). Obwohl der Verunglückte seit fünf Jahren der Öffentlichkeit entrückt ist, gilt simplifiziert und auf einen Nenner gebracht noch immer die gleiche Rechtslage mit Blick auf den Persönlichkeitsschutz der ehemaligen Rennsport-Legende: Privates bleibt privat! Dass gewisse Medien immer wieder versuchen, diese Vorgabe zu ignorieren oder zu umgehen und nur schon permanent Rahmengeschichten im Zusammenhang mit Michael Schumacher publizieren sowie Spekulationen zu seinem Gesundheitszustand in die Welt setzen, ist wahrscheinlich mit der Verwilderung der medialen Sitten und mit dem Konkurrenzdruck, dem etwa die Boulevard-Erzeugnisse ausgesetzt sind, zu erklären. Ethisch verwerflich ist solches Tun jedoch alleweil.

«Das ganze Unglück kommt vom Sport»

Hat offenbar nicht nur Sonnenseiten: Der österreichische Skisport (hier die von Zaha Hadid entworfene Ski-Sprungschanze in Innsbruck).

(causasportnews / red. / 28. Dezember 2018) Auch wenn es gewisse Medien anders sehen oder sehen wollen, sorgen seit geraumer Zeit Missbrauchs-Skandale im organisierten Sport eher für markante Schlagzeilen als breitflächig thematisierte, meist länger zurückliegende pädosexuelle Vorkommnisse in der katholischen Kirche. Diesbezüglich richtet sich der Fokus nicht nur nach Übersee, wo Missbrauchsskandale etwa im US-Turnen oder im Schwimmsport immer weitere Kreise ziehen. Auch Europa ist nicht verschont, wenn es um den Missbrauch von Machtstellungen und insbesondere um so begünstigte sexuell motivierte Taten geht. Zum Beispiel im Österreichischen Skiverband (ÖSV). In dieser Organisation scheinen sich in den 1970er Jahren Vorkommnisse ereignet zu haben, die das Prädikat „verwerflich“ verdienen, falls sich die Vermutungen tatsächlich bestätigen sollten. Involviert sind ehemalige Funktionäre (angebliche Täter) und Ski-Rennläuferinnen (als angebliche Opfer). Aufgebracht hat die unappetitliche Geschichte die ehemalige Rennläuferin Nicola Werdenigg. Beschuldigt worden ist vor allem ein früherer Erfolgstrainer; die Vorfälle haben bereits zu Prozessen in Österreich geführt.-

Der Sport ist bekanntlich nicht nur selbst eine Bühne; neuerdings werden er und seine Nebenerscheinungen auch im konventionellen Schauspiel abgehandelt. So ist vor einigen Tagen in Köln ein für die Sportwelt bemerkenswertes Stück uraufgeführt worden, das die nicht unumstrittene österreichische (!) Autorin und Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek geschrieben und Stefan Bachmann inszeniert hat. In „Schnee Weiss“ arbeitet die weltberühmte Autorin auf ihre provokative Art die Geschehnisse im Österreichischen Skisport, sinnigerweise in Deutschland, auf: Ein bisschen geschlachtete Ski-Hasen, ein Verbandspräsident als Gott-Vater, ein wenig Buckel-Piste, dazu eine weisse Schneedecke, die auch das Folterverlies von Josef Fritzl, ebenfalls ein Österreicher, der seine Tochter über Jahre unterirdisch gefangen hielt, tarnt; die Schneekanone verdeckt alle Machtdemonstrationen, zu denen im Wintersport engagierte Menschen fähig sind. Schuld an allen so thematisierten Miseren im (Ski-)Sport ist nach dem Theaterstück natürlich nicht der Champagner – so wie in der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss –, sondern der Sport selber: „Das ganze Unglück kommt vom Sport“, lautet die uniforme Feststellung im Stück der 72jährigen Österreicherin, das bis auf weiteres im Schauspiel Köln zu sehen ist (vgl. zur Uraufführung etwa die Kritik von Daniele Muscionico in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 24. Dezember 2018). Wenn schon Gott ins Spiel gebracht wird, darf eine Konklusion nicht fehlen: Der Herrgott hat es beim Menschen im Allgemeinen nicht dabei bewenden lassen, ihn salopp als „Krone der Schöpfung“ zu qualifizieren. Er hat versucht, noch einen besseren Menschen zu formen: Den Sportler eben. Aber auch dieser Versuch scheint gescheitert.

