Archiv für den Monat Januar 2024

Schneller, höher, weiter – muss es immer schneller sein?

causasportnews / Nr. 1105/01/2024, 30. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 30. Januar 2024) Wer derzeit die alpinen Skirennen verfolgt, wähnt sich eher in der TV-Serie «Der Bergdoktor» als an Sportveranstaltungen. Praktisch in jedem Speed-Wettbewerb müssen die Rennen der Frauen und Männer unterbrochen werden, damit der Rettungs-Helikopter mehrheitlich schwer verletzte Fahrerinnen und Fahrer ins nächstgelegene Spital fliegen kann. Die teils furchterregenden Stürze nehmen meist ein schlimmes Ende – nicht wie jeweils das Finale in der TV-Serie mit Hans Sigl. Die Realität auf den Rennpisten und was sich dort zuträgt, ist eben mehr als nur eine Gefühlswelt mit medizinischem Touch am «Wilden Kaiser», sondern oft eine Kombination von Pech, Dramen und Schicksalsschlägen an den Austragungsorten im Rahmen des Ski-Weltcups.

Was ist nur los auf den Speed-Strecken im alpinen Skirennsport? Bilden die schlimmen Stürze und die verheerenden Verletzungsfolgen eine Kumulation von Zufällen? Oder handelt es sich um eine unglaubliche und rational nicht nachvollziehbare Pech-Serie? Über die Ursachen dieser Vorkommnisse wird im Moment gemutmasst und gerätselt. Die Rede ist bei den Analysen der teils gravierenden Unfälle von gehäuften, individuellen Fahrfehlern, von Überforderungen der Skiläuferinnen und -läufer bei diesen Geschwindigkeitsexzessen und von objektiven Gegebenheiten, die sind, aber nicht sein müssten. Da sich die Unfälle ausschliesslich in den Speed-Disziplinen Abfahrt und Super-G ereignen, wird auch die entsprechende Sinnfrage gestellt. Es werden zudem Massnahmen diskutiert, etwa massive Tempo-Verringerungen und die Implementierung von noch mehr Sicherheits-Vorkehren. Für viele Betrachter sind die Rennen, in denen teils weit mehr als 100 Stunden-Kilometer erreicht werden, eine sinnlose Raserei geworden. Dass Stürze in diesen Geschwindigkeitsbereichen in der Regel grosse Verletzungsgefahren implizieren, ist evident. Die Unfälle sind sich wiederholende Tatsachen, die Einwilligungen der Fahrerinnen und Fahrer in das vorhandene Risiko hat nur haftungs- und versicherungsrechtliche Bedeutung.

Der Zufall oder was auch immer will es, dass sich in dieser Phase grausamer Stürze, von welcher auch Top-Fahrerinnen und -Fahrer, wie Aleksander Kilde oder Mikaela Shiffrin direkt betroffen sind, der Todestag einer erfolgreichen Rennfahrerin zum 30. Mal jährt. Am 29. Januar 1994 verstarb die Österreicherin Ulrike Maier beim Abfahrtslauf in Garmisch-Partenkirchen unter tragischen Umständen. Der Verlobte mit der gemeinsamen Tochter mussten sich das Drama um die 27jährige Partnerin und Mutter vor dem Fernsehen anschauen. Die «Unfall-Causa Ulrike Maier» wirkt bis heute nach. Die Tragödie führte zudem zu einem strafrechtlichen Nachspiel. Die beiden FIS-Renndirektoren Jan Tischhauser und Kurt Hoch mussten sich zwei Jahre nach dem Todessturz der Fahrerin vor einem Münchner Gericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten; das Verfahren endete mit einem Vergleich. Die beiden Beschuldigten bezahlten je 10’000 Mark an die Bergwacht.- Nicht nur der Skiunfall von Ulrike Maier bleibt in trauriger Erinnerung. Immer wieder schlug danach das Schicksal im alpinen Ski-Rennsport brutal zu. In der aktuellen Unfall-Häufung blieb der Skisport wenigstens vom Schlimmsten verschont. Aber die Ereignisse lassen mit Blick auf die Zukunft Extremes befürchten. Wahrscheinlich können Tragödien in den Speed-Disziplinen nur verhindert werden, falls die Geschwindigkeiten beschränkt werden; schneller, höher, weiter – zumindest schneller muss es nicht immer sein. Spektakel ist auch anderweitig möglich. Aber auch in diesem Zusammenhang bleiben Worte von Ulrike Maier einige Zeit vor ihrem Todessturz haften. Sie sagte einmal in einem Interview, auf die Gefahren im Skisport angesprochen: «Wenn es vorbestimmt ist, dann passiert es. Dem Schicksal kann man sowieso nicht ausweichen.». Auch dreissig Jahre nach ihrem Tod wirkt diese Aussage nach.

