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Königliches Spiel ohne den König: Magnus Carlsen räumt den Thron

causasportnews, Nr. 1005/04/2023, 10. April 2023

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(causasportnews / red. / 10. April 2023) Das war alles kein Zufall, sondern eiskaltes Kalkül. Kurz, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOK) den internationalen Sportverbänden die Entscheidung überlassen hat, ob russische Sportlerinnen und Sportler als «neutrale» Aktive in den jeweiligen Sportarten zuzulassen seien (causasportnews vom 2. April 2023) hat sich im Schach das ereignet, was so oder so nicht mehr abzuwenden war, nachdem diese «heisse Kartoffel» vom Lausanner Olymp den Verbänden weitergereicht wurde: In der nun bis zum 1. Mai 2023 dauernden Schach-WM wird sich wohl ein Russe die Krone im königlichen Spiel auf den 64 Feldern aufsetzen – und so den Kriegstreibern im Kreml nach über einem Jahr des Mordens und Zerstörens in der Ukraine eine mehr als willkommene Propaganda-Plattform gewähren. Denn es ist voraussehbar, dass der Russe Jan Nepomnjaschtschi den Titel von Magnus Carlsen, der auf die Titelverteidigung verzichtet, erben wird. In Astana (Kasachstan) misst sich der 33jährige Russe mit dem 30jährigen Chinesen Ding Liren, den man in der Boxersprache vielleicht sogar als «Fallobst» bezeichnen würde; in maximal 14 Partien soll der neue Schach-Champion ermittelt werden. Es wären die Folgen (fast) nicht auszumalen, wenn Jan Nepomnjaschtschi dem Chinesen unterliegen würde. Der Russe macht aus seiner Sympathie für das russische Regime kein Geheimnis, und hinter dem Krieg Russlands steht er mit der Mehrheit seiner Landsleute, auch wenn er sich in einem offenen Brief schon einmal gegen den Krieg ausgesprochen hat. Das nennt das IOK sport-politische Neutralität. Der Anwärter auf den WM-Titel bedauert, dass er in Astana gleichsam als «Neutraler» antreten muss; konkret heisst das unter der Flagge des Schach-Weltverbandes. «Leider kann ich nicht unter der russischen Flagge spielen», lässt sich der haushohe Favorit auf den WM-Titel in den Medien zitieren. Das zum Thema «Neutralität» von Aktiven aus Russland. Dass das alles in der Sportart «Schach» geschieht, ist allerdings kein Wunder. Diese Sportart ist in Russland etwa so beliebt wie das Rodeln oder der Biathlonsport in Deutschland, das Schwingen in der Schweiz oder das Skifahren oder der Fussball in Österreich. Von Russland durchsetzt ist auch der Internationale Schachverband (FIDE, mit Sitz in Lausanne), in dem, wen wundert’s, ein Russe sogar als Präsident amtet! Die allgemein wirksame Öffnungsanordnung des IOK für russische Sportlerinnen und Sportler dürfte Russland als Geschenk des Himmels erscheinen. Diese Durchsetzung des internationalen Schach-Sports durch Russland und der Umstand, dass nun ein Russe wohl das bevorstehende WM-Schach-Duell gewinnen wird, bedeutet gleichzeitig die Kapitulation des Weltsports vor den hehren Werten des Sportes im Allgemeinen. Diese Sportart wird nun wohl als Missbrauchsdisziplin für die Kriegstreiber-Nation Russland in die Sport-Geschichte eingehen und erinnern zumindest im Ansatz etwa an die Propaganda-Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin. Das alles hat aktuell mit dem Umstand zu tun, dass der beste Schachspieler der Welt, der Norweger Magnus Carlsen, keine Lust mehr verspürt, den Titel erneut zu verteidigen. Wäre es anders, würde Jan Nepomnjaschtschi die Schach-Arena nun in Astana, wie schon vor zwei Jahren in Dubai, mit grosser Wahrscheinlichkeit als Verlierer verlassen (causasportnews vom 14. Dezember 2021). Das königliche Spiel findet demnach ohne den unbestrittenen König in dieser Disziplin statt. Doch was soll’s: Ein Titel ist ein Titel – und die Abwesenden haben immer Unrecht… Alles spielt Russland in die Hände. Sollte dennoch, was eine Weltsensation wäre, der Chinese obenaus schwingen, würde immerhin ein Angehöriger aus China, dem Lande der Russen-Freunde, reüssieren.