Kein «Ärzte-Pfusch» bei der Behandlung einer Sportlerin

(causasportnews / red. / 27. Dezember 2018) Fälle, in denen die ärztliche Sorgfaltspflicht im Zentrum steht, sind in der Regel komplex und stellen urteilende Gerichtsinstanzen durchwegs vor grosse juristische Herausforderungen. Nicht anders präsentierte sich ein Vorgang, der kurz vor den Weihnachtsfeiertagen mit einem Freispruch für den angeklagten Arzt zu Ende ging. Eine Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich hatte einen eher alltäglichen Vorgang zu beurteilen. Der Arzt setzte einer hoffnungsvollen, jungen Sportlerin eine Eiseninfusion, die durch angeblich unsachgemässe Anwendung Komplikationen hervorrief. Diese erlitt eine Beeinträchtigung am Arm (das Gericht sprach von einer „iatrogenen Tätowierung“), was bei der Patientin wochenlange, gesundheitliche Indispositionen zur Folge hatte. Insbesondere sei durch diesen „Ärzte-Pfusch“ und die daraus resultierenden Folgeprobleme (Beschwerden, Beeinträchtigung im Wohlbefinden) die Karriere der Sportlerin negativ tangiert worden, hiess es gemäss Anklageschrift. Das Gericht erkannte eine Vielzahl von Ungereimtheiten im tatsächlichen Ablauf der applizierten Eiseninfusion bzw. divergierende Aussagen von behandelter Sportlerin und Arzt. Diesem wurde letztlich aber korrektes Verhalten bei der Behandlung attestiert. Insbesondere hätte er wohl reagiert (und die Infusion gezogen), falls die Patientin beim Setzen der Infusion über Schmerzen geklagt hätte. Die Infusion sei „normal“ abgelaufen, und es existierten keinerlei Hinweise, dass die Infusion ins Gewebe statt in die Vene geleitet worden sei. Aufgrund dieser Sachlage sah sich die zuständige Richterin veranlasst, den beschuldigten Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freizusprechen. – Eine interessante Frage wurde vor Gericht nicht schlüssig beantwortet (musste sie auch nicht), nämlich die, weshalb sich die Sportlerin von einem Allgemeinpraktiker und nicht von einem Sportarzt habe behandeln lassen. Es wurde die Vermutungen geäussert, eine solche Behandlung hätte allenfalls als „Doping“ qualifiziert werden können, weshalb sie von einem (in Dopingangelegenheiten) erfahrenen Sportarzt nicht vorgenommen worden wäre. Mit diesem Aspekt, der in der Verhandlung hohe Wellen warf und in Ehrverletzungsvorwürfen gipfelte, hatte sich das Gericht allerdings nicht zu befassen. – „Causa Sport“ wird auf dieses noch nicht rechtskräftige Urteil zurückkommen (Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 20. Dezember 2018; GG180 217).

Die biaquile Geste als Wort des Jahres

(causasportnews / red. / 18. Dezember 2018) Zum Jahresende wird bilanziert, zurückgeblickt und qualifiziert. Beliebt ist in diesem Zusammenhang etwa die Kürung des „Wortes“ oder „Unwortes“ des Jahres. Seit 2003 legt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften für die Deutschschweiz fest, was (positiv) das „Wort“ oder (negativ) das „Unwort“ des Jahres ist, in Deutschland ist diese Tradition noch älter (in diesem Jahr hat übrigens der nicht leicht zu durchdringende Ausdruck „Heisszeit“ das Rennen gemacht). Die Palette von bisherigen Wörtern und Unwörtern ist breit und reicht in der Schweiz etwa von „Scheinivaliden“ (Simulanten) über „Shitstorm“ (nicht ganz wörtlich übersetzt als lawinenartiges Auftreten von Negativ-Kritik) bis hin zu „Stellwerkstörung“ (was offenbar zu den immer häufiger werdenden Zugsverspätungen führt). Auch der Sport liefert ab und zu Stoff für das Wort oder Unwort des Jahres. Vor einiger Zeit war es die „FIFA-Ethikkommission“, welche die Negativ-Schlagzeilen um den Weltfussballverband FIFA zum Verschwinden bringen sollte.

