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Querschnittlähmung nach Skisprung-Horrorsturz: «Dumm gelaufen»

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(causasportnews / red. / 12. Januar 2023) Am 13. Januar 2023 vor acht Jahren hielt ein Skisprungunfall die Welt in Atem. Auf der Kulm-Flugschanze in Bad-Mitterndorf (Österreich) rutschte der damals 24jährige Vorspringer Lukas Müller nach 50 Metern in der Luft aus einem der beiden Skisprung-Schuhe und stürzte bei Tempo 120 brutal ab. Ein Genickbruch und eine irreversible Querschnittlähmung waren die Folgen dieses Schicksal-Sprungs anfangs 2016, von dem sich der damals hoffnungsvolle Athlet nicht mehr ganz erholen konnte. Im Gegenteil. Aufgrund der erlittenen Lähmungen lebt der bald 31jährige Österreicher weitgehend im Rollstuhl (causasportnews vom 5. November 2020), unternimmt aber immer wieder Gehversuche. Der ehemalige Skispringer und dreimalige Junioren-Weltmeister hat dieses Leben mit den erlittenen Behinderungen geradezu heldenhaft angenommen. «Ich führe ein lebenswertes Leben», bilanziert er die Folgen des Horror-Sturzes. Mehr zu schaffen machten ihm die versicherungsrechtlichen Auseinandersetzungen, vor allem gegen den Österreichischen Skiverband (ÖSV), die er jedoch letztlich erfolgreich beenden konnte (causasportnews vom 15. Juni 2019). Die Lähmungen und das Leben weitgehend im Rollstuhl hätten ihm zwar einiges an Spass genommen, sagt Lukas Müller zur aktuellen Situation; vor allem hätte er das Verlangen, den missglückten Sprung mit den tragischen Folgen vom 13. Januar 2016 zu einem Ende führen zu können. Er weiss, dass das nie mehr möglich sein wird. Den Humor hat der frühere Österreichische Erfolgs-Sportler trotz allem nicht verloren. Auf die Folgen des Sturzes und sein schwieriges Leben danach im Rollstuhl angesprochen, fasste Lukas Müller das Geschehen mit einem Augenzwinkern knapp und knackig zusammen: «Dumm gelaufen». Seine Zukunft sieht der verunfallte ehemalige Spitzen-Athlet eher nicht mehr im Sport. Wahrscheinlich würde er die Kraft und die Leidenschaft nicht mehr finden, dem Sport und einer allfälligen paralympischen Karriere alles unterzuordnen, sagte er gegenüber den Medien. Neben dennoch stattfindenden sportlichen Aktivitäten (Mono-Skifahren, Rollstuhl-Rugby) setzt Lukas Müller neue Lebens- und Berufs-Schwerpunkte. Er studiert Sportrecht und Sport-Management und ist als selbständiger Vermögensberater tätig. Zur Erledigung der notwendigen Verrichtungen ist er nur minim auf fremde Hilfe angewiesen.

Die Krux mit der Skibindung

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(causasportnews / red. / 11. Februar 2022) Es ist der blanke Horror eines Skirennfahrers oder einer Skirennfahrerin, wenn sich bei einem Sturz mit über 100 Stundenkilometern die Bindung nicht öffnet. Ebenso ist es ein Graus, wenn sich eine Bindung öffnet, obwohl sie sich nicht hätte öffnen dürfen. Die Trilogie von Skischuh, Bindung und Ski ist sowohl im Renn- als auch im Breitensport eine Wissenschaft für sich. Deren oberste Maxime lautet: Der Schuh soll aus der Bindung springen, wenn er muss…

