Archiv für den Monat September 2023

Den Mutigen gehört die (Sport-)Welt – wirklich?

causasportnews / Nr. 1065/09/2023, 29. September 2023

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(causasportnews / red. / 29. September 2023) Die Haltung des globalen Sportes gegenüber Russland, bzw. gegenüber dem, was Russland vor über eineinhalb Jahren angezettelt hat und was immer noch andauert, ist heterogen. Die internationale Sportfunktionärskaste, angeführt von den Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOK), gibt und verhält sich opportunistisch; Sportlerinnen und Sportler möchten die Politik und das Geschehen in der Ukraine ungeschehen machen und ausblenden. Doch nur selten kommen von Sportler(innen)-Seite klare Statements gegen den Angriffskrieg, der sobald nicht vorbei sein wird, vor allem, solange die Kriegstreiber vom Kreml aus wüten.

Für eine Ausnahme sorgt nun der bei den Calgary Flames spielende Eishockey-Professional Nikita Zadorow, der seit über zehn Jahren im kanadischen Eishockey tätig ist. In einem weltweit verbreiteten Video-Interview mit dem russisch-deutschen Journalisten Juri Dud spricht der 28jährige Klartext und tritt in aller Schärfe den Verantwortlichen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges entgegen. Seine kernigen Aussagen lassen aufhorchen. Der amtierende Präsident habe durch seine Tat die ganze Wirtschaft zurückgeworfen. Anstatt die Jungen wirtschaftlich, politisch, kulturell und sportlich zu fördern, werde die junge Generation in den Tod geschickt. Perspektiven ortet der Eishockey-Star in seiner Heimat keine mehr: Wer Perspektiven haben möchte, müsse dieses Land verlassen. Er wehrt sich auch gegen die Staatspropaganda und das Fernsehen («man sollte überhaupt keine Fernsehen schauen»), das die Massen manipuliere. Nikita Zadorow hofft, dass die Putin-Ära baldmöglichst zu Ende gehen möge. Ohne den Abgang des Sowjet-Herrschers sei an eine starke Wirtschaft in Russland nicht zu denken; die Kleptokratie (Herrschaftsform, in der sich einige wenige bereichern) verhindere jede Demokratie, die es herzustellen und dann zu bewahren gelte.

Auch wenn der Eishockey-Star, der bis jetzt in Kanada gesamthaft über 20 Millionen Dollar verdient hat, seine Stimme gegen das kriegerische Russland von Übersee und aus dem friedlichen und sicheren Kanada aus erhebt, kann bei ihm von mutigen Äusserungen gesprochen werden. Nach seinen ungeschminkten Worten wird er sich in seinem Heimatland, das er seit Kriegsausbruch nicht mehr besucht hat, nicht mehr zeigen können. Mit seiner Familie in Russland, die den Krieg gutheisst, hat er gebrochen. Sich gegen den Krieg und das Regime in Moskau zu wenden, erfordert in jedem Fall Mut. Mit seinem aktuellen Auftritt und seinen pointierten Äusserungen gegen den Krieg und die Kriegstreiber will er auch anderen Sportlerinnen und Sportlern Mut machen, sich gegen das enthemmte Land im Kriegsrausch zu stemmen. Er ist überzeugt, dass den Mutigen die (Sport-)Welt gehört. Ob dem so ist, ist allerdings im Moment aufgrund der Situation in der Ukraine wohl eher fraglich. Dazu braucht es wohl mehr Verteidiger von Demokratie, Recht, Verfechter der Menschenrechte und Gerechtigkeit vom Schlag des ausserhalb Russlands erfolgreichen, aktiven Eishockey-Verteidigers Nikita Zadorow.

Millionäre in kurzen Hosen und die Sache mit dem Arbeitsrecht

causasportnews / Nr. 1064/09/2023, 27. September 2023

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(causasportnews / red. / 27. September 2023) Mit schöner Regelmässigkeit wird vor allem im professionellen Fussballsport die Frage in den Raum gestellt, wie es sich bei Berufs-Fussballspielern mit dem Arbeitsrecht verhält. Diese Fragestellung ist im Grundsatz berechtigt, zumal etwa in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich die Meinung vorherrscht, derartige (Mannschafts-)Sportler (und Sportlerinnen) seien Arbeitnehmer und in ihren Ländern und Wirkungsbereichen dem Arbeitsrecht unterstellt. Anerkannt wird aber auch weitgehend, dass es sich bei Fussballspielern im professionellen Sport um atypische Arbeitnehmer handelt, was an sich evident ist; derartige Berufssportler können beispielsweise nicht mit Bergwerkarbeitern, sofern es sie noch gibt, gleichgesetzt werden. Vor allem die Schutzrechte im Rahmen des Arbeitsrechts sind bei Fussballspielern, im Vergleich zu Bergwerkarbeitern, wohl nicht dieselben. Oder anders: Die Millionäre in kurzen Hosen müssen auf den Aktivitäts-Ebenen und bezüglich der pekuniären Aspekte nicht gleich geschützt werden wie andere Arbeitnehmer. Wobei hier gleich eine Einschränkung zu machen ist, nämlich dergestalt, dass nicht jeder Professional-Fussballspieler auch Millionär ist.