Nun ist erneut einem Wort aus dem Sport die Ehre zuteil geworden, zum „Wort des Jahres“ gekürt zu werden. Genau genommen handelte es sich beim „Doppeladler“, der im WM-Endrundenspiel zwischen der Schweiz und Serbien am 22. Juni 2018 in Kaliningrad eine weltweit beachtete Premiere feierte, um eine Geste – vorgemacht von den Schweizer Top-Nationalspielern mit Migrationshintergrund, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri, imitiert von Nationalmannschafts-Captain Stephan Lichtsteiner (offenkundig ohne Migrationshintergrund). Die durch diese „Doppeladler“-Geste verärgerten Serben haben sich bis heute nicht von dieser Schmach nach der Niederlage und den biaquilen Gesten der drei Schweizer erholt. Nach dem WM-Spiel gab es viel Lob für die Eidgenossen nach dem Sieg über Serbien, es setzte dann allerdings danach Sanktionen gegenüber den Spielern seitens der FIFA wegen der beleidigenden Geste ab. Die FIFA-Disziplinarkommission sah durch die Gesten die Prinzipien des Fairplay (Art. 57 des Disziplinarreglementes) verletzt und büsste die Missetäter; sie hätte sie auch vom WM-Turnier ausschliessen können. Aber das wäre dann doch zuviel der Sanktionierung gewesen. Die Perpetuierung der Geschichte um den „Doppeladler“ hat nun dazu geführt, dass das Wort des Jahres einen sportlichen Vorfall mit politischem Hintergrund die Annalen des Fussballsportes bereichert.

Ungültige Einwilligung bei gedoptem Gegner?

(causasportnews / rbr. / 14. Dezember2018) Ein aus rechtlicher Sicht nicht ganz alltäglicher Fall wird demnächst das Landgericht (LG) Köln beschäftigen. Die Staatsanwaltschaft Köln hat dort Mitte November 2018 gegen den ehemaligen Profiboxer und fünffachen Weltmeister (Supermittelgewicht) Felix Sturm (Künstlername) Anklage wegen Selbstdopings, Teilnahme an einem Wettkampf unter Selbstdoping und gefährlicher Körperverletzung erhoben.

Felix Sturm hatte am 20. Februar 2016 in Oberhausen gegen den Russen Fjodor Tschudinow gekämpft und nach Punkten gewonnen. Nach dem Kampf war er positiv auf das Anabolikum Hydroxy-Stanozolol getestet worden. Sowohl die A- als auch die B-Probe fielen positiv aus. Felix Sturm legte daraufhin seinen Titel im Oktober 2016 nieder und bestritt seither keine Kämpfe mehr. Gesperrt wurde er bislang allerdings – weder vom Weltverband WBA noch vom Bund Deutscher Berufsboxer BDB – nicht.

Während sich die beiden ersten Anklagepunkte auf das am 18. Dezember 2015 in Kraft getretene „Gesetz gegen Doping im Sport“ (Anti-Doping-Gesetz, AntiDopG) abstützen (§§ 3 f. AntiDopG) und an sich unproblematisch sind, lässt der dritte Anklagepunkt – gefährliche Körperverletzung nach § 224 des Strafgesetzbuches (StGB) – doch einigermassen aufhorchen. Herkömmlicherweise gehen Rechtsprechung und Lehre davon aus, Körperverletzungen in Kampfsportarten wie Boxen seien durch die Einwilligung des Gegners gedeckt und damit grundsätzlich weder widerrechtlich noch strafbar. Die Staatsanwaltschaft Köln ist nun der Auffassung, dass diese Einwilligung in Verletzungen durch den Gegner unter der stillschweigenden Bedingung bzw. Voraussetzung erteilt wird, dass Chancengleichheit besteht undinsbesondere der Gegner keine unerlaubten leistungssteigernden Substanzen zu sich nimmt. Tut der Gegner dies dennoch, so sollen die Einwilligung ungültig und auf diese Weise zugefügte Körperverletzungen strafbar sein. Der Strafrahmen bei gefährlicher Körperverletzung beträgt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Freiheitsstrafe, in minder schweren Fällen bei Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Auch der Versuch ist strafbar. Bei Selbstdoping liegt der Strafrahmen bei Geldstrafe bis drei Jahre Freiheitsstrafe. Die Anklageschrift wurde dem Beschuldigten zugestellt, der nun Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Ein Entscheid der zuständigen Kammer des Landgerichts, ob und mit welchen Anklagepunkten das Hauptverfahren eröffnet wird, steht derzeit noch aus. Mit einer Gerichtsverhandlung ist frühestens im Verlauf des nächsten Jahres zu rechnen. Für Felix Sturm gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Der „Klassiker“ im Sportbetrug