Im Breitensport ist die Skibindung regelmässig zu prüfen, um die entsprechende Sicherheit auf den Pisten zu gewährleisten. Das empfiehlt auch etwa die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) regelmässig und grundsätzlich vor Beginn der Wintersaison. Die Erfordernisse an eine Skibindung sind im Rennsport natürlich anders gelagert als im Breitensport. Insbesondere im professionellen Skisport steht ein Heer von Technikern im Einsatz, um unter anderem das Thema «Skibindung» unter Sicherheitsaspekten regelmässig zu fokussieren. Bei Gelegenheits-Skifahrern werden kontinuierliche  Tests empfohlen – aus Sicherheitsgründen und um den haftungsrechtlichen Erfordernissen der Versicherungen, welche an Bindungen, Schuhe und Skis gestellt werden, zu genügen. Ungetestete Skibindung können bei einem Unfall, dessen Ursache beispielsweise im genannten Bereich zu orten ist, zu Kürzungen von Versicherungsleistungen führen. Zu beachten ist im Einzelfall, ob die gängigen, auch internationalen Prüfnormen eingehalten worden sind. Ist etwa die Bindung nicht optimal eingestellt worden und resultiert (daraus) ein Unfall, könnten Versicherungsleistungen zufolge Grobfahrlässigkeit gekürzt werden. Theoretisch. In der Praxis verzichten die Unfallversicherer durchwegs darauf, derartige Regressforderungen zu erheben. In jedem Fall empfehlen Versicherer, Skibindungen regelmässig zu prüfen und das entsprechende «Gütesiegel» auf die Skis kleben zu lassen. Durchwegs wird den heute auf dem Markt angebotenen Skibindungen ein guter Qualitätsstandard attestiert. In den letzten vier Jahrzehnten hat sich die Zahl der Unterschenkelverletzungen beim Skifahren jedenfalls halbiert.

Unfälle im Zusammenhang mit Skibindungen können auch Fragen von Produktefehlern nach sich ziehen. Der Oberste Gerichtshof Österreichs hatte gegen Ende des letzten Jahres folgenden Fall zu beurteilen: Bei einer Skiabfahrt stürzte die klagende Freizeit-Sportlerin und verletzte sich. Sie liess vor Gericht ausführen, weil sich die Skibindung nicht geöffnet habe, handle es sich um einen Produktfehler gemäss Österreichischem Produkthaftungsgesetz (PHG). Mit dieser Argumentation drang die klagende Skifahrerin im konkreten Fall allerdings nicht durch. Wegweisend stellte der Oberste Gerichtshof fest, es entspreche gerade nicht dem Stand der Technik, dass sich eine Skibindung in jeder denkbaren Sturzsituation öffne.

Das Thema und der Gerichtsentscheid des Obersten Gerichtshofs Österreichs vom 16. September 2021 wird in der nächsten Ausgabe von «Causa Sport» (Heft 1/2022) behandelt (www. causasport.org).

Entzweit der Skisport die (europäische) Einheit?

