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2024 – ein Flugjahr der Trainerinnen und Trainer

causasportnews / Nr. 1081/11/2023, 18. November 2023

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(causasportnews / red. / 18. November 2023) Obwohl das Jahr 2024 noch nicht beendet ist, lässt sich mit Blick auf die Trainer/innen-Gilde im Fussball folgendes konstatieren: Die einzige Konstante ist der Wechsel. Obwohl in der Branche befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, ist es gang und gäbe, dass insbesondere Trainer vor Ablauf der Kontrakte ausgewechselt werden wie defekte Glühbirnen. Beispiele gibt es rundherum zuhauf. Bleibt der Erfolg aus, ist der Trainer letztlich nicht mehr zu halten. Auch wenn noch soviel Herzblut, Klubtreue und Emotionen neben dem grünen Rasen im Spiel sind, wie beim soeben von Union Berlin entlassenen Schweizer Trainer Urs Fischer. Die Gesetzmässigkeiten in der Branche rufen bei anhaltender Erfolglosigkeit nach einem Wechsel. Urs Fischer ist nicht der einzige, den es heuer erwischt hat. Es könnte eine Liste erstellt werden, welche dokumentieren würde, dass in diesem Jahr bei den Trainern ein «Flugjahr» herrscht(e). Dabei hat es auch die Trainer-Prominenz erwischt. Julian Nagelsmann war beim FC Bayern München weder froh noch erfolgreich; deshalb wurde er wohl Deutscher Bundestrainer. Die Geschichte wiederholt sich in diesem Umfeld immer wieder. Hansi Flick warf in München hin und wurde…Bundestrainer. Der FC Bayern München ist also so etwas wie eine Trainer-Kaderschmiede des Deutschen Fussball-Bundes (DFB)mit dem Aushängeschild Nationalmannschaft, die nun auch wieder so, nämlich «national», heissen darf nach der zu Staub gewordenen Bieridee von DFB-Manager Oliver Bierhoff. Unter ihm versagte die Bundes-Elf als «Mannschaft» und nicht als «Nationalmannschaft». Apropos Urs Fischer: In der Schweiz kann der aktuelle Nationaltrainer Murat Yakin derzeit miterleben, was es heisst, als Hauptverantwortlicher des Nationalteams (von den Medien) seziert und demontiert zu werden; seine Tage in dieser Funktion dürften gezählt sein. Falls der Schweizer Fussball-Verband (SFV) eine nüchterne Lagebeurteilung vornimmt, wird der neue Schweizer Nationaltrainer wohl bald … Urs Fischer heissen.

Mit Blick auf die Gleichberechtigung im Fussball haben die Trainerinnen in diesem Jahr gegenüber ihren männlichen Kollegen in punkto Job-Beendigung aufgeholt. Die ehemalige Schweizer- und nun Deutsche (jetzt Ex-)Frauen-Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat nach der für die Deutschen Kickerinnen desaströsen Fussball-WM-Endrunde in Australien/Neuseeland mit dem DFB nur noch über die involvierten Anwälte kommuniziert. Jetzt ist die 55jährige Martina Voss-Tecklenburg ihren Job los.- Eine dubiose Geschichte, in die offenbar auch der Ehemann von Martina Voss-Tecklenburg involviert ist, wurde der aktuellen Schweizer Nationaltrainerin der Frauen, Inka Grings, zum Verhängnis. Soeben haben sich der SFV und die 45jährige Trainerin der Eidgenossinnen getrennt. Es war wohl eher eine Entlassung, gemäss Sprachregelungen wird in einem solchen Fall jedoch meistens von einer Vertragsbeendigung im beidseitigen Einverständnis gesprochen. Der Frauenfussball in der Schweiz macht aktuell auch noch in anderer Hinsicht von sich reden. Einem SFV-Mitarbeiter wird ein sexueller Übergriff zu Lasten einer Fussball-Nationalspielerin auf dem Flug von der Fussball-WM-Endrunde zurück in die Schweiz vorgeworfen. Die Umstände sind dubios, der SFV hat den Betroffenen aber nun per sofort entlassen. Für Juristenfutter im Fussball ist weiterhin gesorgt.

