causasportnews / Nr. 1142/05/2024, 19. Mai 2024
(causasportnews / red. / 19. Mai 2024). Mit dem Weltfussballverband (FIFA) verhält es sich ungefähr gleich wie mit den Wetterprognosen. Im Home of FIFA auf dem Zürcher Sonnenberg sind die Regeln der Sportpolitik einigermassen gleich geartet wie die Blicke auf künftige Wetterlagen. «Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist». Das einzig Sichere ist bei den Wetterprognosen und in der FIFA-Sportpolitik das Unsichere. Das geht im Weltfussball etwa so: Am soeben zu Ende gegangenen Kongress (Vereinsversammlung, Art. 64/65 ZGB) des Verbandes in Bangkok, der als Schweizer Verein gemäss Art. 60 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB) organisiert ist, gab die Streichung des Sitzortes («Zürich») aus den Statuten des Weltverbandes zu reden, nämlich dergestalt, ob das nun das Ende der FIFA in Zürich und in der Schweiz sei. Bis anhin hiess es glasklar: «Der Sitz der FIFA befindet ich in Zürich (Schweiz). Er kann nur durch einen Kongressbeschluss verlegt werden.» Nun sind die Statuten so geändert worden, dass die «Zentrale» des Verbandes in Zürich liegt, bis der Kongress eine Entscheidung über den Hauptsitz getroffen hat.
Was ist nun neu an dieser Rechtslage? Nichts natürlich. Nur, dass der Sitz «Zürich» aus den Statuten eliminiert worden ist. Im Moment scheint auf den ersten Blick allenfalls unklar, wo sich der Sitz des Verbandes befindet – die Antwort kann dem Gesetz entnommen werden. Art. 56 ZGB sieht (eine statutarische Regelung vorbehalten) nämlich vor, dass sich der Sitz eines Vereins an dem Orte, wo seine Verwaltung geführt wird, befindet; das ist nun bezüglich der FIFA sicher Zürich (ohne dass die Bezeichnung «Zürich» in den Statuten vorkommen müsste). So hätte man formell getrost auf die nun angenommene Statutenänderung verzichten können und, bei Wegzugsgelüsten, dann einfach den entsprechenden Kongressbeschluss fassen können. Aber die Provokation um den Wegzug der FIFA war wohl gewollt. Der FIFA-Präsident Gianni Infantino, der sich ungeliebt, unverstanden, und von der Schweiz permanent ungerecht behandelt fühlt, und dem man, nach seinem Empfinden, die für ihn wichtige Ehrerbietung verweigert, ist seit Jahren betupft, wenn es um die in seinen Augen ungenügende Anerkennung seitens der Menschen und von Gott geht. Der Mann, der sich als «Büüchjurist» (Walliserdeutsch für «Bauchjurist, der seine Entscheidungen nach Bauchgefühl trifft) bezeichnet, identifiziert sich bekanntlich auch immer anders als andere. So fühlte er sich vor der WM-Endrunde in Katar eben katarisch, arabisch, behindert, homosexuell und als Wander-Arbeiter. Aktuell wird er sich als «Nemo» fühlen – in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes und was dem 54jährigen Walliser nun wohl den Ruf eines «Nemo» des Sportfunktionärswesens eintragen dürfte. Juristisch hat die aktuelle Sitzreform im Rahmen der FIFA-Statuten gar nichts gebracht. Die Rechtslage ist nach wie vor dieselbe als vor dem Kongress in Bangkok.
Zweifelsfrei hat der FIFA-Präsident mit der Eliminierung Zürichs aus der FIFA-Verfassung eine symbolische Distanzierung zur Zwingli-Stadt gewollt. Vielleicht ist es sogar eine Drohgebärde. Das offizielle Zürich schweigt zu diesem Schritt der FIFA, zumal der Weltverband eine private, autonome Vereinigung des Privatrechts ist. Letztlich wird man zum Schluss kommen, wenn das Thema konkret werden sollte, dass man Reisende nicht aufhalten soll. Die Schweiz kann insofern in der «Causa FIFA» entspannt zurücklehnen, weil sich Befürworter und Gegner des Weltverbandes in der Schweiz eh etwa die Waage halten dürften. Realistischerweise dürfte es für die FIFA auch nicht leicht sein, ein Äquivalent zur Schweiz zu finden. Eine Sitzverlegung der FIFA zu den erklärten Freunden Gianni Infantinos in Russland, in Katar, in Saudi Arabien und an anderen lustigen Destinationen (vor allem Frankreich mit dem Hansdampf in allen Gassen, Emmanuel Macron) dürfte nicht so rasch eine Kongressmehrheit finden. Nach wie vor gilt die Schweiz als Hort der Stabilität und Sicherheit auch für internationale Sportverbände und -organisationen. Etabliert ist die Schweiz u.a. auch in der Sport-Verbandsrechtssprechung. In einem Punkt wird man aber ein gewisses Verständnis für die FIFA mit Blick auf die offenkundigen Abwanderungsgelüste aufbringen müsste. Bevölkerung, Parlamente aller Stufen und Politiker aller Provenienzen haben den Verband in den letzten zwanzig Jahren immer wieder und teils sehr ungerechtfertigt ins Kreuzfeuer genommen und in verschiedener Hinsicht ungerechtfertigt attackiert. Verständlicherweise nicht leicht zu verschmerzen ist die Haltung der Schweizer Regierung im Zuge der Korruptionsaffären um Fussball-Sportfunktionäre vor allem aus Südamerika. Die helvetische Exekutive hat den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden 2015 die FIFA-Funktionäre praktisch ans Messer geliefert und mit dem amerikanischen Justiz-Departement (Department of Justice) paktiert, mit dem Ergebnis, dass die Fussballfunktionäre gleich in Gruppenstärke im Hotel «Baur au Lac» in Zürich unter den Augen der Weltöffentlichkeit abgeführt werden konnten. Zwar liebt man den Verrat, aber die Verräter nicht. So ist es erklärbar und auch verständlich, dass sich die Aversionen der FIFA gegen die Schweiz und gegen Zürich nicht mehr so leicht abbauen lassen – und nun die Bezeichnung «Zürich» aus dem Grundgesetz des Weltverbandes getilgt worden ist.