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Ist Schach Sport? Oder (nur) diesmal nicht?

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(causasportnews / red. / 19. August 2022) Die Diskussion, ob Schach als Sport zu qualifizieren sei (was gemeinhin so angenommen wird), ist zumindest nicht neu. Sie gewinnt jedoch derzeit aus einem traurigen Grund an Aktualität und flammt wieder auf. Seit Russland die Ukraine überfallen hat und einen blutigen Krieg, unter Verletzung aller denkbarer Völkerrechtsnormen, führt, ist auch der Sport gefordert. Soll Russland aus dem organisierten Sport ausgeschlossen werden? Allenfalls auch die russischen Athletinnen und Athleten? Haben russische Sportfunktionäre im organisierten Sport noch irgendetwas verloren? – Klar, der Sport in der zivilisierten Welt darf durch die Verbrecher-Clique im Kreml, welche sich des Rückhalts in der Bevölkerung sicher ist, keine Propaganda-Plattform erhalten. Der Sport ist, wie die Historie zeigt, grundsätzlich das ideale Medium, um durch üble Gesellen als Propagandamittel missbraucht zu werden. Dafür müssen nicht nur die Beispiele der Olympischen Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin bemüht werden. Es wäre ja aktuell noch schöner, nun dieser kriegstreibenden Nation zusätzlich eine Propagandabühne mit und im Sport zu bieten! Was die Sache noch schlimmer macht, ist der Umstand, dass das russische Volk diesen Krieg mehrheitlich stützt und billigt. «Fake News» also, welche die «Einzeltäter-Theorie» verbreiten, wenn es um die aktuelle Kriegs-Urheberschaft geht. Bereits kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ergriff der organisierte Sport Sanktionen gegen russische Sportverbände, Teams und auch gegen Individual-Sportlerinnen und Sportler. Auch von im Sport aktiven und viel Geld zahlenden russischen Sponsoren verabschiedete sich der Sport zügig. So wurde etwa der Energie-Konzern «Gazprom» durchwegs als Sponsor im Sport in die Wüste geschickt. Rigoros verhielt sich der Fussball, der durch die Verbände FIFA und UEFA ein starkes Zeichen setzte. Russland wurde die Austragung des Champions League-Finals in St. Petersburg umgehend entzogen, und die russische Nationalmannschaft wurde aus dem Qualifikationsrennen um die Teilnahme an der WM-Endrunde Ende Jahr in Katar eliminiert. In anderen Sportarten war die Haltung in der «Russland-Frage» heterogen. Die eher liberale Tennis-Community musste jedenfalls zur Kenntnis nehmen, dass die (privaten) Wimbledon-Organisatoren des All England Lawn Tennis and Croquet Club russische Spielerinnen und Spieler heuer flugs vom heiligen Rasen verbannten; dass die eher auf Harmonie bedachten Professional-Tourorganisationen dem Turnier in Wimbledon die Weltranglistenpunkte versagten (mit dem Argument, die russischen Einzelathletinnen und -athleten könnten ja nichts für den Krieg), war nicht gerade ein mutiges Zeichen gegen Russlands Aggression (vgl. auch causasportnews vom 29. Mai 2022 und vom 12. Juli 2022).

Jetzt sorgt der Weltschachverband (FIDE) für Schlagzeilen und Stirnerunzeln. Mit grosser Mehrheit (157 von 179 abgegeben Stimmen) wurde der 50jährige Russe Arkadi Wladimirowitsch Dworkowitsch vom Verbands-Kongress für eine weitere Amtsperiode zum FIDE-Präsidenten gewählt. Es spielte für die organisierte Schachwelt also keine Rolle, dass der Mann ein enger Vertrauter des Kreml-Herrschers ist und während Jahren einer seiner führenden Berater war! Die unterlegene Kongress-Minderheit war konsterniert. Zu dieser gehörte nicht etwa die Schweiz, welche ebenfalls für den ehemaligen Regime-Berater stimmte. Sofort wurde in Russland aus dieser Wahl politisches Kapital geschlagen: Das Wahlergebnis zeige, dass Russland in der Welt nicht isoliert sei, verlautete aus Moskau. Thematisiert wurde die Welt, nicht etwa die Sport-Welt. Beide Welten werden von Russen zumindest geprägt. Schach war stets auch eine starke Domäne der Russen. Kann demnach der Sport die Peinlichkeit der FIDE-Präsidentschaftswahl und der erneuten Installierung des Kreml-Freundes Arkadi Wladimirowitsch Dworkowitsch damit relativieren, indem es dem Schachsport die Qualifikation als Sport abspricht? Dann ginge es lediglich um Politik. Darum geht es aber in jedem Fall.

