Archiv für den Monat August 2023

«Kuss-Skandal»: Nun das Schweigen der (Un-)Schulds-Lämmer

causasportnewes / Nr. 1054/08/2023, 31. August 2023

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(causasportnews / red. / 31. August 2023) Und plötzlich herrscht Schweigen im grossen «Kuss-Skandal», das einzige Thema, das nach und von der Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft von diesem Turnier übrigblieb (vgl. zuletzt causasportnews vom 28. August 2023). Was ist geschehen? causasportnews zieht nach dem Vorfall anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales am 20. August die Spielerin der Weltmeisterinnen-Equipe, Jennifer Hermoso, auf den Mund küsste, zum Monatsende eine Zwischenbilanz.

Dabei ist generell festzuhalten, dass das, was sich in der Öffentlichkeit oder auch nicht abspielt oder nicht, in der Regel unter ethischen oder juristischen Gesichtspunkten beurteilt wird, falls die Empörungs- und Betroffenheitsgesellschaft tangiert wird oder sich berühren lässt. Die Grenzen sind diesbezüglich fliessend. Die Moralkeule zu schwingen oder juristisch zu urteilen, auch über Sachverhalte, die nicht erstellt sind, ist en vogue; die konventionellen Medien, oder was von ihnen übriggeblieben ist, haben die Rolle des früheren Wirtshaus-Stammtisches übernommen. Dafür garantieren die sog. «neuen Medien» einen modernen und adäquaten Lebensstandrad und viel mehr Lebensqualität. Ein sich in der Öffentlichkeit bewegender Mensch zumindest ohne Handy am Ohr oder in der Hand ist ein Aussenseiter.

So kam es, dass die Kuss-Attacke des Verbandspräsidenten die Massen geradezu elektrisierte, und die Medien den Shitstorm, der sich über Luis Rubiales zu entladen begann, willfährig befeuerten. Der Mob rief zur Kreuzigung des Bösewichtes auf, und die verluderte Medienmeute hechelte im Gleichschritt hinterher. Diese Form von Sexismus geht nicht, befanden alle zur Meinungsäusserung berufenen Menschen guten Willens und Verfechter von Tugend und Moral: Das Publikum, die Medien, Sportfunktionäre, Interessenorganisationen aller Art, Regierungsmitglieder, die Vereinten Nationen, usw.; der Weltfussballverband FIFA als oberste moralische und juristische Instanz des globalen Fussballs machte, wie immer, wenn mit dem Strom geschwommen werden soll, gleich Nägel mit Köpfen und sperrte den obersten Missetäter des Spanischen Fussballs gleich für drei Monate. Dumm nur für (fast) alle, dass zwischenzeitlich sogar mit den Gralshütern der menschlichen Moral Zweifel am bereits final beurteilten Tatbestand aufgekommen sein mögen. Weshalb sonst herrscht in der «Causa Rubiales / Hermoso» plötzlich rundherum Schweigen? Dieses dürfte wohl nicht einfach die Folge des Hungerstreiks der Mutter von Luis Rubiales sein, die sich mit dieser Aktion gegen die globale Hetze gegen ihren Sohn protestiert hat und sich zwischenzeitlich in Spitalpflege befindet.

Dummerweise für die Treiberinnen und Treiber dieser aktuellen Hatz zirkuliert ein Video im Netzt, das den Vorwurf der sexistischen Handlung anlässlich der Kuss-Attacke in Sydney ins Wanken bringt. Obwohl sie permanent von allen Seiten bearbeitet wird, hat sich die Kuss-geschädigte Spielerin geweigert, den Verbandspräsidenten explizit des Sexismus zu bezichtigen. Vielleicht war die zweifelsfrei nicht zu beschönigende Kuss-Attacke eher emotional denn sexistisch motiviert? On verra. Ist ja auch nicht so schlimm, wenn sich dieser Skandal letztlich als Mini-Skandal erweisen sollte. Was kümmern die Meute und die Medien schliesslich Individual-Schicksale? Die gab es schliesslich nicht nur im digitalen Zeitalter. Unschuldige wurden immer wieder verurteilt und die Affaire Alfred Dreyfus wurde ebenso überstanden. Die Geschichte wiederholt sich stets, und nach wie vor lautetet eine Maxime auch unserer heutigen Gesellschaft: «Lob der Schuldigen, Tadel der Unschuldigen». Wie die der Vorgang um Luis Rubiales einmal in diesen Kontext einzuordnen sein wird, dürfte sich bald weisen.

