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Von Betrogenen, Fast-Betrogenen, Bevorzugten und Rehabilitierten

causasportnews, Nr. 1009/04/2023, 23. April 2023

CAS Hearing Room, photo cy CAS

(causasportnews / red. / 23. April 2023) Wir leben auf dem Planeten der zu kurz Gekommenen, der Diskriminierten und Benachteiligten. Nicht ganz so krass, jedoch ähnlich, verhält es sich insbesondere im Sport. Wobei in dieser Sparte im extremsten Fall von Bevorzugten die Rede ist, die den Betrogenen Platz machen mussten.

Zumindest temporär betrogen wurde die Schweizer Ski-Crosserin Fanny Smith, die an den Olympischen Spielen 2022 in Peking wegen Behinderung ihrer Deutschen Konkurrentin Daniela Maier disqualifiziert und auf den (undankbaren) 4. Schlussrang versetzt wurde. Die Deutsche Athletin erhielt die Bronzemedaille, die Schweizerin musste mit der sog. «ledernen» Auszeichnung Vorlieb nehmen. Schon vor der Medaillenvergabe in Peking regte sich Widerstand, und es wurde die Diskussion hierüber entfacht, ob Fanny Smith Daniela Maier wirklich behindert hatte oder eben nicht. Hatte sie offenbar nicht, wie nun das Internationale Olympische Komitee (IOK) bekannt gab. Bekannt gab oder entschied? Die Sportfunktionäre haben es zwischenzeitlich geschafft, Sportresultate mediativ-freundschaftlich festzulegen oder festlegen zu lassen. Der Betrug an Fanny Smith bezüglich der wegen (k)einer Behinderung vorenthaltenden Auszeichnung für den dritten Platz bewog vor allem den von verschiedener Seite wegen der «Causa Smith/Maier» unter Druck geratenen Internationalen Skiverband (FIS), die verzwickte Situation irgendwie zu einem guten Ende zu bringen, ohne die Deutsche auf den vierten Platz zu setzen. Doch für was hat denn die Sport-Familie das Sport-Schiedsgericht TAS (Tribunal Arbitral du Sport), das, wie Beispiel zeigt, auch vermittelnd in Erscheinung treten kann. So kam es, dass das TAS eine salomonische Lösung in der delikaten Angelegenheit vorgab: Sowohl Daniela Maier als auch Fanny Smith sind nun offiziell Bronze-Medaillen-Gewinnerinnen von Peking 2022. Dieses Schlichtungsergebnis unter der Ägide des TAS macht Mut: Endlich herrscht Klarheit darüber, dass auch Sportresultate verhandelbar sind, dies dem Unkenruf zum Trotz, dass auf dem Sportplatz erzielte Resultate das Abbild der realen Fakten seien – oder sein sollen. Aus Betrogenen können Fast-Betrogene und letztlich Rehabilitierte werden. Das IOK, welche die Bronze-Medaille-Übergabe an Fanny Smith kürzlich geradezu zelebrierte, wird sagen: Am Resultat von Peking ändert sich nichts, nur die Schlüsse daraus lassen Betrogene zu Rehabilitierten und Bevorzugte zu Mit-Gewinnern machen. Das muss auch so sein, denn nichts ist tragischer für den Sport als der Umstand, wenn das Publikum nach Beendigung eines Wettkampfes (während hier mehr als einem Jahr) nicht weiss, wie sich nun die Rangierung eines Wettkampfs präsentiert. Der «Fall Fanny Smith», bei dem es letztlich um individualisierte Gerechtigkeit nach dem kollektiven Betrug an der Schweizerin ohne Nachteil für die Deutsche ging, wurde denn auch auf kleinem Feuer gekocht. Das Publikum nahm die Medaillen-Zusatz-Vergabe nach mehr als einem Jahr nach Peking 2022 gar nicht mehr war. Das alles hatte auf den Medaillenspiegel der Olympischen Spiele in der Chinesischen Metropole keinen Einfluss. Österreich bleibt in der Gesamtwertung vor der Schweiz. Eine win-win-Situation für alle also.

Der Sport ist bekanntlich eine Plattform für Menschen, die sich irgendwie in Szene zu setzen wissen; nicht immer sind es sportliche Leistungen. Treten sie von der Sportbühne ab, sind Mittel und Wege gefragt, wie man sich wieder in das Scheinwerferlicht dieser Bühne begeben kann. Zum Beispiel der ehemalige Formel 1-Strippenzieher Bernard Charles Ecclestone, der den Rennzirkus über Jahrzehnte erfolgreich und clever, wie ein Dompteur, zu dirigieren wusste. Seit der nun bald 93jährige, ehemalige Gebrauchtwagenhändler von den neuen Eigner der höchsten Motorsport-Klasse, «Liberty Media», vor wenigen Jahren in den Ruhestand versetzt worden ist, hat auch der von der ganzen Welt liebevoll genannte «Bernie» erfahren, dass der Stellenwert eines Menschen in der Gesellschaft massiv sinkt, wenn er in dieser keine Bedeutung mehr hat. In einer solchen Situation muss der gealterte, ins gesellschaftliche Abseits gestellte Mensch sich anderweitig ins Szene setzen. Zum Beispiel mit einem aufgedeckten Betrugs-Skandal. Auf diese Weise ist es Bernie Ecclestone dank Schwatzhaftigkeit nun gelungen, wieder ins mediale Licht einzutauchen, wenn auch nicht wahnsinnig erfolgreich. Der Vorgang, den der mit allen Wassern gewaschene Brite publik gemacht hat, liegt auch schon lange zurück, nämlich beinahe 15 Jahre. Es war der 2. November 2008, als Felipe Massa im Ferrari den WM-Titel in der letzten Runde seines Heim-Grand-Prix an den rundherum bevorzugten Briten Lewis Hamilton verlor. Der WM-Titel des bescheidenen, wenig Glamour versprühenden Felipe Massa wurde diesem offenbar gestohlen, nachdem es in jener Formel 1-Saison zu Absprachen, Tricksereien und Betrügereien gekommen sei, so der ehemalige Dompteur des Motorsport-Zirkus’. Man habe unter den Mächtigen der Disziplin Stillschweigen vereinbart – um den Sport zu schützen. Das alles nützt dem Betrogenen, dem heute 42jährigen Brasilianer, nicht mehr viel. Aber vielleicht hilft das TAS, das, kein Scherz, nun vom Betroffenen (Betrogenen) zwecks Rehabilitierung angerufen werden soll. Weshalb nicht unter der Aufsicht der Sport-Schiedsrichter in Lausanne und mit dem Segen des IOK die Vergabe eines zweiten Formel 1-WM-Titels für 2008? Die Krux an der Geschichte: Formel 1 ist immer noch keine Olympische Disziplin, auch wenn Felipe Massa an sich schon rehabilitiert werden sollte. Aber das müsste doch schon irgendwie hinzubiegen sein.