Die Atypizität der Mannschafts-Sportler als Arbeitnehmer impliziert wohl, dass das Arbeitsrecht zwar generell, aber nicht talis qualis, auf diese Rechtsverhältnisse im Mannschaftssport anzuwenden ist. Letztlich kommt es wohl drauf an, welche arbeitsrechtlichen Normen geeignet sind, im Rahmen sportlicher Berufsausübung zum Zuge zu kommen. Seit einem Urteil des Deutschen Bundesarbeitsgerichts steht die Fussball-Arbeitswelt Kopf. Das Gericht in Erfurt erkannte grundsätzlich, dass Arbeitgeber, dazu gehören auch Fussball-Klubs, die tägliche Arbeitszeit ihrer angestellten Fussballspieler zu erfassen hätten. Dass nun Unsicherheit darüber herrscht, was hier unter den Begriff «Arbeitszeit» zu subsumieren ist, war zu erwarten. Muss also der Fussball-Professional während eines Spiels die Stechuhr betätigen? Gehört das Duschen nach getaner Arbeit (Spiel oder Training) zur Arbeitszeit? Fällt darunter auch die Reisezeit zu einem Auswärtsspiel? Liefert der Spieler auf der Reservebank Arbeit ab? Et cetera.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen, die geeignet sind, im Sport-Betrieb angewendet zu werden, sollen auch entsprechend zur Anwendung kommen. Anzuwenden ist, was kohärent ist und Sinn macht. Womit wohl wieder einmal eine neue, juristische Theorie, die «Kohärenztheorie» aus der richterlichen Perücke gezaubert wäre. Diese und anderweitige Unsicherheiten im Arbeitsvertragsrecht von Fussball-Professionals lassen sich weitgehend durch adäquate Vertragsgestaltung regeln, wobei dann natürlich wieder ab und zu der Einwand kommen dürfte, diese oder jene Regelungen würden gegen zwingende Arbeitsrechtsbestimmungen verstossen. Eine zweifelsfrei wichtige und praxisrelevante Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht übrigens vor geraumer Zeit gefällt, nämlich, dass die Befristungen von Arbeitsvertragsverhältnissen im Mannschaftssport zulässig sei.

11 000 Marathon-Betrüger und noch mehr Zeitungsenten

causasportnews / Nr. 1063/09/2023, 25. September 2023

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(causasportnews / red. / 25. September 2023) Am 27. August wurde der diesjährige, legendäre Mexiko-Marathon ausgetragen. Rund 32 000 Läuferinnen und Läufer nahmen gemäss offiziellen oder offiziösen Angaben an diesem Lauf teil. Die traditionelle Veranstaltung hatte es besonders diesmal in sich: Der Laufwettbewerb sorgte nicht etwa wegen des Siegers für Schlagzeilen, sondern, weil mehr als ein Drittel der Teilnehmenden (11 000) betrogen haben soll. Da ein Marathon-Lauf von über 42 Kilometern nicht nichts ist, sollen 11 000 der 32 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgekürzt unterwegs gewesen sein. Die Folge sei die Disqualifikation von demnach mehr als einem Drittel des Startfeldes gewesen – so vermeldeten es die Medien rund um den Globus, nachdem die grösste spanische Sportzeitung «Marca» diesen «Primeur» (in der Mediensprache auch «Scoop», Exklusivmeldung, genannt; eine Veröffentlichung, die von einem Medium zuerst und erstmals aufgegriffen worden ist) vermeldet hatte. Die Marathon-Geschichte von Mexiko verursache auf der ganzen Welt Kopfschütteln, Konsternation und Ungläubigkeit. Seit Kurzem ist es allerdings klar: Die Geschichte aus Mexiko war nichts anderes als ein «Fake» (gemäss Donald Trump kultiviert). Der reale Sachverhalt wurde klar, nachdem sich die Organisatoren des Marathons nach der Veröffentlichung der originären Zeitungsente auf allen Kontinenten verpflichtet sahen, den wahren Sachverhalt abzuklären und entsprechend zu kommunizieren. Dieser ergab, dass es beim Lauf zwar Streckenbetrügereien gab, diese sich allerdings im Quantitativen im üblichen Rahmen bewegten (was dennoch erschreckend ist). Nach eingehenden Abklärungen wurde klar, dass der kursierende Zahlensalat rund um diese Sportveranstaltung nicht nur die vermeldete Betrügerquote betraf: So stimmte die anfangs verbreitete Meldung nicht, es hätten am Marathon 32 000 Läuferinnen und Läufer teilgenommen; angemeldet hatten sich exakt 28 410 Personen, und am Start fanden sich 25 517 Athletinnen und Athleten ein. Ins Ziel kamen 21 504 Läuferinnen und Läufer; 1807 Teilnehmende hatten geschummelt, also die Laufstrecke abgekürzt (Quelle u.a.: Sonntags-Zeitung Zürich vom 17. September 2023 – das Zahlenmaterial muss als ungesichert qualifiziert werden). Aber, ob 11 000 am Marathon betrogen haben oder knapp 2 000 ist dennoch ein kleiner Unterschied. Oder: «faker» geht kaum mehr.

