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Den Mutigen gehört die (Sport-)Welt – wirklich?

causasportnews / Nr. 1065/09/2023, 29. September 2023

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(causasportnews / red. / 29. September 2023) Die Haltung des globalen Sportes gegenüber Russland, bzw. gegenüber dem, was Russland vor über eineinhalb Jahren angezettelt hat und was immer noch andauert, ist heterogen. Die internationale Sportfunktionärskaste, angeführt von den Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOK), gibt und verhält sich opportunistisch; Sportlerinnen und Sportler möchten die Politik und das Geschehen in der Ukraine ungeschehen machen und ausblenden. Doch nur selten kommen von Sportler(innen)-Seite klare Statements gegen den Angriffskrieg, der sobald nicht vorbei sein wird, vor allem, solange die Kriegstreiber vom Kreml aus wüten.

Für eine Ausnahme sorgt nun der bei den Calgary Flames spielende Eishockey-Professional Nikita Zadorow, der seit über zehn Jahren im kanadischen Eishockey tätig ist. In einem weltweit verbreiteten Video-Interview mit dem russisch-deutschen Journalisten Juri Dud spricht der 28jährige Klartext und tritt in aller Schärfe den Verantwortlichen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges entgegen. Seine kernigen Aussagen lassen aufhorchen. Der amtierende Präsident habe durch seine Tat die ganze Wirtschaft zurückgeworfen. Anstatt die Jungen wirtschaftlich, politisch, kulturell und sportlich zu fördern, werde die junge Generation in den Tod geschickt. Perspektiven ortet der Eishockey-Star in seiner Heimat keine mehr: Wer Perspektiven haben möchte, müsse dieses Land verlassen. Er wehrt sich auch gegen die Staatspropaganda und das Fernsehen («man sollte überhaupt keine Fernsehen schauen»), das die Massen manipuliere. Nikita Zadorow hofft, dass die Putin-Ära baldmöglichst zu Ende gehen möge. Ohne den Abgang des Sowjet-Herrschers sei an eine starke Wirtschaft in Russland nicht zu denken; die Kleptokratie (Herrschaftsform, in der sich einige wenige bereichern) verhindere jede Demokratie, die es herzustellen und dann zu bewahren gelte.

Auch wenn der Eishockey-Star, der bis jetzt in Kanada gesamthaft über 20 Millionen Dollar verdient hat, seine Stimme gegen das kriegerische Russland von Übersee und aus dem friedlichen und sicheren Kanada aus erhebt, kann bei ihm von mutigen Äusserungen gesprochen werden. Nach seinen ungeschminkten Worten wird er sich in seinem Heimatland, das er seit Kriegsausbruch nicht mehr besucht hat, nicht mehr zeigen können. Mit seiner Familie in Russland, die den Krieg gutheisst, hat er gebrochen. Sich gegen den Krieg und das Regime in Moskau zu wenden, erfordert in jedem Fall Mut. Mit seinem aktuellen Auftritt und seinen pointierten Äusserungen gegen den Krieg und die Kriegstreiber will er auch anderen Sportlerinnen und Sportlern Mut machen, sich gegen das enthemmte Land im Kriegsrausch zu stemmen. Er ist überzeugt, dass den Mutigen die (Sport-)Welt gehört. Ob dem so ist, ist allerdings im Moment aufgrund der Situation in der Ukraine wohl eher fraglich. Dazu braucht es wohl mehr Verteidiger von Demokratie, Recht, Verfechter der Menschenrechte und Gerechtigkeit vom Schlag des ausserhalb Russlands erfolgreichen, aktiven Eishockey-Verteidigers Nikita Zadorow.

Asienspiele ohne Russland und Weissrussland

causasportnews / Nr. 1056/09/2023, 7. September 2023

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(causasportnews / red. / 7. September 2023) Es entspricht einer notorischen Tatsache, dass sich das Internationale Olympische Komitee (IOK) schwer tut, Sportlerinnen und Sportler aus den Kriegstreiber-Ländern Russland und Weissrussland vom internationalen Sport fernzuhalten. Insbesondere der IOK-Präsident Thomas Bach (Deutschland) gilt als wankelmütiger Opportunist in der Frage, wie in sportlicher Hinsicht mit den Schurkenstaaten Russland und dem Russland-Steigbügelhalter Weissrussland umzugehen sei. Die Meldung, welche vor ein paar Tagen verbreitet wurde, erregte deshalb Aufsehen: Die Asienspiele, die vom 23. September 2023 bis zum 8. Oktober 2023 in der Chinesischen Stadt Hangzhou stattfinden werden, erfolgen ohne russische und weissrussisch Beteiligungen! Zuvor hatte der Olympische Rat Asiens (OCA) noch entschieden, Athletinnen und Athleten beider Länder als neutrale Teilnehmer des Multisport-Events antreten zu lassen. Nun verlautete aus Lausanne, dem Sitz des IOK, dass die Sportlerinnen und Sportler der beiden Länder in China nicht teilnehmen könnten. Wahrscheinlich fürchtet das IOK als oberster Schirmherr der Spiele, Nachteile, etwa mit Blick auf Sponsoringerträge und der Werbeindustrie. Viele Unternehmen und Weltkonzern wollen sich bei grossen Sportanlässen nicht in irgendeinem Zusammenhang mit Russland und Weissrussland positionieren. Zudem ist China als Austragungsort von Sportveranstaltungen alles andere als unproblematisch. Die Teilnahme-Entwicklung und der Ausschluss des russischen und des weissrussischen Sportes mit Bezug auf die diesjährigen Asienspiele lassen erahnen, in welche Zwickmühle das IOK etwa mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr in Paris geraten könnte. Frankreich lehnt die Teilnahme russischer und weissrussischer Athletinnen und Athleten ab, das IOK gebärdet sich tendenziell wankelmütig und willfährig.

