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„Black Friday“ für den Schweizer Sport

In der Aufstellung unserer Grundsätze sind wir strenger als in ihrer Befolgung. (Theodor Fontane)

(causasportnews / red. / 23. November 2019) Das war in der Tat ein (etwas anderer) „Black Friday“ für den Schweizer Sport: Zuerst wurde gestern bekannt, dass der Springreiter Paul Estermann vom Bezirksgericht Willisau wegen mehrfacher, vorsätzlicher Tierquälerei verurteilt worden ist. Der Luzerner, einer der Cracks im Schweizer Pferdesport, hatte gegen einen Strafbefehl gerichtliche Beurteilung verlangt – und wurde nun noch härter bestraft als gemäss Strafbefehl (vgl. auch causasportnews vom 20. November 2019). Klar, der Sportler, der seine „Sportgeräte“ (Pferde) deliktisch behandelt haben soll, geht in die Berufung. Somit gilt, mangels rechtskräftigen Urteils, die Unschuldsvermutung für ihn. Was die verbandsrechtliche Ebene betrifft, sieht der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) selbstverständlich keinen Handlungsbedarf. Paul Estermann gilt bei den Springreitern als eine grosse Hoffnung mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Und solange kein rechtskräftiges Urteil gegen den Sportler vorliegt, will der SVPS am vom Bezirksgericht Willisau verurteilten Springreiter festhalten. Wetten, dass das Verfahren in der „Causa Estermann“ erst nach Beendigung der Olympischen Spiele im fernen Japan abgeschlossen sein wird?

Spezielles trug sich gleichentags im Rahmen der Professional-Abteilung des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) zu: Da wurde der bisherige Präsident der Swiss Football League, Heinrich Schifferle, gleich für zwei weitere Jahre als Präsident der SFL gewählt; vorher wurden die Funktionäre jeweils für ein Jahr bestätigt… Legitimiert wurde diese Wahl mit dem Argument, der vor rund einem Monat wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung vom Bezirksgericht Winterthur verurteilte, langjährige Sportfunktionär habe das Urteil weiter gezogen. Der Entscheid sei nicht rechtskräftig, deshalb gelte für Heinrich Schifferle die Unschuldsvermutung (vgl. auch causasportnews vom 26. Oktober 2019). Wetten, dass ein rechtskräftiges Urteil in der „Causa Schifferle“ weit nach dem Ablauf der aktuellen Amtszeit als Liga-Präsident ergehen wird?- Pikant: Gegen das Urteil des Bezirksgericht haben der mit Glanz gewählte Beschuldigte und die Privatklägerschaft (die angeblich geschädigte, frühere Arbeitgeberin des erstinstanzlich Verurteilten) Berufung erklärt, wie das Bezirksgericht Winterthur auf Anfrage von „causasportnews“ bestätigte.

Der gestrige Freitag war mit Bezug auf die beiden „Vorgänge“ (so werden die Fälle sowohl von SVPS und SFL eingeordnet) speziell und werfen Fragen auf. Der Sport ist stets darauf bedacht, starke Grenzlinien zwischen staatlichem Recht und Verbandsrecht zu ziehen. Das gilt nicht nur für das Spannungsfeld zwischen Kriminalstrafe (Strafrecht) und Verbandsrecht (etwa im Sanktionsbereich). Beide Verbände verschanzen sich nun aber bequem hinter dem Umstand, dass beide Urteile noch nicht rechtskräftig seien und die Unschuldsvermutungen gelten würden. Das ist an sich korrekt. Aber, Sportverbände haben in solchen Fällen aufgrund ihrer Warte eigenständig, eben aus verbandsrechtlicher Sicht unter Anwendung etwa des eigenen Sanktionsrechts, zu entscheiden. Wie war das schon mit den Ethikbestrebungen, einem hochgejubelten Mittel der Selbstregulierung der Verbände? Klar, das gilt dann doch letztlich nur für den Weltfussballverband FIFA…

PS Am gestrigen Freitag wurde zudem bekannt, dass sich ein Coach von Swiss Tennis am 9. Dezember 2019 vor dem Bezirksgericht Siders wird verantworten müssen. Eine Frau wirft dem Funktionär vor, er habe sie vor fünf Jahren anlässlich einer Tenniskonferenz in Tallinn sexuell genötigt und vergewaltigt. In diesem Fall gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Diese, dem Coach zur Last gelegten Verfehlungen sind auch nicht zu vergleichen mit Vermögensdelikten oder mit Tierquälerei.

Wenn Fussball-Protagonisten delinquieren…

img_2739(causasportnews / red. / 26. Oktober 2019) Entweder, der (Schweizer) Fussball ist lediglich von marginaler Bedeutung – oder man hat sich in dieser Sparte an einiges gewöhnt. Zu vermuten ist wohl beides.