Und wieder geht ein Gespenst um in Europa…

causasportnews / Nr. 1104/01/2024, 27. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 27. Januar 2024) Wiederum geht ein Gespenst um in Europa, nicht dasjenige, wie es im Kommunistischen Manifest beschrieben ist, sondern das Bedrohungs-Gespenst. Dieses hat sehr viel zu tun mit Sport, bzw. mit grossen Sportveranstaltungen, die in diesem Jahr durchgeführt werden. Zuerst richtet sich der Blick der Sport-Öffentlichkeit nach Deutschland. Dort wird unter der Ägide des Europäischen Fussball-Verbandes (UEFA) vom 14. Juni bis zum 14. Juli der Europameister erkoren. Der Anlass rückt näher, und in einer chaotisch gewordenen Welt, in der Kriege, Gewalt jeglicher Art, Hass, usw. die globale Szene beherrschen und sich im besten Fall Missverständnisse breit machen, hängt das Schreckens-Gespenst «Sicherheit» wie ein Damoklesschwert über der Fussball-EM in Deutschland. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin räumt ein, dass er diesbezüglich in grosser Sorge sei und spricht allgemein von einer «völlig aggressiven, geopolitisch aus den Fugen geratenen Lage» und von einer «Welt, die verrückt spielt». Dem ist an sich nichts beizufügen. Der Slowene bespricht sich regelmässig mit der Deutschen Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die Gefahren für den Sport-Grossanlass sehen der Sport-Funktionär und die Bundes-Politikerin nicht nur in den Sicherheitsvorkehren in den Fussball-Stadien, sondern vor allem in den Bereichen ausserhalb der Sportstätten. Man kann sich in etwa ausmalen, was sich abspielen könnte, wenn sich die Ukraine und Israel ins Wettkampf-Geschehen einschalten und sich die beiden aktuellen Kriege mittelbar etwa auf die Fan-Ebenen verlagern. Vorstellbar ist zudem, welche Gewalt-Potentiale sich während der EM in Deutschland innerhalb und ausserhalb der Stadien entladen können. Schneller als es jedes Vorstellungsvermögen zulässt, könnten die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten den Sport tangieren. Es ist nicht zu erwarten, dass der gewaltfreie Sport, der in Deutschland stattfinden wird, die Auseinandersetzungen auf den Kriegsschauplätzen in der Welt zur Makulatur werden lässt. Die Bedrohungsszenarien mit Blick auf die Fussball-EM könnten zu Resignation führen. Die Rede ist derzeit realistischerweise von Cyberangriffen, terroristischen Anschlägen, Geiselnahmen, usw. Sowohl der UEFA-Präsident als auch die Bundes-Innenministerin sprechen diesbezüglich von «Herausforderungen», denen man sich nun stellen müsse.

Herausforderung? Ein grosses Wort! Vor allem verrät es Unsicherheit, ja Ungewissheit, wie sich Bedrohungen manifestieren könnten und wie auf Bedrohungen reagiert werden müsste. Realistischerweise sind Bedrohungen kaum einzugrenzen und es kann ihnen auch kaum etwas entgegengesetzt werden. Das effizienteste Mittel scheint auch in dieser säkularen Welt – das Gebet zu sein und der Glaube daran, «dass es schon gut kommt». Die Hoffnung stirbt jedenfalls zuletzt.

Rund sechs Wochen, nachdem der neue Fussball-Europameister bekannt sein wird, trifft sich die Sportwelt in Paris. An der Seine werden die Olympischen Spiele vom 26. Juli bis zum 11. August ausgetragen. Die Sicherheitsaspekte bezüglich der Wettkämpfe in 32 Sportarten sind immens. Was könnte in den Zuschauerbereichen geschehen, wenn sich nur schon ukrainische und russische Sportlerinnen und Sportler mit ihren Anhängern in der Stadt der Liebe aufhalten, da kaum anzunehmen ist, dass Paris russische und weissrussische Athletinnen und Athleten letztlich von den Spielen ausschliessen wird? Es ist beispielsweise auch einleuchtend, dass ein Marathon-Lauf ungemein schwieriger zu überwachen ist als ein Fussballspiel in einem geschlossenen und gesicherten Stadion.

Wahrscheinlich wäre es den Organisatoren und insbesondere den Sicherheits-Verantwortlichen, welche die beiden Sport-Grossveranstaltungen in Deutschland und in Frankreich in diesem Sommer abzusichern haben, nicht unrecht, es würde eine Fee mit Zauberstab auf die Zeit einwirken und es wäre auf einen Schlag der 11. August 2024…

Winterthurer «Banner-Skandal» endet mit Freisprüchen

causasportnews / Nr. 1103/01/2024, 25. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 25. Januar 2024) Ab und zu muss in Erinnerung gerufen werden, was man vor Gericht bekommt: Nicht Gerechtigkeit, sondern ein Urteil; manchmal deckt sich der Urteilsinhalt mit den Gerechtigkeitsvorstellungen. Im nachfolgend geschilderten Fall dürfte dies allerdings nicht der Fall sein.

Nun ist es unbestritten, dass auf und neben Fussballplätzen alles ein bisschen anders ist und es in diesen Sphären oft ein wenig rauer zu und hergeht als vielleicht in einem Priesterseminar oder einem Töchter-Institut. Jedenfalls war die Stimmung in jenem Mai 2019 einigermassen aufgeheizt, als die Challenge League-Mannschaften des FC Schaffhausen und des FC Winterthur in der «Eulachstadt» (Winterthur, genannt nach dem Fluss «Eulach» als Nebenfluss der Töss) aufeinander trafen. Vor allem die Schaffhauser Anhänger legten eine gewisse Militanz an den Tag und verhielten sich recht aggressiv und provokativ. Es wurden auf den Zuschauer-Rängen auch diverse Transparente entrollt, die es in sich hatten. Auf einem dieser Banner war zu lesen: «Winti Fraue figgä und verhaue» (also: Winterthurer Frauen ficken und zusammenschlagen). Gegen sechs Urheber dieser Aktion, heute zwischen 24 und 30 Jahre alt, wurde Anklage wegen der Aufforderung zu Gewalt an Frauen erhoben. Wie zuvor das Bezirksgericht Winterthur sprach nun das Obergericht des Kantons Zürich auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin die sechs Fussball-Aktivisten vom Vorwurf des Gewaltaufrufs gegen Frauen frei. Es sei alles nur eine Provokation gewesen, qualifizierten das Gericht die Handlungen der Angeklagten.