Trainerwechsel sind für die Klubs (oder einen Verband) in der Regel schmerzhaft teuer, vor allem, weil die geschassten Trainer/innen für die Arbeitsvertrags-Restlaufzeit bezahlt werden müssen. Vor allem Sportverbände, wie der DFB, machen dabei stets den gleichen Fehler. Meistens vor wichtigen Turnieren werden die Trainer mit langfristigen Arbeitsverträgen ausgestattet, jeweils um ein «Zeichen» moralischen Supports zu setzen dergestalt, dass man an ihn (oder sie) glaubt und dass der wichtigste sportliche Übungsleiter (oder die Übungsleiterin) eines Teams aus psychologischen Gründen quasi mit einer «Lebensversicherung» ausgestattet werden muss. Doch mit dem Glauben ist es auch so eine Sache. Bleibt der Erfolg aus, ist der Trainer (oder die Trainerin) nicht mehr haltbar, und es muss bezahlt werden. Ein entlassener Trainer (oder eine Trainerin) muss sich natürlich jeweils anrechnen lassen, was er nach der Entlassung anderweitig verdient oder zu verdienen unterlässt. Diese Fälle müssen dann meistens juristisch erledigt werden. Das Trainer/innen-Flugjahr wird wohl 2024 weitergehen.

Deutschland im Fussball-Elend

causasportnews / Nr. 1044/08/2023, 6. August 2023

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(causasportnews / red. / 6. August 2023) Wenn das, was nicht sein darf, doch Realität wird, herrschen in der Regel Depression und Frustration vor, aber auch Wut und cholerische Ausbrüche sind die Folgen. Um dies alles zu erfassen und die Phänomene im Nachgang solcher Ereignisse zu deuten und zu erklären, sind die entsprechenden Wissenschaften gefordert, wenn es um Sport geht, vor allem die Sport-Soziologie (es ist dies, auf die Materie Sport bezogen, die Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens der Menschen befasst).

Auslöser dieser Betrachtung ist das sportliche Scheitern der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft an der Fussball-WM-Endrunde in Australien/Neuseeland. Wie in diesen Spalten in den Raum gestellt (causasportnews vom 23. Juli 2023), ist das eingetreten, was sich nicht ereignen durfte, nämlich das Ausscheiden der Deutschen Kickerinnen bereits nach den Gruppenspielen. Die Auswirkungen dieser aus Deutscher Sicht sportlichen Katastrophe auf die Gesellschaft und auf das ganze Land sind heterogen und teils ambivalent. Da wurde alles vorgekehrt, um den Frauenfussball auf die Ebene des Männersports zu hissen, was den Misserfolg noch zerstörerischer werden lässt. Die Ausgangslage nach dem sportlichen Scheitern der Deutschen Frauen hat noch weitreichendere Bedeutung, als wenn die Realitäten sachlich aufgenommen worden wären. Eigentlich geht es «nur» um Fussball. Dieser ist natürlich längst keine «Nebensache» mehr, sondern verkörpert eine Trinität von Sport, Kommerz und Medien. Fussball, nicht nur in Deutschland, ist Opium für’s Volk und insbesondere auch verkaufte Emotion. Betroffen und berührt ist nun letztlich das «Wir- und Selbstwertgefühl einer ganzen Nation («Wir sind Papst»); womit wieder einmal die Bedeutung des Nationalen im Sport bewiesen wäre.

Die Ebenen des Scheiterns lassen sich simplifiziert wie folgt ausmachen:

Vergeigt haben es die Spielerinnen. In Anbetracht des unbestrittenen Umstandes, dass «es» nicht gut lief auf dem Feld («Flasche leer»), kann konstatiert werden, dass dem Scheitern zweifelsfrei kein böser Wille zugrunde lag. Für schlechte Leistungen von Mannschaften im Fussballsport sind nämlich grundsätzlich die Trainer(innen) verantwortlich, konkret die bedauernswerte Martina Voss-Tecklenburg. An den Spielerinnen und an der Trainerin entladen sich Wut, Spott, Häme und Verachtung. Die Deutschen Frauen haben die Nation in einen kollektiven Betroffenheitszustand versetzt. Die nun vollendete Trilogie des Fussball-Kollapses (nach dem Scheitern der Männer an den WM-Endrunden in Russland,2018, und in Katar, 2022) bedeutet den Abschluss der Chronologie der gesamten Deutschen Fussball-Katastrophe. Australien/Neuseeland war kein sportlicher Betriebsunfall, sondern eine Perpetuierung des Fussball-Traumas nach Russland und Katar.

