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Nie orientierungslos – auch im (Sport- und Rechts-)Leben nicht

Martin Nolte

(causasportnews / red. / 28. Januar 2021) Man wäre geneigt zu glauben, dass im Zeitalter der Navigationssysteme die Sportart «Orientierungslauf» ein Anachronismus bildet. Zwar gehört der Orientierungslauf-Sport (OL) zweifelsfrei nicht gerade zu den telegensten Publikums-Sportarten; aber OL boomt, was vielleicht auch auf die derzeit weltweit grassierende Pandemie zurückzuführen ist. Dieser Individualsport, im Wald sowie auf Wiesen und Feldern praktiziert, kann wenigstens «gefahrlos» und vor allem mit Distanz zu anderen Menschen betrieben werden. Orientierungslauf bedeutet letztlich «sich orientieren» – und das gilt gerade für OL-Läufer/innen vollumfänglich. Wie etwa für den renommierten Sportrechtler Prof. Dr. Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule in Köln, der den OL-Sport erfolgreich und intensiv nicht nur betreibt, sondern «lebt». An der Kölner Hochschule steht er dem von ihm 2014 gegründeten Institut für Sportrecht vor. Sportrechtliches Orientierungslaufen ist aber nur ein Themenbereich des 53jährigen Juristen, der die Maximen des Orientierungslaufs auch in seinem gesamten Berufs- und Privatleben beachtet. Sich orientieren, nie orientierungslos sein – das hat Martin Nolte, auch Co-Redaktor der Sport-Fachzeitschrift «Causa Sport» und mit dem Institut für Sportrecht in Köln zudem Kooperationspartner der Zeitschrift, durchwegs verinnerlicht (Anmerkung: «causasportnews» ist der aktuelle Blog von «Causa Sport»; so gesehen, sind diese Zeilen durchaus auch als Information in «eigener Sache» zu qualifizieren).

OL ist eine Kombination von Muskeln und Köpfchen, wie Martin Nolte, der über ein ansehnliches Erfolgs-Palmarès verfügt, zu sagen pflegt. Nur so nebenbei sei’s angemerkt: Schnelldenker Martin Nolte braucht lediglich zwischen drei und fünf Sekunden, um sich eine OL-Laufroute zu merken! Auch die üblichen Komponenten des Sports, wie Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit sind bei dieser Sportart selbstverständlich unabdingbar. Der OL hat das Leben des agilen Sportrechts-Professors seit Kindsbeinen an geprägt. Schon das Elternhaus war entsprechend «OL-affin» ausgerichtet. Martin Nolte sagt es nicht explizit, aber für ihn ist es selbstverständlich: Der OL-Sport gehört zu den anspruchsvollsten Sportarten. Ebenso klar ist der militärische Bezug des Orientierungslaufs. Martin Nolte verbrachte seine Bundeswehrzeit in der Sportfördergruppe Warendorf «mehr im Wald als in der Kaserne», wie er sagt. Das Spiel mit Karte und Kompass begleitete ihn während seines ganzen Lebens, bis jetzt ins «hohe Sport-Alter». Wer im Rahmen dieser Sportart einmal Blut geleckt hat, kommt offensichtlich nicht mehr los davon. Martin Nolte gehört zu den rund 1500, in rund 100 Vereinen organisierten OL-Läufern in Deutschland (auch viele Frauen betrieben selbstverständlich diese Sportart auf diesem Niveau). Zehntausende üben sich immer wieder mit Karte und Kompass in der Natur – Tendenz steigend. In Schweden ist OL hinter dem Fussball die beliebteste Sportart. Welche Ziele verfolgt Martin Nolte noch in dieser Sportart? Die Teilnahme an Olympischen Spielen kann es nicht sein; OL ist nicht-olympisch. Wohl eben, weil zu wenig telegen. Der Jura-Professor wird seinen Sport weiterhin auf hohem Niveau betreiben und dabei seine wissenschaftlichen Aktivitäten nicht vernachlässigen. Bereits seine Doktorarbeit führte ihn sinnbildlich in den Wald, eben, wie einen OL-Läufer: «Die Erholungsfunktion des Waldes» (1999) war eine Untersuchung, die sich mit dem Haupt-Elixier des OL-Läufers befasste: Dem Wald. OL-Sport und Natur bilden natürlich nicht selten Spannungsfelder (etwa im Bereich des Immissionsrechts). Zum Thema «Staatliche Verantwortung im Bereich Sport» habilitierte der Kölner Sportrechtsprofessor im Jahr 2004. Und Fragen zu Staat und Recht beschäftigen ihn seit Jahren. Wie jetzt in der «Corona»-Zeit. Rechtsfragen zum organisierten Sport gibt es in der Zeit des «Geistersports» zuhauf. Nicht nur die Thematik der Staatshaftung für Sport-Wettkampfverbote gehört zu diesem brisanten Themenkomplex, der eine neue Dimension des sportrechtlichen Orientierungslaufs abgibt. OL weist Martin Nolte jedenfalls den Weg: Im Sport, im Leben und im Beruf.