Die Urteile haben nicht einmal zu grossen Diskussionen geführt. In einer ausser Rand und Band geratenen Gesellschaft in einem Staat, der Gewalt als Unterhaltung geradezu fördert (ein Beispiel gibt der «Tatort» ab, der jeweils an Sonntagabenden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor Rekord-Zuschauerkulissen gezeigt und in dem Gewalt jeglicher Art geradezu als Normalzustand bagatellisiert wird), ist es selbstverständlich nicht Aufgabe der Justiz, den Umgang der Menschen miteinander mit dem Mittel des Strafrechts zu optimieren. Dass es auf Fussballplätzen und drumherum etwas deftiger zu und hergehen darf als anderswo, erhellt nach dem Urteil der zweiten Strafinstanz im Kanton Zürich. Mit Fug und Recht lässt es sich fragen, ob die unmissverständliche Aufforderung, Frauen letztlich zu vergewaltigen und in ihrer physischen und psychischen Integrität zu verletzen, als, zwar geschmacklose, Provokation noch zu rechtfertigen ist. Erschwerend kommt wohl hinzu, dass die Aufforderung in Schriftform erfolgte und nicht nur das Ergebnis einer aktuellen, verbalen Entgleisung war. Der vom Obergericht des Kantons Zürich entschiedene Vorgang auf der Winterthurer «Schützenwiese», der an sich keine Alternativ-Interpretationen zulässt, war offenbar nicht dazu angetan, ein Exempel zu statuieren. An eine spezial- und general-präventive Wirkung von Strafurteilen hat am Zürcher Hirschengraben, am Sitz der zweiten Instanz des Kantons Zürich, offensichtlich ebenfalls niemand gedacht. Dass das Gericht die Aktion in Winterthur mit Anti-WEF-Transparenten verglich, war zumindest speziell. Wahrscheinlich hat die Anklagebehörde (Staatsanwaltschaft) nun wenig Lust, auch noch am Schweizerischen Bundesgericht eine weitere juristische Pleite zu erleben. Es ist ihr nicht zu verargen. Am Obergericht wurde der Staatsanwaltschaft geradezu verhöhnt, und ein Verteidiger empfahl dem Ankläger den Besuch eines Fussballspiels, damit er «es» auch begreife, nämlich, dass die Fussballwelt eben auch eine andere geworden sei.

Muss es denn immer «Red Bull» sein?

causasportnews / Nr. 1102/01/2024, 21. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 21. Januar 2024) Wie betitelte der am Neujahrstag 2009 in Luzern verstorbene Bestseller-Autor Johannes Mario Simmel einen seiner berühmtesten Romane? Klar: «Es muss nicht immer Kaviar sein». Wirklich nicht? So fragte sich das Publikum nach der Lektüre des 1960 erschienenen Erfolgsromans. Die Thematik steht bis heute unbehandelt im Raum; die Frage ist nach wie vor ungeklärt. Allerdings erfährt die Fragestellung heute in anderem Zusammenhang eine spezielle Aktualität. Zum Beispiel im alpinen Skisport. Da halten die Athletinnen und Athleten bei Interviews demonstrativ und aufdringlich vor allem Soft-Drinks in die TV-Kameras. Sie tun das gegen Geld («pecunia non olet») und suggerieren durchwegs, dass sie sich mit den den mittelbar Zuschauenden entgegengestreckten Produkten identifizieren. Es ist dies letztlich allerdings eine platte Schleichwerbung durch Produkteplatzierung.

Zum Beispiel «Red Bull». Überall wo es kracht, knallt und unbeschwerte Lifestyle-Fröhlichkeit zelebriert wird, ist der Österreichische Getränkekonzern dabei, am aktuellen Rennwochenende in Kitzbühel natürlich auch flächendeckend (vgl. die Abfahrt vom Samstag; «Red Bull» ist schliesslich ein Österreichisches Produkt). Vor allem sind die besten Sportlerinnen und Sportler Werbeträger des Getränks, das für Gesundheit, ewiges Leben, Glückseligkeit und aufbauenden Koffeingenuss steht. Wenn die Brause-Macher des verstorbenen Marketing-Genies Dietrich Mateschitz aus Fuschl am See mit offensichtlich unbeschränkten Werbegeldern locken, verleiht dies auch den stärksten Charakteren «Flügel» (Werbe-Slogan), die Garanten sind, um in andere, bessere Sphären zu entfliehen. So war und ist es auch beim Schweizer Ski-Überflieger Marco Odermatt, der durch ausserordentliche Leistungen die werbliche Basis dafür gelegt hat, dass ihm «Red Bull» nun zu geradezu goldenen Flügeln verhilft. Dass der 26jährige Innerschweizer mit dem Kopfsponsor «Red Bull» auftritt, wird ihm noch nachgesehen, aber dass er nun die aggressive Produkteplatzierung in den Zielgeländen mitmacht, kostet ihm zwar kaum Sympathien, aber Verständnis hierfür hat aber eigentlich auch kaum jemand. Denn die gekünstelt platzierte Dose bei den Interviews auf Mikrofonhöhe beginnt zu nerven. Die Medien murren deswegen, wenn auch zurückhaltend; schliesslich will niemand die eigenen, medialen Werbeeinnahmen durch «Red Bull» gefährden.

Grundsätzlich findet der Sport in einem Werbeumfeld statt, das heute niemanden mehr gross ärgert und emotional in den Abgrund reisst. Das war vor Jahrzehnten ganz anders. Als die Scientologen-Sekte einst in der Formel 1 werblich mit «Dianetik» in Erscheinung treten wollte, wurde das Ansinnen der Jünger von L. Ron Hubbard, welche die religiöse Herrschaft über die Welt anstreben wollten, gleich im Keime erstickt. Das half auch Tom Cruise («Top Gun») nicht weiter. Noch dramatischer war es, als Beate Uhse (gestorben 2001) der Menschheit die Lust an der Liebe und am Sex auf sportlichen Werbeplattformen näher zu bringen gewillt war. Diese Disziplinen hatten mit Sport schliesslich nichts – oder wenig – zu tun; vor allem nicht in der Öffentlichkeit, und schon gar nicht in der Werbung.