Die Verantwortung für die Abfolge der Misserfolge auf den grossen Bühnen des internationalen Fussballs liegt beim Deutschen Fussball-Bund (DFB), dem grössten Sportverband der Welt. Wenn sportliche Misserfolge zur Regel werden, hat der monopolistische Organisations- und Verwaltungsträger versagt. So, wie derzeit die Regierung des Landes und die Politik im Allgemeinen, die das grundsätzliche Desaster im Land zu verantworten haben und aufgrund der manifestierten Unfähigkeit und Hilflosigkeit als Steigbügelhalter der Alternative für Deutschland (AfD) fungieren. Fussball ist letztlich ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse und führt zur Erkenntnis, nun gesamthaft nicht mehr «Papst» zu sein, was schmerzt und frustriert.

Apropos Frustration: Der kollektive Frust und die Depression nach dem jüngsten Fussball-Debakel werden durch die Medien bewirtschaftet. Blamabel, katastrophal, unverständlich, usw., mit Negativ-Attributen wird in den Gazetten in Deutschland die Gemütslage der Nation präsentiert, nachdem das undenkbare Unmögliche Tatsache wurde. Für einmal fehlt sogar das Zotige in den einschlägigen Medien, vielleicht, weil es aktuell um den Frauen-Fussball geht (eine Bild-Schlagzeile, wie «ausgepoppt», wäre in Anspielung an die Top-Spielerin Alexandra Popp zu befürchten gewesen).

Eigentlich ist ein Fussballspiel nur ein Spiel; was aber, wie das aktuelle Beispiel zeigt, nicht stimmt. Denn alles ist möglich, wenn das im Fussball auf dieser Stufe für unmöglich Gehaltene eintritt. Dann herrscht sogar ein nationaler Ausnahmezustand. Siehe die kollektive Depression, in welche die Deutsche Frauen-Nationalmannschaft das Land versetzt, hat

Da ist man erleichtert, Schweizer/in zu sein. Auch wenn es eine Erlösung war, dass die Schweizerinnen im Achtelfinale gegen die Spanierinnen nur 1:5 verloren haben und das Spiel endlich vorbei war. Noch besser war es, anlässlich der Frauen-WM Österreicher/innen zu sein: Die Schottinnen sorgten Ende 2022 dafür, dass die Österreicherinnen die Reise an das Ende der Welt gar nicht antreten mussten.

Der Wembley-Torschütze der Schweiz wird Rentner

(causasportnews / red. / 17. Januar 2023) Der 18. Juni 1994 war einer der wichtigsten Tage im Leben des Fussballspielers Georges Bregy. An jenem Tag schoss er gegen die USA anlässlich der WM-Endrunde 1994 in Detroit das Führungstor für die Eidgenossen, das als Schweizer-Wembley-Tor in die Schweizer Fussball-Sportgeschichte eingehen sollte, und weil der Walliser nach 28jähriger Tor-Abstinenz der Schweiz an WM-Endrunden mit einem Wundertreffer zum helvetischen und europäischen Mythos wurde. In der 39. Minute lief der bereits 36jährige Mittelfeldspieler damals an, um den gewährten Freistoss zu treten. Sieben, acht Schritte Anlauf, rund sieben Meter Distanz, der Ball fliegt nicht über die Mauer der Amerikaner, sondern Georges Bregy zirkelt ihn in die Torhüterecke. Die Schweiz gerät in Ekstase. «So etwas kann nur Georges Bregy», brüllte der TV-Reporter aus der Schweiz in das Mikrophon. Dieses Tor hat den Oberwalliser aus Raron, dem kleinen Dorf nahe von Visp, gleichsam unsterblich gemacht; daran ändert auch nichts, dass die Amerikaner damals nach dem Führungstor der Schweizer vor der Pause den Ausgleich schafften. Beim 1:1 blieb es in jenem Spiel schliesslich, das wegen des Freistosstreffers von Georges Bregy unvergesslich bleibt. Auch heute noch ist das Tor der Tore jener WM-Endrunde in den USA mit dem Namen Georges Bregy eng verknüpft. Genau heute ist es zudem ein besonderer Tag für den sportlich und bescheiden gebliebenen Ex-Fussball-Internationalen, der nach Beendigung seiner aktiven Fussball- und Trainer-Laufbahn in eine Führungsposition bei einer grossen Versicherungsgesellschaft berufen wurde und immer wieder in den Medien als Fussball-Experte und -Kommentator auftritt. Vor 65 Jahren wurde Georges Bregy geboren und ist nun ab heute formell Rentner. Formell, weil bei ihm ein Berufsende nicht absehbar ist und ihm die Arbeit, inklusive seine Tätigkeiten im Fussball ausserhalb der Spielfelder, den er jeweils profund zu analysieren und zu kommentieren pflegt, nach wie vor Freude bereitet. Der exzellente Fussballkenner wird auch von diesem Medium immer wieder gerne als Experte etwa für regeltechnische Fragen beigezogen, weshalb es an dieser Stelle erlaubt sei und der «causasportnews»-Redaktion vor allem ein Bedürfnis ist, Georges Bregy für die stets hervorragende und angenehme Kooperation, verbunden mit den besten Wünschen für die Zukunft im Unruhestand, herzlich zu danken und ihm zu diesem besonderen Wiegenfest ebenso herzlich zu gratulieren!