Nicht nur die ukrainische Propaganda befeuert die Bestrebungen mit Blick auf den Ausschluss Russlands und Weissrussland vom globalen Sport – aber auch. So sind Zahlen genannt worden, mit denen die Grausamkeit vor allem Russlands in diesem Krieg untermauert werden soll: Nicht zu erhärten ist selbstverständlich, wieviele Sportlerinnen und Sportler aus der Ukraine in dieser von den Russen angerichteten Tragödie bisher ums Leben gekommen sind. Im Frühjahr gab das Sportministerium der Ukraine bekannt, seit Beginn des Angriffskrieges seien 287 Sportlerinnen, Sportler und Trainer getötet worden. Viele von ihnen überlebten als Angehörige der ukrainischen Armee das Grauen nicht. Dass zudem gegen 350 Sportstätten in der Ukraine zerstört wurden, verschlimmert das Bild des Schreckens im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskriege noch mehr. Evident ist, dass diese Zahlen nicht dazu angetan sind, die Integration des russischen und des weissrussischen Sportes in den globalen Sport zu vereinfachen.

Ein Hauen und Stechen für einmal unter Box-Funktionären

causasportnews / Nr. 1051/08/2023, 23. August 2023

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(causasportnews / red. / 23. August 2023) Der Boxsport ist bekanntlich nichts für zartbesaitete Naturen. In den Ringen dieser Welt wird oft wirksam und nachhaltig zugeschlagen. Dass es in dieser Sparte neben dem sportlichen Geschehen auch unter Funktionären zu heftigen Kontroversen kommen kann, zeigt sich aktuell im Schweizerischen Boxverband (SwissBoxing). Grund für das Hauen und Stechen unter helvetischen Box-Sportfunktionären ist ursprünglich der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Zufälligerweise – oder auch nicht ganz zufällig – wird die International Boxing Association (IBA) mit Sitz in Lausanne (!) von einem Russen und Putin-Freund geführt und von ihm und weiteren Putin-Claqueuren beherrscht. Das Internationale Olympische Komitee (IOK) mit Sitz in…Lausanne (!) hat die IBA wegen des russischen Ukraine-Feldzuges suspendiert, was den Schweizerischen Verband (SwissBoxing, mit Sitz in Bern), bzw. den Verbandsrat dazu bewogen hat, den Austritt aus der IBA anzustreben. Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Verbandes hat nun aber dem Verbandsrat von SwissBoxing einen vereinsrechtlichen KO-Schlag versetzt und den Verbandsrats-Beschluss betreffend Austritt aus der IBA für nicht haltbar erklärt; ebenso wurde für die Weiterführung der Mitgliedschaft von SwissBoxing in der IBA votiert. Der Hintergrund dieser Entwicklung dürfte sein, dass der Weltverband vom IOK nicht weiter alimentiert wird, jedoch der Internationale Verband der Faustkämpfer dennoch im Geld zu schwimmen scheint. Offenbar macht es die Putin-freundliche Bank «Gazprom» möglich; «pecunia non olet» (Geld stinkt nicht), lautet das Motto also (auch) in der IBA – und bei allen, die von diesem Geldsegen profitieren möchten.

Das alles ist nun zuviel geworden für den langjährigen, als sehr gradlinig bekannten Schweizer Verbandspräsidenten Andreas Anderegg, der nach der Delegiertenversammlung von SwissBoxing und in Anbetracht des finalen Bekenntnisses der Schweizer Funktionäre gegenüber der russischen Machtelite in der IBA nicht als Sympathisant und mittelbarer Unterstützer der russischen Kriegsmaschinerie im Ring bleiben wollte. Der 66jährige Thurgauer, vor Jahren selber äusserst erfolgreicher Professional-Boxer und danach Medien-Schaffender, wollte mit seinem Rücktritt vom Amt, das er seit 2006 innehatte, ein «Zeichen» gegen den von den Russen angezettelten Wahnsinn setzen und vom durch Russland verursachten Elend nicht noch profitieren, wie er sagte. Der Respekt ist dem ehemaligen Faustkämpfer mit dieser konsequenten Haltung sicher, der sich über das Präsidentenamt im Schweizer Verband nicht mit der Russen-Clique in der IBA verbandeln wollte. Zusammen mit Andreas Anderegg traten aus demselben Grund weitere Spitzenfunktionäre des Schweizerischen Verbandes zurück, so etwa die nicht immer unbestrittene Box-Funktionärs-Legende Peter Stucki (dieser führte für den Verband z.B. vor bald 30 Jahren den damals Aufsehen erregenden Prozess gegen den Boxer Enrico Scacchia, der trotz gesundheitlicher Bedenken seitens der Lizenzbehörde gerichtlich eine Boxlizenz erstreiten wollte: Urteil des Appellationshofes Bern vom 18. April 1995, 774/III/94). Nur der guten Ordnung halber ist an dieser Stelle nachzutragen, dass das Präsidentenamt im Schweizer Verband nach dem überraschenden Rücktritt von Andreas Anderegg nicht lange verwaist blieb. Auf den Thurgauer folgte umgehend der ehemalige Amateur-Boxer Amir Orfia.