Was sagen letztlich die Rechtsgelehrten zur neusten Produkteplatzierungs-Kampagne insbesondere von «Red Bull» in den Zielräumen im alpinen Skisport? Die ARD-Juristen halten solches Tun schlicht für unzulässig. Toleranter geben sich die Schweizer und Österreicher. Nicht von ungefähr. Deutschland repräsentiert insbesondere ein Volk der Dichter, Denker, Biathleten sowie Dart- und Handball-Spieler. Mit den Alpin-Skinationen Schweiz und Österreich («Red Bull»-Land) kann sich Deutschland in der Tat nicht messen. Deshalb ist die Einschätzung der Staatssender ARD und ZDF zu dieser Form von Schleichwerbung durch Produkteplatzierung nachvollziehbar. Und wie begründen Schweizer Juristen diesen Genie-Streich aus den modernen Werbe-Küchen? Es würden die Athletinnen und Athleten so abgebildet, wie sie vor die Kameras treten – mit oder ohne «Red-Bull»-Büchsen. Nichts anderes. Jedermann darf sich also auch seine juristische Wahrheit nach seinem Gusto zurechtzimmern. Konklusion: Es muss ja auch nicht immer «Red Bull» sein, vor allem nicht im alpinen Skisport. «Flügel» brauchen vor allem die Skispringer, die aber sportlich eher «unter ferner liefen» ihren Sport ausüben. Von den in Deutschland hochgejubelten «Bundesadlern» gibt es auch immer weniger. Ihre Flügel bleiben seit Jahren lahm. Eine Besserung wäre nicht einmal aus Österreich durch das Klamauk-Getränk «Red Bull» zu erwarten.

«Es steht jeder Tag ein Dummer auf, man muss ihn nur finden»

causasportnews / Nr. 1101/01/2024, 19. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 19. Januar 2024) Wie sagt es der Volksmund so schön: «Es steht jeder Tag ein Dummer auf, man muss ihn nur finden». Das gilt selbstverständlich für alle Lebensbereiche, auch für den Sport. Drei Beispiele sollen das Bonmot untermauern.

Vgl. z.B. die Fussball-Sektion des Grasshopper Club Zürich (GC). Der Club ist längst nur noch ein Schatten seiner selbst und vergangener Zeiten. Jene früheren Epochen bewirkten für den damaligen Zürcher «Nobel-Club», dass GC weit über die Grenzen hinaus bekannt wurde und auch international einen grossen Beachtungsgrad aufwies. Diese Erfolge wurden möglich, weil die zwischenzeitlich pleite gegangene Schweizer Grossbank «Credit Suisse» nicht nur die Hausbank des Clubs war, sondern sich GC immer wieder an den damals noch ziemlich prall gefüllten Tresoren am Zürcher Paradeplatz bedienen konnte. Doch seit geraumer Zeit schlitterte die «Credit Suisse» dem Untergang entgegen, bis zum Ende; Geld zum «Nobel-Club» fliesst schon lange nicht mehr, weil auch nichts mehr da ist. So mager sich die sportliche Bilanz der GC-Fussballsektion seit Jahren präsentiert, sah es auch in finanzieller Hinsicht aus. So kam es, dass sich die GC-Protagonisten in die Arme der Chinesen warfen. Diese übernahmen vor vier Jahren den Club. Vizepräsident Andras Gurovits, ein rühriger, unbedarfter Banken-Anwalt von der Zürcher Bahnhofstrasse, sprach von «ganz neuen Perspektiven». Diese haben sich, wie das Geld, längst in Luft aufgelöst. Die Chinesen ziehen von dannen und wurden soeben von Amerikanern des Fussball-Netzwerkes des Los Angeles FC abgelöst. China und Amerika sind fürwahr Länder mit gewaltigen Fussball-Traditionen! Diese sind dort etwa so etabliert wie in Europa das Fliegenfischen, das bekanntlich immer wieder als gewaltiges Publikumsereignis gefeiert wird – nicht nur vom seichten Privatsender RTL. Eines muss man den GC-Machern, die nun mit US-Hilfe Hollywood-Glamour in den Zürcher «Letzigrund» zaubern wollen, in jedem Fall attestieren: Sie bringen es immer wieder fertig, die fehlenden Millionen für den Fussball auch auf abenteuerlichste Weise zu organisieren. Eben, die zahlenden Dummen müssen nur gefunden werden. Wenn die Amerikaner den wahren Wert ihrer «Investition» in GC erkannt haben werden, dürften sich die GC-Denker und -Lenker in Richtung Katar oder Saudi-Arabien orientieren.

Apropos «Credit Suisse». Bei der Präsentation der amerikanischen Retter im GC-Elend stach auf der Sponsorenwand im Hintergrund ein Logo mit Schriftzug heraus: «Credit Suisse». Es war nicht so, dass nach dem Kollaps der «Credit Suisse» kein Geld mehr für die Um- und Neu-Beklebung der Sponsorenwand vorhanden war. Die Werbung für eine untergegangene Bank geschah mit Wissen und Willen. «Was soll das?», fragt sich das Publikum. Vielleicht hängt das aber alles mit dem zurückgetretenen Tennis-Star Roger Federer zusammen. Bekanntlich ist die kollabierte «Credit Suisse» von der Grossbank «UBS» übernommen worden. Mit übernommen hat die nun unbestritten grösste Bank der Schweiz, welche 2008 selber kollabierte, zumindest pekuniär, auch den langjährigen «Credit Suisse»-Marken-Botschafter Roger Federer, der, für was auch immer, weiterhin jährlich eine Million Franken kassieren soll. Als «UBS»-Repräsentant ist der zurückgetretene Tennis-Held bisher allerdings nicht in Erscheinung getreten. Hauptsache, das Geld fliesst nach dem «Credit Suisse»-Debakel weiter. Eben: Dumme stehen auch im Banken-Business immer auf. Der ehemalige König der Filzbälle hat sie offensichtlich gefunden.

