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Sponsoring-Trick des Sion-Präsidenten verfängt vor Bundesgericht nicht

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(causasportnews / red. / 16. Januar 2023) Würde es den Preis für kreative Lösungen im organisierten Fussball-Geschäft geben, hätte ihn der umtriebige Präsident des FC Sion, Christian Constantin, regelmässig auf sicher. Der 66jährige Unternehmer und Paradiesvogel im Fussball geht, wenn es um «seinen» FC Sion geht, weder Kämpfen aller Art noch Auseinandersetzungen mit und gegen wen auch immer aus dem Wege. Wenn er es für notwendig erachtet, bemüht er auch die Gerichte. Noch in (schlechter) Erinnerung ist der weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus bekannt gewordene «Fall FC Sion». Nach einer Registrierungssperre des Weltfussballverbandes FIFA überzogen der FC Sion und die Basisgesellschaft des Klubs, die Olympique des Alpes SA, die Schweiz Liga, den Schweizerischen Fussball-Verband, den Europäischen Konföderationsverband (UEFA) und auch die FIFA ab 2011 gleich im Dutzend (erfolglos) mit Gerichtsverfahren (vgl. hierzu grundsätzlich Urs Scherrer / Kai Ludwig / Remus Muresan, Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 292 f.). Wenn sich eine Gelegenheit bietet und er sich ungerecht behandelt fühlt, marschiert der streitbare Christian Constantin vorne weg; er droht, schüchtert ein und setzt Druck auf – auch gegenüber Behörden und Gerichten. Das mag im kleinmassstäblichen Kanton Wallis, in dem dem potenten Architekten kaum jemand entgegentreten will und sich grundsätzlich niemand mit ihm anlegen möchte, teils verfangen; z.B. am Schweizerischen Bundesgericht wird jedoch zumindest versucht, einigermassen ausgewogen Recht zu sprechen, auch wenn es direkt oder indirekt um Christian Constantin geht.

In einem unlängst bekannt gewordenen Fall zog der Sion-Präsident mit seiner Unternehmung, Christian Constantin SA, vor dem höchsten Schweizer Gericht den Kürzeren und verlor gegen die Steuerbehörden einen Rechtsfall (es ist, das muss der guten guten Ordnung halber gesagt werden, allgemein schwierig, in Steuersachen vor den Gerichten zu reüssieren, auch am Bundesgericht). Die Christian Constantin SA überwies, so die Ausgangslage des Rechtsstreits, der Kapitalgesellschaft des FC Sion, der Olympique des Alpes SA, 3,7 Millionen Franken und setzte diesen Betrag als Sponsoring seiner Christian Constantin SA von den Steuern ab. Die Walliser Steuerbehörden akzeptierten das, obwohl der Betrag selbstverständlich alles andere als ein Sponsoring war und u.a. für Mieten im FC Sion, für Kost und Logis verschiedener Personen, für Fussballspieler, Anwaltskosten und Kosten für den Privatjet des Präsidenten (!) verwendet wurde. Aufgeflogen ist diese «kreative Lösung» von Christian Constantin nicht wegen der Walliser Steuerbehörden, die stramm zum Präsidenten des Fussballklubs hielten, sondern weil auch der Kanton Freiburg Anspruch auf einen Teil der Steuern von Christian Constantins Gesellschaft hat und gegen diese Sponsoring-Deklaration intervenierte. Es handle sich um eine «verdeckte Gewinnausschüttung», urteilte kürzlich das Bundesgericht, das dem Sponsoring-Trick eine Abfuhr erteilte. Demnach wird die Gesellschaft des Präsidenten und Unternehmers demnächst eine Nachzahlungsaufforderung der Steuerbehörden erhalten und diese Gewinnausschüttung versteuern müssen.

Die Drohung von Christian Constantin nach dem Bekanntwerden des Urteils, er lasse den FC Sion nun fallen und ziehe sich zurück, wird eigentlich von niemandem ernst genommen. Sie erfolgte in den letzten Jahren zu oft…

Jetzt wird es justiziabel – können Russlands Sportlerinnen und Sportler ausgeschlossen werden?