Luis Rubiales: Ein «Vier-Augen-Delikt», begangen in der Öffentlichkeit

causasportnews / Nr. 1053/08/2023, 28. August 2023

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(causasportnews / red. / 28. August 2023) Vor rund einer Woche erspielten sich die Spanischen Frauen den Fussball-Weltmeistertitel. Statt der erfreulichen sportlichen Nachlese beherrscht im Nachgang zur Pokalübergabe an die Spanierinnen ein einziges Thema die globale Welt, nicht nur die Sport-Welt: Der Kuss des Verbandspräsidenten Luis Rubiales gegenüber der Spielerin Jennifer Hermoso (vgl. auch causasportnews vom 24. August 2023). Unbestritten ist es zu verurteilen, was der RFEF-Präsident mit seiner Lippen-Kuss-Attacke zum Nachteil von Jennifer Hermoso getan hat; so etwas geht selbstverständlich nicht. Doch die Moralkeulen aus allen Lagern und Ecken wurden nach der Pokalübergabe in Sydney immer heftiger geschwungen. Luis Rubiales muss weg; was ihm vorgeworfen wird, ähnelt Taten, die sonst als in der Regel im Verborgenen verübte «Vier-Augen-Delikte» (Vergewaltigungen, Missbräuche aller Art, sexualisierte Gewalt, usw.) qualifiziert werden. In der «Causa Rubiales / Hermoso» war die ganze TV-Welt Zeugin des Geschehens: Kein Zweifel, Luis Rubiales hat im sportlichen Freudentaumel «seine» Spielerin, wohl eher emotional statt sexistisch motiviert, auf den Mund geküsst. Wer sich die Mühe nimmt, die Szene genau anzuschauen, wird sehen, dass das Vorgefallene mit dem, was die Welt gemeinhin unter «Vier-Augen-Delikten» versteht, nicht zu vergleichen ist. Jennifer Hermoso äusserte sich später nach der Kuss-Attacke so, sie habe sich «verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der sie nicht zugestimmt» habe. Das wird wohl durch die Bilder nicht ganz so bestätigt, weil die Spielerin anlässlich der Kuss-Szene immerhin den Verbandspräsidenten umarmt und mit Körper-Klapsen bedacht hatte. Bei der Beurteilung der Kuss-Attacke lassen sich eher keine Rückschlüsse auf eine Einwilligung der Spielerin in diese präsidiale Emotion, die im besagten Kuss gipfelten, schliessen, jedoch kann wohl offen gelassen werden, ob aufgrund der Umstände von einer konkludenten Einwilligung durch die geküsste Spielerin gesprochen werden kann. Das alles ist im Moment nicht unwichtig, da der Vorfall von Sydney nun die Juristen beschäftigen wird. Schon nach dem WM-Finalspiel und der Pokalübergabe an die Spanierinnen ging das Kesseltreiben gegen den Verbands-Präsidenten der los. Vor allem seitens der RFEF ertönten immer lauter Forderungen nach einem Rücktritt von Luis Rubiales. Dann mischte sich auch die Politik (in den wohlverstanden «apolitischen Sport») ein. Die Spanische Regierung erklärte, sich dafür einsetzen zu wollen, dass der Verbands-Präsident zügig seinen Posten zu räumen hätte. Auch Gewerkschaften mach(t) en Druck, Spielerinnen wollen den Präsidenten weg haben, und unter normalen Umständen wäre dies auch das Ende der Präsidialherrschaft von Luis Rubiales gewesen. Für Ende letzter Woche war eine Rücktrittserklärung des Küssers von Sydney erwartet worden, doch Luis Rubiales zeigte sich, obwohl dem Tod durch die Öffentlichkeit geweiht, störrisch wie ein Stier in einer spanischen Stierkampf-Arena.

Nun wurde der Weltfussball-Verband FIFA in Zürich aktiviert, um den «Schandfleck Luis Rubiales» aus dem Sport zu tilgen. Die Ethik-Kommission, die gemäss Ethik-Kodex unmoralisches Tun, Handeln und Unterlassen im Sinne von Vereinsstrafen (Art. 70 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB) zu sanktionieren hat, sperrte den Verbands-Präsidenten umgehend weltweit für drei Monate. Weil es schwer fällt, einen Ethik-Tatbestand im FIFA-Ethik-Kodex, der durch Luis Rubiales hätte verletzt werden können, zu eruieren, hat sich die Kommission mit generellen Vorwürfen und den unverbindlichen Generalklauseln beholfen. Dazu zwei Bemerkungen: Die FIFA betont bei jeder Gelegenheit das Apolitische im Sport, blendet aber die starke Einmischung der Spanischen Regierung in diesem Fall aus. Die einstweilige FIFA-Sanktion entspringt natürlich nicht einem Gerechtigkeitssinn in der Zentrale in Zürich, zumal sich in der Sache in Spanien zwei Lager gebildet haben. Das Kontra-Rubiales-Lager im Spanischen Verband kann auf die Lobby am Zürcher Sonnenberg setzen; diese ist mit Spanischen Funktionären, welche nicht gerade als Platzhirsche im Schweizerischen Recht gelten, durchsetzt, weshalb nun unter dem sport-juristischen FIFA-Mäntelchen Sportpolitik gegen Luis Rubiales und seine Gefolgsleute betrieben werden wird. Für den vorläufig für 90 Tagen suspendierten Präsidenten sieht es nicht gut aus, obwohl seine Chancen, gegen die verhängte Sanktion juristisch anzukämpfen, an sich gut wären, aber wohl Theorie bleiben werden. Die FIFA kann sich im Anfechtungsfall zuverlässig auf das verbandslastige Sport-Schiedsgericht Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne verlassen. Hier gegen die FIFA anzukämpfen ist etwa so nutzlos wie der Todeskampf des Stiers in einer Spanischen Arena…Fazit dieser Geschichte: O tempora, o mores!