Die Zeitungsente wurde, nachdem sie in praktisch allen Medien der Welt verbreitet wurde, wiederum vom Urheber-Medium «Marca», der grössten Sportzeitung in Spanien, selber beschönigend relativiert und der Sachverhalt berichtigt. Seither weiss die Welt, was am Mexiko-Marathon 2023 wirklich geschah. Man darf sich nun mit Fug und Recht fragen, wie es sich eigentlich um den Formstand der Sport-Medien verhält. Ist der Sportteil in einer Zeitung noch ein Informationsgewinn oder kann getrost auf ihn verzichtet werden? Ja, der Sportteil in der Zeitung hat ausgedient, heisst es bei der «New York Times», welche soeben ihr Sportressort aufgelöst hat. Der Unmut der «Times»-Leserinnen und Leser soll sich deswegen in Grenzen halten. Die «Times» wurde natürlich auch nicht wegen des Sport-Teils gelesen. Blätter, die sich zufolge anderer Gewichtungen (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) verkaufen, haben es immer schwieriger mit Blick auf die Sport-Berichterstattung. Wie sagte es ein Urgestein der Sport-Berichterstattung bei der «Neuen Zürcher Zeitung» («NZZ»), Sportchef Felix Reidhaar (gest. 2008), einmal und bevor die digitale Welle die Welt so richtig erfasst hatte: «Der Sportteil der NZZ hat nur dann eine Chance, wenn er für die Leserschaft zwingend ist.». Es sei hier offen gelassen, ob das Blatt heute noch dieser Vorgabe gerecht wird.

Wie wäre es also, wenn die «NZZ» oder etwa auch die «FAZ» oder andere Medienerzeugnisse auf dieser Ebene auf die gedruckten Sport-Seiten verzichtet würden? Wahrscheinlich würde das die stets kleiner werdende Leserschaft dieser Blätter verschmerzen. So, wie die «New York Times» den Takt vorgibt. Was in den Sportteilen der Zeitungen veröffentlicht wird, gehört nach Meinung der New Yorker Verleger schlicht nicht mehr zur zwingenden Zeitungslektüre. Die Sportresultate und die Fakten zum Sport lassen sich online aktueller und schneller konsumieren; Analysen, Hintergrundreportagen, seichte Storys und Räubergeschichten zum Sport interessieren kaum mehr jemanden. Dieser Entwicklung folgend hat die «Times» die Sportberichterstattung an die Website «The Athletic» ausgelagert. So und ähnlich scheint die publizistische Zukunft zu sein, solange es überhaupt noch Print-Medien gibt.

Verfahren gegen Jérôme Boateng geht in eine weitere «Verlängerung»

causasportnews / Nr.1062/09/2023, 23. September 2023

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(causasportnews / red. / 23. September 2023) Ziemlich rüde ging es offenbar anlässlich eines Karibik-Urlaubs zwischen dem Fussball-Star Jérôme Boateng und dessen damaliger Freundin zu und her. Die Folge dieses zumindest teilweise eher unharmonischen Zusammenseins beschäftigt seit einiger Zeit die Gerichte in Bayern, wo der Weltmeister von 2014 damals spielte (während zehn Jahren beim FC Bayern-München; vgl. auch causasportnews vom 8. November 2022). Nun hat der 35jährige, derzeit vereinslose Spieler am Obersten Bayerischen Landesgericht soeben einen juristischen Achtungserfolg erzielt: Die Verurteilung des Fussball-Stars im fortgeschrittenen Alter, der wegen Körperverletzung und Beleidigung von zwei Gerichten in Bayern schuldig gesprochen und zuletzt mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 000 Euro (was 1,2 Millionen Euro ausmacht) belegt wurde, ist aufgehoben worden. Jérôme Boateng kann nun (nochmals) versuchen, das Verdikt am Landgericht München I korrigieren zu lassen. Grund für die Aufhebung des Urteils durch das höchste ordentliche Gericht im Freistaat Bayern war das Verhalten des urteilenden Richters der Vorinstanz (Berufungsverfahren). Dieser zeigte sich während der Verhandlung gegen den Fussballspieler, der nach zwei Vertragsjahren zuletzt bei Olympique Lyon nun einen neuen Arbeitgeber sucht, ziemlich genervt. Er rügte den Beschuldigten bzw. die Verteidigung des Beschuldigten, das Verfahren mit immer neuen Anträgen zu verzögern. Zudem stellte er eine Strafverschärfung wegen dieses Verhaltens in Aussicht, falls es zu einem Schuldspruch kommen würde. Der Schuldspruch wurde Tatsache; ob sich die «Drohung» des Richters auf das Strafmass auswirkte, ist nicht bekannt. Schon die Umstände des richterlichen Verhaltens, das der Verteidiger des Innenverteidigers als «erschütternd unfair» bezeichnete, genügten jedoch, um das Urteil aufzuheben und eine neue Durchführung des Prozesses anzuordnen.