 (causasportnews / red. / 12. Dezember 2018) Seit sich Menschen im sportlichen Wettkampf messen, wird betrogen. Die Vielfalt betrügerischen Verhaltens ist praktisch grenzenlos. Der Sport in der Moderne ermöglicht eine Fülle neuer, sportlicher Betrugsvarianten. Alles ist denkbar: Von ausgeklügelten Manipulationen im Bereich des Dopings oder im Zusammenhangmit Sportwetten bis hin zu den in Fahrradrahmen versteckten Hilfsmotoren. Abund zu wird auch auf „klassische“ Art und Weise betrogen. Definitiv derVergangenheit an gehört das im Boxhandschuh versteckte Hufeisen oder der „Zwillingstrick“in Mannschaftssportarten (so etwa die täuschende „Verwechslung“ der ehemaligenFussball spielenden Brüder Bernd und Karlheinz Förster). Zu den „Klassikern“des Sportbetrugs gehört aber das „abgekürzte“ Verfahren etwa in Leichtathletik-Laufdisziplinen im Ausdauerbereich. Schon bei Läufen im alten Griechenland wurde bei Ausdauer-Läufen gemogelt und abgekürzt. Damals war es mangels modernster TV- und Kommunikationsmittel tendenziell ein Leichtes, beispielsweise beim Marathon unbeobachtet Abkürzungen zu nehmen.

Kürzlich erinnerte eine Reminiszenz aus China an die altenZeiten, die eben auch nicht immer gut waren. Gemäss Berichten der staatlichenNachrichtenagentur Xinhua sollen nach einem Halbmarathon 258 Teilnehmer wegen reglementswidrigen Abkürzens disqualifiziert worden sein. Die Falschläufer wurden durch Verkehrskameras und Aufnahmen von Fotografen überführt. Die Läufersollen die Rennstrecke plötzlich verlassen, sich durch Büsche und Baumgruppengeschlagen und den Lauf auf der entgegengesetzten Strassenseite fortgesetzthaben. Entgegen dem Motto, dass viele Chinesen nicht irren können, haben die überführten Betrüger keine Anstalten gemacht, ihre Taten zu vertuschen. Ein nicht ganz untypisches Verhalten gemäss chinesischer Mentalität. Der Fall wurde nicht zuletzt deshalb publik, weil der Laufsport in China derzeit einen Boomerlebt – trotz der oft schlechten Luftqualität insbesondere in den chinesischenStädten.

Fremdküssender Fussballspieler – Kein Bild in der BILD

(causasportnews / rbr. / 6. Dezember 2018) Auch Fussballnationalspieler sind für Journalisten nicht einfach Freiwild – aber ein bisschen schon. So liesse sich ein Urteil zusammenfassen, welches das Oberlandesgericht Köln soeben gefällt hat (OLG Köln, Urteil vom 22. November 2018, Az. 15 U 96/18). Der Fall betrifft den bei Paris Saint-Germainaktiven deutschen Spieler Julian Draxler(im Urteil wird die Nennung des Namens, dem Thema angemessen, akribisch vermieden; die Schilderung der Umstände – Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Verletzung, grosses Turnier im Juni 2017 – lässt eine Identifikation aber mühelos zu).

