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Die strafrechtlichen Folgen der „Operation Aderlass“

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(causasportnews / red. / 15. September 2020) Vor eineinhalb Jahren wurde der deutsche Sportarzt Mark Schmidt im Zuge der „Operation Aderlass“ verhaftet; mit „Operation Aderlass“ werden die Untersuchungen und Ermittlungen in Österreich und in Deutschland zu den Dopingpraktiken des in Erfurt wohnhaften Arztes bezeichnet. Ab morgen steht der 42jährige Mediziner, der gemäss Anklage der Staatsanwaltschaft München mindestens 23 Sportler aus acht Nationen gedopt haben soll, mit vier Komplizen im Strafjustizzentrum München vor Gericht, und zwar im selben Gerichtssaal, in dem die NSU-Terroristin Beate Zschäpe verurteilt wurde (NSU = Nationalsozialistischer Untergrund). Der Prozess nimmt im Vorfeld des Verhandlungsbeginns fast die selben Dimensionen an wie der vor etwas mehr als zwei Jahre beurteilte „Fall Beate Zschäpe“. Allerdings wird die Angelegenheit bezüglich Mark Schmidt gemäss Einschätzung von Experten massiv hochgeschaukelt. Das Verfahren gegen den Arzt und die Mitangeklagten, für die alle die Unschuldsvermutung gilt, könnte ein Schauprozess werden. Doping-Netzwerke, wie sie vom an sich nicht unsympathischen Erfurter Sportarzt mitgeprägt wurden, sind immer attraktiv – insbesondere für die Medien. Für die Ermittlungserfolge nach der „Operation Aderlass“ liess sich der zuständige Staatsanwalt in München von der Öffentlichkeit bereits ausgiebig feiern. Zum Thema hielt er zwei grosse Pressekonferenzen ab; einer dieser Medienorientierungen wohnte zur Untermalung der Bedeutung der erzielten Fahndungserfolge auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich bei. Ist also in diesem Prozess der grosse juristische „Knall“ in der Dopingbekämpfung zu erwarten oder wird am Schluss des Verfahrens der Berg übrigbleiben, der eine Maus geboren hat? On verra. Sicher ist, dass der Beschuldigte nicht als Betrüger beispielsweise im Sinne der „Wirecard“-Ganoven zu qualifizieren ist, sondern Mark Schmidt wird eher als enthusiastischer, sportbegeisterter Fan eingestuft, für den das ganze Dopingsystem, das er geprägt hatte, ein nüchternes Geschäft, mit dem er seine Existenz sicherte, in einem von ihm geliebten Umfeld war. Reich geworden ist er mit seinen vermeintlich kriminellen Aktivitäten nicht. Für die „Behandlung“ eines Sportlers während einer ganzen Saison galt durchwegs der Standardsatz von 5000 Euro. Als das ganze System ausser Kontrolle geriet und der bereits abgeurteilte ehemalige österreichische Langläufer Johannes Dürr auspackte, wurde Mark Schmidt zu einer eher tragischen Figur in der Sportgeschichte. Was er tat, kann selbstverständlich nicht im Geringsten gutgeheissen werden. Vor allem mit den Eigenblut-Praktiken bei Athleten in verschiedenen Sportarten hat sich Mark Schmidt am Sport versündigt, wie Stimmen etwa aus dem katholischen Bayern weismachen wollen. Wie letztlich der Prozess ausgehen wird, dürfte mit Spannung erwartet werden. Sicher ist, dass auch nach einer wahrscheinlichen Verurteilung von Mark Schmidt der Kampf gegen die Dopingseuche weitergehen wird.