Der Ausgang der nächsten, vierten Prozessrunde in der «Strafsache Jérôme Boateng» am Landgericht München I, die wohl erst im kommenden Jahr stattfinden wird, ist völlig ungewiss und auch offen. Zwar belässt das durch zwei Instanzen gefällte Urteil (Schuldspruch des Spielers) wohl nicht allzu grosse Hoffnungen für einen Freispruch. Aber immerhin bekommt Jérôme Boateng, für den nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, eine vierte Chance zur Resultatkorrektur in dieser juristischen «Verlängerung».

Gewaltige Umsätze bei illegalen Online-Geldspielen

causasportnews / Nr. 1061/09/2023, 21. September 2023

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(causasportnews / red. / 21. September 2023) In den undurchsichtigen Gefilden des Internets gibt es praktisch keine Tabus. So verwundert es auch nicht, was nun im Raum Zürich geschehen ist: Seit ein paar Tagen sitzen fünf Männer, vier Schweizer und ein Angehöriger türkischer Nationalität, in Untersuchungshaft, denen vorgeworfen wird, seit einigen Jahren illegale Online-Geldspiele, darunter auch Sportwetten, angeboten zu haben. Diese Tatsache an sich erschüttert die Konsum-Welt noch nicht; aufhorchen lässt aber die Intensität und die Quantität, mit denen dieses verbotene Gewerbe betrieben wird. Die Beschuldigten und Inhaftierten sollen Wetten im dreistelligen Millionenbetrag organisiert haben. Die genauen Umsatzzahlen lassen sich im Moment offenbar nicht beziffern. Der dreistellige Millionenbetrag kann sich also zwischen 100 Millionen und 999 Millionen Franken bewegen. Seit 2019 ermitteln die zuständigen Staatsanwaltschaften gegen die nun inhaftierten Männer, die sich wohl dereinst wegen gewerbsmässigen, illegalen Glücksspielen und zudem wahrscheinlich wegen Geldwäscherei werden verantworten müssen. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Quintetts soll in der Türkei liegen. Verwendet worden ist bei den Spielen offensichtlich auch das als einigermassen undurchsichtig qualifizierte Bezahlsystem «AntePay». Damit wurde aber immerhin während zwei Jahren auf den Spieler-Trikots des FC Zürich geworben. Noch nicht bekannt ist, in welchen Dimensionen sich die Aktivitäten der Bande im Sportwetten-Bereich bewegten. Ebenso unklar ist derzeit, ob es im Zusammenhang mit solchen illegalen Sportwetten auch zu Manipulationen bei sportlichen Wettbewerben gekommen ist. Bis jetzt existieren mit Blick auf die Verhaftungsaktion der fünf Männer keinerlei Anzeichen, dass mit Blick auf im Internet angebotene Sportwetten Spiel- und Wettbewerbsmanipulationen bemerkt worden wären. Die laufenden Ermittlungen werden wohl auch über diesen Punkt Aufschluss geben. Bei Durchsuchungen nach den Verhaftungen sollen diverse Sicherstellungen gemacht worden sein. Nach erfolgter Auswertung des sichergestellten Materials dürften einige der im Moment offenen Fragen geklärt werden.

Kuss-Sensation im Radsport

causasportnews / Nr. 1060/09/2023, 19. September 2023

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(causasportnews / red. / 19. September 2023) Mit den Küssen im Sport ist es so eine Sache. Obwohl der Spanische Fussball-Verbandpräsident Luis Rubiales nach seiner Kuss-Attacke anlässlich der Pokalübergabe an seine siegreichen Weltmeisterinnen zwischenzeitlich zurückgetreten ist, schwelt der Konflikt weiter. Die besten Spanischen Spielerinnen bestreiken die Nationalmannschaft und fordern weitere Rücktritte im Spanischen Verband. Die Frauen treten geschlossen und entschlossen gegen die Macho-Kultur in der Spanischen Funktionärskaste an. Der Kuss von Sydney hat mehr als eine Grundsatzdebatte in Spanien ausgelöst. Die Frauen treten nun geradezu militant gegen das ihrer Meinung nach frauen-diskriminierende, spanische System an. Derweil hat ein Richter dem Kuss-Täter Luis Rubiales zwischenzeitlich verboten, sich dem Kuss-Opfer von Sydney, Jennifer Hermoso, näher zu kommen als 200 Meter; offensichtlich wird dem Ex-Präsidenten zugetraut, dass er seine Kuss-Attacke wiederholen könnte.