Die BILD-Zeitung testete mal wieder die Grenzen der von Paparazzi gemachten Fotos aus

Von Julian Draxler waren im Juni 2017 vier Fotos aufgetaucht, auf denen er während seines Urlaubs auf Ibiza eine Frau küsst, die nicht seine Lebenspartnerin war. Die Fotos fanden – selbstverständlich – Eingang in die BILD-Zeitung, welche die Bilder in begleitenden Artikeln zudem genüsslich kommentierte. Dagegen gingen Julian Draxler und seine langjährige Lebenspartnerin gerichtlich vor und klagten gegen die Zeitung auf Unterlassung der Verbreitung. Das Landgericht Köln hatte diesem Ansinnen entsprochen und die Berichterstattung zunächst mittels einstweiliger Verfügung untersagt. Später hiess es die Klage auch im Hauptsacheverfahren gut und verbot der BILD-Zeitung die Berichterstattung über den Vorfall sowohl in Wort als auch in Bild (LG Köln, Urteil vom 2. Mai 2018, Az. 28 O 340/17). Gegen dieses Urteil legte die BILD-Zeitung Berufung ein.

Das OLG entschied nun, dass zwischen den Bildern und dem Text der Veröffentlichung unterschieden werden müsse. Die Wortberichterstattung über den Vorfall sei im Lichte von §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG zulässig. Der Bericht enthalte wahre Tatsachenbehauptungen, und die Veröffentlichung sei durch das Interesse der Öffentlichkeit an der Art und Weise der Vorbereitung eines Nationalspielers (als Person des öffentlichen Lebens) auf ein Länderspiel gerechtfertigt. Der Text sei zudem weder herabsetzend noch ehrverletzend. Ferner betrachtete das OLG die von der Zeitung verwendete (freilich nicht besonders originelle) Bezeichnung des Spielers als „Käpt’n Knutsch“ als zulässige Meinungsäusserung, die weder beleidigend noch schmähend sei. Die Bilder des Ereignisses dürften hingegen, so das OLG weiter, gestützt auf §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. § 22 KUG nicht veröffentlicht werden. Sie gäben kein Ereignis der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG wieder, und durch ihre Veröffentlichung werde Julian Draxler daher in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Auch die Verwendung zweier Fotos der Freundin Julian Draxlers – welche 2014 und 2016 in Fussballstadien aufgenommen worden waren – in diesem Zusammenhang untersagte das Gericht: Deren Einwilligung in diese Aufnahmen erstrecke sich nicht auf die Berichterstattung über einen „Urlaubsflirt“ ihres Freundes.

Der Vorfall ereignete sich kurz vor dem FIFA Confederations Cup Mitte Juni 2017 auf einer Yacht vor der Küste Ibizas. Die Bilder waren mit einem Teleobjektiv aus mind. 50 Metern Entfernung aufgenommen worden. Das OLG qualifizierte dies als Eingriff in die thematische (Urlaub) und die räumliche Privatsphäre des Spielers (Yacht, fernab vom Ufer). Die BILD-Zeitung hatte dagegen vergeblich argumentiert, die Yacht habe vor einem bekannten „Promi-Hot-Spot“ Ibizas geankert. Dort finde regelmässig ein „Schaulaufen“ insbesondere von Fussballspielern statt, welche die Bucht als „nassen roten Teppich“ nutzen würden. Das OLG sah es nicht als erwiesen an, dass sich der Spieler absichtlich der Bucht genähert habe, um fotografiert zu werden. Das OLG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO). Das Urteil ist somit rechtskräftig und vorläufig vollstreckbar.

Auch Obergericht Zug gibt Boris Becker (vorläufig) recht

(causasportnews / rbr. / 5. Dezember2018) Im Rechtsstreit zwischen dem ehemaligen deutschen Tennisprofi sowie heutigen Trainer und TV-Kommentator Boris Becker und seinem ehemaligen Berater Hans-Dieter Cleven geht auch der zweite Satz an Becker. Wie das Obergericht des Kantons Zug gestern bekannt gab, hat es die Berufung Hans-Dieter Clevens gegen das erstinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts Zug abgewiesen (Obergericht des Kantons Zug, I.Zivilabteilung, Urteil vom 26. November 2018, Verfahren Z1 2017 27; das Urteil ist auf der Webseite des Obergerichts abrufbar).