SFL-Klubs bezogen ungerechtfertigterweise «Corona»-Millionen

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(causasportnews / red. / 7. Oktober 2022) Kaum bildete «Corona» 2020 das dominierende Thema auch in der Schweiz, prasselten aus den Staatskassen Milliarden auf die von der Pandemie betroffene Wirtschaft nieder; auch auf das Eventsegment «Sport». Der helvetische Finanzminister, der soeben seinen Rücktritt angekündigt hat, brüstete sich auf dem Höhepunkt der Krise mit der Heldentat, dass notleidende Unternehmen bereits innerhalb einer halben Stunde nach Antragstellung über teils horrende Beträge an Hilfsgeldern des Bundes verfügen könnten. Das geschah auch. Jedoch erfolgte die Verteilung des Geldsegens ziemlich kopflos, willkürlich, blauäugig und völlig unkontrolliert. Gelder wurden aber nicht nur durch den Bund, sondern auch durch die Kantone verteilt. Viele Unternehmen liessen sich auf diese Weise beglücken, obwohl ihnen etwa die Hilfsgelder des Bundes gar nicht zustanden, weil die skizzierten Bedingungen und Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Auch der organisierte Sport profitierte von den pekuniären Geschenken, welche den Staat noch über Jahre belasten werden. Seit kurzer Zeit passiert nun das, was voraussehbar war: Die öffentliche Hand macht sich daran, zumindest «Corona»-Missbräuche seitens der damals beglückten Wirtschaft rückgängig zu machen; will bezüglich des Sportes heissen: Zu Unrecht beantragt und entsprechend durch den Bund ausbezahlte «Hilfsgelder» müssen durch die ungerechtfertigterweise begünstigten Sportklubs wohl zumindest teilweise zurückbezahlt werden.

In einer dürren Meldung verlautete aus Bern, dass mehrere Klubs der Swiss Football League (SFL) «Corona»-Gelder zurückzuerstatten haben. Angeblich geht es insgesamt um rund vier Millionen Schweizer Franken. Diese Zahl mutet bei 500 Millionen Franken an «Corona»-Hilfen durch den Bund zugunsten des gesamten Sportes, relativ bescheiden an. In Tat und Wahrheit dürfte der Betrag, der durch den organisierten Fussball-Sport unrechtmässig bezogen wurde, massiv höher zu veranschlagen sein. Wie dem auch sei: Auch diesbezüglich scheint es an jeglicher Kontrolle seitens des Staates und an der an sich erforderlichen Transparenz in den Vorgängen zu fehlen, und es dürfte wohl nie schlüssig eruiert werden können, ob die «Corona»-Hilfsgelder auf dem Höhepunkt der Pandemie und danach zu Recht oder zu Unrecht ausbezahlt worden sind. Bei den entdeckten Unkorrektheiten im Rahmen des professionellen Fussballs soll es zu «Überschneidungen» gekommen sein (wohl im «Wettkampf» um Verteilung von Geldern durch Bund und Kantone), verlautete aus der Bundeshauptstadt. Immerhin ist dies eine gelungene Sprachregelung zur Vertuschung auch dieses «Corona»-Finanzdebakels.