Aktuell hat auch der Radsport einen «Kuss-Vorgang», wenn auch in anderem, positiven Zusammenhang. In der zu Ende gegangenen «Vuelta» (Spanien-Rundfahrt) ereignete sich in der Tat eine Velo-Sensation, die ihresgleichen sucht: Der 29jährige Amerikaner Sepp Kuss gewann die prestige-trächtige Rundfahrt, obwohl er im holländischen Team «Jumbo-Visma» üblicherweise und bestenfalls Edeldomestike ist. Aufgrund einer speziellen Rennkonstellation eroberte sich der Helfer im derzeit besten Radteam der Welt, der an sich dafür vorgesehen war, seine Team-Leader Jonas Vingegaard und Primos Roglic zum Sieg in der Vuelta zu führen, während der Rundfahrt in Spanien das Leader-Trikot und gab dieses nicht mehr ab. Der Amerikaner rettete gesamthaft einen 17 Sekunden-Vorsprung ins Ziel, das er am Schluss des Rennens als Erster vor seinem Team-Kollegen Jonas Vingegaard und 68 Sekunden vor Primoz Roglic erreichte. Drei Fahrer aus dem gleichen Team am Schluss der Vuelta auf den Plätzen 1 bis 3. Sepp Kuss als Team-Helfer liess die beiden Top-Fahrer aus Dänemark und Slowenien hinter sich. Die Radsport-Welt verneigt sich vor dem bescheidenen Amerikaner, der seine Chance packte, um eine Sensation zu schaffen; und vor den Top-Fahrern Jonas Vingegaard und Primoz Roglic, welche ihrem Helfer den Sieg letztlich gentlemanlike überliessen. Ein Kuss-Erfolg also einmal anders. Und das auf Spaniens Boden…

Die «Kölner Keller-Kinder» und die sportlich-/wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten

causasportnews / Nr. 1059/09/2023, 18. September 2023

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(causasportnews / red. / 18. September 2023) In Fussball-Deutschland herrscht wieder Normal-Zustand, oder, wie man es auch elegant sagen könnte: courant normal. Die Bundesliga gehört zu den bedeutendsten Ligen der Welt, und derzeit zieht sie alles und alle in ihren Bann. Die Kardinalfrage im Deutschen Liga-Geschäft lautet natürlich, ob es in der laufenden Saison 2023/24 einer Mannschaft gelingen wird, den FC Bayern-München am erneuten Titelgewinn zu hindern. Die Konkurrenz, es sind dies die üblichen «Verdächtigen», unternimmt alles, um die Dominanz der Mannschaft von Thomas Tuchel zu brechen. Viele Klubs haben allerdings nicht nur den Meister-Titel im Fokus, es gibt Mannschaften, die sich auf andere Weise im Liga-Business und vielleicht dann doch dereinst auch «europäisch» behaupten wollen, etwa der 1. FC Köln.

Hier wirkt seit kurzer Zeit ein Mann, der angetreten ist, um den Mythen umrankten «Karnevalsverein» in höhere Sphären zu führen, und zwar auf vernünftige Art und Weise, soweit das im Fussball überhaupt möglich ist. Die Rede ist hier nicht von Trainer Steffen Baumgart, sondern von Geschäftsführer Christian Keller, der seit kurzer Zeit in Köln wirkt und bestrebt ist, die sportlichen und wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten des Fussballs in Einklang zu bringen; das wird auch Fussball-Wirtschafts-Balance genannt. Selbstverständlich funktioniert das nur, wenn sich der sportliche Erfolg einstellt. Aktuell sieht das im 1. FC Köln gerade nicht danach aus. Nach vier Spieltagen in der laufenden Meisterschaft haben die «Geissböcke», wie die Kölner auch genannt werden, lediglich einen Punkt auf dem Konto. Der Sport-Direktor ist also gefordert, wenn er die Erkenntnisse seiner Doktorarbeit «Steuerung von Fussballunternehmen. Finanziellen und sportlichen Erfolg langfristig gestalten» in die Realität umsetzen will. Für CHF 69.90 oder etwa für den gleichen Betrag in Euro kann in der Doktorarbeit (zu beziehen im Erich Schmidt Verlag in Berlin) des Kölner Fussball-Managers nachgelesen werden, wie Christian Keller seinen Thesen Fussball-Realität einhauchen will. Was der Sport-Direktor bei seiner Arbeit in Köln erschwerend zu berücksichtigen hat, ist der Umstand, dass er seine Dissertation vor fast 15 Jahren verfasst hat; seither hat sich auch im Bundesliga-Fussball einiges verändert. Das ist aber wohl nicht der Grund, dass der Bundesliga-Auftakt 23/24 in Köln unter Sportdirektor Christian Keller massiv versiebt worden ist und die Liga teilweise von den «Kölner Keller-Kindern» spricht.