Nur ein Damoklesschwert über Wimbledon – mehr nicht

causasportnews / Nr. 1036/07/2023, 17. Juli 2023

(causasportnews / red. / 17. Juli 2023) Vor einem Jahr war alles anders und bewegte die Menschheit rund um den Globus: Da wurde die Welt erschüttert nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann und in grauenvoller Art immer noch andauert. Damals zeigte sich der organisierte Sport ziemlich entschlossen, dass russische und weissrussische Sportlerinnen und Sportler vom Sport ausgeschlossen werden sollten. Der Boykott gegenüber dem Kriegstreiber Russland und gegenüber den Aktiven aus Russland und dem Russland-Sympathisanten Weissrussland war rigoros. Eine Ausnahme bildete das Welt-Tennis, das von Russland-Supportern, Opportunisten und Interessenvertretern beherrscht wird. Die Organisatoren des wohl berühmtesten Tennis-Turniers von Wimbledon widersetzten sich der Tennis-Weltdoktrin und liessen Athletinnen und Athleten aus Russland und Weissrussland in Wimbledon 2022 nicht zu; zweifellos erfolgte dieser Entscheid des organisierenden, privaten Vereins in Einklang mit der konsequenten Haltung der britischen Regierung (causasportnews vom 29. Mai 2022). Doch nun hat sich die Situation geändert, der Krieg dauert bereits weit über 500 Tage, die Kriegsmüdigkeit ausserhalb der Schlachtfelder in der Ukraine ist spürbar und irgendwie hat sich die Welt, horribile est dictu, auch an diesen diabolischen Event gewöhnt. Jedenfalls erlebte Wimbledon 2023 einen Meinungs- und Haltungsumschwung. Im soeben zu Ende gegangenen Rasenturnier spielten Athletinnen und Athleten aus Russland und Weissrussland ebenso wieder mit wie Aktive aus der geschundenen Ukraine. Der All England Lawn Tennis and Croquet Club hat sich offenbar dem globalen Tenniskartell beugen müssen und sich verzwergen lassen. Das führte zwar in Wimbledon zu blamablen Szenen, etwa, als die Weissrussin Viktoria Asaranka das Publikum, das sie (zugegebenermassen unschön) ausbuhte, als «betrunken» bezeichnete. Unheiliges also auf dem «heiligen Rasen» von Wimbledon, und ein Vorgeschmack auf die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr in Paris, falls Aktive aus Russland, Weissrussland und der Ukraine in den Wettkämpfen aufeinander treffen sollten und von ihnen ein Handshake erwartet wird.

Wenigstens machte letztlich der Sport die delikate Situation in Wimbledon vergessen. Keine Aktiven aus Russland und Weissrussland in den beiden Finalspielen, und bei den Frauen eine Tschechin (Marketa Vondrousova) als Siegerin. Bei den Männern geschah mehr als Unerwartetes: Der Spanier Carlos Alcaraz setzte sich nach einem fast fünfstündigen Tennis-Drama gegen den derzeit wohl besten Spieler der Welt, Novak Djokovic, durch. Da war resultatmässig auch die Tennis-Welt mit Blick auf den erfolgsversprechenden Spanier und die Weltlage in Ordnung, nachdem sich der Serbe Novak Djokovic, der die bittere Niederlage sportlich trug und sich so in England zumindest keine Sympathien verscherzte, als fairer Sportsmann erwies. Wobei wir wiederum bei der aktuellen Weltlage wären. Die Haltung Serbiens gegenüber Russland ist vor allem für die Briten tendenziell unverständlich. So gab es unter diesem weitgehend emotionalen Gesichtspunkt in Wimbledon für das Publikum und die Tennis-Welt mit Carlos Alcaraz den «richtigen Sieger». Letztlich hing das Damoklesschwert der Russland-Aggression, welche durchwegs Auswirkungen auf den Sport und seine Protagonisten zeitigt, zwei Wochen über dem berühmten Rasen-Turnier. Der Sport und die Resultate bewirkten letztlich, dass der grauenvolle Krieg und seine Auswirkungen schwächer waren als das 2023 in Wimbledon Gezeigte.