Nun ein juristischer Kampf um das FIS-Präsidium

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(causasportnews / red. / 22. Juni 2022) In den nationalen und internationalen Sportverbänden und -organisationen stehen die Präsidenten (und wenige Präsidentinnen) immer wieder im Fokus auch einer breiten Öffentlichkeit. Präsidenten gebärden sich durchwegs als Sonnenkönige und Alleinherrscher, denen die Macht so wichtig wie die Omnipräsenz auf den verschiedensten Bühnen dieser Welt. Das Präsidentenamt ebnet den Zugang zu den Honigtöpfen, die materiellen Belange sind den Präsidenten oft so wichtig wie der Lobbyismus, der die Türen zur Politik, zur Wirtschaft und Gesellschaft öffnet. Oft geht das Präsidentenamt einher mit Verflechtungen und Korruption. Nicht selten stehen Präsidenten synonym für Pleiten, Pech und Peinlichkeiten. In keinem Amt wird die Vertrottelung der obersten Chefs der Verbände und Organisationen ab und zu so manifest wie in den höchsten Ämtern im organisierten Sport. Kein Wunder, dass es bei der Besetzung von Präsidentenämtern immer wieder zu Dissonanzen, Reibereien und zu einem Hauen und Stechen kommt; wenn nicht in dieser Wahl-Phase, dann ist das Präsidentenamt stets nach dem Amtsantritt des Gewählten meist mehr als nur eine Diskussion wert. Das oben Erwähnte weist selbstverständlich keinen direkten Zusammenhang mit Johan Eliasch, dem Ende Mai gewählten Präsidenten des Internationalen Skiverbandes (FIS) mit Sitz in Oberhofen am beschaulichen Thunersee in der Schweiz, auf.

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Eigentlich weiss niemand so genau, weshalb der schwerreiche britische Geschäftsmann vielerorts in Ungnade gefallen ist. Vielleicht ist es das Problem, dass sich der 60jährige Milliardär ziemlich unabhängig gebärdet und sein Amt so ähnlich wie eine Axt im Wald versieht. Demnach dürften es die Machtgelüste und die individuell geprägte Ausübung dieser Macht sein, welche Johan Eliasch zum Buhmann des Skisports gemacht haben. Jedenfalls ist die erneute Wahl des damaligen Nachfolgers von Gian Franco Kasper (Schweiz) ein Desaster geworden. Zwar wurde der Brite mit 100 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Einen Gegenkandidaten für den Briten gab es nicht, doch das Wahlprozedere ist umgehend in die Kritik geraten. Offensichtlich war es in der geheim durchgeführte Wahl nicht möglich, mit «Nein» abzustimmen. Diese vereinsrechtliche Nuss wird nun das Internationale Sport-Schiedsgericht (TAS) in Lausanne zu knacken haben. Die Verbände Deutschlands, Österreichs und Kroatiens sowie der Schweiz haben die Wahl zwischenzeitlich angefochten. Nicht ganz ohne Hintergrund gilt der Umstand, dass der Schweizer Verbandspräsident, Urs Lehmann, damals Nachfolger des verstorbenen Gian Franco Kasper werden wollte, in der Kampfwahl gegen Johan Eliasch aber scheiterte. Der juristische Kampf um das FIS-Präsidium wird nun also in der Schweiz entschieden (das TAS urteilt als echtes Schiedsgericht an Stelle des an sich für Anfechtungsklagen, Art. 75 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, zuständigen ordentlichen Gerichts). Eine Erfolgsprognose bezüglich der Aussichten der Wahl-Anfechtung fällt derzeit schwer. Aufgrund der bekannten Fakten scheinen die Chancen, den ungeliebten ehemaligen CEO der Skimarke «Head» aus dem Präsidentenamt zu kippen, durchaus intakt zu sein. Da im Moment keine gegenteiligen, vorsorglichen Massnahmen erwirkt worden sind, amtet Johan Eliasch im Moment weiterhin als FIS-Präsident.