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(causasportnews / red. / 5. Dezember 2020) Gemeinhin wird dem Sport völkerverbindende Bedeutung nachgesagt, aber er kann offenbar auch «entzweiend» wirken, wie das Beispiel des Skisports zeigt. Beziehungsweise wird aktuell ersichtlich, wie nationales Denken und Handeln im Zeitalter von «Corona» prävaliert. Die Rede ist nun allerdings nicht vom kommerziell geprägten, organisierten Spitzen-Sport, sondern vom alpinen Skizirkus für alle, den sog. Alpinen Breitensport. Auch dieser weist bekannterweise bedeutende wirtschaftliche Komponenten auf. In den Skigebieten wird nicht nur Sport getrieben, sondern auch gegessen, (reichlich) getrunken; zudem erfolgt eine breitgefächerte Verlustierung; siehe Ischgl. Und das ist bei diesem Problem auch der springende Punkt. Frankreich, Italien und Deutschland tendieren dazu, ihre traditionellen Skigebiete erst nach den Feiertagen wieder frei zu geben – oder die angekündigten Restriktionen erst allmählich im neuen Jahr zu lockern. Falls es «Corona» dann zulässt. Österreich als klassisches Wintersportland ist sich (auch) der wirtschaftlichen Verantwortung in der «Corona»-Zeit bewusst und möchte eher einen liberalen Weg einschlagen, was Lockerungen von angeordneten Massnahmen anbelangt. Soweit, so gut. Wenn nun nicht die Schweiz einfach hineingrätschen würde: Das in den Augen insbesondere der Deutschen «sonderbare Bergvolk» stört die europäische Harmonie, indem es auch hier einen Sonderweg beschreiten will. Das kann die Schweiz natürlich. Immerhin gehört die Eidgenossenschaft nicht der Europäischen Union (EU) an und darf sich (einstweilen) auf die nationale Eigenständigkeit besinnen. «Im Wallis wird über die Festtage Ski gefahren und in den Restaurants gegessen», brachte es der Walliser Staatsrat Christoph Darbellay kürzlich auf den Punkt. Und der Schweizer Tourismus applaudierte. Das sorgt in den Alpenländern Frankreich, Italien und Deutschland für Verstimmung; Österreich hält sich in dieser Frage aus naheliegenden Gründen ziemlich bedeckt. Dafür schlägt der Eidgenossenschaft aus Brüssel nun ein eisiger Wind entgegen. Das alles in einem Zeitpunkt, da die Schweiz ein sog. «Rahmenabkommen» mit der EU anstrebt und eine grundsätzliche getroffene Einigung in delikaten Punkten nachverhandeln will. Da würde in der EU-Zentrale schon ein wenig Solidarität in der Krise erwartet. Klar ist, dass die Bekämpfung von «Corona» und die zu ergreifenden Massnahmen nationale Aufgaben sind. Aber ein wenig Solidarität würde die EU von der Schweiz in dieser Frage im Rahmen des Breitensportes, bei dem es sich nicht spassen lässt, durchaus erwarten. Die (vermeintliche) Aufmüpfigkeit und die harte Haltung sind unter dem Aspekt des europäischen Solidargedankens in der Tat erstaunlich, auch wenn es bei der liberalen Handhabung der «Corona»-Massnahmen vor allem um nationale Belange geht. Erstaunlich auch deshalb, weil vor allem die Schweizer Politik vor Europa geradezu kuscht und sich vor den EU-Repräsentanten jeweils unterwürfig in den Staub zu werfen pflegt. Doch jetzt zeigt das Bergvolk, europäisch gesprochen, «Cojones». Wirtschaftliche Überlegungen, auch im Zusammenhang mit dem traditionellen Skisport, sind in einem Land ohne Bodenschätze von derartiger Relevanz, dass sogar die so gefährdete, europäische Harmonie hintanstehen muss. Aber irgendwann wird «Corona» Geschichte sein; ebenso die Gefahr, dass der europäische Einheitsgedanke aufgrund der Auswüchsen dieser Pandemie auch ausserhalb der Union nachhaltig Schaden nehmen könnte.

Kuh-Attacken-Urteil vom Österreichischen OGH bestätigt

© Rockin’Rita

(causasportnews / red. / 24. Mai 2020) Im Zuge von „Corona“ boomt das Wandern in einheimischer Umgebung. Damit nimmt auch das Konfliktpotential, z.B. zwischen Mensch und Tier, zu. Schon in der Vergangenheit, lange bevor das Virus das Leben der Menschen veränderte, sorgten gleich mehrere Kuh-Attacken auf Wanderer im Alpenraum für Schlagzeilen. Insbesondere schockierte der Tod einer Frau in Österreich, welche 2014 auf einem Weg durch Weidegebiet im Tirol von einer Herde von Mutterkühen mit Kälbern bedrängt, regelrecht umzingelt und durch die Attacken derart verletzt wurde, dass sie starb (vgl. auch causasportnews vom 29. August 2019). Dem tragischen Vorfall folgte ein juristisches Nachspiel; der Witwer und ein Sohn verklagten den Halter der Kuhherde. Im Berufungsverfahren wurde der Tierhalter für haftbar erklärt (§ 1320 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches Österreichs, ABGB) und zur Bezahlung von Schadenersatz und Genugtuung verpflichtet. Der verstorbenen Wanderin wurde eine hälftige Mitverantwortung am Vorfall entgegengehalten, was sich letztlich betragsmindernd auf die Höhe der Schadenersatz- und Genutuungszahlungen, zu welchen der Tierhalter verpflichtet wurde, auswirkte. Beide Seiten akzeptierten das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck (als Berufungsinstanz) vom 2. August 2019 (Urteil GZ 3 R 39/19-p-111) nicht und legten ausserordentliche Revisionsbehelfe ein. Der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) hat mit Entscheid vom 30. April 2020 das Urteil der Vorinstanz bestätigt. Die verschiedenen Aspekte dieser Tierhalterhaftungs-Konstellation werden profund beleuchtet und mit vielerlei Hinweisen auf Judikatur und Literatur zu dieser speziellen Thematik versehen. „Causa Sport“ wird auf dieses Urteil in der nächsten Ausgabe („Causa Sport“ 2/2020 vom 30. Juni 2020) zurückkommen.