Jedenfalls spürt der 46jährige Fussball-Manager mit Doktortitel, dass das Bonmot vom Geld, das keine Tore schiesst, nur bedingt zutrifft. Ohne geeignetes Spielermaterial, das seinen Preis hat, geht wenig oder auch nichts. Die Balance zwischen sportlichem Erfolg und wirtschaftlichem Reüssieren zu finden ist nicht leicht. Christian Keller agiert durchaus liga-konform im Transfer-Geschäft. Er bekommt aber auch die unerfreulichen Seiten bei Spieler-Akquisitionen zu spüren. Im Moment hängt über dem 1. FC Köln ein Verbands-Damoklesschwert: Der Internationale Fussballverband (FIFA) hat den Klub mit einer Transfersperre belegt, weil dieser (vor der Ära Christian Keller) einen Spieler zum Vertragsbruch angestiftet haben soll, um diesen dann selber zu verpflichten. Das Internationale Sport-Schiedsgericht (TAS; Tribunal Arbitral du Sport) in Lausanne hat das harte FIFA-Verdikt gegen die Kölner einstweilen ausgesetzt (vgl. causasportnews vom 13. Juni 2023), aber die Folgen wären wohl verheerend, wenn der Transfer-Bann letztlich umgesetzt würde.

Christian Keller darf sich gar nicht ausmalen, wie eine derartige Verbands-Sanktion, die zweifelsfrei als unverhältnismässig und juristisch als unhaltbar qualifiziert werden dürfte, letztlich wirken könnte. Die Fussball-Kardinalfrage, die sich auch Christian Keller immer wieder stellt («da ist zuviel Geld im System», vgl. etwa Der Spiegel, 36/2023), ob Geld nun Tore schiesst oder nicht, wäre dann obsolet.

Ein Sieg zur Stärkung des «Wir-Gefühls»

causasportnews / Nr. 1058 /09/2023, 13. September 2023

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(causasportnews / red. / 13. September 2023) Für viele Personengruppen ist das «Wir-Gefühl» derart wichtig, dass das Leben ohne diese Empfindung zwar möglich, aber weitgehend sinnlos wäre; so würde es wohl Loriot, mit bürgerlichem Namen Viktor von Bülow, interpretieren. Das alles erleben wir nun ausgeprägt bei unseren Deutschen Freundinnen und Freunden. Es ist fast legendär: Sogar die oft und immer wieder gescholtene katholische Kirche dient der Stärkung des «Wir-Gefühls»; so etwa, wenn ein Deutscher zum Papst gewählt wird. Das geschah zuletzt und erstmals am 19. April 2005, als Kardinal Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. wurde und die BILD-Zeitung am Folgetag titelte: «Wir sind Papst!» (gendergerecht würde es heute wohl heissen: «Wir sind Papst/Päpstin»).

Identifikation mit Siegern stärken das Wir-Gefühl. Der Beweis hierfür lieferte Deutschland am vergangenen Wochenende, an einem strahlend schönen Sonntag, als Hansi Flick als Bundestrainer der Fussballspieler von seinem Amt entbunden und die germanischen Basketballer Weltmeister wurden. Der historische, erste WM-Titel, der gegen Serbien erspielt wurde, war präjudiziell für die Abfolge der ARD-«Tagesschau» am Sonntagabend, die seit Jahrzehnten jeweils um 20 Uhr den Tages-Höhepunkt bildet. «The winner takes it all» – so wurde der Basketball-WM-Titel in epischer Breite in der knapp 15 Minuten dauernden «Tagesschau» an erster Stelle abgearbeitet und abgefeiert. Basketball – kaum jemanden interessiert diese Sportart und kaum jemand in Deutschland ist in der Lage, aktuell auch nur zwei Spieler der siegreichen Korbwerfer zu nennen. Aber ein WM-Titel auch in einer Randsportart ist trotz allem dazu angetan, das nationale «Wir-Gefühl» zu stärken. Basketball wie Fussball also, der Deutschen, im Land der Dichter, Denker und Biathletinnen sowie Biathleten, liebstes Kind? Natürlich nicht. Aber immerhin, das «Strohhalm-Prinzip» weist Aufbau-Potential auf. Erst an zweiter Stelle folgte in der «Tagesschau» am letzten Sonntagabend in der gebotenen Kürze die Meldung zur Absetzung von Bundestrainer Hansi Flick. Die Reihenfolge der Meldungen war an diesem Sonntagabend vorgegeben, nachdem die BILD-Zeitung, das Zentralorgan aller Menschen mit unverrückbar hochstehender moralischer Einstellung in Deutschland, am Morgen bezüglich des Bundestrainers den Daumen nach unten gerichtet hatte – das Ende für Hansi Flick. Fussball-Deutschland, die Nation mit geschätzten und gefühlten mehr als 80 Millionen Fussball-Sachverständigen nun also ohne Bundestrainer und gemäss Selbstreflexionen nicht nur im Sport am Boden; wahrlich kein Kick für das germanische «Wir-Gefühl». Aber immerhin ein Sieg danach gegen Frankreich. Es geht sogar ohne Bundestrainer.