Mit Blick auf Olympia 2024: Eruptionen im globalen Sport?

causasportnews / Nr. 1029/06/2023, 22. Juni 2023

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(causasportnews / red. / 22. Juni 2023) Kaum jemand glaubt derzeit daran, dass der Krieg, den Russland gegen die Ukraine direkt und mittelbar gegen die Welt angezettelt hat, in absehbarer Zeit beendet werden könnte. Diese Einschätzung entspricht der allgemeinen, aktuellen politischen und militärischen Lagebeurteilung und den Erfahrungen, welche aus der Weltgeschichte, einer eigentlichen Unfallchronik der Menschheit, gezogen werden muss. So heterogen, wie weltweit die Reaktionen der Politik auf die krass völkerrechtswidrige Aggression Russlands sind, so labil und inkonsequent reagiert der globale Sport gegenüber dieser russischen Barbarei und gegenüber den Steigbügelhaltern und Sympathisanten der verbrecherischen Taten, die fortlaufend und weiterhin begangen werden.

Fairness, Frieden, und gegenseitiger Respekt sind die Maximen, welche die Basis des Sportes bilden. Diese Prinzipien, welche die Teilnehmer am Sportgeschehen auch ausserhalb des Sportes hochhalten sollen, werden von Russland sowie vom russischen Volk und somit auch von den Sportlerinnen und Sportlern dieses Landes mit Füssen getreten. Die völkerverbindende Kraft des Sportes ist wie die Völkerrechtslage mit Blick auf die Schandtaten Russlands gegenüber der Ukraine regelrecht zum traurigen Scherz verkommen. Die Weltpolitik fragt sich seit dem 24. Februar 2022, wie sie sich gegenüber Russland und allen Missetätern dieser beispiellosen Aggression verhalten soll, um dem Genozid und der Zerstörung der Ukraine Einhalt zu gebieten. Eine konsequente Line fehlt in der Politik ebenso wie im Sport. Dieser fragt sich seit dem Beginn dieser verbrecherischen Handlung, wie man sich gegenüber Russland und den russischen Athletinnen und Athleten verhalten soll. Zu Beginn des Krieges stemmte sich der Sport ziemlich geeint gegen Russland und seine Vertreterinnen und Vertretern; jetzt, nach eineinhalb Jahren Krieg, bröckelt die Einheit. Erschwerend kommt in dieser Situation dazu, dass den Russen das Verhalten der Sportwelt ihnen gegenüber relativ gleichgültig ist. Sie agieren im Sport so unberührt und verantwortungslos wie im Krieg, den sie in Verletzung des «ius ad bellum» (das Recht zum Krieg; die Verletzung des «ius in bello», das Recht im Krieg, ist sowieso reine Theorie geworden) und weiterer internationalen Kodifikationen führen. Als fatal erweist sich der Umstand, dass russische Funktionäre den globalen Sport nach wie vor gleichsam mitprägen und nicht nur etwa in den Disziplinen Boxen und Schach regelrecht beherrschen und beeinflussen.

Zwar ist ein Jahr, vor allem im Krieg, eine lange Zeitperiode. Doch im organisierten Sport präsentiert sich die Lage mit Blick auf die in etwas mehr als einem Jahr beginnenden Olympischen Sommerspiele vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 als delikat. Was wird in Paris geschehen? Wie wird mit Russland und den russischen Athletinnen und Athleten umzugehen sein, wenn der Krieg bis dann, wenn kein Wunder geschieht, andauert? Russland (und auch Weissrussland und allenfalls weitere Länder) ausschliessen und den Sportlerinnen und Sportlern einen neutralen Status verleihen – ein Taschenspielertrick, den das Internationale Olympische Komitee (IOK) immer wieder anwendet, wenn es sich vor davor drückt, Flagge zu zeigen und das Heil im sport-politischen Opportunismus sucht? Wie das Gezerre und Gezänke mit Blick auf die Teilnahme Russlands in Paris 2024 ausgehen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Russland nimmt rücksichtlos auch eine Spaltung des globalen Sportes und ein entsprechendes Chaos in Kauf. Das auf Gewinnmaximierung getrimmte IOK, primär dem Mammon und weniger der (Sport-)Ethik verpflichtet, versucht, es allen Protagonisten im Weltsport Recht zu machen und sich dabei in keiner Weise zu exponieren. Aber es arbeitet derzeit auf die Wiederzulassung der Russinnen und Russen im Sport hin. Wie sich der Sport gegenüber Russland letztlich positionieren wird, ist jedenfalls für die russische Propaganda irrelevant. Zwar zeigt sich Frankreich im Moment noch entschlossen, im kommenden Jahr keine Russinnen und Russen an der Seine antreten zu lassen. Es würde allerdings nicht überraschend, wenn das opportunistische IOK mit einem noch opportunistischeren Präsidenten an der Spitze Paris derart unter Druck setzen und Frankreich nötigen würde, Russen, in neutraler Camouflage natürlich, an den Wettkämpfen teilnehmen zu lassen.- On verra, würde der Franzose, wohl bald leicht resignierend, wohl sagen. Doch das würde im globalen Sport zu gewaltigen Eruption mit entsprechenden Folgen führen.