Besch…Lage

Sebastian Kurz: Die personifizierte „good governance“ (© Raul Mee)

(causasportnews / red. / 15. März 2020) Innerhalb weniger Tage ist das Horror-Szenario globale Realität geworden: Das „Coronavirus“ hat der Welt eine Pandemie beschert, wie sie unser Planet noch kaum jemals in ähnlicher Art und Weise in punkto Intensität und Auswirkungen erlebt hat. In vielen Teilen der Welt, so auch in Europa, legt der unheimliche, unbekannte und nicht wahrnehmbare Gegner das Leben weitgehend lahm. Auch der Sport musste innerhalb weniger Tage definitiv vor den Gegebenheiten kapitulieren und findet aktuell kaum mehr statt. Wenn sich die Deutsche „Bundesliga“, wie jetzt, dem Virus geschlagen gibt, ist die Lage an Dramatik in der Tat nicht mehr zu überbieten. Der Sport hat im Moment für die Menschen jegliche Bedeutung verloren; er ist uninteressant geworden. Die Angst dominiert – verständlicherweise. In den elektronischen Medien ist der Sport kaum mehr ein Thema; in den Gazetten und Magazinen existiert die (aktuelle) Sport-Berichterstattung logischerweise auch nicht mehr. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) wird die Sport-Politik sinnigerweise unter der Kopfzeile „CORONAVIRUS“ abgehandelt. Da die Spalten trotz allem gefüllt werden (müssen), bleibt dennoch Raum für viel Unnützes, Überflüssiges und Peinliches. So kommen etwa neuerdings „Zeitzeugen“ des Sportes zu Wort; diese haben die Medien allerdings nicht gesucht; es ist umgekehrt. Sie verhelfen den Zeitungen über das sportlich-mediale Interregnum hinweg. So etwa die Ski-Trainer-Legende Karl Frehsner, diskussionslos eine grosse Persönlichkeit der Sport-Zeitgeschichte. Offenbar leicht gereizt hat er dazu Hand geboten, dass die „NZZ“ immerhin zwei Interview-Seiten produzieren konnte. Es war ein Interview, das einerseits gezeigt hat, weshalb Karl Frehsner über einen beeindruckenden Erfolgsausweis, dank seiner konsequenten, kompromisslosen Art verfügt; anderseits wird im Interview die Absurdität der Sport-Berichterstattung im Zeitalter von „Corona“ manifest. Als der über 80jährige Österreicher mit Wohnsitz in der Schweiz gefragt wurde, wann er, derzeit immer noch tätig für „Swiss Ski“, in seinem Alter endlich aufhören wolle, sagte er in seiner gradlinigen, schnörkellosen Art das, was auch als Abbild der momentanen Stimmungslage im Zeitalter von „Corona“ gelten kann, knapp und knackig: „Das geht Sie einen Scheissdreck an.“ („NZZ“ vom 11. März 2020).- Dem ist an sich mit Blick auf die derzeitige Lage in der Welt und im Sport nichts mehr hinzuzufügen. Ausser vielleicht das: Auch diese Krise wird vorübergehen – wann, weiss niemand. Und diesbezüglich kommt dem Krisenmanagement in den Ländern (nota bene: Die EU hält sich vornehm zurück) besondere Bedeutung zu: Beeindruckend souverän, sachlich, engagiert, unermüdlich und empathisch händelt die Krise der Landsmann von Karl Frehsner, der Österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er ist omnipräsent auch in der Öffentlichkeit, erklärt permanent angeordnete Massnahmen, übt Demut und äussert sich zudem dankbar gegenüber denjenigen, auf denen alle unsere Hoffnungen mit Blick auf die Krisenbewältigung ruhen. Fürwahr ein Mann, dem nicht nur die eigenen Anhänger/innen vertrauen (können)! Und der auch, im Gegensatz zu anderen Politikern in verschiedensten Ländern, am Wochenende Flagge zeigt. Der erstaunliche, intelligente Jung-Star auf der politischen Bühne ist ein Vorbild etwa für die Deutsche Bundeskanzlerin, die auch in dieser Situation abgetaucht ist. Ganz zu schweigen auch von der Schweizerischen Landesregierung, die auf der ganzen Linie versagt und sich, wie gewohnt, opportunistisch scheut, die richtigen und griffigen Massnahmen anzuordnen, etwa die seit Wochen fällige Grenzschliessung zu Italien im Tessin, eine Massnahme, von der mit Blick auf das Wohl von Grenzgängern abgesehen wird. Derweil sich die Lage in der Schweiz im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern täglich zuspitzt, was nicht wundert, weil auch die zu milden Massnahmen der Schweizer Regierung zum Teil nicht einmal durchgesetzt werden. Sie will Gutes tun und erreicht das Gegenteil. Die „NZZ“ beschreibt die Wirklichkeit auch hier so, wie sie sie sehen möchte (und nicht so, wie sie ist), z.B. auf der Frontseite in der aktuellen Wochenendausgabe: „Der Bundesrat beweist in der Krise Führungsstärke“ („NZZ“ vom 14. März 2020) – es darf trotz Krise zwischendurch gelacht werden. „Felix Austria!“ also – und „Quo vadis Deutschland und Schweiz?“, könnte die politische Lage auf den Punkt gebracht werden. „good governance“ ist in Krisensituationen nicht nur Glücksache. Fehlt sie, wird offenkundig, wie eng sie an den Begriff „Fähigkeit“ gekoppelt ist. Ohne Zweifel, die Lage ist besch…, um einigermassen an die Terminologie von Karl Frehsner, dem „Eisernen Karl“ aus dem Skisport, anzuknüpfen. Aber die Menschheit muss hier durch.