Doping-Geständnis nach Ermittlungs- und Mediendruck

(causasportnews / red. / 22. Februar 2020) Im Nachgang zur „Operation Aderlass“ vor einem Jahr anlässlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im Österreichischen Seefeld wurden insbesondere in Österreich und in Deutschland breitgefächerte Ermittlungen rund um das Doping-Netzwerk des Erfurter Sportarztes Mark Schmidt aufgenommen und geführt (vgl. dazu etwa causasportnews vom 15. Februar 2020). Die Münchner Staatsanwaltschaft geht derzeit davon aus, dass zwischen 2011 und 2019 weit mehr als 20 Sportler aus 8 Nationen, insbesondere aus den Sparten Nordischer Skisport und Radsport, in Dopingaktivitäten mit Bezug zum Umfeld des Arztes verwickelt sind. Teils sind die Beschuldigten (einige sind bereits verurteilt, so der Langläufer Johannes Dürr) bekannt, doch ranken sich auch immer noch Gerüchte und Vermutungen der Sportwelt um (weitere) Verdächtige und vermeintliche Dopingsünder. Immer wieder wurde kolportiert, unter den Verdächtigen würde sich auch ein Sportler schweizerischer Nationalität befinden. Dieses Geheimnis hat nun der Betroffene selber gelüftet und die (Medin-)Welt über Twitter orientiert, dass er als Radprofessional betrogen habe. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Radrennfahrer Pirmin Lang, der 2017 seine Aktiv-Karriere beendet hatte und danach das Nachwuchs-Förderungsteam „Swiss Racing Academy“ gründete, das er auch leitete; bis am Freitagabend jedenfalls. Mit Blick auf die in der kommenden Woche in Berlin stattfindenden Bahnrad-Weltmeisterschaften, an der drei Fahrer aus dem Team von Pirmin Lang teilnehmen werden, hat der geständige Dopingdelinquent die Team-Leitung per sofort abgegeben. Was aus dem Startup-Projekt werden soll, steht derzeit in den Sternen.- Das Geständnis des ehemaligen Berufs-Rennfahrers kommt nicht ganz überraschend: Aufgrund des Ermittlungs- und des medialen Druckes sah sich der 35jährige Luzerner, der sich als Aktiver auch in der Sparte Rad-Querfeldein einen Namen gemacht hatte, offensichtlich zu seiner Flucht nach vorne und zum Geständnis veranlasst.

Doping: Wir nicht – die andern auch…

(causasportnews / red. / 15. Februar 2020) Im Zuge der „Operation Aderlass“, die vor einem Jahr die Sportwelt anlässlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im Österreichischen Seefeld erschütterte und ein gigantisches Doping-Netzwerk zu Tage förderte, folgen sich die Prozesse gegen Fehlbare nicht nur aus der Sportszene nun Schlag auf Schlag. Die Dopingaktivitäten rund um den Erfurter Sportarzt M.Sch. haben sich allerdings nicht nur auf den Skisport bezogen, sondern erfassten auch andere Sportdisziplinen, vor allem den Radsport – wen wundert’s? Einer der prominentesten Figuren, der Ex-Langläufer Johannes Dürr, ist zwischenzeitlich vom Landesgericht Innsbruck wegen gewerbsmässigen Betrugs zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der 33jährige Österreicher gilt im ganzen Dopinggefüge nicht nur als Whistleblower und Selbst-Doper; er war auch in Dopingpraktiken anderer involviert. Zentrale Figur im juristischen Trümmerfeld, das es nach der „Operation Aderlass“ aufzuräumen gilt, ist und bleibt jedoch der Arzt M.Sch., der bald ebenfalls als Angeklagter vor Gericht stehen wird. Aus der Sparte „Radsport“ abgeurteilt worden ist zwischenzeitlich etwa der Ex-Rad-Professional Stefan Denifl, der am Landesgericht Innsbruck gestanden hat, Blutdoping praktiziert zu haben. Jedoch bestritt der 32jährige Tiroler (erfolglos), ein „Betrüger“ zu sein. Er habe niemanden getäuscht, auch Veranstalter und andere Konkurrenten nicht, führte er vor Gericht aus. Im Radsport würden Leistungen verlangt, die „normalerweise“ nicht zu erbringen seien; viele Athleten würden sich in dieser Sportart dopen, und ohne Doping hätte er z.B. gar keinen Vertrag mehr mit einem Team bekommen. Stefan Denifl versuchte jedenfalls, Doping als „Normalzustand“ darzustellen, Doping im „Normalitäts-Modus“ also. Und somit getreu nach dem Motto: „Wir nicht – die andern auch“…Deshalb macht sich ausserhalb der Szene teils Verständnis für die Dopingdelinquenten breit.

Eigenartig mutet bei der juristischen Aufarbeitung des aufgeflogenen, internationalen Doping-Netzwerkes jedenfalls der Umstand an, dass sogar der Ankläger im „Dürr-Prozess“ die Dopingseuche im Sport als nichts Ausserordentliches darzustellen versuchte, zumal auch in diesem Zusammenhang einige Schatten vor allem auf Protagonisten des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV) fallen. So soll Staatsanwalt Dieter Albert in Innsbruck sich explizit so geäussert haben, dass der Eindruck, es werde nur in Österreich gedopt, falsch sei; Doping sei nicht nur ein „österreichisches Problem“. „Wir nicht – die andern auch“… also, wird die Doping-Thematik sogar von Strafverfolgern relativiert. Kein Wunder, dass so jeder Druck seitens der Öffentlichkeit ausbleibt. Auch von medialer Seite. Jedenfalls kann nicht erwartet werden, dass die sonst die Moralkeule schwingende „Kronen Zeitung“ grosse Lust verspürt, zu stark im Dopingsumpf zu wühlen. Die grösste Boulevardzeitung Österreichs ist immerhin Sponsor des ÖSV…