Apropos Papst und Sport: Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche verfügt trotz aller Unkenrufe über einen Beachtungsgrad, wie ein Pop- oder eben ein Sport-Star. Entsprechend funktioniert der moderne Journalismus. Gibt es keine Gründe, gegen den Weltfussball vom Leder zu ziehen, gibt es die Kirche, welche immer für eine Schlagzeile gut, bzw. schlecht ist. Gegen die FIFA oder die Kirche zu wettern garantiert Schlagzeilen zuhauf. Nachdem die FIFA zum Verwaltungs-Apparat verkommen ist und seit geraumer Zeit skandalfrei und eh ohne Glamour daherkommt, bewegt nun die Kirche, wie aktuell wieder, mit neu aufgebrachten Missbrauchsfällen, Zölibats-Diskussionen und Kirchen-Austritten. Alles, was den menschlichen Körper vom Bauchnabel abwärts betrifft, ist von besonderem Interesse.

In dieser Situation täte, nicht nur zur Stärkung des «Wir-Gefühls», erneut ein Deutscher Papst (Päpstin) unseren nördlichen Nachbarn und der Welt gut. Geht aber wohl nicht in absehbarer Zeit. Aber immerhin: «Wir waren Papst» – auch darauf lässt sich aufbauen mit Blick zumindest auf die Sicherung des «Wir-Gefühls».

Ein Kuss bestätigt die «Schmetterlingstheorie»

causasportnews / Nr. 1057/09/2023, 11. September 2023

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(causasportnews / red. / 11. September 2023) Kann ein Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen? Ja, so ist es, wenn man der berühmten «Schmetterlingstheorie» Glauben schenken will. Kann aber auch ein Kuss einen Glaubenskrieg entfesseln oder gängige Moralvorstellungen und Weltanschauungen in einem bedeutenden Fussball-Land zumindest ins Wanken bringen? Oder eine Nation sogar spalten? – Auch das ist wohl nach dieser Theorie möglich.

Er wird wohl zum «Kuss des Jahres», den der Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF) «seiner» siegreichen Spielern Jennifer Hermoso am 20. August 2023 nach dem Finalsieg der Spanierinnen zumindest ungestüm appliziert hat. Auf den Mund, ohne jegliches Einverständnis seitens der Spielerin und ohne jeglichen Rechtfertigungsgrund. Seither ist nicht nur die globale Fussballwelt aufgewühlt. Es ist klar, dass so etwas nicht geht. Doch ist, bzw. war der Vorgang dazu angetan, Luis Rubiales abzuschiessen? Es haben sich zwischenzeitlich zwei Lager formiert: Die Gegner der Aktion des Verbandspräsidenten, die seinen Kopf fordern; und die Verfechter der Verhältnismässigkeit, welche sich im für den Präsidenten schlechtesten Fall für eine angemessene, sprich milde Sanktionierung für die «Kuss-Attacke» stark mach(t)en. Praktisch die ganze Weltöffentlichkeit fühlt sich seit dem Spanierinnen-Sieg in Australien berufen, sich hier einzubringen. Der Welt-Fussballverband FIFA hat den 46jährigen Spanier auf Druck schon einmal von der Ausübung seiner Funktionärs-Aktivitäten suspendiert. Offenbar nicht ganz freiwillig hat die beküsste Spielerin kürzlich den in ihren Augen übergriffigen Funktionär angezeigt und damit die strafrechtliche Ebene beschritten. Video-Bilder zeigen allerdings, dass sich Jennifer Hermoso nach dem emotionalen Ausbruch von Luis Rubiales nach dem Finalspiel in Sydney nicht wahnsinnig über den präsidialen Kuss echauffiert hatte. Die zuständige oder nicht zuständige Staatsanwaltschaft in Spanien («Tatort» war Australien) ermittelt nun wegen des möglichen, teils behaupteten sexuellen Übergriffs. Die Kernfrage wird sein: War der Kuss sexuell und/oder macho-mässig und/oder rein emotional motiviert? Nun hat sich die Situation im Hauptpunkt geklärt. Verbandspräsident Luis Rubiales ist per sofort zurückgetreten, auch als Vize-Präsident des Kontinentalverbandes UEFA. Der Druck auf ihn, der sich auch starrsinnig und uneinsichtig zeigte, wurde zu gross. Die «Kuss-Attacke» von Sydney, die sich zum Tornado entwickelte, hat sich «Schmetterling-theoretisch» bestätigt.