Kein sportlicher Ausweg aus dem «Katar-Dilemma»

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(causasportnews / red. / 17. November 2021) Das war zu erwarten: Nach der überzeugenden, direkten Qualifikation der Schweizer Nationalmannschaft für die Fussball-WM-Endrunde in rund einem Jahr in Katar gehen die Emotionen hoch. Nicht primär, was das Sportliche betrifft, aber natürlich auch deswegen. Der souveräne Sieg der Schweizer gegen Bulgarien hat vor allem den sportlichen Ausweg aus dem «Katar-Dilemma» verbaut. Hätte Europameister Italien die Direkt-Qualifikation geschafft, wäre der Schweiz die nun moralisch aufgeladene Diskussion bezüglich eines Boykotts der WM-Endrunde im Winter in der Wüste erspart geblieben (vgl. auch causasportnews vom 15. November 2021).  Katar bietet vor allem den Linken die Gelegenheit, mit dem Klassenkampf-Vokabular die Moralkeule zu schwingen. Nach der erfolgreichen Qualifikation branden nun die Forderungen nach einem Boykott der WM-Endrunde durch die Schweiz durch das Land. Weshalb erst jetzt? Hätten die nun fordernden Stimmen nicht schon ertönen sollen, als sich die Schweiz der Qualifikation für das Turnier vor Weihnachten im kommenden Jahr stellte? Weshalb eine Qualifikation durchspielen und erst nach dem sportlichen Erfolg einen Boykott fordern? Nun, die Thematik ist eben nicht nur ethisch, sondern politisch aufgeladen. Besonders aktiv mit ihren Forderungen sind die helvetischen Jung-Sozialisten (Jusos), die sich stets auf der ethisch richtigen Seite wähnen und nun dem ausbeuterischen WM-Treiben im Wüsten-Staat mit Klassenkampf-Parolen ein Ende bereiten wollen, eben mit einem Boykott. Das Thema hätte, wenn schon, vor Beginn der Qualifikationsphase auf’s Tapet gehört. Bei der WM-Endrunde in Russland blieben die Proteste der Jusos sinnigerweise stumm; im Reiche Wladimir Putins sind schliesslich die Gesinnungsgenossen der Jusos am Ruder. Nicht nur im Sport ist der «Boykott» (der Begriff geht auf den Irländer Charles Boycott zurück, ein Gutsherr, der im 19. Jahrhundert sein Personal schändlich behandelte und auf diese Weise eine adäquate Gegenreaktion der Geknechteten provozierte, indem niemand mehr für ihn arbeiten wollte) eine unsinnige Waffe, mit der vor allem die Unschuldigen getroffen werden. Apropos (Nord-)Irland: Hätten die Nord-Irländer im letzten Qualifikations-Spiel nicht tapfer dagegen gehalten, wäre Europameister Italien in der Direkt-Ausmarchung für Katar wohl durchmarschiert. So bleibt der Schweiz nun mit Blick auf die WM-Endrunde in Katar das moralische Dilemma der mutigen Nicht-Teilnahme am wichtigsten Sportanlass der Welt erhalten, das sportliche wurde auf den Fussballplätzen von Luzern (Schweiz gegen Bulgarien, 4:0) und Belfast (Nord-Irland gegen Italien, 0:0) ausgeschaltet.

Trotz der heftig gewordenen Proteste gegen Katar und den erhobenen Boykott-Forderungen ist es evident, dass die Schweizer Nationalmannschaft in einem Jahr in Katar spielen wird. Auch der politische Ausweg aus dem «Katar-Dilemma» ist faktisch verbaut. Die Jusos werden dann wohl kaum vor Ort dabei sein, in der Schweiz jedoch vor den TV-Schirmen sitzen. Sie sind bekanntlich konsequent in den Forderungen, aber eher lau im Verhalten. Sie schauen schliesslich auch die Spiele der Champions League an, wenn der Katar-Klub FC Paris Saint-Germain immer wieder versucht, diesen prestigeträchtigen Wettbewerb im europäischen Fussball endlich zu gewinnen. Boykott-Forderungen greifen eben nie, wenn sie im falschen Moment von den falschen Personen erhoben werden.

