causasportnews / 1205/11/2024, 27. November 2024
(causasportnews / red. / 27. November 2024) Der Weltfussballverband FIFA tut viel Gutes. Er ist aber auch auf vielen Ebenen unbelehrbar, und die weltumspannende Fussball-Organisation mit Monopolcharakter wird oft erst dann einsichtig, wenn ihr das Messer an den Hals gesetzt wird. Es kann aber auch eine Gerichtsinstanz sein, welche die FIFA zu rechtskonformen Verhalten zwingt. Aktuell ist es der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxembourg, der im Fall des französischen Fussballspielers Lassana Diarra schlicht und ergreifend geurteilt hat, dass das Übertrittssystem der FIFA im Fussball in vielerlei Hinsicht nicht europarechts-konform sei (vgl. auch causasportnews vom 15. Oktober 2024). Seit dem Bekanntwerden dieser Entscheidung ist die FIFA-Zentrale in Zürich aufgescheucht. Der Grund ist nachvollziehbar einfach: Jede Verantwortlichkeit eines Vereins entfällt, wenn dieser wegen eines (vermeintlichen oder festgestellten) Vertragsbruchs eines Spielers, den er nach dem Vertragsbruch unter Vertrag genommen hat, diesen Verein dafür mithaften lässt oder deswegen sanktioniert. Das ist eine sanktionsrechtlich gängige Praxis der FIFA, doch derartige Fälle sind ebenso krass wie rechtswidrig. Dies besagt in aller Kürze das «Diarra»-Urteil des EuGH. Diese Rechtslage bezüglich Europarechts-Konformität beurteilen Experten für den Verein FIFA mit Sitz in Zürich als ebenfalls verbindlich. Auch nach Schweizer Recht ist die entsprechende FIFA-Praxis also nachvollziehbar rechtswidrig. Nach dem EuGH-Urteil wird der Weltverband nun also regelrecht durchgeschüttelt. Es stehen auch Schadenersatzbegehren gegenüber der FIFA im Raum. Ob es zu einer eigentlichen Klagewelle gegen den Weltverband kommen wird, ist im Moment nicht abzuschätzen.
Zahlreiche Entscheide des monopolistischen Weltverbandes zu dieser Praxis existieren und sind teils noch nicht endgültig verbindlich. Auch ein Schweizer Verein, der in der 1. Liga spielt, ist betroffen. Dieser Verein nahm einen Spieler unter Vertrag, der aus der Sicht der FIFA gegenüber seinem ehemaligen Klub vertragsbrüchig geworden war. Der Spieler, dann in der 1. Liga (!) in der Schweiz tätig, wurde mit einer Sperre, die er zwischenzeitlich abgesessen hat, bestraft und verpflichtet, dem ehemaligen Verein mehr als ein halbe Million US-Dollar wegen des Vertragsbruchs zu bezahlen. Der 1. Liga-Verein wurde, obwohl er am Vertragsverhältnis, das angeblich zuvor durch eine nicht gerechtfertigte, ausserordentliche Vertragsauflösung beendet wurde, nicht beteiligt war, mit einer Transfersperre belegt und verpflichtet, zusammen (solidarisch) mit dem Spieler (der neu übernommen wurde) für die Busse einzustehen, bzw. würde er zur Kasse gebeten, falls der Betrag vom Spieler nicht aufgebracht und bezahlt werden könnte. Diese sog. Arbeitsvertrags-Schutzbestimmung der FIFA mit disziplinarrechtlichem Charakter qualifizierte der EuGH im «Diarra»-Urteil als rechtswidrig. Die gleiche Rechtslage gilt auch nach Schweizer Recht. Im konkreten Fall heisst das, dass allenfalls, und falls die Voraussetzungen gegeben sind, der Spieler, der aktuell bereits wieder bei einem neuen Klub tätig ist, sich mit dem Klub, der ihn bei der FIFA des Vertragsbruchs bezichtigt hat, auseinandersetzen muss.
Die entsprechenden Übertrittsregeln des Weltverbandes sind aufgrund des «Diarra»-Urteils des EuGH als nicht EU-rechtskonform zu qualifizieren. Die gleiche Rechtslage ergibt sich aufgrund des Schweizer Rechts, nicht nur deshalb, weil die FIFA der Schweizer Rechtsordnung, insbesondere durch den Sitz in Zürich, unterstellt ist. Einigermassen einsichtig zeigt sich nun der Weltverband, der, unter gewaltigen, juristischen Druck geraten ist, aus Miami (!) kommuniziert hat, alle pendenten Fälle, welche von dieser Thematik betroffen seien, würden derzeit nicht weitergeführt und weiterbehandelt. Doch auch in dieser Hinsicht gilt: Affaire à suivre…