Königliches Spiel ohne den König: Magnus Carlsen räumt den Thron

causasportnews, Nr. 1005/04/2023, 10. April 2023

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(causasportnews / red. / 10. April 2023) Das war alles kein Zufall, sondern eiskaltes Kalkül. Kurz, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOK) den internationalen Sportverbänden die Entscheidung überlassen hat, ob russische Sportlerinnen und Sportler als «neutrale» Aktive in den jeweiligen Sportarten zuzulassen seien (causasportnews vom 2. April 2023) hat sich im Schach das ereignet, was so oder so nicht mehr abzuwenden war, nachdem diese «heisse Kartoffel» vom Lausanner Olymp den Verbänden weitergereicht wurde: In der nun bis zum 1. Mai 2023 dauernden Schach-WM wird sich wohl ein Russe die Krone im königlichen Spiel auf den 64 Feldern aufsetzen – und so den Kriegstreibern im Kreml nach über einem Jahr des Mordens und Zerstörens in der Ukraine eine mehr als willkommene Propaganda-Plattform gewähren. Denn es ist voraussehbar, dass der Russe Jan Nepomnjaschtschi den Titel von Magnus Carlsen, der auf die Titelverteidigung verzichtet, erben wird. In Astana (Kasachstan) misst sich der 33jährige Russe mit dem 30jährigen Chinesen Ding Liren, den man in der Boxersprache vielleicht sogar als «Fallobst» bezeichnen würde; in maximal 14 Partien soll der neue Schach-Champion ermittelt werden. Es wären die Folgen (fast) nicht auszumalen, wenn Jan Nepomnjaschtschi dem Chinesen unterliegen würde. Der Russe macht aus seiner Sympathie für das russische Regime kein Geheimnis, und hinter dem Krieg Russlands steht er mit der Mehrheit seiner Landsleute, auch wenn er sich in einem offenen Brief schon einmal gegen den Krieg ausgesprochen hat. Das nennt das IOK sport-politische Neutralität. Der Anwärter auf den WM-Titel bedauert, dass er in Astana gleichsam als «Neutraler» antreten muss; konkret heisst das unter der Flagge des Schach-Weltverbandes. «Leider kann ich nicht unter der russischen Flagge spielen», lässt sich der haushohe Favorit auf den WM-Titel in den Medien zitieren. Das zum Thema «Neutralität» von Aktiven aus Russland. Dass das alles in der Sportart «Schach» geschieht, ist allerdings kein Wunder. Diese Sportart ist in Russland etwa so beliebt wie das Rodeln oder der Biathlonsport in Deutschland, das Schwingen in der Schweiz oder das Skifahren oder der Fussball in Österreich. Von Russland durchsetzt ist auch der Internationale Schachverband (FIDE, mit Sitz in Lausanne), in dem, wen wundert’s, ein Russe sogar als Präsident amtet! Die allgemein wirksame Öffnungsanordnung des IOK für russische Sportlerinnen und Sportler dürfte Russland als Geschenk des Himmels erscheinen. Diese Durchsetzung des internationalen Schach-Sports durch Russland und der Umstand, dass nun ein Russe wohl das bevorstehende WM-Schach-Duell gewinnen wird, bedeutet gleichzeitig die Kapitulation des Weltsports vor den hehren Werten des Sportes im Allgemeinen. Diese Sportart wird nun wohl als Missbrauchsdisziplin für die Kriegstreiber-Nation Russland in die Sport-Geschichte eingehen und erinnern zumindest im Ansatz etwa an die Propaganda-Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin. Das alles hat aktuell mit dem Umstand zu tun, dass der beste Schachspieler der Welt, der Norweger Magnus Carlsen, keine Lust mehr verspürt, den Titel erneut zu verteidigen. Wäre es anders, würde Jan Nepomnjaschtschi die Schach-Arena nun in Astana, wie schon vor zwei Jahren in Dubai, mit grosser Wahrscheinlichkeit als Verlierer verlassen (causasportnews vom 14. Dezember 2021). Das königliche Spiel findet demnach ohne den unbestrittenen König in dieser Disziplin statt. Doch was soll’s: Ein Titel ist ein Titel – und die Abwesenden haben immer Unrecht… Alles spielt Russland in die Hände. Sollte dennoch, was eine Weltsensation wäre, der Chinese obenaus schwingen, würde immerhin ein Angehöriger aus China, dem Lande der Russen-Freunde, reüssieren.

Der «Sündenfall» des IOK vor der russischen Aggression ist im Moment aber (noch) nicht vollständig bis zu allen internationalen Sportverbänden durchgedrungen. So hat der Internationale Pferdesportverband (FEI, mit Sitz in Lausanne), trotz der IOK-Empfehlung soeben entschieden, Aktive aus Russland und Weissrussland weiterhin vom internationalen Sport auszuschliessen. Dem Verband ist es nicht möglich, die Neutralität dieser Sportlerinnen und Sportler mit Blick auf die Aggression Russlands begrifflich und thematisch zufriedenstellend zu realisieren. Wie sich Russinnen und Russen sowie Weissrussinnen und Weissrussen, die kraft ihrer Staatsbürgerschaften Staatsangehörige einer kriegsführenden Nation (Russland) neutral auf den Sportarenen dieser Welt sollen bewegen können, bleibt für die FEI schlicht ein Rätsel, wie aus der FEI-Zentrale in Lausanne verlautete. Dem ist an sich nichts beizufügen.

