causasportnews, Nr. 1013/05/2023, 1. Mai 2023

(causasportnews / red. / 1. Mai 2023) Die Ausgangslage für den Kampf um die höchste Krone im Schachsport war mehr als brisant: Da trat der Chinese Ding Liren in Astana (Kasachstan) gegen den unter neutraler Schach-Flagge für Russland spielenden Jan Nepomnjaschtschi an – und gewann! Das Ergebnis ist eine Sensation, nicht nur deshalb, weil «causasportnews» den 30jährigen, neuen Titelhalter in der Vorschau zumindest ansatzweise in den Bereich des sportlichen «Fallobstes» geschrieben hatte (causasportnews vom 10. April 2023). Alle Vorzeichen vor dem WM-Turnier sprachen für den Russen Jan Nepomnjaschtschi, der von der im Internationalen Schachverband (FIDE) mit seinen Landsleuten durchsetzten internationalen Organisation auf Erfolgskurs in Richtung WM-Titel gebracht worden ist. Russland wollte mit dem Triumph eines Russen beweisen, dass das Land durchaus befähigt ist, auch mit sportlichen Erfolgen Flagge zu zeigen, auch wenn der Russe am Brett, wegen der Kriegsführung Russlands gegen die Ukraine, unter einer solchen neutralen Flagge anzutreten hatte. Nach dem Sieg von Jan Nepomnjaschtschi, der vor zwei Jahren im letzten WM-Kampf gegen den Besten seines Faches, Magnus Carlsen, kläglich gescheitert war, sollte die Russische Propagandawalze über die Schach- und die übrige Welt hereinbrechen. Es kam in Abwesenheit des derzeit unbestritten besten Schachspielers der Welt alles anders: Die 14 WM-Partien in Astana verliefen ausgeglichen. Es wurde gewonnen, verloren und auch unentschieden gespielt. Ding Liren triumphierte letztlich, weil er weniger schwach war als sein Gegner aus Russland. Es war deshalb keine Überraschung, dass sich der Chinese die WM-Krone (zwar) nach 14 konventionellen Lang-Partien und nach einem 7:7-Gleichstand erst nach vier Tie-Break-Partien aufsetzen lassen konnte. Natürlich sprachen die FIDE unter dem Russischen Präsidenten (!) und die Schachwelt nach dem WM-Titelkampf in Astana trotz des Sieges eines Chinesen vom besten WM-Turnier, das die Welt je erlebt hatte; dies in Anlehnung an FIFA-Präsident Gianni Infantino und an IOK-Präsident Thomas Bach, die jeweils nach jeder Fussball-WM-Endrunde, bzw. nach Olympischen Spielen vom besten Turnier oder den besten Wettkämpfen aller Zeiten sprachen.
Der erste Schach-WM-Titel eines Chinesen geht sportlich in Ordnung. Dafür, dass der weltbeste Schachspieler seinen Titel nicht verteidigen wollte, kann er nichts. Falls in Astana alles mit rechten Dingen zugegangen ist, blieb der (Schach-)Welt wenigstens die Peinlichkeit eines Russen-Triumphs erspart. Mit einem Sieg von Ding Liren kann Russland wohl «leben», auch wenn der Mann aus den eigenen Reihen nicht reüssierte. Immerhin sind Russen und Chinesen bekanntlich Freunde…