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(causasportnews / red. / 12. Juli 2022) Kaum jemand hat damit gerechnet, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine über Monate gehen würde und noch andauern wird. Seit dem 24. Februar 2022 wird die Ukraine von einem Schurkenstaat zusammengebombt und die Bevölkerung malträtiert. Ein Wahnsinniger und das Regime in Moskau terrorisieren seither auch die ganze zivilisierte Welt. Es ist nicht der Krieg eines Diktators, sondern die Aggression eines Staates gegenüber einem anderen Staat; Diktator und Regime werden von einem Volk praktisch ausschliesslich gestützt. Der Westen verspricht seit Monaten Hilfe und wägt ab, wie dehnbar die Ethik, die sich blutarm präsentiert, bei der Verfolgung der Eigeninteressen sein kann. Er verlangt nun immer mehr, weil der Krieg aus dem Ruder laufen wird, Gespräche mit den Kriegstreibern – und meint, im Eigeninteressen, eigentlich Kapitulation. Was die Geschichte lehrt, wird überdies Tatsache: Sanktionen sind nichts anderes als ein Bumerang. Gewalt lässt sich nur mit Gewalt eliminieren; für die Verfolgung der genannten Eigeninteressen ist diese, im Moment zumindest, keine Option. Das Fressen in geheizten Räumen kommt vor der Moral. Der Krieg in Europa scheint jedoch erst begonnen zu haben.

Im Zuge der allgemeinen Sanktionierungen reagierte auch der organisierte Sport – zumindest teilweise. Doch auch diesbezüglich herrscht immer mehr Kriegs- und Sanktionsmüdigkeit. Russische Sportlerinnen und Sportler, Klubs, Verbände und Organisationen wurden und werden von der Sportwelt ausgegrenzt und aus dem organisierten Sport verbannt. Das war folgerichtig, denn wer eine Nähe zu Russland aufweist, das kann auch eine Staatsbürgerschaft sein, muss damit rechnen, als vom Schurkenstaat kontaminiert vom Sport mit seinen tragenden Werten ausgeschlossen zu werden (was auch für Athletinnen und Athleten aus dem Russland-hörigen Weissrussland gilt). Nach Monaten hat sich die zivilisierte Welt weitgehend an den brutalen Krieg in Europa gewöhnt, und es werden die Forderungen lauter, Russlands Vertreterinnen und Vertreter wieder am organisierten Sport teilnehmen zu lassen. Die Begründung: Athletinnen und Athleten mit russischer Nationalität könnten schliesslich nichts dafür, dass ihr Land als hemmungsloser Aggressor auftritt. So einfach ist es allerdings nicht, weil Russland immerhin einen derart rücksichtlosen und egoistischen Krieg in Europa führt, der in der Moderne seinesgleichen sucht. Es wird zurückgeblendet auf das Jahr 1939, als Deutschland, ebenfalls mit einem irrwitzigen Diktator an der Spitze, mit dem Angriff auf Polen den 2. Weltkrieg entfesselte. Russland geht mit brutalster Gewalt vor, bombt Teile der Ukraine in Schutt und Asche und mordet auf’s Übelste drauf los. Jegliches Recht, so auch das (Kriegs-)Völkerrecht, wird von Russland ausgeblendet. Die einzige Regel, an die sich dieses Land hält, ist diejenige, sich an keine Regel zu halten. Wer in dieses Geschehen involviert ist, ob direkt oder indirekt, muss Folgen gewärtigen.

Wie reagiert also der organisierte Sport auf diese beispiellose Aggression Russlands als Staat mit entsprechenden Mitdenkern und Mithandelnden im In- und Ausland? Heterogen, jedoch grundsätzlich mit Linie.

Zum Beispiel im Tennis: Die privaten Wimbledon-Organisatoren haben Spielerinnen und Spieler vom prestigeträchtigen Turnier ausgeschlossen, um Russland keine Sport-Plattform zu gewähren (causasportnews vom 29. Mai 2022). England war schon immer das effizienteste Bollwerk gegen alles Böse. Dass sich bei den Frauen die russisch-stämmige Kasachin Jelena Rybakina durchsetzte, war für die hehre Welt des Sports verschmerzbar.

Zum Beispiel in der Leichtathletik: Russlands Hochspringerin Marija Lassizkene will ihre Startberechtigung am Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne erkämpfen.

Zum Beispiel im Fussball: Das TAS wird sich in nächster Zeit auch mit Klagen gegen internationale Sportverbände, welche russische Klubs, Verbände und Spielerinnen und Spieler ausgeschlossen haben, befassen müssen. Vor allem der Europäische Fussballverband UEFA zeigte sich konsequent, um eine sportliche Antwort auf Russlands Aggression zu geben. Der Verband verzichtet auf viel Geld.