Was nach dem IOK-Opportunismus zu Gunsten Russlands noch alles auf die Sportwelt kommen soll, bildet ein Mysterium dieser Chaos-Zeit, vor der eben der internationale Sport nicht gefeit ist.

Olympische Spiele 2024 ohne Russland und Weissrussland?

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(causasportnews / red. / 15. Februar 2023) Seit bald einem Jahr wütet der russische Angriffskrieg unmittelbar gegen die Ukraine, mittelbar gegen die westliche Grund- und Werteordnung. Die Brutalität der Russen ist diabolisch, dem kriegerischen Wahn, der sich seit dem 24. Februar 2022 entlädt, versucht die Ukraine zwar heldenhaft entgegen zu halten, doch der Westen unternimmt zuwenig, damit Russland in die Schranken gewiesen werden kann. Das Fressen kommt auch in diesem Fall vor der Moral, würde Bertold Brecht die in der Dreigroschenoper getätigte Aussage erneuern, wenn er denn noch könnte (der Dramatiker lebte von 1898 – 1956). Die Isolation der Russen ist wegen deren Verstösse gegen die zivilisierte Welt global weitgehend im Gange; doch die Schlächter im Kreml und die russische Bevölkerung, die mehrheitlich hinter den Schandtaten steht, dürfen sich auf verbrecherischen Support aus vielen Teilen der Welt verlassen. Der internationale Sport isoliert Russland und den Ganoven-Staat Weissrussland nur halbherzig. Nun stehen im kommenden Jahr Olympische Sommerspiele in Paris an, und dieser grösste Sportanlass des kommenden Jahres wirft vor allem seine Schatten voraus, da nicht damit zu rechnen ist, dass der Vernichtungs- und Zerstörungsfeldzug der Russen gegen die Ukraine bis dann beendet sein wird.

Diese nächste, bedeutende Nagelprobe des internationalen Sportes gilt es in rund eineinhalb Jahren zu bestehen, wenn in Paris, zum dritten Mal nach 1900 und 1924, die Olympischen Spiele vom 26. Juli bis 11 August ausgetragen werden sollen. Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hat sich, provoziert durch das Internationale Olympische Komitee (IOK) und unempathische Aussagen durch den tapsigen Präsidenten dieses Altherren-Vereins, den Deutschen Thomas Bach, zu einer klaren Stellungnahme mit Blick auf den Grossanlass in ihrer Stadt veranlasst gesehen. «Solange Russland den Angriffskrieg in der Ukraine fortsetzt, wollen wir Russland nicht an den Spielen, das wäre ungehörig», lässt sich die 63jährige Politikerin spanischer Herkunft zitieren. Die Ukraine kündigte zudem an, die Spiele in Frankreich zu boykottieren, falls Sportlerinnen und Sportler aus Russland und aus Weissrussland am Start wären, selbst wenn diese unter neutraler Flagge antreten würden. Dem bekannt opportunistischen IOK-Präsidenten fiel jedoch nichts besseres ein als mitzuteilen, ein Boykott der Spiele wäre ein Verstoss gegen die Olympische Charta und könnte einen Ausschluss der Ukraine von den Spielen zur Folge haben. Aus der Ukraine verlautete postwendend, der Angriffskrieg Russlands sei schon etwas mehr als ein Verstoss gegen die Olympische Charta, nämlich eine krasse Verletzung der Prinzipien einer zivilisierten Welt mit Zerstörung und Zehntausenden von Toten. Das führte im geknechteten Land zur Konklusion, dass das IOK vor Russland kusche. Nicht zum ersten Mal, wie die Folgen der Staatsdoping-Affäre nach den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi zeigten und immer noch zeigen: Russland wurde und wird vom IOK und dem juristischen Wurmfortsatz, dem Tribunal Arbitral du Sport( TAS), mit Samthandschuhen angefasst. Immer wieder wird ein Weg gefunden, um trotz des flächendeckenden, russischen Doping-Skandals im Zuge von Staatsdoping Athletinnen und Athleten unter welchen Deckmäntelchen auch immer am internationalen Sport teilnehmen zu lassen. Von einem deutlichen Zeichen, nämlich, dass Athletinnen und Athleten Russlands und Weissrusslands ihre Staatsangehörigkeit abgeben müssten, falls sie am internationalen Sportleben teilnehmen möchten, will in Lausanne, am Sitz des IOK, niemand etwas wissen.- So scheint es eine Option zu werden, dass Paris vom IOK letztlich in die Knie gezwungen wird und 2024 Russinnen und Russe, jedoch keine Ukrainerinnen und Ukrainer an den Olympischen Spielen teilnehmen werden…