Apropos Roger Federer: Der Schweizer hängt irgendwie im Sportschuh-Projekt «On» drin und profitiert dabei zumindest indirekt von niedrigen Produktionskosten und hohen Verkaufspreisen. Mit den «On»-Schuhen scheint es etwa zu sein wie mit «Red Bull»: Die Produkte sind trendig und cool; was gut daran sein soll, lässt sich höchstens vermuten; so genau weiss das niemand. Aber auch bei «On» gilt: Es gibt die entsprechenden Interessenten an dieser innert kurzen Zeit Kult gewordenen Schuhe. Und man findet sie offenbar zuhauf als bereitwillige Zahler. Vielleicht sind diese Käufer aber einfach markenbewusst; das ist selbstverständlich auch ein Kaufsargument.

Aus der Balance geratenes Sport-Dreigestirn

causasportnews / Nr. 1100/01/2024, 16. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 16. Januar 2024) Ob es ein Zufall war, dass das berühmteste, alpine Dreigestirn der Schweiz den Hintergrund abgab für das bedeutendste Ski-Dreigestirn des Landes? Am Lauberhorn stieg vom 11. bis 13. Januar 2024 das mit allen Superlativen bedachte Sport-Event vor der Bergkulisse mit Jungfrau, Mönch und Eiger. In Wengen wurden innerhalb von drei Tagen drei Speed-Rennen abgehalten, und auch wenn der Schweizer Ski-Held Marco Odermatt bewies, dass Siege nur über ihn führen, wurde der Drei-Tages-Event, dem am Sonntag noch der Slalom folgte, zu einer sportlich fragwürdigen Angelegenheit. Jedenfalls wurde das Dreigestirn des Sportes, das Sport, Event und mediale Verbreitung umfasst, regelrecht aus der Balance geworfen.

Sport wurde in Wengen auf höchstem Niveau geboten. Doch war es des Schlechten zuviel? Jedenfalls trübte ein regelrechtes Sturzfestival die Freude an den gebotenen, sportlichen Top-Leistungen. In der Tat war es nicht mehr mitanzusehen, wie in jedem Rennen gestürzte, meist schwer verletzte Athleten mit Helikoptern ins nahe gelegene Spital geflogen werden mussten. Als es in der Abfahrt das norwegische Kraftpaket Aleksander Kilde zusammenstauchte und die Zuschauerinnen und Zuschauer zum dritten Mal in drei Tagen einen Rennunterbruch mit Heli-Flug ins Spital miterleben mussten, schlug dies mehr als nur auf die an sich gute Stimmung des Publikums. Übermüdete Fahrer, welche sich in den Rennen schwer verletzen, ist in der Tat nicht das, was Freude am Rennsport, eine Ideal-Werbeplattform, auslösen soll. Offenbar wurde von den Athleten zuviel abverlangt, die Medien trugen die Negativ-Botschaften in alle Welt, und der als fröhlicher Event gedachte Anlass verkam zum Pflichtkonsum des Publikums, das diesem Sport regelrecht huldigt.

Nun haben die schweren Stürze von Wengen Folgen. Die Athleten bemängeln die Rücksichtslosigkeit und das Gewinnstreben des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), nota bene mit Sitz in Oberhofen am Thunersee, 30 Kilometer vom Ort des sportlichen Geschehens vom vergangenen Wochenende entfernt. Der Wettkampfkalender sei zu gedrängt, wird moniert. Die FIS wolle aus wirtschaftlichen Gründen möglichst viele Rennen zur Austragung bringen; die Durchhaltefähigkeiten der Athleten werde ignoriert. Dies sei insbesondere die Philosophie des seit zweieinhalb Jahren im Amt befindlichen Präsidenten, Johan Eliasch, einer der reichsten Briten im Milliardenbereich, dessen oberste Maxime in allen Lebenslagen die Geldvermehrung, auch im Skisport, sei. Der FIS-Präsident setze die Gesundheit der Athleten rücksichtslos auf’s Spiel, meinen die Fahrer, vor allem der Speed-Disziplinen. Unbefangene Betrachter sehen in diesen Wettbewerben immer mehr eine sinnlose Raserei, und die Werbewirtschaft bangt um das hehre Image des Skisports, das mit schwer-verletzten Athleten nicht wirklich den Konsum anzukurbeln in der Lage ist. Die Situation fühlt sich ähnlich an wie früher im Radsport, als gedopte Radfahrer regelmässig tot von den Rädern fielen – ein Super-GAU für die Werbewirtschaft.

Zumindest zwischen Athleten und der FIS ist ein Auffassungsdissens unüberseh- und -hörbar. Geradezu einfältig reagierte die FIS, als Marco Odermatt nach dem Horror-Sturz von Aleksander Kilde die zunehmende Anzahl von Rennen monierte, welche die Gefahr von Verletzungen spürbar erhöhe. An die Adresse des Schweizer Super-Stars gerichtet verlautete aus Oberhofen, Marco Odermatt müsse halt auch bereit sein, einmal auf ein Rennen zu verzichten. Unterschwellig wurde ihm gleichsam Raffgier unterschoben. Die Reaktion des Nidwaldners liess nicht auf sich warten: «Das sind diese Clowns, die das so locker vom Büro aus sagen können und keine Ahnung haben, was das bedeutet». – Wahrlich, Dreigestirns-Harmonie im Sport sieht effektiv anders aus…

Der Kaiser ist tot – es lebe der Kaiser!

causasportnews / Nr. 1099/01/2024, 11. Januar 2024

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(causasportnews / red. err. / 11. Januar 2024) Nach dem Tod von Franz Beckenbauer wird einer der berühmtesten Fussballspieler, der mit dem Ball am Fuss auf dem weit grösseren Erdball schnörkellos perfekt umzugehen wusste, wie ein «Gott» gewürdigt und von diesem Planeten durchaus adäquat verabschiedet. Nach Beendigung seiner irdischen Reise hat er sich gleichsam unsterblich gemacht, und die Medien überschlagen sich nach seinem Tod in Superlativen. De mortuis nihil nisi bene – nein, das passt nicht zu Franz Beckenbauer, der korrekterweise durchwegs authentisch-positiv dargestellt wird. Eigentlich ist über die am 11. September 1945 in München geborene und am 7. Januar 2024 in Salzburg verstorbene Lichtgestalt der Sportwelt seit dem Bekanntwerden seines Ablebens alles gesagt worden, weshalb die Würdigung des «Kaisers» in diesem Forum an sich überflüssig wäre. Doch der Respekt vor einer grossen Figur der Sport-Weltgeschichte rechtfertigt, ja verlangt ein paar Zeilen – gleichsam als Hommage gegenüber diesem aussergewöhnlichen Sportler und Menschen.