Doping: Wir nicht – die andern auch…

(causasportnews / red. / 15. Februar 2020) Im Zuge der „Operation Aderlass“, die vor einem Jahr die Sportwelt anlässlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im Österreichischen Seefeld erschütterte und ein gigantisches Doping-Netzwerk zu Tage förderte, folgen sich die Prozesse gegen Fehlbare nicht nur aus der Sportszene nun Schlag auf Schlag. Die Dopingaktivitäten rund um den Erfurter Sportarzt M.Sch. haben sich allerdings nicht nur auf den Skisport bezogen, sondern erfassten auch andere Sportdisziplinen, vor allem den Radsport – wen wundert’s? Einer der prominentesten Figuren, der Ex-Langläufer Johannes Dürr, ist zwischenzeitlich vom Landesgericht Innsbruck wegen gewerbsmässigen Betrugs zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der 33jährige Österreicher gilt im ganzen Dopinggefüge nicht nur als Whistleblower und Selbst-Doper; er war auch in Dopingpraktiken anderer involviert. Zentrale Figur im juristischen Trümmerfeld, das es nach der „Operation Aderlass“ aufzuräumen gilt, ist und bleibt jedoch der Arzt M.Sch., der bald ebenfalls als Angeklagter vor Gericht stehen wird. Aus der Sparte „Radsport“ abgeurteilt worden ist zwischenzeitlich etwa der Ex-Rad-Professional Stefan Denifl, der am Landesgericht Innsbruck gestanden hat, Blutdoping praktiziert zu haben. Jedoch bestritt der 32jährige Tiroler (erfolglos), ein „Betrüger“ zu sein. Er habe niemanden getäuscht, auch Veranstalter und andere Konkurrenten nicht, führte er vor Gericht aus. Im Radsport würden Leistungen verlangt, die „normalerweise“ nicht zu erbringen seien; viele Athleten würden sich in dieser Sportart dopen, und ohne Doping hätte er z.B. gar keinen Vertrag mehr mit einem Team bekommen. Stefan Denifl versuchte jedenfalls, Doping als „Normalzustand“ darzustellen, Doping im „Normalitäts-Modus“ also. Und somit getreu nach dem Motto: „Wir nicht – die andern auch“…Deshalb macht sich ausserhalb der Szene teils Verständnis für die Dopingdelinquenten breit.