(Quelle: WELT AM SONNTAG, Laufen mit Köpfchen, 24. Januar 2021, 3)

Vor dem nächsten Strafrechts-Fall – diesmal im Handball

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(causasportnews / red. / 10. Oktober 2019) Schon einige Male wurden Strafgerichte nach schweren Fouls auf Sportplätzen tätig – erinnert sei etwa an die Vorgänge „Chapuisat/Favre“, „Rieder/Zaugg“, „Wieser/Yapi“ (Fussball) oder „Miller/McKim“ sowie „Antisin/Malkow“ (Eishockey); im deutschen Fussball ging die Verletzung in die Sportrechts-Geschichte ein, die 1981 dem damaligen Spieler von Arminia Bielefeld, Ewald Lienen, von Norbert Siegmann (Werder Bremen) im Kampf um den Ball zugefügt worden war; die Medien sprachen von der „hässlichsten Wunde, die je geschlagen wurde“. Für den Beschuldigten hatte die Attacke mangels Verletzungsvorsatzes keine strafrechtlichen Konsequenzen (Urs Scherrer, Sportrecht – Fälle aus der Praxis, 1984; vgl. zur Thematik allgemein Urs Scherrer / Remus Muresan / Kai Ludwig, Sportrecht – Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 301 f.). Nun steht der nächste Strafrechtsfall aus dem Sport vor der Beurteilung. Betroffen ist diesmal die Sparte „Handball“. Beurteilungsgegenstand ist ein Foul, welches der tschechische Spieler Milan Skvaril (HSC Suhr Aarau) gegenüber Nicolas Raemy (Wacker Thun) im April dieses Jahres begangen hatte. Der Thuner Akteur, der bei der Aktion verletzt wurde und für zwei Spiele aussetzen musste, reichte eine Strafanzeige ein, was Ermittlungen auslöste – und nun zu einer strafrechtlichen Beurteilung führen wird. Der Anzeigeerstatter ist der Auffassung, mit dieser Attacke sei eine „rote Linie“ überschritten worden und der Tscheche habe ihn vorsätzlich verletzt. Die Beurteilung dieses Fouls mit seinen Folgen obliegt nun dem zuständigen Strafgericht.-

Wie üblich in solchen Fällen, wird die Diskussion entfacht, ob Straftaten, die auf einem Sportplatz begangen werden, (auch) strafrechtlich beurteilt werden sollen; dass sie es, falls die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, müssen, ist hinlänglich bekannt. Vereinsrechtlich ist Milan Skvaril von der Handball-Verbandsjustiz sanktioniert worden (nach der „roten Karte“ im Spiel wurde er letztlich für eine Partie gesperrt). Die Forderungen in den Medien, mit einem Sanktionsentscheid solle es bei derartigen, offenbar nicht so schweren Fouls (wie hier offenbar im Fall Skvaril/Raemy), sein Bewenden haben, werden die beiden poenalen Ebenen verkannt. Sanktioniert ein Verband eine solche Aktion, entscheidet er im Rahmen einer Privatstrafe zivilrechtlich. Ein Strafgericht beurteilt hingegen einen solchen Sachverhalt rein unter strafrechtlichen Gesichtspunkten. Im konkreten Fall wird das Strafgericht also zu entscheiden haben, ob durch die Handlung des tschechischen Spielers der Tatbestand der schweren Körperverletzung (Art. 122 des Strafgesetzbuches) erfüllt ist oder nicht (allenfalls sind die diesbezüglichen Meldungen auch ungenau und der Geschädigte hat lediglich einen Strafantrag wegen einfacher Körperverletzung, Art. 123 StGB, gestellt, sind Anhaltspunkte für eeine schwere Körperverletzung gegeben, ist ex officio zu ermitteln). Dass etwa die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) schreibt, die Beurteilung solcher Taten auf dem Sportfeld sei der Verbandsjustiz zu überlassen, „weil sie näher am Geschehen und mit den Eigenheiten des Sports besser vertraut sei“, beweist, dass eine derartige, abwegige Denke wohl rein populistisch motiviert ist; vor allem, wenn man sich noch die Überschrift vor Augen führt: „Wo hört das Foul auf, und wo beginnt die Straftat?“ (NZZ vom 9. Oktober 2019). Dabei ist alles doch so einfach: Die Handball-Justiz beurteilt ein solches Foul vereinsrechtlich im Sinne einer „Privatstrafe“, das Strafgericht wendet das Strafrecht an. Zwischen zivilrechtlicher Sanktion und Kriminalstrafe kommt denn auch der Grundsatz „ne bis in idem“ (Verbot der Doppelbestrafung) nicht zur Anwendung (vgl. hierzu die Ausführungen im oben zitierten Buch „Sportrecht – Eine Begriffserläuterung“, 239 f.). Der „Fall Skvaril/Raemy“ kann auch durchaus mit einem Freispruch enden…