Kreuzigungsbestrebungen nach Fussball-Funktionärs-Kuss

causasportnews / Nr. 1052/08/2023, 24. August 2023

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(causasportnews / red. / 24. August 2023) Noch ist keine Woche vergangen, seit die Fussballerinnen Spaniens erstmals den Weltmeistertitel errungen haben. Vom Sport spricht schon kaum mehr jemand, bewegender (i.S. «Der bewegte Mann») ist eine Drei-Sekunden-Szene anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als der Spanische Verbandspräsident im Freudentaumel offensichtlich über sich und seine Gefühle die Kontrolle verlor und etwas Unglaubliches tat: Luis Rubiales hatte Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst! Seit dieser Entgleisung des Verbandspräsidenten bei der WM-Siegerehrung stehen nicht mehr die siegreichen Spielerinnen im Mittelpunkt des Interesses nach dem grandiosen Finalsieg gegen die Engländerinnen. Vielmehr Luis Rubiales, auf den nach seiner Missetat zum Halali geblasen wurde und nun immer mehr geblasen wird. Zu Recht muss der Präsident wegen seiner unkontrollierten Tat Kritik und Häme einstecken. Doch allmählich beherrscht der «Kuss von Sydney» die Schlagzeilen nicht nur in der nationalen Presse Spaniens, sondern in der ganzen Welt. Zwischenzeitlich haben sich Politikerinnen und Politiker sowie alle Menschen, die sich dem Bösen in der Welt entgegenstellen, zu Wort gemeldet. So wird auch die moderne Empörungsgesellschaft in Schwung gehalten, befeuert von Moralisten und Pharisäern, welche die ethischen Massstäbe auf diesem Planeten vorgeben. Die Wogen auf Luis Rubiales’ deplatziertes Verhalten schlagen immer höher, und nun dürfte er sich bald im Feld der Ex-Präsidenten dieser Welt wiedersehen. Das Vorkommnis in Australien, das grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist, erinnert an das, was vor rund 2000 Jahren geschah, als das Volk nach der Frage, was Jesus denn getan habe, seine Kreuzigung verlangte. Die moderne Kreuzigung im organisierten, globalen Sport ist gleichzusetzen mit dem Verlust von (Funktionärs-)Ämtern. Das ist nicht mehr so schlimm wie eine Kreuzigung, insbesondere der Verhältnismässigkeits-Grundsatz kann so hochgehalten werden. So wird jetzt, wie in der «Causa Luis Rubiales» ständig nachgelegt, bis der Angeschossene nicht mehr in Amt und Würde gehalten werden kann. Apropos Würde: Nach der Kuss-Attacke durch Luis Rubiales kommt nun weiteres Ungemach auf den 46jährigen ehemaligen Fussball-Spieler: Auf der Ehrentribüne soll er sich mit seinen Genitalien beschäftigt haben, und frühere Vorkommnisse in Spaniens Fussball, bei denen auch die Dienste von Escort-Damen thematisiert wurden, machen den angezählten Verbandspräsidenten nun noch verwundbarer.