Zum Beispiel in der Formel 1: Der junge Russe Nikita Masepin wurde vor dem Saisonstart vom Haas F1- Team entlassen und klagt nun dagegen.

Prozessiert wird auch im Kunstturnen, im Eisschelllauf, im Eishockey und in weiteren Sportarten. Der Grundtenor ist stets derselbe, nämlich, dass für die Ausschliessung aus dem Sport keine satzungsmässige Grundlagen bestehen würden. Das ist grundsätzlich richtig, doch aufgrund der Ausschliessungsbestimmungen in den Statuten der Sportverbände und -organisationen lässt sich die Ausschliessung von Sportlern z.B. wegen ihrer Nationalitätszugehörigkeit (Russland) etwa als ungeschriebener Rechtsgrundsatz vertreten. Es kommt hinzu, dass der private, weltumspannende Sport weitgehend nach schweizerischem Recht funktioniert. In diesem Bereich wird die Privatautonomie hoch gehalten. Die Verbände und Organisationen dürfen selber festlegen, wer am Sport soll teilnehmen können. Das können letztlich auch nur Sportlerinnen und Sportler sein, welche sich von der beispiellosen Aggression Russlands klar distanzieren. Vor allem müssen es sich auch die Konkurrentinnen und Konkurrenten russischer Sportlerinnen und Sportler nicht gefallen lassen, sich sportlich mit Angehörigen dieses Staates messen zu müssen. Ein Staat, der die Grundsätze jedes zivilisierten Zusammenlebens ignoriert und sich an keine Regelung des friedlichen Zusammenlebens hält, verstösst so auch gegen die Grundwerte des Sportes. Russische Sportlerinnen und Sportler, welche sich von ihrem Staat nicht lossagen, unterliegen dem ungeschrieben Rechtsgrundsatz der Kontamination. Die Anwendung dieser «Kontaminationsregel» im Sport ist übrigens keine Neuschöpfung der Rechtslehre; man kennt sie etwa aus der Leichtathletik bei Dopingverstössen. Wie die angehobenen und die bevorstehenden Verfahren um ausgeschlossene Sportlerinnen und Sportler ausgehen am TAS und an zivilen Gerichten weltweit letztlich ausgehen werden, ist schwierig abzuschätzen, die Juristerei steht der wankelmütigen, opportunistischen Politik oft in nichts nach. Insbesondere bei dieser Frage tritt eine juristische Binsenweisheit als schöne Seite der Juristerei zu Tage: Es lässt sich alles begründen! Die Gerichte werden nun insbesondere in etlichen Fällen zu entscheiden haben, welche Sportlerinnen und Sportler mit Bezug zu Russland am Spiel, am organisierten Sportgeschehen, teilnehmen dürfen. Dabei bleibt auch kein Raum für Umgehungen, so, wie es das Internationale Olympische Komitee (IOK) nach dem Dopingskandal im Russischen Sport tut, indem Individualsportlerinnen und -sportler flugs zu «Neutralen» erklärt werden…

Schwimmer Sun Yang bleibt bis 2024 gesperrt

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(causasportnews / red. / 26. April 2022) Der Chinesische Superstar im Schwimmen, Sun Yang, bleibt bis Mitte 2024 gesperrt. Dies ist nach einem Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts definitiv, das eine Beschwerde des 30jährigen Erfolgsathleten gegen ein Urteil des Internationalen Sport-Schiedsgerichts (TAS) vom 22. Juni 2021 abwies. Das TAS fällte gegen Sun Yang eine Doping-Sperre von vier Jahren und drei Monaten aus wegen Verletzung der Dopingregeln des Internationalen Schwimmverbandes (FINA).