US-Präsidentenwahl: Überraschung auf dem Golfplatz

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(causasportnews / red. / 9. November 2020) Der Sport bildet eine wichtige Komponente im US-Wahlkampf, der nun offensichtlich zu Gunsten von Joe Biden ausgegangen ist – nachdem Amerika eher mehr gezählt, denn gewählt hat. Bekanntlich ist der amtierende Präsident Donald Trump ein begeisterter Golfspieler. Dabei erträgt diese Sportart für ihn, wie allgemein die Facetten des Lebens, keinen Spass. Wenn der Präsident auf dem Golfplatz steht, will er gewinnen. Um jeden Preis; und dabei soll er auch zu unorthodoxen Mitteln Zuflucht nehmen – d.h., er schummelt offenbar, wenn es den Sieg (nur so) bringt. Der Mann also, der nicht verlieren kann (vgl. dazu auch das entsprechende Buch, causasportnews vom 17. August 2020). Jetzt scheint es trotzdem geschehen zu sein, dass Donald Trump nach vier Amtsjahren im Januar 2021 aus dem «Wissen Haus» ausziehen muss. Unter Vorbehalt, falls die vor allem juristischen Aktivitäten von Donald Trump nicht noch Erfolg haben sollten. Das Intermezzo des deutschstämmigen, 74jährigen Polit-Quereinsteigers dürfte bald Geschichte sein. Aber eben, der Mann kann einfach nicht verlieren. Das zeigte sich schon mal in seinem offiziellen Statement, als er sich schon in der Wahlnacht zum Sieger der Wahl erklärte (es scheint eine amerikanische Eigenheit zu sein, dass die Kandidaten über Sieg und Niederlage entscheiden, oder aber auch die TV-Stationen). Die schlechte Nachricht dann nach erfolgter Auszählung der abgegebenen Stimmen ereilte Donald Trump am Samstag – auf dem Golfplatz. Die Parallelen zwischen amerikanischer Politik und dem Golfsport liegen auf der Hand: In beiden Disziplinen gibt es (offensichtlich) keine «Schiedsrichter». Der Mann, der immer gewinnen will, dürfte den Kampf um die Position des wichtigsten Mannes der Welt in diesen Tagen erst richtig lancieren, nachdem der Zählvorgang im Land der unbegrenzten Möglichkeiten abgeschlossen worden ist. Von einer Gratulation des momentan Unterlegenen, als Ausdruck sportlicher Fairness, selbstverständlich keine Spur. Wenigstens verkörpert Donald Trump einen gewissen Unterhaltungswert, was die Hollywood-Filmbranche beflügeln wird, die «Causa Donald Trump» künftig filmisch gebührend abzuhandeln. Dabei wird auch der Sport eine wichtige Rolle spielen – nicht nur der für Donald Trump zentrale Golfsport. Der Mann hat es auch mit grösseren Bällen. Schliesslich erhielten die USA, Kanada und Mexiko während seiner Amtszeit den Zuschlag für die gemeinsame Ausrichtung der Fussball-WM-Endrunde 2026. Zwischenzeitlich ist allerdings der angekündigte Mauerbau zwischen den USA und Mexiko noch nicht Tatsache geworden. Stoff für einen Film gibt dieses Thema dennoch ab. Auch das Treffen zwischen Donald Trump und FIFA-Präsident Gianni Infantino anlässlich des Weltwirtschaftsforums anfangs 2020 in Davos natürlich. Diese Episode dürfte dann eher in die Filmsparte «Komödie» Eingang finden. Wie hiess es schon damals im Schweizer Tourismus-Ort in den Bergen mit Blick auf das Antichambrieren des FIFA-Präsidenten (von Donald Trump «Johnny» genannt)? «Johnny und Donny» ist Historie – früher lief so etwas ab z.B. unter «Dick und Doof»…Gianni Infantino wird sich nun bemühen, bald eine Audienz bei Joe Biden zu bekommen; weshalb auch immer. Es muss ja nicht immer um Fussball gehen. Ein paar Wochen wird allerdings auch er noch warten müssen.

Wenn Fussball-Protagonisten delinquieren…

img_2739(causasportnews / red. / 26. Oktober 2019) Entweder, der (Schweizer) Fussball ist lediglich von marginaler Bedeutung – oder man hat sich in dieser Sparte an einiges gewöhnt. Zu vermuten ist wohl beides.