Wenn ein derartiger Vorfall alles andere im Fussball Spaniens nach der für diesen Verband so erfolgreichen Weltmeisterschaft in den Hintergrund drückt, dürfte die Welt in der Tat nicht mehr so sein, wie sie einmal war (was grundsätzlich nicht zu bemängeln ist) – oder doch? Wie sieht es die von der Kuss-Attacke des Präsidenten direkt betroffene Jennifer Hermoso? «Es hat mir nicht gefallen», sagte sie in einer ersten Reaktion. «Aber was hätte ich tun sollen», fragte sie? Weiteres und Intimeres zum Thema war der erfolgreichen Spielerin bis jetzt nicht zu entlocken. Zu erwarten war, dass die Gerechten, Rechtsgelehrten und Politiker des Welt-Fussballverbandes FIFA auf den Empörungszug aufspringen würden. Der Weltverband ermittelt nun disziplinarisch. Dabei dürfte die Qualifikation des applizierten Kusses im Vordergrund stehen (der Kuss, ein mit dem Mund durchgeführter Körperkontakt, ähnlich, so wie es Luis Rubiales getan hat, eine Tätlichkeit im strafrechtlichen Sinne also). Gleichheit und Respekt zwischen Frauen und Männern gilt es im Weltfussball zu schützen. Der ehemalige Deutsche Komiker Viktor von Bülow, alias Loriot, hat das immer ein wenig pragmatisch, wenn auch resignierend gesehen, wenn es um die Belange zwischen den Geschlechtern ging: «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». So ist es offenbar.

Ein Hauen und Stechen für einmal unter Box-Funktionären

causasportnews / Nr. 1051/08/2023, 23. August 2023

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(causasportnews / red. / 23. August 2023) Der Boxsport ist bekanntlich nichts für zartbesaitete Naturen. In den Ringen dieser Welt wird oft wirksam und nachhaltig zugeschlagen. Dass es in dieser Sparte neben dem sportlichen Geschehen auch unter Funktionären zu heftigen Kontroversen kommen kann, zeigt sich aktuell im Schweizerischen Boxverband (SwissBoxing). Grund für das Hauen und Stechen unter helvetischen Box-Sportfunktionären ist ursprünglich der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Zufälligerweise – oder auch nicht ganz zufällig – wird die International Boxing Association (IBA) mit Sitz in Lausanne (!) von einem Russen und Putin-Freund geführt und von ihm und weiteren Putin-Claqueuren beherrscht. Das Internationale Olympische Komitee (IOK) mit Sitz in…Lausanne (!) hat die IBA wegen des russischen Ukraine-Feldzuges suspendiert, was den Schweizerischen Verband (SwissBoxing, mit Sitz in Bern), bzw. den Verbandsrat dazu bewogen hat, den Austritt aus der IBA anzustreben. Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Verbandes hat nun aber dem Verbandsrat von SwissBoxing einen vereinsrechtlichen KO-Schlag versetzt und den Verbandsrats-Beschluss betreffend Austritt aus der IBA für nicht haltbar erklärt; ebenso wurde für die Weiterführung der Mitgliedschaft von SwissBoxing in der IBA votiert. Der Hintergrund dieser Entwicklung dürfte sein, dass der Weltverband vom IOK nicht weiter alimentiert wird, jedoch der Internationale Verband der Faustkämpfer dennoch im Geld zu schwimmen scheint. Offenbar macht es die Putin-freundliche Bank «Gazprom» möglich; «pecunia non olet» (Geld stinkt nicht), lautet das Motto also (auch) in der IBA – und bei allen, die von diesem Geldsegen profitieren möchten.

Das alles ist nun zuviel geworden für den langjährigen, als sehr gradlinig bekannten Schweizer Verbandspräsidenten Andreas Anderegg, der nach der Delegiertenversammlung von SwissBoxing und in Anbetracht des finalen Bekenntnisses der Schweizer Funktionäre gegenüber der russischen Machtelite in der IBA nicht als Sympathisant und mittelbarer Unterstützer der russischen Kriegsmaschinerie im Ring bleiben wollte. Der 66jährige Thurgauer, vor Jahren selber äusserst erfolgreicher Professional-Boxer und danach Medien-Schaffender, wollte mit seinem Rücktritt vom Amt, das er seit 2006 innehatte, ein «Zeichen» gegen den von den Russen angezettelten Wahnsinn setzen und vom durch Russland verursachten Elend nicht noch profitieren, wie er sagte. Der Respekt ist dem ehemaligen Faustkämpfer mit dieser konsequenten Haltung sicher, der sich über das Präsidentenamt im Schweizer Verband nicht mit der Russen-Clique in der IBA verbandeln wollte. Zusammen mit Andreas Anderegg traten aus demselben Grund weitere Spitzenfunktionäre des Schweizerischen Verbandes zurück, so etwa die nicht immer unbestrittene Box-Funktionärs-Legende Peter Stucki (dieser führte für den Verband z.B. vor bald 30 Jahren den damals Aufsehen erregenden Prozess gegen den Boxer Enrico Scacchia, der trotz gesundheitlicher Bedenken seitens der Lizenzbehörde gerichtlich eine Boxlizenz erstreiten wollte: Urteil des Appellationshofes Bern vom 18. April 1995, 774/III/94). Nur der guten Ordnung halber ist an dieser Stelle nachzutragen, dass das Präsidentenamt im Schweizer Verband nach dem überraschenden Rücktritt von Andreas Anderegg nicht lange verwaist blieb. Auf den Thurgauer folgte umgehend der ehemalige Amateur-Boxer Amir Orfia.

