causasportnews / Nr. 1120/03/2024, 12. März 2024

(causasportnews / red. / 12. März 2024) Und wieder einmal ist das «Sommermärchen 2006» Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Dabei geht es jedoch um ein Randthema, um einen Teilaspekt, der dennoch nicht ganz unbedeutend ist. Denn bis zum heutigen Tag ist es eigentlich nicht so ganz klar, wie und dank wem Deutschland, bzw. der Deutsche Fussball-Bund (DFB), am 6. Juli 2000 den Zuschlag für die WM-Endrunde im eigenen Land erhalten hat. War da alles lupenrein? Oder bestand das «Sommermärchen 2006» hauptsächlich darin, dass die Korrektheit der Vergabe an Deutschland eben nur ein Märchen war? Immer wieder ist von Bestechung der Mitglieder des Exekutivkomitees der FIFA, welche für die Vergabe an den DFB votiert oder nicht votiert hatten, die Rede. Die ganze Wahrheit wird, je länger es dauert, in dieser Causa wohl nie vollends ans Licht gelangen. Es werden dann auch nur immer Mosaiksteinchen zusammengefügt, wie jetzt im Verfahren am Frankfurter Landgericht, vor dem sich derzeit drei Protagonisten der WM-Endrunde 2006 in Deutschland verantworten müssen: Den früheren DFB-Funktionären Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach werden Steuerdelikte, vor allem Steuerhinterziehung, vorgeworfen. Der Grund ist nachvollziehbar einfach: Der DFB hatte 2005 6,7 Millionen Euro, umgerechnet 10 Millionen Schweizer Franken, an den Weltfussballverband (FIFA) in Zürich überwiesen, diesen Betrag in der Rechnung des DFB als Betriebsausgabe verbucht und die Ausgabe beim Finanzamt steuerlich geltend gemacht. Einigermassen offiziell soll der Betrag vom DFB für die nicht-stattgefundene WM-Eröffnungsgala an die FIFA bezahlt worden sein, gleichsam als Schuldübernahme für die trotz der Absage angefallenen Kosten des geplanten, jedoch kurzfristig abgesagten Events. Die Anklagebehörde sieht in dieser Zahlung des DFB an die FIFA und die Weiterleitung des Geldes an den verstorbenen Adidas-Manager Robert Louis-Dreyfuss, Kreditschulden der Deutschen Fussball-Lichtgestalt Franz Beckenbauer, damals Vorsitzender des OK der WM-Endrunde und verstorben anfangs dieses Jahres, die auf diesem Weg getilgt worden sein sollen. Für was Franz Beckenbauer damals das Geld hätte bekommen sollen, ist im Moment so unklar wie die Kernfrage: Für was wurden die 6,7 Millionen Euro letztlich vom DFB an wen und für was bezahlt? War es tatsächlich eine Betriebsausgabe des DFB, ist an der Zahlung des Deutschen Verbandes an die FIFA wohl nichts auszusetzen. Ist der Rechtsgrund aber allenfalls verschleiert worden, könnte das Frage- und Antwortspiel durchaus im Nirwana enden. Jedenfalls muss im laufenden Verfahren der Nachweis seitens der Strafverfolgungsbehörde erbracht werden, dass die Zahlung nicht als Betriebsaufwand qualifiziert werden kann. Dass dieser Beweis gelingt, glaubt wohl niemand, und auch dieser Teil des «Sommermärchens 2006» könnte zu einem Märchen innerhalb des Märchens werden. Es wird übrigens, wen wundert’s, in Frankfurt mit einer längeren Prozessdauer gerechnet.
(Hauptquelle: Der Spiegel, 11/2024, 88 f.)