Da wird der Präsident der Professionalabteilung „Swiss Football League“ (SFL) und Vize-Präsident des Dachverbandes (Schweizerischer Fussball-Verband, SFV), Heinrich Schifferle, wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 des Strafgesetzbuches, StGB) verurteilt, wie soeben bekannt wurde, – und niemand regt sich darüber gross auf. Auffallend zurückhaltend geben sich die Medien, die sich sonst bei jeder Kleinigkeit als über allem stehende Moralinstanz aufspielen (ein Schelm, der wegen der Verbindungen des Verurteilten zu den Medien Böses denkt…). In der Tat ist die Schweiz trotz immer wieder beachtenswerter Erfolge der Nationalmannschaft, die von den im Ausland spielenden Schweizern getragen wird, fussballerisch unbedeutend. Sicher kommt hinzu, dass Heinrich Schifferle ein ganz lieber Mensch ist – nicht so, wie viele tricksende und delinquierende Fussball-Funktionäre rund um den Globus, bei denen schon mal einige hundert Jahre Vorstrafen zusammen kommen oder welche von den Verbands-Selbstregulierungsgremien, so etwa die Ethikkommission des Weltfussballverbandes FIFA, aus dem Funktionärs-„Rennen“ genommen wurden und immer noch und immer wieder werden. Fussball-Organisationen und Funktionäre in diesem Segment haben nun einfach einmal einen schlechten Ruf. Damit scheint sich die Welt abgefunden zu haben; offensichtlich auch die Schweiz, wie die „Causa Schifferle“ zeigt.

Fakt ist, dass Heinrich Schifferle gemäss noch nicht rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Winterthur (Urteil vom 24. Oktober 2019; DG180 102-K) wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt und zu einer bedingten Geldstrafe von insgesamt 144 000 Franken verurteilt worden ist. Für einen Spitzenfunktionär im Professional-Sport, der verurteilt wird, weil er zwischen Dein (Arbeitgeber) und Mein (Privatinteressen als Arbeitnehmender) offensichtlich nicht oder zuwenig differenziert hat. Der Verurteilte hat in seinen Funktionärs-Eigenschaften mit Finanzen zu tun, er wird etwa gerühmt, einen brillanten TV-Vertrag für die Liga abgeschlossen zu haben. Deshalb ist er in seinen Fussball-Ämtern nicht mehr tragbar. Die Vorkommnisse sind derart gravierend, dass auch der Umstand, dass der Entscheid des Gerichts noch nicht rechtskräftig ist (dahinter verschanzt sich der organisierte Fussball, der sich nicht zur Thematik äussert) keine Rolle spielt. Von Bedeutung ist vor allem auch, dass seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Heinrich Schifferle seit Jahren eine „Schlammschlacht“ zwischen dem Beschuldigten und seinem früheren Arbeitgeber, einer wirtschaftlich potenten Unternehmung im Immobiliengeschäft in Winterthur, in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Wer privat nur schon Mühe hat, zwischen „Mein“ und „Dein“ zu unterscheiden, hat in einer Fussball-Funktion, in der wirtschaftliche Aspekte von grösster Bedeutung sind, nichts (mehr) verloren.

Eigentlich sollte der Betroffene selber zur Einsicht kommen, sich definitiv von allen Ämtern im Fussball zurückzuziehen. Dass der organisierte Fussball hier selber für klare Verhältnisse sorgt und sich seiner Aufsichtspflichten bewusst wird (erinnert sei etwa an Art. 65 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB), ist nicht anzunehmen. An Unappetitliches im Fussball hat man sich gewöhnt; innerhalb und ausserhalb des Sportes. Der Ruf des Fussballs ist global derart ramponiert, dass ein „Fall Schifferle“ deshalb wohl nicht mehr gross berührt. Die „Swiss Football League“ ist zudem mit einem Banken-Sponsor unterwegs, dessen das Unternehmen über Jahre prägender Chef Knall auf Fall abtreten musste und für Monate in Untersuchungshaft gesetzt wurde. Ein solcher Sponsor ist für einen integren Sport an sich nicht mehr tragbar. Aber: pecunia non olet! In der „Causa Schifferle“ geht es allerdings mehr als nur um den schnöden Mammon. Aber um was denn eigentlich, wenn nicht um die Glaubwürdigkeit und das Image des organisierten Fussballs? Der Fussball merkt dies spätestens dann, wenn sich Top-Unternehmen im Rahmen von Sponsoringaktivitäten, etc. nicht mehr in diesem Umfeld blicken lassen wollen.