Europa ist die Hochburg des Frauenfussballs

causasportnews / Nr. 1050/08/2023, 21. August 2023

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(causasportnews / red. / 21. August 2023) Die WM-Endrunde der Fussballerinnen ist zu Ende. Mit Spanien hat sich letztlich eine komplett besetzte und solid aufspielende Mannschaft, die sich im Turnierverlauf kontinuierlich gesteigert hatte, durchgesetzt. Die alles andere als Überraschungs-Weltmeisterinnen zu qualifizierenden Ibererinnen schafften mit dem Gewinn des WM-Titels das, was ihren männlichen Kollegen 2010 in Südafrika gelungen war: Den Weltpokal erstmals in ein Land mit grosser Fussballtradition und mit einer hochstehenden Fussball-Liga (der Männer) zu holen. Im WM-Finalspiel in Sydney vor 75 000 Zuschaurinnen und Zuschauern schickten die Spanierinnen mit 1:0 eine andere Grossmacht im Fussball, Europameister England, als Verliererinnen heim nach Europa. Damit lässt sich vorab dieses sportliche Fazit ziehen: Europa ist die Hochburg des Frauenfussballs. Im «kleinen Final» um Platz drei dieser WM-Endrunde in Neuseeland und Australien setzten sich die Schwedinnen gegen die weltweit beliebten «Matildas» aus Australien mit 2:0 durch. Die drei ersten Plätz nach einem Monat MW-Fussball besetzen also Europäerinnen.

Eine Detail-Bilanz nur Stunden nach dem WM-Finale lässt sich noch nicht ziehen. Sicher ist, dass diese WM-Endrunde das Ansehen des Frauenfussballs positiv beeinflusst hat. Die technischen Fortschritte bei den Frauen waren in Australien und in Neuseeland unverkennbar. Die Sportart ist auch athletischer geworden, und die internationale Spitze im Nationalmannschafts-Frauenfussball präsentiert sich breiter und ausgeglichener. «Steinzeitresultate» blieben im zu Ende gegangenen Turnier weitgehend aus. Dass die Attraktivität des Frauenfussballs auch von sportlichen Überraschungen lebt, ist unbestritten. Das Ausscheiden der – vor allem im eigenen Land als Favoritinnen auf den Titel gehandelten – Deutschen Kickerinnen bereits nach der Vorrunde verlieh dem gesamten Turnier auch Würze; obwohl sich das Scheitern der Deutschen massiv negativ auf das Interesse am Frauenfussball im eigenen Land niederschlug. Man darf gespannt auf die Einschaltzahlen im (Deutschen) Fernsehen, auch nach dem Ausscheiden Deutschlands, sein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in Deutschland das Interesse am Frauenfussball massiv nachliess, nachdem die Deutschen Kickerinnen schon früh die Heimreise antreten mussten. Die Einschaltquoten sind unbestechlich Indikatoren bezüglich des Interesses des (Fernseh-)Publikums an einem Turnier, wie an diesem, das nun am andern Ende der Welt zu Ende gegangen ist. Insbesondere sind Publikums-Erhebungs-Zahlen adäquat kausal für die kommerziellen Werte im Rahmen der TV-Vermarktung und betreffend des Werbewertes einer Sportart etwa in den neuen Medien.

Olympische Winterspiele 2030: In der Hitze geplant, in der Kälte gestorben?