Dopingfall Kamila Walijewa wird in Lausanne entschieden

Photo by Queen Yuna

(causasportnews / red. / 26. Februar 2023) Die bald 17jährige russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa blieb anlässlich der nationalen Eiskunstlauf-Meisterschaften Ende 2021 in den Fängen der Dopingfahnder hängen und wurde positiv auf das Mittel Trimetazidin (grundsätzlich ein Mittel gegen Angina pectoris) hängen. Eine vorläufige Sperre der damals 15jährigen Athletin wurde auf wundersame Art und Weise vor den Olympischen Spielen in Peking 2022 (vom 4. Bis 20. Februar), kurz bevor der russische Vernichtungskrieg gegen die Ukraine vor ziemlich genau einem Jahr, am 24. Februar 2022, seinen Anfang nahm, mit Blick auf die Eiskunstlauf-Wettbewerbe aufgehoben. Wohl zu Unrecht, wie sich demnächst herausstellen dürfte. Mit dem 15jährigen Mädchen aus dem Reiche der übelsten Kriegstreiber der Gegenwart und wohl mit entsprechendem Support der Russen-Freunde in China gewann Kamila Walijewa im Teamwettbewerb in Peking die Goldmedaille. Es steht nun allerdings die juristische Nagelprobe bevor, ob die Russen, welche wegen des flächendeckenden Staatsdopings in Peking als «ROC» (Russian Olympic Committee) antreten mussten oder durften, das Edelmetall behalten dürfen oder an die USA, welche in Peking vor Japan den zweiten Platz belegten, weiterreichen müssen.

Ende des vergangenen Jahres wäschte die Anti-Doping-Agentur Russlands («RUSADA») die junge Eiskunstläuferin aus den eigenen Reihen von Schuld und Strafe rein; eine vierjährige Sperre sowie die Aberkennung aller Resultate hätte wegen des offenbar klar belegten Dopingmissbrauchs die Folge sein müssen, berechnet ab dem Datum der genommenen Dopingprobe am 25. Dezember 2021. Eine andere Entscheidung als ein Freispruch im ausser Rand und Band geratenen Russland hatte die Sportwelt nicht erwartet. Glücklicherweise kann etwa die Welt-Doping-Agentur (WADA) gegen derartige Entscheide nationaler Anti-Doping-Behörden Einspruch einlegen, was die WADA nun getan hat (wie auch die Internationale Eislauf-Union ISU). Über den Freispruch vom Dopingvorwurf gegenüber Kamila Walijewa wird nun am Tribunal Arbitral du Sport (TAS) verhandelt werden; das Sport-Schiedsgericht in Lausanne, das allerdings weitgehend vom Russen-freundlichen Internationalen Olympischen Komitee (IOK) getragen und beeinflusst wird, dürfte in dieser sport-politisch initiierten Eiskunstlauf-Groteske in relativ kurzer Zeit als (vermeintlich) unabhängiges, internationales Sport-Schiedsgericht letztlich und indirekt auch darüber befinden, wem die Goldmedaille im Team-Wettbewerb von Peking 2022 zusteht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Russen-Gegner aus den Vereinigten Staaten «erben» werden. Eine Entscheidung des TAS könnte danach noch beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden. Es ist sicher als sportlich-positiv zu werten, dass die höchste Gerichtsinstanz der Schweiz dann korrigierend eingreifen könnte, falls die TAS-Entscheidung in dieser Schmierenkomödie etwa unhaltbar, willkürlich «pro Russland» ausfallen würde; das TAS gilt seit jeher als opportunistisch-juristische «Wundertüte», im IOK gilt der Russen-Freund und Präsident Thomas Bach als einflussreicher, gewiefter Strippenzieher – auch bezüglich der Rechtsprechung am Lausanner Sport-Gerichtshof. Jedenfalls wird die Rechtsprechungs- Finalissima in der «Causa Kamila Walijewa» in jedem Fall in Lausanne /Schweiz über die Bühne gehen.