Die Sanktionsgeschichte um Sun Yang ist nicht frei von Turbulenzen: Das TAS sanktionierte den Chinesen mit Entscheid vom 28. Februar 2020 mit einer Aufsehen erregenden, achtjährigen Sperre. Ein dagegen erhobenes Revisionsgesuch von Sun Yang hiess das Bundesgericht im Dezember 2020 gut und hob das TAS-Urteil auf. Das höchste Schweizer Gericht erkannte, dass der vorsitzende Richter am TAS befangen (!) gewesen sei und das Schiedsgericht, in anderer Besetzung, nochmals entscheiden müsse. Dies geschah, und das Schiedsgericht reduzierte in der Folge die Sperre um fast die Hälfte. Diesmal fand die TAS-Entscheidung vom 22. Juni 2021, einen Monat vor Beginn der Olympischen Spiele erlassen, nun auch Gnade vor dem Bundesgericht in Lausanne. Das Schiedsgerichts-Urteil verstosse nicht gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung («ordre public»), verlautete aus Lausanne; auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schwimmers liege nicht vor. Einer freien, richterlichen Kontrolle konnte das TAS-Urteil nicht unterzogen werden; es entscheid mit beschränkter Kognition. Nicht eingetreten ist das Bundesgericht auf die Rüge des sanktionierten Athleten, dass diese gesetzlich beschränkte Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden gegen TAS-Urteile mit internationalen Bezugspunkten (wie in diesem Fall) das Recht auf eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletze (Art. 13 EMRK, Recht auf wirksame Beschwerde).

Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichts in der «Causa Sun Yang» bewegt nicht mehr derart wie das Gerangel vor den Olympischen Spielen 2021 vom 23. Juli bis 8. August 2021 in Tokio. Damals versuchte der Schwimmer mit allen, auch juristischen Mitteln, jedoch letztlich vergeblich, den Start in Tokio durchzudrücken (causasportnews vom 8. Juli 2021).

(Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 14. Februar 2022 (4A_406/2021)

Bundesgericht hebt TAS-Urteil auf – Sport-Schiedsgericht muss nochmals ran

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(causasportnews / red. / 30. Dezember 2020) Weil der Vorsitzende Schiedsrichter im Verfahren gegen den chinesischen Schwimmstar Sun Yang wegen Befangenheit im Verfahren und beim Urteil nicht hätte mitwirken dürfen, muss eine neue Besetzung am Internationalen Sport-Schiedsgericht (Tribunal Arbitral du Sport; TAS) in Lausanne nochmals ran und über die ausgefällte, achtjährige Doping-Sperre gegen den Olympiasieger und Weltmeister neu entscheiden. Das Schweizerische Bundesgericht (ebenfalls in Lausanne) hat ein entsprechendes Begehren des Schwimmers gutgeheissen und das TAS-Urteil von Anfang Jahr aufgehoben. Der Schiedsrichter, immerhin ein ehemaliger, hoher italienischer Politiker und Tierliebhaber, hatte sich mehrmals negativ gegenüber China und gegenüber dem chinesischen Volk geäussert (er hatte sie negativ als «Hundeschlächter» und «Hundeverspeiser» abgekanzelt), weshalb er den Anschein der Befangenheit vermittelte und nicht mehr fähig war, in der «Causa Sun Yang» objektiv zu urteilen. Die achtjährige Doping-Sperre gegenüber dem Chinesen ist einer der spektakulärsten Fälle im (juristischen) Kampf gegen das Doping im Sport.  Dem Athleten bzw. seinem Umfeld wurde vorgeworfen, bei der Zerstörung einer Dopingprobe (mit einem Hammer!) mitgewirkt zu haben. Das alles führte letztlich zu einem harten Strafmass.

Mit diesem für das TAS eher peinlichen Urteil rückt die Handhabung der geschlossenen Schiedsrichterliste am TAS einmal mehr ins Zentrum des Interesses. Dem TAS wird die Eigenschaft eines unabhängigen Schiedsgerichtes, vor allem vom Schweizerischen Bundesgericht, attestiert, obwohl jeder Spruchkörper jeweils zwingend mit Schiedsrichtern, welche weitgehend aus dem organisierten Sport stammen, besetzt werden muss. Dass diese sog. «geschlossene Schiedsrichterliste» problematisch ist, wird seit Jahren aus den TAS-Urteilen ersichtlich. Meist obsiegen in den Verfahren die Sportverbände und -organisationen. Insbesondere in internationalen Fällen ist die Überprüfungsmöglichkeit der TAS-Urteile durch das Bundesgericht allerdings eingeschränkt. Wenn das Bundesgericht einmal ein TAS-Urteil aufhebt, wie jetzt der Sanktionsentscheid gegen Sun Yang, lässt das aufhorchen. Vielleicht mag bei der Entscheidung des höchsten Gerichtes in der Schweiz allenfalls der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass der Schwimmstar nicht einfach ein «nobody» ist.