Hans-Dieter Cleven hatte am 2. September 2015 gegen Boris Becker auf Rückzahlung von Darlehen in der Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken nebst Zins geklagt. Dabei handelte es sich indessen lediglich um eine – grundsätzlich zulässige – Teilklage (s. Art. 86 der Schweizerischen Zivilprozessordnung, ZPO). Die gesamte Forderung beläuft sich (unbestrittenermassen) auf CHF 41‘774‘236.65 (per31. Dezember 2014). Diese Darlehen habe er, Cleven, mittlerweile gekündigt und deshalb Anspruch auf deren Rückzahlung. Das Kantonsgericht hatte dies anders gesehen und die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2017 „zurzeit“ abgewiesen mit der Begründung, die Darlehensschulden seien noch nicht zurRückzahlung fällig. Insbesondere betrachtete es das Kantonsgericht nicht als erwiesen, dass Cleven die Darlehen gekündigt habe. Gegen dieses Urteil erhob Cleven am 11. August 2017 Berufung an das kantonale Obergericht (Art. 308 ff. ZPO).

Das Obergericht hat sich der Argumentation der Vorinstanz nun angeschlossen. Ein unbefristetes Darlehen wird mangels anderslautender Abrede sechs Wochen nach dessen Kündigung durch den Darlehensgeber zur Rückzahlung fällig (Art. 318 OR). Eine Kündigung durch Hans-Dieter Cleven lag laut Obergericht jedoch nicht vor. Weder seine E-Mail an Boris Becker vom 15. Februar 2013 noch diejenige vom 17. April 2014 habe eine Kündigungserklärung – auch nicht konkludent – enthalten. Der Vorschlag Clevens an Becker, an der Erstellung eines Tilgungsplans mitzuwirken, könne der Aufforderung zur Darlehensrückzahlung im Sinne einer Kündigung nicht gleichgestellt werden. Für eine Kündigung sei vielmehr eine eindeutige Aufforderung erforderlich, das Darlehen zurückzuzahlen. Damit sei die Klage mangels Fälligkeit der eingeklagten Forderung zurzeit abzuweisen.

Bemerkenswert ist, dass BorisBecker im Verfahren vor dem Obergericht erstmals – und entgegen einer von ihm unterzeichneten schriftlichen Vereinbarung – behauptete, die Darlehen würden gar nicht effektiv bestehen. Vielmehr hätten er und Hans-Dieter Cleven vereinbart, dass Cleven ihm (Boris Becker) sein gesamtes Leben finanziere, Boris Becker aber im Gegenzug Hans-Dieter Cleven 50% an allen seinen Einkünften, z.B. aus Rechtevermarktung und Sponsoring, überlasse. Auf dieses Vorbringen ging das Obergericht unter Hinweis auf das sog. Novenverbot nach Art. 317 Abs. 1 ZPO nicht ein. Das Obergericht sah keinen Grund,weshalb Boris Becker diese Behauptung nicht vor Kantonsgericht schon hätte vortragen können. Dasselbe Schicksal (Nichtberücksichtigung im Berufungsverfahren) widerfuhr verschiedenen neuen Vorbringen Hans-DieterClevens, die das Vorliegen einer Kündigung belegen sollten (z.B. weitereE-Mails zwischen den Parteien vom 2. Mai 2014 und vom 2. Januar2015). Auf diese Dokumente hatte er sich vor Kantonsgericht ebenfalls noch nicht berufen. Gegen das zu seinen Ungunsten lautende Urteil des Obergerichts kann Hans-Dieter Cleven nun noch Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht erheben (Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes). Es ist also noch nicht rechtskräftig. Daneben steht es ihm – und das ist vermutlich der erfolgversprechendere Weg – frei, nun mittels Kündigung der Darlehen die Fälligkeit der Rückzahlungsforderung herbeizuführen und anschliessend neuerlich Klage gegen Boris Becker einzureichen. Für Letzteren bleibt es dabei, dass er Hans-Dieter Cleven über 40 Millionen Franken schuldet und dieser Betrag aufgrund des Zinslaufs weiter ansteigen wird.