Ausschluss Russlands aus dem Sport rechtskonform

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(causasportnews / red. / 20. Juli 2022) Das war vorauszusehen: Grundsätzlich ist der Ausschluss Russlands bzw. der Sportverbände und -vereine wegen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine aus dem organisierten Sport möglich und demnach rechtskonform (vgl. dazu auch causasportnews vom 12. Juli 2022). In diesem Sinne hat sich der Internationale Sportschiedsgerichtshof CAS in Lausanne in ersten Entscheidungen geäussert. Es ging dabei um die Sparte Fussball. Relativ zügig nach Kriegsbeginn haben der Kontinentalverband Europas (UEFA) sowie der Internationale Fussballverband (FIFA) den Fussballverband Russlands (RFS), der seit 1912 Mitglied des Weltfussballverbandes und seit 1992 des Europäischen Verbandes UEFA ist (Anmerkung: Die Kontinentalverbände sind selbständige FIFA-Sektionen und damit Vereine nach schweizerischem Recht; auch die FIFA ist ein Verein nach schweizerischem Recht mit Sitz in Zürich) aus dem internationalen Fussballgeschehen ausgeschlossen; dabei handelt es sich formell wohl um Suspendierungen, die dereinst auch wieder aufgehoben werden können. Auch Klubs und Einzelsportler trafen die Massnahmen von UEFA und FIFA. So gelangten die ausgeschlossenen Klubs (St. Petersburg, Sotschi, ZSKA Moskau und Dynamo Moskau) an das Schiedsgericht und blitzen ab. Entscheide bezüglich Individualsportler und -sportlerinnen wurden noch nicht bekannt. Am einschneidendsten war für den Verband Russlands die Elimination aus der Qualifikation für die Fussball-WM-Endrunde zum Jahresende in Katar.

Der CAS begründete die Bestätigung der Suspensionen mit noch nie dagewesenen Umständen aufgrund des von Russland losgetretenen Krieges. Die Reaktionen hierauf seitens der FIFA und der UEFA verhielten sich innerhalb der Statuten, verhiess es aus Lausanne. Das völkerrechtswidrige Vorgehen gegen die Ukraine zeitige u.a. einschneidende Konsequenzen auf den organisierten Sport, der aus Gründen der Sicherheit und der ordnungsgemässen Abläufe des Sportbetriebes zu diesen Mitteln greifen dürfe.

Bezüglich der von den Suspensionen mittelbar betroffenen Sportlern und Sportlerinnen äusserte sich der CAS in einem obiter dictum dahingehend, dass die einzelnen Sporttreibenden an sich nichts dafür könnten und hierfür keine Verantwortung tragen würden, wie sich ihr Land (Russland) verhalte. Was natürlich unzutreffend ist, solange diese Athleten und Athletinnen einen direkten oder indirekten Bezug zu ihrem Heimatland aufweisen, etwa durch die Nationalität. Diese Verständnisäusserungen seitens des CAS mit Bezug auf die Individualsportlerinnen und -sportler legt die Einschätzung nahe, dass russische Sportlerinnen und Sportler durchaus Chancen haben, beim CAS die Zulassung zum organisierten Sport zu erstreiten, was natürlich verheerend wäre; dem in der Regel opportunistisch und weniger juristisch als politisch entscheidenden CAS ist jedoch auch diese Fehlleistung zuzutrauen. So, wie es die Teilnahme russischer Sportlerinnen und Sportler nach dem Staats-Doping-Skandal in Russland gebilligt hat. Diese durften, obwohl sie ein Teil des Systems waren und sind, als «neutrale» Teilnehmende weiterhin im internationalen Sport mitwirken. Dieser «Sündenfall» des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) und des CAS vor Russland wirkt bis heute nach.

Claudia Pechstein siegt vor dem Bundesverfassungsgericht

(causasportnews / red. / 13. Juli 2022) Es gibt Prozesssiege, bezüglich derer man nicht so genau weiss, was sie letztlich wert sind. Ein solcher Prozesserfolg dürfte das von der 50jährigen Athletin mit Pauken und Trompeten verkündete und kommentierte Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts sein, das der erfolgreichsten Eisschnellläuferin aller Zeiten die Führung eines Schadenersatz- und Genugtuungsprozess gegen die Internationale Eislauf-Union (ISU) vor dem Münchner Oberlandesgericht ermöglicht (Urteil vom 3. Juni 2022; 1 BvR 2103/16). Der Ausgang jenes Verfahrens ist allerdings ungewiss. In jedem Fall bedeutet der Prozesserfolg vor dem höchsten Gericht Deutschlands zweifelsfrei ein Prestigeerfolg für die auch auf juristischer Ebene kämpferische Sportlerin, der jedoch nicht ganz so unerwartet eingetreten ist, nachdem im Februar 2019 bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Gehörsverletzung durch den Court of Arbitration for Sport (CAS) festgestellt hatte (vgl. causasportnews vom 6. Februar 2019).

Warum nun das deutsche Bundesverfassungsgericht für den 15-seitigen Entscheid sechs Jahre, davon drei Jahre seit dem Urteil des EGMR, benötigt hat, darf an dieser Stelle durchaus kritisch hinterfragt werden. In Lausanne jedenfalls, wo der CAS seinen Sitz hat, wurde zwischenzeitlich längst die Verfahrensordnung angepasst, sodass der Richterspruch aus Karlsruhe kaum Auswirkungen auf aktuelle und künftige Verfahren vor dem CAS zeitigen dürfte.