causasportnews / Nr. 1049/08/2023, 20. August 2023

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(causasportnews / red. / 20. August 2023) In der aktuellen Hitzeperiode, die derzeit Europa fest im Griff hat, kommt es einem Anachronismus gleich, etwa an Olympische Winterspiele zu denken. Doch das geschieht derzeit in der Schweiz. In zeitlicher und thematischer Hinsicht ist dies allerdings kein Zufall. Dass im Moment Olympische Winterspiele in der Schweiz zum Thema werden, ist nachvollziehbar. Das Internationale Olympische Komitee (IOK), ein Verein nach Schweizerischem Recht mit Sitz in Lausanne am Genfersee, ist verzweifelt, und die Schweiz als IOK-Sitzstaatgeberin, ist bestrebt, den Olympioniken irgendwie aus der Patsche zu helfen. Die letzten drei Austragungsorte Olympischer Winterspiele waren Sotschi (Russland; 2014), Pyeongchang (Südkorea; 2018) und Peking (China; 2022), alles keine Wunsch-Austragungsorte – oder wenigstens zu zwei Dritteln Austragungsorte in Ländern, welche die sportlichen Ideale für ihre menschenverachtenden und kriegerischen Zwecke missbrauch(t)en. Die Spiele von 2014 bis 2022 wurden zwar abgearbeitet, jedoch waren die Ausrichter-Städte umstritten und bildeten geradezu Kick off-Veranstaltungen für Not, Elend und Kriege. Das IOK als Ausrichter der Olympischen Spiele ist sich bewusst, dass die Durchführung an derartigen, «speziellen» Destinationen den baldigen (wirtschaftlichen) Tod der Olympischen Winterspiel bedeuten können. Für 2026 wurde noch eine Doppel-Lösung zur Rettung der Wintersiele in Mailand und Cortina d’Ampezzo gefunden: Gleich zwei Städte sollen Co-Austragsorte der Spiele werden. Doch was ist danach?

Nun sieht sich die Schweiz im Obligo oder seitens des IOK mit Sitz in der Schweiz unter Druck gesetzt. Nicht ganz unerwartet ist dieser Tage bekannt geworden, dass die Olympischen Winterspiele 2030 in … der Schweiz durchgeführt werden sollen! Bis jetzt hat das IOK noch keine genehme oder unumstrittene Ausrichter-Stadt für die Olympisch Winter-Wettbewerbe 2030 finden können. Städte aus Schurken- und Kriegstreiber-Staaten sollen jedenfalls künftig nicht mehr berücksichtigt werden. Vor allem der Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic hängt sich derzeit in fast unschweizerisch-engagierter Art in das Projekt Olympische Winterspiele 2030 in der Schweiz rein. Die Schweiz ist offensichtlich ein passables Austragungsland, jedoch an sich zu klein zur Durchführung einer solchen Gross-Veranstaltung, weshalb das IOK offenbar Konzessionen an den Austragungsmodus in der Schweiz machen will und wohl auch muss. Über das ganze Land verteilt, von Lausanne (!), über Schaffhausen bis ins Bündnerland, sollen die Winterspiele 2030 in der Schweiz stattfinden. Das wäre ein Novum in der Geschichte dieser globalen Veranstaltung, weil diese seit jeher an Städte und nicht an Länder vergeben werden, die «Notlösung» mit Mailand und Cortina (2026) einmal ausgeklammert.

Spiele auszurichten ist eine Sache, die Finanzierung solcher Veranstaltungen eine andere. Die Treiber der Olympia-Idee 2030 sind sich bewusst, dass eine derartige Veranstaltung in der Schweiz nur rein privat, ohne staatlichen Finanz-Support, organisiert und durchgeführt werden kann. Gerade das IOK mit dem bald abtretenden opportunistischen Präsidenten Thomas Bach an der Spitze ist beim Volk längst in Ungnade gefallen; eine staatliche Mit-Finanzierung Olympischer Spiele ist undenkbar – auch in der Schweiz.

Das IOK muss im Moment recht verzweifelt sein, weil ihm die akzeptablen Austragungsorte für Olympische Winterspiele wegbrechen. Ob 2030 Olympische Winterspiel in der Schweiz (und nicht nur in einer Schweizer Stadt oder in zwei Schweizer Städten) durchgeführt werden können, wird sich bald weisen. Zuerst haben nun Arbeitsgruppen und Sport-Ausschüsse aller Art das Wort. Die Realisierung von (Machbarkeit-)Studien, Analysen und Beurteilungen sind angesagt. Vielleicht kehrt aber auch Vernunft ein und es wird die Erkenntnis zur wichtigsten Entscheidungsgrundlage, dass solche Spiele in der Schweiz, nur um dem IOK aus dem Elend zu helfen, eine Nummer zu gross und unnütz für das Land sind. Sobald die Hitzewelle über Europa abgeflacht ist, könnte also auch dieses Thema dem kühlen Realismus weichen.