Sport-politischer Super-GAU am Australian Open

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(causasportnews / red. / 30. Januar 2023) Vor einem Jahr beherrschten die Abschiebung aus Australien und damit der Ausschluss des Serben Novak Djokovic vom Australian Open 2022 die Schlagzeilen weltweit über Tage (vgl. auch causasportnews vom 9. Januar 2023, mit weiteren Hinweisen); die «Corona»-Restriktionen im fünften Kontinent verhinderten, dass der bald 36jährige Top-Tennis-Spieler und «Corona»-Impfgegner das prestige-trächtige Turnier zum zehnten Mal gewinnen konnte. Das hat er nun in diesem, noch jungen Jahr nachgeholt und den Turniererfolg eindrücklich realisiert. An der sportlichen Leistung des Ausnahme-Könners gibt es nichts zu deuteln. Doch die sport-politische Dimension dieses 22. Grand Slam-Titels des Serben ist für den Sport ein Super-GAU. Da wurde anlässlich des Viertel-Finalspiels zwischen dem Russen Andrey Rublev und Novak Djokovic ein Sportanlass für politische Manifestationen missbraucht, und es ist unbehelflich zu detaillieren, wer sich nun wie und weshalb auf den Tribünen in Melbourne mehr als nur daneben benommen hat. Dabei muss vor Augen gehalten werden, dass die Serben, natürlich nicht alle, zu den intensivsten und auch militantesten Gesinnungstätern der russischen Aggression gegen die Ukraine zu zählen sind. Der serbisch-russische Schulterschluss manifestierte sich in widerlichster Weise nach dem Sieg des Serben gegen den Russen. «Fans» verschiedenster Provenienz skandierten auf den Tribünen Parolen für den Krieg, grölten Schlachtrufe, stimmten Sprechhöre an und entrollten Transparente mit eindeutigen Inhalten – pro Krieg, pro Putin, pro Russland. Ohne den Serben, der nach seinem Melbourne-Sieg wieder die Nummer 1 im Welttennis sein wird, wäre dem Sport diese kriegstriefende Manifestation drei Tage vor dem Final erspart geblieben. Es war für diese Sportart ein sport-politischer Super- GAU, der Missbrauch dieser Plattform durch die serbischen «Fans» und russischen Anhänger sowie Familienangehörigen von Novak Djokovic eine Bankrotterklärung der hehren Ideale des Sportes, der sich bekanntlich als apolitisch bezeichnet und versteht. Erschreckend war der Umstand in Australien, dass gegen diese Manifestation von Russen und Serben niemand einschritt. Somit rächte es sich (einmal mehr), dass das Welt-Sportfunktionärstum nicht entschlossen genug oder gar nicht gegen alle und alles einschreitet, was direkt oder indirekt zur Kriegsverherrlichung im Umfeld des Sportes beiträgt.

In Melbourne kam es allerdings am Tage vor dem Männer-Finalspiel noch schlimmer. Aryna Sabalenka aus dem Land des Russen-Satellitenstaates Weissrussland gewann das Finale bei den Frauen. So erhielt Russland durch Weissrussland indirekt eine weitere Propaganda-Plattform, auch wenn die Reaktionen auf diesen Erfolg natürlich geringer ausfielen als nach dem Spiel des Serben Novak Djokovic gegen den Russen Andrey Rublev.

Die Lehre nach dem Australien Open, die allerdings niemand ziehen wird und offenbar niemand zu ziehen gewillt ist: Wichtig wäre es, russische und weissrussische Athleten aus dem organisierten Sport zu verbannen, bis der Aggressionskrieg beendet ist; Sportfunktionäre gehören teils ebenfalls zu den Gesinnungstätern der russischen Aggression. Dass Sympathisanten der russischen Aggression in Sportarenen zudem sanktionslos wüten und diese für politische Propagandazwecken missbrauchen können, ist ebenso widerlich wie unverzeihlich. Selbstverständlich wird dieser in Melbourne erlebte Super-GAU für den organisierten Sport anderswo eine Fortsetzung finden; das lehrt die (Sport-)Geschichte.

Vor dem Ausschluss Belarus’ von der EM-Qualifikation 2024?

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(ausasportnews / red. / 3. Oktober 2022) Am 9. Oktober findet in Frankfurt die Auslosung für die Qualifikation zur Fussball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland statt. Russland wird nicht dabei sein, das ist seit geraumer Zeit klar. Nun soll auch Weissrussland (Belarus) aus dem EM-Vorspiel (Qualifikation) mit Blick auf die Kontinentalmeisterschaft in Deutschland ausgeschlossen werden. Das verlangt vor allem die für den Sport in Deutschland zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Magistratin fordert vom organisierenden Kontinentalverband UEFA diesen Ausschluss. Belarus unterstütze den Kriegstreiber Russland derart, dass auch nur schon eine Teilnahme des Vasallenstaates an der Auslosung für die Qualifikation nicht angehe, meint sie. Russland führe einen grausamen Krieg in Missachtung jeglichen Völkerrechts; Weissrussland unterstützte Russland dabei. Die Ministerin, welche auch seitens des Sportes eine konsequente Haltung gegen jede Form von Menschenrechts-Verletzungen fordert, hat ihren Standpunkt bereits mehrmals gegenüber dem UEFA-Präsidenten Aleksander Ceferin bekräftigt und ihre Forderung bezüglich eines Ausschlusses (auch) von Weissrussland nochmals unterstrichen. Noch ist nicht entschieden, wie die UEFA die «Causa Belarus» erledigen wird. In Anbetracht der immer stärker eskalierenden Situation im Ukraine-Krieg dürfte es der UEFA nicht schwer fallen, Weissrussland, wie Russland, schon in der Qualifikationsphase vom EM-Turnier 2024 auszuschliessen. Bis jetzt hat sich der europäische Kontinentalverband mit Blick auf das Thema Russland relativ konsequent verhalten, jedoch Belarus zur Auslosung zur EM-Qualifikation 2024 an sich zugelassen. Sportpolitik ist selbstverständlich noch unberechenbarer als die ordentliche Politik. Der 9. Oktober rückt irreparabel näher…

Ist Schach Sport? Oder (nur) diesmal nicht?