Für Claudia Pechstein hingegen haben sich die Aussichten auf Rehabilitierung in sportlicher und finanzieller Hinsicht durchaus verbessert. Die fünffache Olympiasiegerin wurde 2009 wegen eines Dopingvergehens, das sie stets bestritten hat, für zwei Jahre gesperrt. Es waren auffällige Blutwerte, die zu dieser Sanktion führten. Die bestrafte Athletin führte diese ungewöhnlichen Werte auf eine vererbte Blutanomalie zurück. Letztlich wurde die Sanktion vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigt. Dennoch begehrte die 50jährige Ausnahmesportlerin von der ISU Schadenersatz und Genugtuung, u.a. vor deutschen Zivilgerichten. Trotz einer bestehenden, bzw. von Verbandsseite behaupteten Schiedsgerichtsvereinbarung entschied das Oberlandesgericht München 2015, dass dieser Klageweg vor einem ordentlichen Gericht offenstehe, weil die zur Diskussion stehende Schiedsvereinbarung nichtig sei. Der Bundesgerichtshof urteilte dann allerdings, dass die Schiedsvereinbarung gültig und die Klage somit insgesamt unzulässig sei, was nun das Deutsche Bundesverfassungsgericht verwarf.

Der Schadenersatz- und Genugtuungsprozess von Claudia Pechstein gegen die ISU wird nun vor dem Münchner Oberlandesgericht fortgesetzt werden. Letztlich wird sich dort zeigen, ob der Sieg der Athletin in Karlsruhe mehr als ein Pyrrhussieg gewesen ist. Ohne einer Entscheidung des Münchner Gerichts (und danach wohl höherer Instanzen) vorgreifen zu wollen, sei an dieser Stelle die Bemerkung angebracht, dass in Anbetracht der vom Schweizerischen Bundesgericht als rechtskonform qualifizierten Dopingsanktion ein Erfolg von Claudia Pechstein im Schadenersatz- und Genugtuungsprozess wohl eher überraschen würde. Aber vielleicht wird das Damoklesschwert einer gerichtlichen Entscheidung dazu führen, dass sich die Parteien aussergerichtlich vergleichen, was aber aufgrund der von Claudia Pechstein in den Raum gestellten Schadenersatzsumme von mehreren Millionen Euro dann doch wieder eher unwahrscheinlich anmutet. Affaire à suivre auch hier.

Jetzt wird es justiziabel – können Russlands Sportlerinnen und Sportler ausgeschlossen werden?

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(causasportnews / red. / 12. Juli 2022) Kaum jemand hat damit gerechnet, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine über Monate gehen würde und noch andauern wird. Seit dem 24. Februar 2022 wird die Ukraine von einem Schurkenstaat zusammengebombt und die Bevölkerung malträtiert. Ein Wahnsinniger und das Regime in Moskau terrorisieren seither auch die ganze zivilisierte Welt. Es ist nicht der Krieg eines Diktators, sondern die Aggression eines Staates gegenüber einem anderen Staat; Diktator und Regime werden von einem Volk praktisch ausschliesslich gestützt. Der Westen verspricht seit Monaten Hilfe und wägt ab, wie dehnbar die Ethik, die sich blutarm präsentiert, bei der Verfolgung der Eigeninteressen sein kann. Er verlangt nun immer mehr, weil der Krieg aus dem Ruder laufen wird, Gespräche mit den Kriegstreibern – und meint, im Eigeninteressen, eigentlich Kapitulation. Was die Geschichte lehrt, wird überdies Tatsache: Sanktionen sind nichts anderes als ein Bumerang. Gewalt lässt sich nur mit Gewalt eliminieren; für die Verfolgung der genannten Eigeninteressen ist diese, im Moment zumindest, keine Option. Das Fressen in geheizten Räumen kommt vor der Moral. Der Krieg in Europa scheint jedoch erst begonnen zu haben.

Im Zuge der allgemeinen Sanktionierungen reagierte auch der organisierte Sport – zumindest teilweise. Doch auch diesbezüglich herrscht immer mehr Kriegs- und Sanktionsmüdigkeit. Russische Sportlerinnen und Sportler, Klubs, Verbände und Organisationen wurden und werden von der Sportwelt ausgegrenzt und aus dem organisierten Sport verbannt. Das war folgerichtig, denn wer eine Nähe zu Russland aufweist, das kann auch eine Staatsbürgerschaft sein, muss damit rechnen, als vom Schurkenstaat kontaminiert vom Sport mit seinen tragenden Werten ausgeschlossen zu werden (was auch für Athletinnen und Athleten aus dem Russland-hörigen Weissrussland gilt). Nach Monaten hat sich die zivilisierte Welt weitgehend an den brutalen Krieg in Europa gewöhnt, und es werden die Forderungen lauter, Russlands Vertreterinnen und Vertreter wieder am organisierten Sport teilnehmen zu lassen. Die Begründung: Athletinnen und Athleten mit russischer Nationalität könnten schliesslich nichts dafür, dass ihr Land als hemmungsloser Aggressor auftritt. So einfach ist es allerdings nicht, weil Russland immerhin einen derart rücksichtlosen und egoistischen Krieg in Europa führt, der in der Moderne seinesgleichen sucht. Es wird zurückgeblendet auf das Jahr 1939, als Deutschland, ebenfalls mit einem irrwitzigen Diktator an der Spitze, mit dem Angriff auf Polen den 2. Weltkrieg entfesselte. Russland geht mit brutalster Gewalt vor, bombt Teile der Ukraine in Schutt und Asche und mordet auf’s Übelste drauf los. Jegliches Recht, so auch das (Kriegs-)Völkerrecht, wird von Russland ausgeblendet. Die einzige Regel, an die sich dieses Land hält, ist diejenige, sich an keine Regel zu halten. Wer in dieses Geschehen involviert ist, ob direkt oder indirekt, muss Folgen gewärtigen.