Apropos «Kaiser Franz»: Abgewandelt vom Bonmot «Der König ist tot – es leben der König» war Franz Beckenbauer eben mehr als ein König, und der Umstand, dass damit die Kontinuität der französischen Erbmonarchie – auf einen König folgte bei dessen Abgang umgehend ein neuer König – fokussiert wurde, galt für die Münchner Sport-Legende diese Redewendung eben gerade nicht. Der Deutsche König des Fussballs war eben mehr als ein König, eine Persönlichkeit, die zu Lebzeiten der Normal-Sterblichkeit eines Königs entrückt war, und sich eben in der Adels-Rangordnung als höherer «Kaiser» mit Gott annähernden Zügen etablierte. Der Verstorbene wird als Lichtgestalt gewürdigt, die – dicitur – aber auch Schattenseiten aufwies. So etwa im Zusammenhang mit der Vergabe der WM-Endrunde an Deutschland 2006, um die sich zahlreiche Mythen rank(t)en und die das «Sommermärchen» ermöglichte.

Franz Beckenbauer war keinesfalls ein «Geldmensch», dieses Fazit darf der Schreibende, der den Ausnahmekönner am Ball auch persönlich gekannt hat, durchaus ziehen. Auf «Geld» angesprochen, meine Franz Beckenbauer, in ärmlichen Verhältnissen im Nachkriegs-Deutschland aufgewachsen, einmal: «Ja mei, das liebe Geld, davon gibt es immer wieder, wenn man arbeitet oder sonst Glück hat». Für ihn stand trotz der Aura, die ihn und sein Leben neben und ausserhalb des Sportes umgab, stets der Fussball im Zentrum; in seinen Funktionärsrollen, etwa im Rahmen des Fussball-Weltverbandes FIFA, fühlte er sich offensichtlich nicht durchwegs wohl. Das Münchner Urgestein spielte den Fussball nicht; er zelebrierte ihn, eben wie ein «Kaiser». Mit der legendären Nummer 5 dirigierte Franz Beckenbauer das Spiel. Dieses «las» er, die Augen selten am Ball, sondern magistral-kaiserlich auf das Spielfeld gerichtet. Neben und ausserhalb des Sportes trifft für ihn die Qualifikation als «Lichtgestalt» durchaus zu. Nur schon mit seiner Anwesenheit leuchtete «Kaiser Franz» auch in dunklen Räumen, meinte ein enger Freund des Verstorbenen, der Sportreporter Marcel Reif. Stets bescheiden und umgänglich, nie ausfällig oder verletzend, sagte Franz Beckenbauer einmal, es sei schon ein Privileg, in einem Sport, der so leicht zu erfassen sei, sich Respekt und Gehör zu verschaffen. Und weiter: «Mit seinen wenigen Grundregeln und mit dem einfachsten Sportgerät, dem Ball, sei Fussball für alle verständlich, deshalb sei er wohl derart beliebt». Deshalb sei auch jeder Zuschauer prädestiniert, als Bundestrainer zu wirken. Heute verfügt Deutschland immerhin weit über 80 Millionen Bundestrainerinnen und -trainer. Die Lockerheit im Spiel, die Nonchalance am Ball, die Gabe, als Akteur das Spiel zu «lesen» und die Leichtigkeit des fussballerischen Seins sowie die Vollkommenheit als Sportler bewirkten dennoch nicht, dass Franz Beckenbauers Sportler- und Trainerkarriere nicht auch Druck bedeutete. Wie er denn mit diesem Druck umgehe, wurde er einmal gefragt. «Indem ich ihn hinten ablasse», meinte er mit einem verschmitzten, charmanten Lächeln. Mit seinem Humor dürfte mit Franz Beckenbauer der nun wohl prominenteste Münchner im Himmel angekommen sein – wohl etwa so, wie dies schon der Schriftsteller und Satiriker Ludwig Thoma 1911 skizziert und u.a. der Münchner Komiker Karl Valentin grundsätzlich inszeniert hatte.

Das Wundenlecken in der Schweiz nach Emmanuel Macrons Olympia-Coup

causasportnews / Nr. 1098/01/2024, 7. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 7. Januar 2024) Allmählich wird gewahr, wie der Französische Staatspräsident Emmanuel Macron der Schweiz die Olympischen Winterspiele 2030 wegschnappte – oder sich die Schweizer Sport-Funktionärskaste sowie die Sportministerin vom begnadeten Strippenzieher aus dem westlichen Nachbarland übertölpeln liessen (vgl. auch causasportnews vom 1. Dezember 2023).

Vorspiel I: Das Internationale Olympische Komitee (IOK), ein Schweizer Verein mit Sitz in Lausanne, bekundet immer grössere Mühe, um valable und unumstrittene Ausrichter-Destinationen für Olympische Sommer- und Winterspiele zu finden. Mit Blick auf die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2030 wurde der Sitzstaat des IOK, die Schweiz, vom IOK lange Zeit mit allen Mitteln umgarnt und bekniet, die Olympia-Wettkämpfe (dezentral) in der Schweiz auszutragen. Mit Hängen und Würgen erklärten sich die obersten helvetischen Sport-Funktionäre bereit, den Grossanlass 2030 hier durchzuführen. Auch die Schweizer Regierung schaltete die Olympia-Ampeln auf «grün». Die vereinigte Schweizer Sport- und Polit-Prominenz feierte sich und den Olympia-Zuschlag bereits ausgiebig, in Verkennung der Ereignisse, die sich am 15. November 2023 zutrugen und wie sie zum Jahresende 2023 von der Boulevard-Zeitung «Blick» (Sonntags-Blick vom 31. Dezember 2023) nachgezeichnet wurden.