Nun schlechte Urteilschancen für Caster Semnya

justice-2071539_1920(causasportnews / red. / 7. August 2019) Die Chancen , dass die Leichtathletin Caster Semenya die umstrittene Hormon-Regelung des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) am Schweizerischen Bundesgericht noch wird kippen können, sind praktisch auf „null“ gesunken. Zwar keimte Hoffnung auf, als das oberste Schweizer Gericht nach Einreichung der Beschwerde der Athletin gegen ein Urteil des Internationalen Sportschiedsgerichts in Lausanne (TAS) Ende Mai superprovisorisch die entsprechenden IAAF-Regularien, welche die Laufdisziplinen von 400 Metern bis zu einer Meile betreffen, einstweilen ausser Kraft setzte (vgl. auch causasportnews vom 4. Juni 2019), doch nun hat das Bundesgericht der Beschwerde vor ein paar Tagen die aufschiebende Wirkung wieder entzogen. Prozessbeobachter rechnen nach dieser Kehrtwende des Bundesgerichts im Vorfeld des Endurteils mit einer Abweisung der Beschwerde; am gefällten Urteil des TAS wird sich kaum mehr etwas ändern. Der Läuferin wurden nach der Prozessniederlage am TAS in materiell-rechtlicher Hinsicht durchaus Prozesschancen am Bundesgericht eingeräumt, weil die Urteilsbegründung des Sport-Schiedsgerichts in dieser Sache einigermassen dilettantisch anmutet (vgl. dazu auch Causa Sport 2/2019). Mit einem Urteil des Bundesgerichts dürfte nun in nächster Zeit gerechnet werden – wohl noch vor den Weltmeisterschaften in Katar, die vom 27. September bis 6. Oktober mit ziemlicher Sicherheit ohne die Titelverteidigerin Caster Semenya stattfinden werden. Ob die vieldiskutierte Testosteron-Grenzwert-Regelung der IAAF trotz Rechtskonformität allerdings nachhaltig Bestand haben wird, ist derzeit ungewiss. Auch innerhalb des Verbandes sind die Vorgaben umstritten, und der Druck von dritter Seite (vor allem mit dem Diskriminierungs-Argument) wird kaum zu einer Beruhigung der Sach- und Rechtslage beitragen.

Caster Semenya gelangt an das Schweizerische Bundesgericht

(causasportnews / red. / 4. Juni 2019) Die Testosteron-Regel des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) wird vom Schweizerischen Bundesgericht überprüft – zumindest indirekt. Gegen die Entscheidung des internationalen Schiedsgerichtshofs (TAS) in Lausanne hat die Südafrikanerin Caster Semenya das höchste Gericht der Schweiz angerufen und versucht nun, die umstrittene Regelung des Weltverbandes doch noch zu Fall zu bringen. Das TAS hat die intersexuelle Leichtathletin kürzlich ins Unrecht versetzt (vgl. auch causasportnews vom 2. und vom 15. Mai 2019). Caster Semenya fühlt sich im Streit um erhöhte Hormonwerte unzulässigerweise diskriminiert, die IAAF rechtfertigt die Satzung insbesondere mit Argumenten der Rechtsgleichheit und des Fairplay. In einem eher unglücklich begründeten Urteil kam der TAS zum Schluss, dass die Regelung zwar für die Athletin „hart“ und diskriminierend, jedoch rechtskonform sei. Hinter diese Begründung setzen Rechts-Experten Fragezeichen. Die „heisse Kartoffel“ liegt nun beim Bundesgericht, welches im Rahmen einer vorsorglichen Anordnung (bis zum Vorliegen eines Endurteils) die IAAF-Regelung ausgesetzt hat. Das wertet die Athletin als grossen Prozesserfolg, jedoch darf die Zwischenentscheidung auch nicht überbewertet werden. Was das Bundesgericht bewogen hat, diese Anordnung zu treffen, ist im Moment nicht nachvollziehbar. Wahrscheinlich hat das Gericht aufgrund einer Hauptsachenprognose entschieden, dass der von Caster Semenya ergriffene Rechtsbehelf nicht aussichtslos ist und eine Aussetzung der Regel bis zum Vorliegen eines Endentscheides niemandem schadet. Unklar im Moment ist derzeit auch, wann mit einem abschliessenden Entscheid des Bundesgerichts zu rechnen ist. Unter Umständen liegt ein solches Urteil sehr rasch vor.