Wie reagiert also der organisierte Sport auf diese beispiellose Aggression Russlands als Staat mit entsprechenden Mitdenkern und Mithandelnden im In- und Ausland? Heterogen, jedoch grundsätzlich mit Linie.

Zum Beispiel im Tennis: Die privaten Wimbledon-Organisatoren haben Spielerinnen und Spieler vom prestigeträchtigen Turnier ausgeschlossen, um Russland keine Sport-Plattform zu gewähren (causasportnews vom 29. Mai 2022). England war schon immer das effizienteste Bollwerk gegen alles Böse. Dass sich bei den Frauen die russisch-stämmige Kasachin Jelena Rybakina durchsetzte, war für die hehre Welt des Sports verschmerzbar.

Zum Beispiel in der Leichtathletik: Russlands Hochspringerin Marija Lassizkene will ihre Startberechtigung am Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne erkämpfen.

Zum Beispiel im Fussball: Das TAS wird sich in nächster Zeit auch mit Klagen gegen internationale Sportverbände, welche russische Klubs, Verbände und Spielerinnen und Spieler ausgeschlossen haben, befassen müssen. Vor allem der Europäische Fussballverband UEFA zeigte sich konsequent, um eine sportliche Antwort auf Russlands Aggression zu geben. Der Verband verzichtet auf viel Geld.

Zum Beispiel in der Formel 1: Der junge Russe Nikita Masepin wurde vor dem Saisonstart vom Haas F1- Team entlassen und klagt nun dagegen.

Prozessiert wird auch im Kunstturnen, im Eisschelllauf, im Eishockey und in weiteren Sportarten. Der Grundtenor ist stets derselbe, nämlich, dass für die Ausschliessung aus dem Sport keine satzungsmässige Grundlagen bestehen würden. Das ist grundsätzlich richtig, doch aufgrund der Ausschliessungsbestimmungen in den Statuten der Sportverbände und -organisationen lässt sich die Ausschliessung von Sportlern z.B. wegen ihrer Nationalitätszugehörigkeit (Russland) etwa als ungeschriebener Rechtsgrundsatz vertreten. Es kommt hinzu, dass der private, weltumspannende Sport weitgehend nach schweizerischem Recht funktioniert. In diesem Bereich wird die Privatautonomie hoch gehalten. Die Verbände und Organisationen dürfen selber festlegen, wer am Sport soll teilnehmen können. Das können letztlich auch nur Sportlerinnen und Sportler sein, welche sich von der beispiellosen Aggression Russlands klar distanzieren. Vor allem müssen es sich auch die Konkurrentinnen und Konkurrenten russischer Sportlerinnen und Sportler nicht gefallen lassen, sich sportlich mit Angehörigen dieses Staates messen zu müssen. Ein Staat, der die Grundsätze jedes zivilisierten Zusammenlebens ignoriert und sich an keine Regelung des friedlichen Zusammenlebens hält, verstösst so auch gegen die Grundwerte des Sportes. Russische Sportlerinnen und Sportler, welche sich von ihrem Staat nicht lossagen, unterliegen dem ungeschrieben Rechtsgrundsatz der Kontamination. Die Anwendung dieser «Kontaminationsregel» im Sport ist übrigens keine Neuschöpfung der Rechtslehre; man kennt sie etwa aus der Leichtathletik bei Dopingverstössen. Wie die angehobenen und die bevorstehenden Verfahren um ausgeschlossene Sportlerinnen und Sportler ausgehen am TAS und an zivilen Gerichten weltweit letztlich ausgehen werden, ist schwierig abzuschätzen, die Juristerei steht der wankelmütigen, opportunistischen Politik oft in nichts nach. Insbesondere bei dieser Frage tritt eine juristische Binsenweisheit als schöne Seite der Juristerei zu Tage: Es lässt sich alles begründen! Die Gerichte werden nun insbesondere in etlichen Fällen zu entscheiden haben, welche Sportlerinnen und Sportler mit Bezug zu Russland am Spiel, am organisierten Sportgeschehen, teilnehmen dürfen. Dabei bleibt auch kein Raum für Umgehungen, so, wie es das Internationale Olympische Komitee (IOK) nach dem Dopingskandal im Russischen Sport tut, indem Individualsportlerinnen und -sportler flugs zu «Neutralen» erklärt werden…

Nun ein juristischer Kampf um das FIS-Präsidium

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(causasportnews / red. / 22. Juni 2022) In den nationalen und internationalen Sportverbänden und -organisationen stehen die Präsidenten (und wenige Präsidentinnen) immer wieder im Fokus auch einer breiten Öffentlichkeit. Präsidenten gebärden sich durchwegs als Sonnenkönige und Alleinherrscher, denen die Macht so wichtig wie die Omnipräsenz auf den verschiedensten Bühnen dieser Welt. Das Präsidentenamt ebnet den Zugang zu den Honigtöpfen, die materiellen Belange sind den Präsidenten oft so wichtig wie der Lobbyismus, der die Türen zur Politik, zur Wirtschaft und Gesellschaft öffnet. Oft geht das Präsidentenamt einher mit Verflechtungen und Korruption. Nicht selten stehen Präsidenten synonym für Pleiten, Pech und Peinlichkeiten. In keinem Amt wird die Vertrottelung der obersten Chefs der Verbände und Organisationen ab und zu so manifest wie in den höchsten Ämtern im organisierten Sport. Kein Wunder, dass es bei der Besetzung von Präsidentenämtern immer wieder zu Dissonanzen, Reibereien und zu einem Hauen und Stechen kommt; wenn nicht in dieser Wahl-Phase, dann ist das Präsidentenamt stets nach dem Amtsantritt des Gewählten meist mehr als nur eine Diskussion wert. Das oben Erwähnte weist selbstverständlich keinen direkten Zusammenhang mit Johan Eliasch, dem Ende Mai gewählten Präsidenten des Internationalen Skiverbandes (FIS) mit Sitz in Oberhofen am beschaulichen Thunersee in der Schweiz, auf.