„Akklamation“ – ein Begriff als Evergreen

(causasportnews / red. / 6. Juni 2019) „Der Fifa-Präsident wurde am Mittwoch von den Kongress-Delegierten per Akklamation im Amt bestätigt, auf eine Abstimmung wurde verzichtet“, schreibt heute die „Neue Zürcher Zeitung“.- Seit gestern geistert das Wort „Akklamation“ wieder durch den Blätterwald und durch die Welt. „Akklamiert“ wurde zur Zeit der Hochblüte des Römischen Reiches vor allem dann, wenn Kaiser wohlwollend installiert wurden; gleich verhält es sich heute, wenn Despoten in einem Amt akustisch wahrnehmbar vollumfängliche Legitimation seitens der Basis erfahren sollen. Im Nationalen Volkskongress in China werden beispielsweise vor allem personelle Entscheide mit „Akklamation“ besiegelt. Der Terminus bedeutet zustimmender Beifall in einer Versammlung und ersetzt ein formelles Abstimmungsprozedere mit mehreren Varianten. So gesehen ist „Akklamation“ ein uniformer Ersatz für formell demokratische Beschlussfassung. Weil Personalentscheide schon vor Jahrhunderten mit „Akklamation“ besiegelt wurden, stammt das Wort selbstverständlich aus dem Lateinischen und bedeutet „ausrufen“, z.B. jemanden zum Kaiser „ausrufen“.

So erging es am gestrigen Wahltag auch dem alten und neuen Präsidenten des Welt-Fussballverbandes FIFA in Paris. Wie sein Vorgänger, Joseph Blatter, legt auch Gianni Infantino Wert darauf, vom Stimmvolk nicht gewählt, sondern zum höchsten Würdenträger des Verbandes ausgerufen zu werden. Das geht vor allem immer dann, wenn eine Person ohne Gegenkandidat(in) in einem Amt bestätigt werden und in einem solchen Fall zur unumstösslichen Macht-Installierung eine widerspruchsfreie Zustimmungsbezeugung erreicht werden soll. Wer durch „Akklamation“ bestätigt werden will, erwartet eine geschlossene, gleichförmige störungsfreie Huldigung des „Demos“, des Volkes – ein bis heute gängiger Begriff aus dem Altgriechischen (der sich im Wort „Demokratie“ als „Herrschaft des Volkes“ wiederfindet).

Wenn es um derartigen, zustimmenden Beifall im Rahmen einer Versammlung geht, lassen sich Formalien relativieren. Brandet dem Herrscher Beifall entgegen, werden sie zur Makulatur. Wie gestern anlässlich des FIFA-Kongresses in Paris. Bis anhin fand sich in den Statuten des Verbandes keine an sich notwendige Grundlage für eine Zustimmung durch „Akklamation“. Das sollte der Verband an der selben Versammlung, an der auch die Präsidentenwahl erfolgte, korrigieren. Im Vereinsrecht ist es allerdings unumstritten, dass die Implementierung einer solchen Bestimmung bereits bei früherer Gelegenheit, anlässlich einer bereits abgehaltenen Versammlung (Kongress) hätte erfolgen müssen. Oder konkret wäre eine Präsidentenwahl durch „Akklamation“ vereinsrechtskonform erst nach Abschluss des gestrigen Kongresses möglich gewesen. Formalistisch gesehen hätte der FIFA-Präsident also gestern nicht rechtsgenüglich durch „Akklamation“ bestimmt, bzw. ausgerufen werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die so erfolgte Präsidentenwahl von einem Mitgliedsverband der FIFA angefochten wird, ist natürlich gleich null. Gegen diese Form der Beschlussfassung hat sich dann auch niemand gestemmt – weshalb hätte das auch jemand tun sollen, bei soviel Einigkeit, Freude und materiellem Wohlstand? In der jetzigen Situation ist es letztlich auch irrelevant, wer Präsident der FIFA ist; der Fussball verkauft sich grundsätzlich automatisch. Die Mitglieder bekommen ihr Geld so oder so – derzeit viermal mehr als zur Zeit des Amtsantritts des alten und neuen Präsidenten. Das darf aber alles in allem schon mal mit „Akklamation“ gewürdigt werden.