causasportnews / Nr. 1158/07/2024, 7. Juli 2024

(causasportnews / red. / 7. Juli 2024) Seit dem Wochenende steht es fest: Der Fussball-Europameister wird, in alphabetischer Reihenfolge aufgezählt, heissen: England, Frankreich, Niederlande oder Spanien. Es fehlt in der Aufzählung: Deutschland!
Eine Fussball-Europameisterschaft ist, wenn sie dann ausgetragen wird, nicht nur ein Märchen oder das Abbild einer Parallelwelt (völlig losgelöst von der Erde gemäss aktueller Turnier-Hymne), in die sich die reale Welt hineinsteigert, sondern eine durchaus menschliche Angelegenheit. Seit dem letzten Freitag erlebt das in aller Konsequenz Deutschland. Da war alles auf EM-Titel programmiert – und nun das! Die Neuauflage eines Märchens, von 2006 (WM), sollte es werden. Alles «über den Wolken» angesiedelt («Der Spiegel», 22. Juni). Für den von Deutschland eingeplanten EM-Titel wurde der «Fussballkanzler», Turnierdirektor Philipp Lahm, für zuständig erklärt («Der Spiegel», 15. Juni 2024). «Ho-ja, ho-ja», ho» («Der Spiegel», 29. Juni 2024), 50 Jahre nach dem letzten Titel im eigenen Land (Fussballweltmeister 1974) war der Kontinental-Titel 2024 ein «Must», schliesslich sehnte sich das Land nach einem Erfolgserlebnis auf einer Ebene, die das Leben leicht macht: Im Fussball. Etwas mehr als eine Woche vor dem Finalspiel in der deutschen Kapitale erlebte Deutschland jedoch eine Trilogie des Schreckens, von völlig losgelöst bis total aufgelöst. Eine Deutsche Bundesregierung im Koma, die Deutsche Bundesbahn im Jahrhundert-Dilemma und nun noch die Deutsche Nationalmannschaft im Selbstzerstörungs-Modus. Etwas anderes als der EM-Titel kam in Deutschland gar nicht in Frage. Was nicht sein darf, wird nicht sein; und es kam dennoch anders. Auch nach dem KO in der KO-Phase des Turniers gegen Spanien am 5. Juli abends tat sich Eigenartiges im Land der Dichter, Denker und Deutschen Bundestrainer, immerhin über 80 Millionen an der Zahl. Der «Spiegel», sonst bemüht zu sagen was ist (gemäss Leitspruch von «Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein), bastelte weit im Vorfeld des Turniers am Mythos der Unbesiegbarkeit der Deutschen Nationalmannschaft im Rahmen der Europa-Meisterschaft mit. Als die Druckerschwärze von Heft 28 am 6. Juli 2024 noch trocknete, war das Drama um das Nationalteam am Vorabend bereits Tatsache. «Der Spielmacher» titelten die Hamburger Magazin-Macher über den Bundestrainer und Fussball-Säulenheiligen Julian Nagelsmann, «jung sei er, lässig und eloquent», auch ein Meister der Inszenierung, aber vor allem der Europameister-Macher Deutschlands. Zu diesem Zeitpunkt, als der neue «Spiegel», Nr. 28, ausgeliefert wurde, konnte der zur Fussball-Ikone emporstilisierte Jung-Trainer wenigstens eine Qualifikation abwenden: Erfolglos! Aufgezeichnet wird im aktuellen Heft die Geschichte bis zum Gewinn des Europameisterschafts-Titels im eigenen Land in fünf Akten, zuzüglich des vorangestellten Prologs; der letzte, krönende Akt sollte am 14. Juli in Berlin, im Finalspiel, über den Rasen gehen. Nun ist der Vorhang zehn Tage zuvor mit dem Ausscheiden Deutschlands am Heim-Turnier gefallen. Nicht unerwartet fallen die Deutsche Öffentlichkeit und die Medienmeute nun weder über die gescheiterte Mannschaft noch über Julian Nagelsmann her. Schuld war schliesslich nur der Schiedsrichter, der den Deutschen gegen Spanien einen Elfmeter verweigerte (als ob jeder gepfiffene Penalty auch mit einem erzielten Tor gleichzusetzen wäre…). In der Tat waren die Schiedsrichterleistungen an diesem Turnier schwach bis katastrophal. Die aufgezwungenen technischen und digitalen Hilfsmittel verunmöglichen dem bedauernswerten Unparteiischen jedoch, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Es wird vor allem bei jedem Foul, vermeintlichem Abseits und nach jedem Aufreger im Spiel diskutiert statt entschieden. Der digitale Wahnsinn, inklusive Video Assistant Referee, hat die Zerstörung des Fussballs eingeläutet. Apropos Julian Nagelsmann: Er weiss um die Wichtigkeit des Prinzips «Hoffnung», auch im Fussball. Nachdem seine in den Interviews vergossenen Tränen bald getrocknet waren, stimmt er die Deutsche Nation nun auf den WM-Titel 2026 ein. Was sollte er sonst tun? Der Mann, erst 37 Jahre alt, muss schliesslich noch ein paar Jahre arbeiten, und dem Trainer-Fachkräftemangel im Fussball auf Klubebene kann er nach dem «Abenteuer FC Bayern München» auch nichts mehr Wirksames entgegensetzen.
Nachdem Turnierdirektor Phillipp Lahm (gemäss «Spiegel» der «Fussballkanzler») die Veranstaltung im eigenen Land nun ohne die Heim-Mannschaft zu Ende bringen muss, bricht auch den Real-Politikern eine wichtige Profilierungs-Plattform weg. Bis jetzt waren in Deutschland diesbezüglich insbesondere der wirkliche Bundeskanzler, Olaf Scholz, und die Aussenministerin, Annalena Baerbock, aktiv. Bundeskanzler Scholz mit seinem Dackelblick, der wohl kaum einen Fussball von einer Wassermelone (innen rot, aussen grün) zu unterscheiden im Stande ist, schwimmt opportunistisch auf jeder Welle mit, die tapsige Politikerin opfert sogar ihre grüne Gesinnung, wenn sie etwa mit dem Mittel des Sports Wahlkampf betreiben kann. In dieser Hinsicht, wenn es um die Nutzung von Sport-Plattformen durch Politiker geht, ist der Sport mitunter auch gerecht. Nachdem der Türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seiner Mannschaft gegen die Niederlande im Stadion den Rücken stärken und so die «Wolfsgruss» Geschichte und seine Auswirkungen legitimieren wollte, regelten die Holländer das Problem auf sportliche Weise, sorgten für Remedur und warfen die Türken aus dem Turnier. Statt dass die UEFA-Funktionäre aus Nyon den «Wolfs-Grüsser» Merih Demiral in seinem Tun einfach ignoriert hätten, sorgten sie mit einer unsinnigen Formal-Sperre für zwei Spiele für eine regelrechte Affäre und provozierten letztlich den Präsidenten-Auftritt der Türkei in Deutschland. Es ist nicht auszumalen, wenn die Türken nun das Halbfinale bestreiten könnten…
Noch eine Woche bis zum Final-Spiel der Europa-Meisterschaft 2024 in Berlin. Die Deutschen werden froh sein, wenn dieser Spuck nun bald vorbei sein wird. In der realen Fussball-Welt ist die Nation seit dem 5. Juli abends wieder angekommen.