Vorspiel II: An jenem Tag traf Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu einem Staatsbesuch in der Schweiz (!) ein. Die Schweiz fühlte sich ob des französischen Antichambrierens geehrt und huldigte dem Staatsoberhaupt. Man war beste Freunde; der Champagner floss in der Bundeshauptstadt Bern in Strömen. Doch Emmanuel Macrons Besuch hatte vor allem einen Zweck, nachdem die Gelüste der Franzosen auf Olympia auch im Winter nicht mehr verborgen blieben: Die Winterspiele 2030 nach Frankreich zu holen. Man ahnte es – nur die Schweiz glaubte weiterhin an das Gute in den Menschen; und an das Faktum, dass nach der Vergabe der Olympischen Sommerspiele in diesem Jahr an Paris alles in trockenen Tüchern sei.

Hauptakt I: Während Emmanuel Macron anlässlich seines Staatsbesuches vorwiegend in Bern hofiert wurde, begab sich seine Entourage zur gleichen Zeit nach Lausanne, um am Sitz des IOK für Frankreich 2030 zu lobbyieren. IOK-Präsident Thomas Bach und der Französische Staatspräsident waren sich schon vorher grundsätzlich einig geworden, dass die Olympischen Winterspiele 2030 in den französischen Alpen durchzuführen seien.

Hauptakt II: Als die Schweizer Sport- und Politelite auch an jenem 15. November 2023 immer noch vom Zuschlag der Spiele 2030 träumte und dieses Ereignis feierte, platzte am 29. November 2023, zwei Wochen nach dem Staatsbesuch von Emmanuel Macron in der Schweiz, die «Bombe». Aus Paris (!), nicht aus Lausanne, verkündete das IOK, dass Frankreich die Olympischen Winterspiele 2030 austragen könne. Die Schweiz, so das IOK, dürfe aber bezüglich der Winterspiele 2038 in einen «privilegierten Dialog» treten, was bedeutet, dass der Schweiz die Ehre zukommen wird, ernsthaft, gnädigst und beinahe konkurrenzlos mit dem IOK sprechen zu dürfen…

Fazit: Das IOK liess die Schweizer Sport- und Polit-Elite von Olympischen Winterspielen träumen, die eigentlich keine unumstrittene Destination austragen wollte – bis Frankreich, das in punkto Sport im globalen Kontext derzeit alles aufsaugt, was möglich ist, das IOK zu umgarnen begann. Aus welchen Gründen auch immer! Die Schweiz liess sich übertölpeln und erlitt in diesem Olympia-Poker eine schmähliche Niederlage. Die trägen Verbands-Funktionäre und insbesondere eine naive, unbedarfte und beratungs-immune Sportministerin ohne jegliches diplomatisches Geschick, die übrigens in diesem Jahr sogar als Bundespräsidentin amtet, waren den taktischen, ja hinterlistigen Spielen von Emmanuel Macron und Thomas Bach nicht gewachsen. Diesen IOK-Nackenschlag versuchen die geprügelten Verbands-Amateure der helvetischen Sportpolitik nun in einen Sieg umzudeuten, indem sie den «privileged dialogue» mit dem IOK als grosse Errungenschaft darzustellen versuchen. Dass Sport und Politik in der Schweiz trotz dieses «Privilegs» fähig sind, die Winterspiele 2038 in die Schweiz zu holen, glauben wohl lediglich diese selber. Nur weil sie dann in diesem Poker dem gewieften Gegner Emmanuel Macron nicht mehr gegenüberstehen werden, heisst das noch lange nicht, dass «es» mit der Vergabe 2038 klappen wird! Die Realität stirbt zuletzt: Eigentlich hat es die Schweiz aber auch nicht nötig, zum globalen Spielball der Sport-Politik zu werden. Doch diese Erkenntnis geht den federführenden Protagonistinnen und -en in der Schweiz ab. Im Moment ist trotz schönfärberischer Rhetorik insbesondere aus Bern und nach der Umdeutung der Vergabe-Niederlage in einen Sieg ein breitgefächertes Wundenlecken angesagt.

FIFA-Agenten-Regelung auf Eis gelegt

causasportnews / Nr. 1097/01/2024, 4. Januar 2024

Home of FIFA, Zürich, © Ed Coyle

(causasportnews / red. / 4. Januar 2024) War es zuerst nur Pech – und dann fehlte noch das Glück? Oder wurde Gianni Infantinos FIFA schlicht von der Realität eingeholt?- Wie dem auch sei: Zum Jahresende schien der Fussball-Weltverband mit Sitz in Zürich mit seinem Präsidenten von jeglichem juristischen «Fortune» verlassen. Erst torpedierte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Attacken der FIFA gegen die Superliga-Pläne sezessionswilliger Klubs (vgl. auch causasportnews vom 25. Dezember 2023), dann kippte das Französische Verfassungsgericht die Steuererleichterungs-Pläne der Regierung mit Blick auf die Umzugspläne der FIFA und deren Mitarbeitenden nach Paris, und am vorletzten Tag des Jahres mussten sich Gianni Infantino & Co. dem Diktat des Landgerichts Dortmund beugen und die neue, umstrittene Agenten-Regelung auf Eis legen.