Der «Sündenfall» des IOK vor der russischen Aggression ist im Moment aber (noch) nicht vollständig bis zu allen internationalen Sportverbänden durchgedrungen. So hat der Internationale Pferdesportverband (FEI, mit Sitz in Lausanne), trotz der IOK-Empfehlung soeben entschieden, Aktive aus Russland und Weissrussland weiterhin vom internationalen Sport auszuschliessen. Dem Verband ist es nicht möglich, die Neutralität dieser Sportlerinnen und Sportler mit Blick auf die Aggression Russlands begrifflich und thematisch zufriedenstellend zu realisieren. Wie sich Russinnen und Russen sowie Weissrussinnen und Weissrussen, die kraft ihrer Staatsbürgerschaften Staatsangehörige einer kriegsführenden Nation (Russland) neutral auf den Sportarenen dieser Welt sollen bewegen können, bleibt für die FEI schlicht ein Rätsel, wie aus der FEI-Zentrale in Lausanne verlautete. Dem ist an sich nichts beizufügen.

Was nach dem IOK-Opportunismus zu Gunsten Russlands noch alles auf die Sportwelt kommen soll, bildet ein Mysterium dieser Chaos-Zeit, vor der eben der internationale Sport nicht gefeit ist.

Weissrussland mischelt sich in die Fussball EM-Qualifikation 2024

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(causasportnews / red. / 11. Oktober 2022) Die mit einiger Spannung erwartete Qualifikations-Auslosung zur Fussball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland ist in Frankfurt über die Bühne gegangen. Grosse Überraschungen sind ausgeblieben, auch wenn etwa die Gruppe C mit Italien, England, Ukraine, Nordmazedonien und Malta einiges an Spannung verspricht. Gastgeber Deutschland ist für das europäische Kontinentalturnier direkt qualifiziert, Russland ist aus den bekannten Gründen ausgeschlossen.

Einigermassen verwundert nahm die Öffentlichkeit davon Kenntnis, dass sich Weissrussland trotz Protesten und Interventionen seitens der Politik beim Europäischen Fussballverband (UEFA) doch noch ins Qualifikationstableau gemischelt hat. Vor allem die Deutsche Bundes-Innenministerin Nancy Faeser hatte energisch den Ausschluss des Russland ergebenen Vasallenstaates Weissrussland aus der EM-Qualifikation gefordert (vgl. causasportnews vom 3. Oktober 2022). Vergeblich. Von der UEFA wurde das Thema letztlich ausgesessen, und offensichtlich kalkulierte die UEFA-Spitze mit den sportlichen Fakten und Möglichkeiten. Am Hauptsitz des Kontinentalverbandes in Nyon darf nun davon ausgegangen werden, dass Weissrussland in Deutschland aus sportlichen Gründen in Deutschland so oder so nicht dabei sein würde. Mit den Gruppengegnern Schweiz, Israel, Rumänien, Kosovo und Andorra wird es den Weissrussen kaum gelingen, die beiden ersten Gruppenplätze zu belegen und sich so direkt für das Turnier 2024 zu qualifizieren; die Rechnung der UEFA und die wohl insgeheime Hoffnung, dass Weissrussland die Qualifikation für Deutschland nicht schaffen wird, dürfte also letztlich wohl aufgehen. Chancenlos wird Weissrussland wahrscheinlich schon im ersten Qualifikationsspiel sein, wenn die Schweiz in Minsk antreten wird. Ausgerechnet die Schweiz muss sich also mit Weissrussland messen! Aber vielleicht kommt es dann im März des kommenden Jahres gar nicht zu diesem Qualifikationsspiel. Die Lage im Russland-Krieg spitzt sich (leider) derzeit Tag für Tag zu, und das «Problem Weissrussland» könnte sich zufolge der Haltung Weissrusslands als Supporterin der russischen Aggression auch aufgrund der Gegebenheiten neben dem Spielfeld erledigen.