Die «Causa Rubiales (Täter) / Hermoso (Opfer)» hatte die individuell-konkrete Sphäre des Geschehens längst verlassen. Der Vorgang wies immer mehr generell-abstrakte Züge auf. Je länger die Affäre andauerte, desto vordergründiger stand die Frage im Raum, ob Spanien grundsätzlich ein Macho-Land sei. Zudem, ob in der Fussball-Welt, in dem sich z.B. Funktionäre (vor allem gegenüber Frauen) offenbar alles (oder einiges) erlauben dürfen, die Machokultur gesellschaftlich prävaliert. Wie verhält es sich zudem mit dem Status der (vermeintlich?) emanzipierten, spanischen Gesellschaft? Die Grundsatzfrage, die auch nach dem Rücktritt des Verbandspräsidenten weiterhin im Raum stehen wird, lautet schlicht: Wie weit dürfen Spaniens Machos gehen? In dem erfolgsverwöhnten Fussball-Land werden die Verhaltens-Massstäbe in derartigen Dingen wohl immer noch etwas salopper angelegt als anderswo. Der «Fall Luis Rubiales» ist zwar nun in einer ersten Phase abgeschlossen. Der entfesselte Tornado hat dem Präsidenten keine andere Wahl mehr gelassen, als zurückzutreten. Von Tornados ereilt werden nicht immer die «Richtigen»; sie sind immer «ungerecht». Es wird sich weisen, ob es in dieser Angelegenheit zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen wird. Falls nicht, wird die Diskussion wohl endlos weitergeführt werden (müssen). Der Umstand, dass sich der Verbandspräsident anlässlich des Finalspiels in Sydney auch noch in den Schritt gegriffen hatte, dürfte bei der Beurteilung des Verschuldens, der Vorwerfbarkeit, nicht allzu schwer wiegen; so etwas (mit zusätzlicher «Geruchskontrolle») hatte der damalige Deutsche Bundestrainer Joachim Löw 2016 schliesslich auch unbeschadet überstanden (wenn auch die Intuitionen der beiden Funktionäre bei ihren Aktionen offensichtlich nicht dieselben waren).

Asienspiele ohne Russland und Weissrussland

causasportnews / Nr. 1056/09/2023, 7. September 2023

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(causasportnews / red. / 7. September 2023) Es entspricht einer notorischen Tatsache, dass sich das Internationale Olympische Komitee (IOK) schwer tut, Sportlerinnen und Sportler aus den Kriegstreiber-Ländern Russland und Weissrussland vom internationalen Sport fernzuhalten. Insbesondere der IOK-Präsident Thomas Bach (Deutschland) gilt als wankelmütiger Opportunist in der Frage, wie in sportlicher Hinsicht mit den Schurkenstaaten Russland und dem Russland-Steigbügelhalter Weissrussland umzugehen sei. Die Meldung, welche vor ein paar Tagen verbreitet wurde, erregte deshalb Aufsehen: Die Asienspiele, die vom 23. September 2023 bis zum 8. Oktober 2023 in der Chinesischen Stadt Hangzhou stattfinden werden, erfolgen ohne russische und weissrussisch Beteiligungen! Zuvor hatte der Olympische Rat Asiens (OCA) noch entschieden, Athletinnen und Athleten beider Länder als neutrale Teilnehmer des Multisport-Events antreten zu lassen. Nun verlautete aus Lausanne, dem Sitz des IOK, dass die Sportlerinnen und Sportler der beiden Länder in China nicht teilnehmen könnten. Wahrscheinlich fürchtet das IOK als oberster Schirmherr der Spiele, Nachteile, etwa mit Blick auf Sponsoringerträge und der Werbeindustrie. Viele Unternehmen und Weltkonzern wollen sich bei grossen Sportanlässen nicht in irgendeinem Zusammenhang mit Russland und Weissrussland positionieren. Zudem ist China als Austragungsort von Sportveranstaltungen alles andere als unproblematisch. Die Teilnahme-Entwicklung und der Ausschluss des russischen und des weissrussischen Sportes mit Bezug auf die diesjährigen Asienspiele lassen erahnen, in welche Zwickmühle das IOK etwa mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr in Paris geraten könnte. Frankreich lehnt die Teilnahme russischer und weissrussischer Athletinnen und Athleten ab, das IOK gebärdet sich tendenziell wankelmütig und willfährig.

Nicht nur die ukrainische Propaganda befeuert die Bestrebungen mit Blick auf den Ausschluss Russlands und Weissrussland vom globalen Sport – aber auch. So sind Zahlen genannt worden, mit denen die Grausamkeit vor allem Russlands in diesem Krieg untermauert werden soll: Nicht zu erhärten ist selbstverständlich, wieviele Sportlerinnen und Sportler aus der Ukraine in dieser von den Russen angerichteten Tragödie bisher ums Leben gekommen sind. Im Frühjahr gab das Sportministerium der Ukraine bekannt, seit Beginn des Angriffskrieges seien 287 Sportlerinnen, Sportler und Trainer getötet worden. Viele von ihnen überlebten als Angehörige der ukrainischen Armee das Grauen nicht. Dass zudem gegen 350 Sportstätten in der Ukraine zerstört wurden, verschlimmert das Bild des Schreckens im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskriege noch mehr. Evident ist, dass diese Zahlen nicht dazu angetan sind, die Integration des russischen und des weissrussischen Sportes in den globalen Sport zu vereinfachen.