Trend im Trainer-Business beschleunigt das Ende der befristeten Arbeitsverträge

Vladimir Petković (links) mit Prof. Dr. iur. Urs Scherrer anlässlich einer Veranstaltung des Swiss Sport Forum

(causasportnews / red. / 28. Juli 2021) Den drei Trainern Hansi Flick (neu: Deutscher Fussball-Bund, DFB), Julian Nagelsmann (neu: FC Bayern München) und Vladimir Petković (neu: FC Girondins de Bordeaux) werden viele Gemeinsamkeiten nachgesagt. Sicher sind sie erfolgreich, berühmt und begehrt. Und sie sind vorzeitig aus befristeten Arbeitsverträgen bei ihren Arbeitgebern (FC Bayern München, RB Leipzig und Schweizerischer Fussball-Verband, SFV) ausgestiegen. Nun also auch der zuletzt an der Fussball-Europameisterschaft mit dem Schweizer Nationalteam so erfolgreiche Schweizer mit kroatischen Wurzeln, Vladimir Petkovic. Er hätte die mitten in der WM-Qualifikation stehende Schweizer Mannschaft zur WM-Endrunde nach Katar (Ende 2022) führen sollen. Damit wird nun nichts; der befristete Vertrag mit dem 57jährigen Fussball-Lehrer ist auf dessen Wunsch hin im beidseitigen Einvernehmen aufgelöst worden. Ist es ein Zufall oder ein Trend, dass befristete Verträge im Fussball immer weniger bis zum Schluss erfüllt werden? Wohl eher letzteres. Fussball-Trainer hegen bei anhaltendem Erfolg Abwanderungsgelüste – Arbeitsverträge mit Befristungen, was in diesem Business Usanz ist, hin oder her. Wanderer soll man nicht aufhalten, heisst es im Volksmund. Mit Fussballtrainern, die sich trotz laufender Verträge neu orientieren wollen und die den Begehrlichkeiten des Marktes nicht widerstehen können, ist es zudem insbesondere wie mit Ehefrauen, welche ihrem Angetrauten in gewissen Situationen und wenn sie sich anderweitig ein besseres, gemeinsames Leben versprechen oder versprechen lassen, zielgerichtet (zielgerichteter als Männer jedenfalls) aus dem Bund für’s Leben verabschieden. Natürlich sind nur Erfolgs-Trainer geneigt, sich während laufender Verträgen zu verändern; in jedem Fall nur dann, wenn ein anderer Arbeitgeber an ihnen interessiert ist. Mit ihnen verhält es sich gleich wie mit den Wanderern und Ehefrauen. Die Nachfrage nach guten Trainern ist jeweils grösser als das Angebot. So ist nun in der Tat ein Trend wahrzunahmen, dass abwanderungswillige Fussball-Lehrer sich aus befristeten Arbeitsverträgen herauskaufen (lassen); was in der Regel mit einer Kontrakt-Aufhebungsvereinbarung finalisiert wird. So ging eine schöne Summe (25 Millionen Euro) von München nach Leipzig (für Julian Nagelsmann). Was der DFB an Bayern München für Hansi Flick bezahlt hat, wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Diese Konstellation ist grundsätzlich so oder so problematisch, weil ein ideell ausgerichteter Sportverband einem (auch kapitalbezogenen) Klub eine Vertragsauskaufssumme für einen Trainer entrichten soll. So wird es wohl kaum transparent werden, wieviel Geld für die Vertragsaufhebung in der «Causa Vladimir Petković» von Bordeaux in die SFV-Zentrale nach Bern überwiesen wird. Wie dem auch sei. Erfolgreiche Trainer sind vom aktuellen Arbeitgeber je länger desto weniger zu halten, wenn diesen, auch bei laufenden, befristeten Arbeitsvertragsverhältnissen, eine bessere, oft lukrativere Möglichkeit des Wirkens geboten wird. Die drei hier thematisierten «Trainer-Schicksale» lassen eines vermuten: Die Zeit der befristeten Arbeitsverträge im Trainer-Business könnte bald vorbei sein. Auch wenn die nicht so erfolgreichen Fussball-Pädagogen den Schutz des Arbeitsrechts (über befristete Verträge) eher benötigen als diejenigen, die «es» geschafft haben.