„Fachanwaltschaft Sportrecht“ eingeführt

(causasportnews / red. / 10. Juli 2019) Die Satzungsversammlung der Deutschen Bundesrechtsanwaltskammer hat mit Wirkung ab 1. Juli 2019 die „Fachanwaltschaft Sportrecht“ eingeführt und die Fachanwaltsordnung entsprechend angepasst (vgl. dazu auch „Causa Sport“ 4/2018, 441). Rechtsanwältinnen und -anwälte, welche in der Querschnittmaterie „Sportrecht“ (vgl. zur Begrifflichkeit Urs Scherrer/Remus Muresan/Kai Ludwig, Sportrecht, Eine Begriffserläuterung, 3. Aufl., 2014, 313 f.) den Nachweis entsprechender theoretischer und praktischer Kenntnisse erbracht haben, können nun diesen Fachanwalts-Titel führen. In praktischer Hinsicht müssen Kandidatinnen und Kandidaten u.a. belegen, dass sie bisher mindestens 80 Fälle aus dem Sportrecht bearbeitet haben (20 dieser Fälle sollen rechtsförmliche Verfahren betreffen, wozu auch Sport-Verbands- und Schiedsgerichtsverfahren im Sport gehören), was für viele Interessentinnen und Interessenten eine ansprechende Hürde darstellen dürfte. Die Nachfrage nach dem Prädikat „Fachanwalt Sportrecht“ sei recht gross, sagt Prof. Dr. Martin Nolte von der Sporthochschule Köln (DSHK), u.a. Co-Redaktor der Sport-Fachzeitschrift „Causa Sport“, der die Einführung der „Sport-Fachanwaltschaft“ massgeblich begleitet hat. Gemäss seiner Einschätzung trägt die anwaltliche Spezialisierung im Sportrecht der Komplexität und dem hohen Schwierigkeitsgrad des Fachgebietes Rechnung, erklärte der Inhaber des Sportrechts-Lehrstuhls an der DSHK in einem Interview mit dem juristischen Informationsdienstleister „juris“.

Bernhard Pfister, ein „Doyen“ des Sportrechts, gestorben

(causasportnews / red. / 7. Mai 2019) Genau vor zehn Jahren publizierte „Causa Sport“ eine Festgabe zum 75. Geburtstag für ihn („Causa Sport“ 2/2019), nun ist ein ganz „Grosser“ des Sportrechts in Deutschland und in Europa verstorben: Bernhard Pfister, ehem. Professor für Zivilrecht, insbesondere Sportrecht, an der Universität Bayreuth, verschied kurz vor seinem 85. Geburtstag am letzten Samstag. Mit ihm ist ein „Doyen“ der Sportrechtswissenschaften nicht nur von der Lebensbühne, sondern auch von der Bühne des Sportrechts abgetreten. Vor allem Opern-Bühnen bedeuteten dem vielseitig interessierten Gelehrten seit jeher viel, weshalb er immer wieder von der „Bühne des Rechts“ sprach – auch wenn es um die Belange des Sportrechts ging. Nicht ganz zufällig lautete der Titel der Festgabe, welche „Causa Sport“ vor zehn Jahren auf Initiative seines Lehrstuhl-Nachfolgers in Bayreuth, Prof. Peter W. Heermann (u.a. Redaktionsmitglied der Zeitschrift), erschien: „Ein Leben in harmonischer Vielseitigkeit“. Bernhard Pfister hat das Zivilrecht und die Sportrechtswissenschaft seit Jahrzehnten massgeblich geprägt und dogmatische Basisarbeit zuhauf geleistet. Die „Sonderdisziplin Sportrecht“ lag ihm dabei besonders am Herzen. Auch nach seiner Pensionierung blieb er dem Zivilrecht und insbesondere dem Sportrecht, nicht nur durch kontinuierliche Besuche bei seinem Lehrstuhl-Nachfolger mit entsprechenden Fachgesprächen treu und machte immer wieder mit klugen Einwendungen, Erwägungen und Theorien von sich reden. Der Verstorbene hielt stets die Endlichkeit des Lebens vor Augen und sorgte in Bayreuth dafür, dass mit seinem Lehrstuhl-Nachfolger, Peter W. Heermann, sein akademisches zivil- und sportrechtliches Lebenswerk perpetuiert würde. Letztgenannter ist seit der Pensionierung von Bernhard Pfister bestrebt, die Tradition der Universität als „Hochburg“ des Sportrechts und auch der Sportökonomie weiter leben zu lassen. Wie es seinem Wesen entsprach, hat Bernhard Pfister gewünscht, dass nach seinem Tod von Ehrungen abgesehen werde. Ob demnächst noch eine Würdigung des Verstorbenen erscheinen kann, ist derzeit ungewiss.