Da wird der Präsident der Professionalabteilung „Swiss Football League“ (SFL) und Vize-Präsident des Dachverbandes (Schweizerischer Fussball-Verband, SFV), Heinrich Schifferle, wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 des Strafgesetzbuches, StGB) verurteilt, wie soeben bekannt wurde, – und niemand regt sich darüber gross auf. Auffallend zurückhaltend geben sich die Medien, die sich sonst bei jeder Kleinigkeit als über allem stehende Moralinstanz aufspielen (ein Schelm, der wegen der Verbindungen des Verurteilten zu den Medien Böses denkt…). In der Tat ist die Schweiz trotz immer wieder beachtenswerter Erfolge der Nationalmannschaft, die von den im Ausland spielenden Schweizern getragen wird, fussballerisch unbedeutend. Sicher kommt hinzu, dass Heinrich Schifferle ein ganz lieber Mensch ist – nicht so, wie viele tricksende und delinquierende Fussball-Funktionäre rund um den Globus, bei denen schon mal einige hundert Jahre Vorstrafen zusammen kommen oder welche von den Verbands-Selbstregulierungsgremien, so etwa die Ethikkommission des Weltfussballverbandes FIFA, aus dem Funktionärs-„Rennen“ genommen wurden und immer noch und immer wieder werden. Fussball-Organisationen und Funktionäre in diesem Segment haben nun einfach einmal einen schlechten Ruf. Damit scheint sich die Welt abgefunden zu haben; offensichtlich auch die Schweiz, wie die „Causa Schifferle“ zeigt.

Fakt ist, dass Heinrich Schifferle gemäss noch nicht rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Winterthur (Urteil vom 24. Oktober 2019; DG180 102-K) wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt und zu einer bedingten Geldstrafe von insgesamt 144 000 Franken verurteilt worden ist. Für einen Spitzenfunktionär im Professional-Sport, der verurteilt wird, weil er zwischen Dein (Arbeitgeber) und Mein (Privatinteressen als Arbeitnehmender) offensichtlich nicht oder zuwenig differenziert hat. Der Verurteilte hat in seinen Funktionärs-Eigenschaften mit Finanzen zu tun, er wird etwa gerühmt, einen brillanten TV-Vertrag für die Liga abgeschlossen zu haben. Deshalb ist er in seinen Fussball-Ämtern nicht mehr tragbar. Die Vorkommnisse sind derart gravierend, dass auch der Umstand, dass der Entscheid des Gerichts noch nicht rechtskräftig ist (dahinter verschanzt sich der organisierte Fussball, der sich nicht zur Thematik äussert) keine Rolle spielt. Von Bedeutung ist vor allem auch, dass seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Heinrich Schifferle seit Jahren eine „Schlammschlacht“ zwischen dem Beschuldigten und seinem früheren Arbeitgeber, einer wirtschaftlich potenten Unternehmung im Immobiliengeschäft in Winterthur, in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Wer privat nur schon Mühe hat, zwischen „Mein“ und „Dein“ zu unterscheiden, hat in einer Fussball-Funktion, in der wirtschaftliche Aspekte von grösster Bedeutung sind, nichts (mehr) verloren.

Eigentlich sollte der Betroffene selber zur Einsicht kommen, sich definitiv von allen Ämtern im Fussball zurückzuziehen. Dass der organisierte Fussball hier selber für klare Verhältnisse sorgt und sich seiner Aufsichtspflichten bewusst wird (erinnert sei etwa an Art. 65 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB), ist nicht anzunehmen. An Unappetitliches im Fussball hat man sich gewöhnt; innerhalb und ausserhalb des Sportes. Der Ruf des Fussballs ist global derart ramponiert, dass ein „Fall Schifferle“ deshalb wohl nicht mehr gross berührt. Die „Swiss Football League“ ist zudem mit einem Banken-Sponsor unterwegs, dessen das Unternehmen über Jahre prägender Chef Knall auf Fall abtreten musste und für Monate in Untersuchungshaft gesetzt wurde. Ein solcher Sponsor ist für einen integren Sport an sich nicht mehr tragbar. Aber: pecunia non olet! In der „Causa Schifferle“ geht es allerdings mehr als nur um den schnöden Mammon. Aber um was denn eigentlich, wenn nicht um die Glaubwürdigkeit und das Image des organisierten Fussballs? Der Fussball merkt dies spätestens dann, wenn sich Top-Unternehmen im Rahmen von Sponsoringaktivitäten, etc. nicht mehr in diesem Umfeld blicken lassen wollen.