Eigenartig mutet bei der juristischen Aufarbeitung des aufgeflogenen, internationalen Doping-Netzwerkes jedenfalls der Umstand an, dass sogar der Ankläger im „Dürr-Prozess“ die Dopingseuche im Sport als nichts Ausserordentliches darzustellen versuchte, zumal auch in diesem Zusammenhang einige Schatten vor allem auf Protagonisten des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV) fallen. So soll Staatsanwalt Dieter Albert in Innsbruck sich explizit so geäussert haben, dass der Eindruck, es werde nur in Österreich gedopt, falsch sei; Doping sei nicht nur ein „österreichisches Problem“. „Wir nicht – die andern auch“… also, wird die Doping-Thematik sogar von Strafverfolgern relativiert. Kein Wunder, dass so jeder Druck seitens der Öffentlichkeit ausbleibt. Auch von medialer Seite. Jedenfalls kann nicht erwartet werden, dass die sonst die Moralkeule schwingende „Kronen Zeitung“ grosse Lust verspürt, zu stark im Dopingsumpf zu wühlen. Die grösste Boulevardzeitung Österreichs ist immerhin Sponsor des ÖSV…

„Operation Aderlass“ und ihre juristischen Folgen

(causasportnews / red. / 18. November 2019) Die Aussagen des 32jährigen, ehemaligen Langläufers Johannes Dürr in den Medien haben anlässlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Seefeld anfangs dieses Jahres zur „Operation Aderlass“ des Österreichischen Bundeskriminalamtes in Zusammenarbeit mit der Schwerpunkts-Staatsanwaltschaft München geführt (vgl. auch causasportnews vom 21. Mai 2019). Die sog. „Dopingrazzien“ hatten insgesamt fünf Verhaftungen in Seefeld und in Erfurt zur Folge; Johannes Dürr wurde nach den Aktionen der Ermittlungsbehörden ebenfalls (in Innsbruck) festgenommen. Der Österreicher wird seit 2013 mit Doping in Verbindung gebracht. 2014 gestand er den Gebrauch von EPO (ein Glykoprotein-Hormon zur beschleunigten Bildung von leistungsfördernden, roten Blutkörperchen). In der ARD sprach der ehemalige Leistungssportler aus Göstling in Niederösterreich zu seiner eigenen (Doping-)Vergangenheit (u.a. gestand er jahrelanges „Blutdoping“) und legte zudem Zustände im Österreichischen Skiverband offen. Eine weitere Schlüsselfigur des Doping-Skandals ist ein Erfurter Sportarzt, zu dem der ehemalige Wettkampfsportler intensive Kontakte gehabt haben soll und mit dem er offenbar auf verschiedenen Ebenen zusammen gearbeitet hatte. Verbandsrechtlich wurde Johannes Dürr als „Wiederholungstäter“ von den zuständigen Sanktionsgremien zuletzt lebenslänglich gesperrt; die Österreichische Anti-Doping-Rechtskommission (ÖDAR) hat die Entscheidung im Oktober bestätigt. Nun folgt die strafrechtliche Aufarbeitung des „Dopingfalls Dürr“. Wie kürzlich offiziell bekannt gegeben wurde, hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck den ehemaligen Athleten, der sich offenbar seit Jahren im Dunstkreis der Dopingvorkommnisse bewegte, unter anderem wegen gewerbsmässigen, schweren Sportbetrugs angeklagt. Im Falle einer Verurteilung muss er mit einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren rechnen. Die „Operation Aderlass“ hat soeben ein weiteres „Opfer“ gefordert: der 65jährige, frühere estnische Langlauftrainer Mati Alaver ist von einem Straf-Gericht in Tallinn (Estland) zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr (auf Bewährung) verurteilt worden.