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Eigentlich weiss niemand so genau, weshalb der schwerreiche britische Geschäftsmann vielerorts in Ungnade gefallen ist. Vielleicht ist es das Problem, dass sich der 60jährige Milliardär ziemlich unabhängig gebärdet und sein Amt so ähnlich wie eine Axt im Wald versieht. Demnach dürften es die Machtgelüste und die individuell geprägte Ausübung dieser Macht sein, welche Johan Eliasch zum Buhmann des Skisports gemacht haben. Jedenfalls ist die erneute Wahl des damaligen Nachfolgers von Gian Franco Kasper (Schweiz) ein Desaster geworden. Zwar wurde der Brite mit 100 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Einen Gegenkandidaten für den Briten gab es nicht, doch das Wahlprozedere ist umgehend in die Kritik geraten. Offensichtlich war es in der geheim durchgeführte Wahl nicht möglich, mit «Nein» abzustimmen. Diese vereinsrechtliche Nuss wird nun das Internationale Sport-Schiedsgericht (TAS) in Lausanne zu knacken haben. Die Verbände Deutschlands, Österreichs und Kroatiens sowie der Schweiz haben die Wahl zwischenzeitlich angefochten. Nicht ganz ohne Hintergrund gilt der Umstand, dass der Schweizer Verbandspräsident, Urs Lehmann, damals Nachfolger des verstorbenen Gian Franco Kasper werden wollte, in der Kampfwahl gegen Johan Eliasch aber scheiterte. Der juristische Kampf um das FIS-Präsidium wird nun also in der Schweiz entschieden (das TAS urteilt als echtes Schiedsgericht an Stelle des an sich für Anfechtungsklagen, Art. 75 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, zuständigen ordentlichen Gerichts). Eine Erfolgsprognose bezüglich der Aussichten der Wahl-Anfechtung fällt derzeit schwer. Aufgrund der bekannten Fakten scheinen die Chancen, den ungeliebten ehemaligen CEO der Skimarke «Head» aus dem Präsidentenamt zu kippen, durchaus intakt zu sein. Da im Moment keine gegenteiligen, vorsorglichen Massnahmen erwirkt worden sind, amtet Johan Eliasch im Moment weiterhin als FIS-Präsident.

Schwimmer Sun Yang bleibt bis 2024 gesperrt

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(causasportnews / red. / 26. April 2022) Der Chinesische Superstar im Schwimmen, Sun Yang, bleibt bis Mitte 2024 gesperrt. Dies ist nach einem Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts definitiv, das eine Beschwerde des 30jährigen Erfolgsathleten gegen ein Urteil des Internationalen Sport-Schiedsgerichts (TAS) vom 22. Juni 2021 abwies. Das TAS fällte gegen Sun Yang eine Doping-Sperre von vier Jahren und drei Monaten aus wegen Verletzung der Dopingregeln des Internationalen Schwimmverbandes (FINA).

Die Sanktionsgeschichte um Sun Yang ist nicht frei von Turbulenzen: Das TAS sanktionierte den Chinesen mit Entscheid vom 28. Februar 2020 mit einer Aufsehen erregenden, achtjährigen Sperre. Ein dagegen erhobenes Revisionsgesuch von Sun Yang hiess das Bundesgericht im Dezember 2020 gut und hob das TAS-Urteil auf. Das höchste Schweizer Gericht erkannte, dass der vorsitzende Richter am TAS befangen (!) gewesen sei und das Schiedsgericht, in anderer Besetzung, nochmals entscheiden müsse. Dies geschah, und das Schiedsgericht reduzierte in der Folge die Sperre um fast die Hälfte. Diesmal fand die TAS-Entscheidung vom 22. Juni 2021, einen Monat vor Beginn der Olympischen Spiele erlassen, nun auch Gnade vor dem Bundesgericht in Lausanne. Das Schiedsgerichts-Urteil verstosse nicht gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung («ordre public»), verlautete aus Lausanne; auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schwimmers liege nicht vor. Einer freien, richterlichen Kontrolle konnte das TAS-Urteil nicht unterzogen werden; es entscheid mit beschränkter Kognition. Nicht eingetreten ist das Bundesgericht auf die Rüge des sanktionierten Athleten, dass diese gesetzlich beschränkte Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden gegen TAS-Urteile mit internationalen Bezugspunkten (wie in diesem Fall) das Recht auf eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletze (Art. 13 EMRK, Recht auf wirksame Beschwerde).

Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichts in der «Causa Sun Yang» bewegt nicht mehr derart wie das Gerangel vor den Olympischen Spielen 2021 vom 23. Juli bis 8. August 2021 in Tokio. Damals versuchte der Schwimmer mit allen, auch juristischen Mitteln, jedoch letztlich vergeblich, den Start in Tokio durchzudrücken (causasportnews vom 8. Juli 2021).

(Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 14. Februar 2022 (4A_406/2021)

Claudia Pechstein zum achten – eine Erfolgsgeschichte, aber nicht nur

(causasportnews / red. / 13. Februar 2022) Sie wird in ein paar Tagen 50 Jahre alt, sie ist ein sportliches Phänomen und schreibt im deutschen Wintersport eine unglaubliche Erfolgsgeschichte: Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist die erfolgreichste Wintersport-Athletin Deutschlands. In Peking nimmt sie zum achten Mal an Olympischen Winterspielen teil, und obwohl sie in den Wettkämpfen mit den besten Läuferinnen der Welt nicht mehr mithalten kann, sorgt(e) sie, vor allem mit Blick auf eine unglaubliche Karriere, für sportliche Höhepunkte zuhauf. Fünf Goldmedaillen, zwei silberne und zwei bronzene Auszeichnungen hat sie bis heute errungen; mehr werden es an Olympia nicht mehr werden. Aber wer kann schon auf eine Karriere mit neun Olympia-Medaillen zurückblicken? Neun Medaillen – «schön wären zehn», hat sie einmal gesagt, und zugleich fast entschuldigend angemerkt: «nobody is perfect». Objektiv ist allerdings festzustellen: Besser geht nicht mehr!

Das ist die eine Seite von Claudia Pechstein, der Bundespolizistin, die 2009 wegen Dopings, wohl zu Unrecht, aus dem Verkehr gezogen wurde (vgl. hierzu auch etwa Urs Scherrer, Kai Ludwig et alt., Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 247 ff.). Eine vom Vater vererbte Blutanomalie soll die Ursache für den positiven Dopingbefund gewesen sein. Zumindest bleiben auch heute noch grosse Zweifel, ob die zweijährige Sperre, die Claudia Pechstein zu verbüssen hatte, gerechtfertigt war. Jedenfalls stand der Name «Claudia Pechstein» für eine unglückliche Doping-Geschichte. In unzähligen Verfahren wurden hunderttausende von Franken vernichtet. Die Erfolgsathletin galt und gilt nicht nur als Opfer eines zumindest fragwürdigen Dopings-Systems, sondern ein ebensolches raffgieriger Anwälte, die den «Fall Claudia Pechstein» prozessual an die Wand fuhren und sich, statt solide Anwalts-Arbeit ablieferten, vor allem im Soge der «Causa Claudia Pechstein» in den Fall-Schlagzeilen sonnten. Diese waren für Claudia Pechstein alles andere als schmeichelhaft. Sie galt zwar nie als Doping-Überzeugungs-Täterin. Der Boulevard nannte sie jedoch bald einmal «Pech-Marie», was alles zu dieser Geschichte aussagt. Doch wie im Sport gab und gibt sie auf der juristischen Ebene nicht auf. Am Bundesverfassungsgericht ist noch immer eine Schadenersatzklage wegen der vermeintlich ungerechtfertigten Doping-Sanktion, welche die Athletin – in ihren Augen ungerechtfertigterweise – auf sich zu nehmen hatte, hängig.

Claudia Pechstein polarisiert, weshalb es nicht verwunderte, dass ihre Rolle als Fahnenträgerin an Olympia 2022 des bisher erfolgreichsten Teams (Deutschland) an den Spielen nicht unumstritten war. Schliesslich setze sie sich auch hier durch und führte bei der Eröffnung der Spiele in Peking, zusammen mit Bobfahrer Francesco Friedrich, die Deutsche Delegation an. An ihr scheiden sich auch nach Jahren, als ihre Dopinggeschichte für Schlagzeilen sorgte, die Geister. Klar ist auf jeden Fall, dass ihre Erfolge nicht «lügen». Neun Olympia-Medaillen in dieser anspruchsvollenen Disziplin – das soll einmal jemand überbieten.

Max Verstappens Weltmeistertitel 2021 auch juristisch definitiv

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(causasportnews / red. / 19. Dezember 2021) Nach manifest gewordener Wut und entsprechenden   Frustbewältigungsversuchen erfolgte die Einsicht: «Mercedes» verzichtet auf weitere, rechtliche Schritte gegen Max Verstappen nach dem «Herzschlag-Finale» zum Ende der Formel 1-Saison 2021 in Abu Dhabi. Diese wären so oder so aussichtslos gewesen (vgl. causasportnews vom 15. Dezember 2021) und hätten der Nobel-Marke aus Stuttgart letztlich nur noch grösseren Image-Schaden, den Makel des schlechten Verlierers, zugefügt. Es war vor allem die Wut über das eigene Unvermögen – insbesondere «Mercedes»-Motorsportchef Toto Wolff gab sich als schlechter Verlierer -, die dazu führte, dass das Team von Ex-Weltmeister Lewis Hamilton gleich nach Rennschluss in der Wüste alle möglichen Schritte gegen das Verdikt von Abu Dhabi ankündigte, vor allem mit Blick auf die ins Feld geführte, mangelhafte Renn-Schiedsrichterleistung von FIA-Funktionär Michael Masi (Australien). So wurde ein Gang vor das Berufungsgericht des Internationalen Automobilverbandes (FIA) angekündigt und danach, falls notwendig, auch der Gang vor das Internationale Sport-Schiedsgericht in Lausanne (TAS, Tribunal Arbitral du Sport) erwogen. Nachdem sich nun die Wut gelegt hat und klares Denken an Stelle des Frustes getreten ist, verlautete jetzt seitens der Stuttgarter relativ kleinlaut, auf angedachte, rechtliche Schritte in der «Causa WM-Titel 2021» zu verzichten. Weitere Verfahren hätten wohl nur noch klarer manifest werden lassen, dass «Mercedes» die Weltmeisterschaft nicht im letzten Saisonrennen verloren hat und das Versagen der Rennstrategie in der Endphase des Rennens in Abu Dhabi nur noch peinlicher geworden wäre. «Red Bull» war 2021 in den entscheidenden Momenten einfach besser und agierte im entscheidenden Moment in Abu Dhabi cleverer als «Mercedes». Mit dem erklärten Verzicht auf weitere juristische Schritte hat «Mercedes» Max Verstappen nun auch juristisch zum neuen Formel 1-Weltmeister gemacht. 