Grundsätzlich ist es umstritten, ob die FIFA, ein Schweizer Verein gemäss Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB), überhaupt rechtlich befugt ist, den weltweiten Markt der Spieler-Agenten zu regulieren. Die neuste Regelung, die vom Weltverband im Dezember 2022 erlassen wurde und eine Totalkontrolle der FIFA über das lukrative Fussball-Agenten-Gewerbe bedeutet, wurde im Mai des letzten Jahres von einem Deutschen Gericht, dem Landgericht Dortmund, einstweilen ausser Kraft gesetzt. Der EuGH wird nun wohl nicht so rasch über die Europarechtskonformität der Regelung befinden. Die FIFA sah sich nun veranlasst, die erlassene, für den Weltfussball gültige Regulierung des Spieler-Agenten-Marktes gezwungenermassen freiwillig zurückzunehmen. Dies geschah am 30. Dezember 2023 mit «Zirkular Nr. 1873», der FIFA, das allen 211 Mitglieds-Verbänden (Nationalverbänden) der FIFA zugestellt wurde.

Die FIFA wäre nun nicht die FIFA, um einen Total-Abbruch der nicht nur juristisch unhaltbaren Regelungs-Übung vorzusehen. Beschönigend wird im zitierten Zirkular darauf hingewiesen, dass es neben dem Urteil des Landgerichts Dortmund auch andere Gerichtsinstanzen geben würde, welche die Agenten-Regulierung der FIFA gutgeheissen hätten, so etwa auch das Internationale Sport-Schiedsgericht (Tribunal Arbitral du Sport, TAS) in Lausannen (bezüglich dieser Gerichtsinstanz ist anzumerken, dass die FIFA als Partei kaum je ein Verfahren am TAS verliert – ein Schelm, der Böses denkt). In der Mitteilung bedauert der «Secretary General ad interim» (die einst hoch-gelobte FIFA-Generalsekretärin und Fussball-Quotenfrau Fatma Samoura wurde zum Jahresende 2023 abserviert), dass an diesem Regulierungs-Machwerk zum Schutz der Integrität des Fussballs und eines einwandfreien Funktionierens des globalen Fussball-Transfersystems (sic!) einstweilen nicht festgehalten werde. Einsicht sieht grundsätzlich anders aus.

Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zusammenzureimen, dass dieser Versuch der FIFA, vor allem die wirtschaftlichen Belange des weltweiten Transferwesens mit der umstrittenen Regulierung (eines privaten Vereins) unter Kontrolle zu bringen, einigermassen kläglich gescheitert ist. Das alles hat zweifelsfrei jedoch nicht nur mit fehlendem «Fortune» zu tun…

Nach dem Weihnachts- nun wieder der «Kettensäge-Mann»

causasportnews / Nr. 1096/01/2024, 1. Januar 2024

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(causasportnews / red. / 1. Januar 2024) Nachdem die Weihnachtstage 2023 überstanden sind und sich die Neujahrsfestivitäten dem Ende zuneigen, kann sich die (Sport-)Welt wieder weltlicheren Dingen zuwenden als den Geschichten um Weihnachtsmänner & Co. Etwa dem als «Kettensäge-Mann» bekannt gewordenen, ehemaligen Deutschen Klasse-Torhüter Jens Lehmann. Er ist der Hauptakteur in einem bizarren, nachbarschaftlichen Streit, der sich im Starnberg bei München ereignete und noch Ende des vergangenen Jahres das Amtsgericht des Nobel-Ortes beschäftigte. Die skurrile Geschichte wird nun am Landgericht Starnberg eine Fortsetzung finden.

Es ging um Seesicht, die der heute 54jährige Torwart, der anlässlich der Fussball-WM-Endrunde 2006 den Karriere-Höhepunkt erlebte, zum Täter werden liess: Weil sein Nachbar, nach Auffassung des Ex-Sportlers, ihm mit einer Garagenbaute die Sicht auf den Starnbergersee versperrt hatte und der Streit hierüber unter den involvierten Beteiligten nicht friedlich beigelegt werden konnte, beschädigte offensichtlich Jens Lehmann die störende Garage des 92jährigen Nachbarn Walter Winkelmann mit einer Kettensäge. Die Überwachungskameras hielten den Vorfall weitgehend fest, nämlich, wie der wegen verschiedener Delikte Beschuldigte den Garagenrohbau des Nachbars bestieg und die Motor-Säge an einen Balken ansetzte; die Sägehandlung selbst wurde nicht aufgezeichnet, liess sich aber offenbar vom Gericht nachvollziehen.

Jens Lehmann wähnte sich als Justiz-Opfer, für das Amtsgericht Starnberg gab es offenbar keine Zweifel. Es verurteilte den «Kettensäge-Mann», kurz bevor der Weihnachtsmann das Szepter auch am Sternbergersee übernahm, wegen Sachbeschädigung, Polizisten-Beleidigung und wegen Betrugsversuchs. Es belegte ihn mit einer Geldstrafe von insgesamt 420 000 Euro. Nun hat Staatsanwalt Stefan Kreutzer Berufung gegen das Urteil eingelegt; «nur» eine Geldstrafe findet er zu milde. Vor dem Amtsgericht hatte er einen Schuldspruch gefordert und eine Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung sowie eine Geldauflage von 216 000 Euro beantragt. Der Prozess gegen den nun als «Kettensäge-Mann» abgestempelten Jens Lehmann geht also in die Verlängerung. Noch nicht bekannt geworden ist, ob der Ex-Torhüter ebenfalls in Berufung gehen wird (derzeit gilt für den Beschuldigten die Unschuldsvermutung). Wie dem auch sei. Es scheint eher unwahrscheinlich zu sein, dass der bis dato unbescholtene Top-Sportler aus dieser «Nummer» ungeschoren herauskommt. Die grosse Frage wird auch nach Abschluss dieses Prozesses bleiben, von welchem Teufel Jens Lehmann geritten wurde, als er sich am beschaulichen See in Starnberg in Selbstjustiz mit einer Kettensäge übte.