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(causasportnews / red. / 19. August 2022) Die Diskussion, ob Schach als Sport zu qualifizieren sei (was gemeinhin so angenommen wird), ist zumindest nicht neu. Sie gewinnt jedoch derzeit aus einem traurigen Grund an Aktualität und flammt wieder auf. Seit Russland die Ukraine überfallen hat und einen blutigen Krieg, unter Verletzung aller denkbarer Völkerrechtsnormen, führt, ist auch der Sport gefordert. Soll Russland aus dem organisierten Sport ausgeschlossen werden? Allenfalls auch die russischen Athletinnen und Athleten? Haben russische Sportfunktionäre im organisierten Sport noch irgendetwas verloren? – Klar, der Sport in der zivilisierten Welt darf durch die Verbrecher-Clique im Kreml, welche sich des Rückhalts in der Bevölkerung sicher ist, keine Propaganda-Plattform erhalten. Der Sport ist, wie die Historie zeigt, grundsätzlich das ideale Medium, um durch üble Gesellen als Propagandamittel missbraucht zu werden. Dafür müssen nicht nur die Beispiele der Olympischen Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin bemüht werden. Es wäre ja aktuell noch schöner, nun dieser kriegstreibenden Nation zusätzlich eine Propagandabühne mit und im Sport zu bieten! Was die Sache noch schlimmer macht, ist der Umstand, dass das russische Volk diesen Krieg mehrheitlich stützt und billigt. «Fake News» also, welche die «Einzeltäter-Theorie» verbreiten, wenn es um die aktuelle Kriegs-Urheberschaft geht. Bereits kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ergriff der organisierte Sport Sanktionen gegen russische Sportverbände, Teams und auch gegen Individual-Sportlerinnen und Sportler. Auch von im Sport aktiven und viel Geld zahlenden russischen Sponsoren verabschiedete sich der Sport zügig. So wurde etwa der Energie-Konzern «Gazprom» durchwegs als Sponsor im Sport in die Wüste geschickt. Rigoros verhielt sich der Fussball, der durch die Verbände FIFA und UEFA ein starkes Zeichen setzte. Russland wurde die Austragung des Champions League-Finals in St. Petersburg umgehend entzogen, und die russische Nationalmannschaft wurde aus dem Qualifikationsrennen um die Teilnahme an der WM-Endrunde Ende Jahr in Katar eliminiert. In anderen Sportarten war die Haltung in der «Russland-Frage» heterogen. Die eher liberale Tennis-Community musste jedenfalls zur Kenntnis nehmen, dass die (privaten) Wimbledon-Organisatoren des All England Lawn Tennis and Croquet Club russische Spielerinnen und Spieler heuer flugs vom heiligen Rasen verbannten; dass die eher auf Harmonie bedachten Professional-Tourorganisationen dem Turnier in Wimbledon die Weltranglistenpunkte versagten (mit dem Argument, die russischen Einzelathletinnen und -athleten könnten ja nichts für den Krieg), war nicht gerade ein mutiges Zeichen gegen Russlands Aggression (vgl. auch causasportnews vom 29. Mai 2022 und vom 12. Juli 2022).

Jetzt sorgt der Weltschachverband (FIDE) für Schlagzeilen und Stirnerunzeln. Mit grosser Mehrheit (157 von 179 abgegeben Stimmen) wurde der 50jährige Russe Arkadi Wladimirowitsch Dworkowitsch vom Verbands-Kongress für eine weitere Amtsperiode zum FIDE-Präsidenten gewählt. Es spielte für die organisierte Schachwelt also keine Rolle, dass der Mann ein enger Vertrauter des Kreml-Herrschers ist und während Jahren einer seiner führenden Berater war! Die unterlegene Kongress-Minderheit war konsterniert. Zu dieser gehörte nicht etwa die Schweiz, welche ebenfalls für den ehemaligen Regime-Berater stimmte. Sofort wurde in Russland aus dieser Wahl politisches Kapital geschlagen: Das Wahlergebnis zeige, dass Russland in der Welt nicht isoliert sei, verlautete aus Moskau. Thematisiert wurde die Welt, nicht etwa die Sport-Welt. Beide Welten werden von Russen zumindest geprägt. Schach war stets auch eine starke Domäne der Russen. Kann demnach der Sport die Peinlichkeit der FIDE-Präsidentschaftswahl und der erneuten Installierung des Kreml-Freundes Arkadi Wladimirowitsch Dworkowitsch damit relativieren, indem es dem Schachsport die Qualifikation als Sport abspricht? Dann ginge es lediglich um Politik. Darum geht es aber in jedem Fall.