Überraschende Verfahrenseinstellungen im FIFA-Komplex

causasportnews / Nr. 1048/08/2023, 17. August 2023

Home of FIFA, Zürich, © Ed Coyle

(causasportnews / red. / 17. August 2023) Die Sache ist wohl glasklar, zumindest in den Augen der ausserordentlichen Bundesanwälte Ulrich Weder und Hans Maurer. Sonst wäre es nicht zu einer Verfahrenseinstellung gekommen (nach dem Grundsatz: Im Zweifel ist anzuklagen), wie vor einigen Tagen bekannt wurde. Die beiden Zürcher Juristen, Ulrich Weder, ein deklarierter Sozialdemokrat, und Hans Maurer, der politisch und allgemein nicht so richtig einzuordnen ist und sich schwerpunktmässig im Umwelt-Segment bewegt, sind von Bundesbern beauftragt worden, bezüglich der Verdachtsmomente gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino und den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber wegen Amtsmissbrauchs, Begünstigung und Amtsgeheimnisverletzung zu ermitteln. Dies als Folge und im Zusammenhang mit Verfahren gegen Fussball-Funktionäre von Übersee, die 2015 spektakulär im Nobel-Hotel «Baur au Lac» in Zürich verhaftet wurden: Die im Nachgang zu den unschönen Vorgängen im Fussball gegen den aktuellen FIFA-Präsidenten und den Ex-Bundesanwalt eröffneten Verfahren seitens der Schweizer Strafverfolgungsbehörden sollen nun eingestellt werden. Was doch einigermassen verwundert sowie überrascht und den ehemaligen Deutschen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger wohl in seiner Meinung bestärken könnte, die Schweiz sei eine «Banenrepublik» (vgl. auch causasportnews vom 12. Juni 2022).

Der ganze Vorgang und nun die angekündigte Verfahrenseinstellungen in den Untersuchungen gegen Gianni Infantino und Michael Lauber muten etwa so eigenartig an wie die zur Diskussion stehenden Vorgänge selber, die offensichtlich nicht (mehr) abklärbar sind. FIFA-Präsident Gianni Infantino und der damals noch im Amt befindliche Michael Lauber haben sich, das ist erhärtet, mehrmals getroffen; ob formell oder informell, das bleibt im Dunkeln. Falls es formelle Gespräche zwischen den beiden gelernten Juristen waren, hätten diese (aus der Warte des damaligen Bundesanwalts) protokolliert werden müssen – wurden sie aber nicht. Ungeklärt bleibt vor allem auch der Inhalt der Besprechungen, an die sich, unglaublicherweise, die beiden Gesprächsteilnehmer nicht mehr erinnern können. Senilität oder Demenz der Gesprächsteilnehmer kann ausgeschlossen werden. Gianni Infantino ist erst 53 Jahre alt, Michael Lauber 57. Die beiden Strahlemänner der Schweizer High Society befinden sich also altersmässig noch weit weg von den Voraussetzungen, die gegeben sein können, um etwa zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Prozessual muss dran erinnert werden, dass es natürlich an den Ermittlern liegt, den Beschuldigten ein entsprechendes strafrechtliches Fehlverhalten nachzuweisen. Die Beschuldigten haben nicht nur ein Recht auf Vergessen, sondern ein ebensolches Recht auf Schweigen. Der Rechtsstaat macht’s möglich – und das hat nichts mit der «Bananenrepublik Schweiz» im Sinne von Theo Zwanziger kaum etwas zu tun.

When Harry met Uli

causasportnews / Nr. 1047/08/2023, 13. August 2023

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(causasportnews / red. / 13. August 2023) Eine Sommer (nicht betreffend Yann Sommer) – Komödie im europäischen Fussball auf höchster Ebene, die nun einen vorläufigen Abschluss gefunden hat, ist final der sportlichen Realität gewichen. Die Rede ist von Harry Kane, dem englischen Top-Stürmer, der nach monatelangem Gezerre zwischen Engländern und Deutschen mit immer neuen Schlagzeilen und begleitet von Gerüchten am Wochenende vom englischen Klub Tottenham Hotspur zum FC Bayern München transferiert worden ist; so einschneidend können die Auswirkungen des «Brexit» also nicht sein. Endlich ein von den Protagonisten des Münchner Nobel-Klubs der so sehr herbeigesehnte Höhepunkt einer Kooperations-Anbahnung also, gleichsam wie in der Komödie «When Harry met Sally» (1989) – nur heisst es nun: «When Harry met Uli». Kein Zweifel besteht, dass der offenbar teuerste Transfer im Deutschen Fussball dem Über-Vater des Münchner Fussballs zuzuschreiben ist. An der Säbener Strasse erfolgte die fussballerische Schöpfungsvollendung durch den nach wie vor faktischen Machthaber im FC Bayern München, Uli Hoeness. Nun ist der Fussball-Messias aus England also in Deutschland angekommen. Die Euphorie an der Isar war riesengross nach bekanntgegebener Verpflichtung des Captains der Englischen Nationalmannschaft, der in München das seit dem Abgang von Robert Lewandowski offenkundig gewordene Stürmerproblem lösen soll. Was den Amerikanern Prinz Harry und Herzogin Meghan nach deren Übersiedlung in die USA bedeutete, soll nun der Fussball-Prinz Harry von der Insel für die Bayern nachhaltig verkörpern: Die Garantie für Erfolg und Fussball-Hollywood; in München mit Bezug auf die Bayern auch gerne «Bollywood» genannt. Eine Entwicklungs-Parallelität zwischen dem Blaublüter Harry und dem Fussball-Harry wünscht sich nun wohl allerdings niemand, auch wenn dem Prinzenpaar zu Beginn der US-Übersiedlung die Herzen zuflogen. Der Fussball-Messias kam also in München an, um gleich auf dem harten Boden der Realität aufzuprallen. Der Niedergang von Prinz Harry und Herzogin Meghan dauerte bekanntlich etwas länger und hält immer noch an.