Bundesgericht nickt «Legal Aid»-System des Sport-Schiedsgerichts ab

© CAS (www.tas-cas.org)

(causasportnews / red. / 20. Oktober 2021) Das vom internationalen Sportschiedsgericht CAS (Court of Arbitration in Sport) Lausanne unterhaltene System der Prozesskostenhilfe («Legal Aid», «Assistance judiciaire») stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Gleichbehandlungsgebots dar. Zu diesem Schluss kommt das Schweizerische Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil (BGer 4A_166/2021 vom 22. September 2021). Zur Vereinbarkeit des Legal Aid-Systems mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK) äussert sich das Bundesgericht nicht.

Das CAS ist u.a. zuständig für die Behandlung von Berufungen gegen Entscheide, die in Disziplinarangelegenheiten (mittels Vereinsstrafen) gegen Sportler ausgefällt werden (z.B. durch einen internationalen Sportverband oder die Antidopingabteilung des CAS, die CAS ADD). Schiedsverfahren vor dem CAS sind teuer: Gerade in Dopingfällen benötigt ein der Regelverletzung bezichtigter Sportler regelmässig nicht nur die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand, sondern auch durch einen oder mehrere wissenschaftliche Experten, die den angeblichen Dopingbefund erklären oder die Theorie der Antidopingbehörde zu entkräften suchen (und dies oftmals mit Erfolg). Im Gegensatz zu den wirtschaftlich potenten Sportverbänden, die jeweils aus vollen (juristischen und wissenschaftlichen) Rohren schiessen können, vermögen sich viele Sportler ein solch aufwändiges Verfahren nicht zu leisten. Das CAS versucht diese Folge abzumildern, indem es ein «Legal Aid»-System errichtet hat, das bedürftige (es sind entsprechende Belege einzureichen) Sportler in Anspruch nehmen können. Dieses System sieht aber nur die Vertretung durch einen pro bono-Anwalt (d.h. der Anwalt oder die Anwältin wird vom CAS nicht entschädigt, auch nicht zu einem reduzierten Tarif) und keine Unterstützung durch wissenschaftliche Experten vor (das CAS übernimmt keine Honorare von wissenschaftlichen Experten).

Dass dadurch in einem konkreten Verfahren eine Ungleichheit zwischen Sportverband und Sportler entstehen kann, liegt auf der Hand. Hiergegen wehrte sich ein professioneller Radrennfahrer, der im Juni 2017/November 2018 zunächst vom Weltradsportverband UCI und anschliessend vom CAS (Schiedsspruch CAS 2018/A/6069 vom 10. Februar 2021) einer Dopingregelverletzung, nämlich der Verwendung von Erythropoetin («EPO»), schuldig befunden worden war. Im Rahmen einer Beschwerde in Zivilsachen (Art. 77 des Bundesgerichtsgesetzes) gegen den Schiedsspruch machte er geltend, das Legal Aid-System des CAS verstosse gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 182 Abs. 3 und Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG). Auch der Anspruch auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK (laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Adrian Mutu und Claudia Pechstein auch auf vom CAS durchgeführte Schiedsverfahren anwendbar) werde dadurch nicht respektiert.

Das Bundesgericht sieht dies anders: Die Unterschiede zwischen der vom CAS gewährten Legal Aid und der unentgeltlichen Rechtspflege vor staatlichen Gerichten in der Schweiz – namentlich die Entschädigung von unentgeltlichen Rechtsvertretern durch den Staat und die Möglichkeit der Bestellung von Sachverständigen durch das Gericht – seien nicht als Gehörsverletzung oder Missachtung des Gleichbehandlungsgebots zu qualifizieren. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör oder dem Gleichbehandlungsgebot ergebe sich auch kein Anspruch auf freie Wahl eines Rechtsvertreters bzw. dessen Entschädigung. Das Bundesgericht sieht schliesslich auch kein Problem darin, dass das CAS lediglich Pro bono-Anwälte kenne: Fehlende monetäre Anreize würden nichts daran ändern, dass der Pro bono-Anwalt gegenüber seinem Klienten zur sorgfältigen Mandatsführung verpflichtet sei. Die Wahrung der nach Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG geschützten Verfahrensgarantien setze nicht voraus, dass die sich gegenüberstehenden Verfahrensparteien über gleich grosse Ressourcen für die Prozessführung verfügen würden, so das abschliessende Fazit des Bundesgerichts.

Mit diesem Entscheid hat es das Bundesgericht nach Auffassung von Experten verpasst, die Rechte finanziell schwächerer Parteien in Schiedsverfahren vor dem CAS zu stärken. Dadurch werde eine Chance ausgelassen, die (tiefe) Akzeptanz des CAS namentlich bei den Athletinnen und Athleten zu verbessern. Das CAS hat vordergründig zwar einen weiteren Sieg vor dem Bundesgericht davongetragen. Auf lange Sicht wird das CAS jedoch wohl um eine tiefgreifende Reform seines Legal Aid-Systems aber nicht herumkommen, will es den Anforderungen an ein modernes (Zwangs-) Schiedsverfahren und den Garantien der EMRK genügen.

«Causa Sport» wird in der nächsten Nummer (3/2021; erscheint zum Jahresende) auf das Urteil des Bundesgerichts und seine Auswirkungen zurückkommen.