Wenn nur noch Doping in Erinnerung bleibt

(causasportnews / red. / 6. März 2019) Erst ein paar Tage sind vergangen, seit die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Seefeld/Tirol offiziell als beendet erklärt worden sind. Es wäre nach Welt-Titelkämpfen an sich evident, dass die gezeigten sportlichen Leistungen nachhaltig wirken würden, doch nun ist alles ganz anders gekommen: Wer vom Anlass in Österreich spricht, thematisiert nicht sportlich Vollbrachtes, sondern eine Geissel im Sport, die man nach allgemeinem Empfinden in dieser Form längst als überholt geglaubt hat. „Eigenblutdoping“ heisst die Manipulation, welche den nordischen Skisport aufschreckte. In Seefeld wurden Razzien durchgeführt, Athleten verhaftet und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Österreich und in Deutschland aufgenommen, die andauern; speziell im Fokus der Untersuchungsbehörden steht ein Sportarzt, der innerhalb eines Doping-Netzwerkes seit Jahren aktiv und auch in anderen Sparten als im Skisport in Manipulationen involviert gewesen sein soll. Es war teils wie in einem (schlechten) Film, als ein Dopinglabor mit Blutkonserven ausgehoben wurde, über 100 Polizeibeamte im Rahmen der „Operation Aderlass“ im Einsatz waren und ein Sportler mit einer Blutinfusion im Arm in flagranti erwischt worden war – Dr. Mabuse erlebte knapp zwei Monate vor dem Osterfest Auferstehung. Die Welt zeigt sich immer noch schockiert bei so viel Unverfrorenheit seitens der Dopenden und enttäuscht darüber, dass ein Phänomen, das vor allem in den 70er Jahren insbesondere in der Leichtathletik zum Dauerthema wurde, die Integrität des Sportes offensichtlich immer noch markant beschädigt. „Blutdoping“ gehört zu den traditionellen Manipulations-Phänomenen im Sport und ist erstmals ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt worden, als der geniale finnische Leichtathlet Lasse Virén, der 1972 und 1976 an den Olympischen Spielen in München und Montreal vier Olympische Goldmedaillen gewann und in den Dunstkreis von „Blutdoping“-Aktivitäten gerückt worden war, ohne dass allerdings schlüssige Beweise hätten vorgelegt werden können, nicht nur aus sportlichen Gründen für Schlagzeilen sorgte. „Eigenbluttransfusionen“ sind an sich „einfache“ Mittel der (unerlaubten) Leistungsbeeinflussung im Sport. Durch Zuführung des vorgängig, etwa einen Monat z.B. vor einem Wettkampf abgenommenen und danach zentrifugierten Blutes, bewirkt dieses dem Körper später wieder zugefügte Blut eine Intensivierung der roten Blutkörperchen, wodurch (dank verbesserter Sauerstoffversorgung der Muskulatur) die Ausdauer des Athleten gesteigert wird. Obwohl „Eigenbluttransfusionen“ für durchwegs als der Vergangenheit angehörend gehalten wurden, hat nun der Skandal von Seefeld gezeigt, dass das konventionelle „Blutdoping“ immer noch flächendeckend praktiziert wird; offensichtlich sind nun, wie jüngste Ermittlungen ergeben haben, auch andere Sportarten von dieser Manipulations-Methode betroffen. Beim gegenwärtigen Skandal stehen der Österreichische Skiverband (ÖSV) und dessen umtriebiger Präsident zumindest im Fokus des Interesses, auch der Ermittler. Gestern ist etwa der Whistleblower Johannes Dürr, früher selber schon des Dopings überführt, verhaftet worden; er soll Auslöser des jüngsten Doping-Skandals gewesen sein und entsprechende Informationen an die Öffentlichkeit getragen haben. Weshalb er verhaftet worden ist, konnte bis jetzt nicht in Erfahrung gebracht werden. Bekannt ist aber, dass sich der Langläufer seit Jahren mit dem ÖSV-Präsidenten im Clinch befindet. Die Vorgänge zeigen, dass die Selbstreinigungskraft des Sportes, der nur über bescheidene Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Sport-Betrügern verfügt, beschränkt ist. Nur die staatlichen Strafverfolgungsorgane scheinen in der Lage zu sein, kriminelle Machenschaften im Sport aufzudecken und allenfalls mutmassliche Doping-Delinquenten der Justiz zuzuführen.