Nach dem Transfercoup die Ernüchterung, als der gleichentags nach der definitiven Verpflichtung im Deutschen Supercup eingesetzte Harry Kane die Blamage der Bayern gegen die Red Bull-Mannschaft aus Leipzig auch nicht abwenden konnte. 0 : 3 für RB Leipzig hiess es nach 90 Minuten in der «Allianz»-Arena zu München. Eine Schmach für Uli & Co (trotz «Mia San Mia»). Was Harry Kane den Münchnern Wert sein wird, dürfte sich bald weisen. Zeit wird man dem Fussball-Prinzen von der Insel kaum einräumen; er hat aus dem Stand heraus zu funktionieren.

Immerhin soll dem FC Bayern München die Verpflichtung von Harry Kane mehr als 200 Millionen Euro Wert sein. Es ist dies kein konventioneller Fussball-Transfer, sondern ein sog. «Vertrags-Auskauf», weil der Rekord-Torschütze des Englischen Nationalteams aus einem laufenden Arbeitsvertrag mit Tottenham Hotspur herausgekauft werden musste. Mit seinen mehr als 30 Jahren wäre der zweifelsfrei begnadete Stürmer bei Beendigung seines Vertrags in England ablösefrei zu haben gewesen. Indem Tottenham Hotspur für Harry Kane eine Auskaufszahlung von mehr als 100 Millionen Euro einstreicht, dürfte der unspektakuläre Klub aus dem Norden Londons das Geschäft der Klubgeschichte getätigt haben: Für einen Stürmer in diesem Alter derart viel Geld zu vereinnahmen, ist ein sport-wirtschaftliches Meisterstück!

Zurück zum Spiel der Bayern gegen die Bullen aus Leipzig: Man durfte natürlich am ersten Arbeitstag von Harry Kane keine Wunder vom Neu-Zuzug erwarten – oder doch? Dass die Bayern ohne Torerfolg blieben, lässt tief blicken. Yann Sommer, der zu Inter Mailand abgeschobene Schweizer Nationaltorhüter und anfangs Jahr von den Bayern als Ersatz des immer noch verletzten Manuel Neuer verpflichtet (auch dieser Transfer war ein «Vertrags-Auskauf»), dürfte nicht unglücklich sein, am Wochenende nicht im Bayern-Tor gestanden zu haben. Der von Uli Hoeness und seinen Claqueuren mit mässigem Fussball-Sachverstand gedemütigte Schweizer, dem in München von Anfang an die «Mia San Mia»-Welt verschlossen blieb, dürfte aus der Ferne miterlebt haben, dass die alte Fussball-Weisheit immer noch zutrifft: Wer ein Spiel gewinnen will, muss mindestens ein Tor mehr schiessen als der Gegner – und eines weniger kassieren als dieser. Ein 0 : 3 sagt nicht alles, aber doch einiges, auch mit Blick auf das derzeitige Torhüter-Kapitel beim FC Bayern-München.

Die Umstände eines Bergtodes als Abbild der aktuellen Gesellschaft

causasportnews / Nr. 1046/8/2023, 12. August 2023

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(causasportnews / red. / 12. August 2023) Der Bergsport in seiner exzentrischsten Dimension, der vorwiegend in der «Todeszone», im Bereich von über 8000 Höhenmetern, stattfindet, ist in den letzten Jahren regelrecht entartet, oder wie es das Urgestein des Extrem-Alpinismus’, der Südtiroler Reinhold Messner, sieht: «Das ist nicht mehr Alpinismus, sondern Tourismus». Was die Welt in unseren Niederungen, nicht zuletzt dank der neuen Medien, mitbekommt, wenn es um die Besteigung vor allem der höchsten Berge der Welt geht, ist in der Tat eindrücklich und bedrückend zugleich: Die Rede ist von begüterten Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, von Helfern auf die markantesten Gipfel der Welt schieben lassen, oder von Agenturen, welche «Kunden» jedwelcher Couleur meistens gegen viel Geld vor allem mit der Hilfe von Sherpas, die durchwegs schamlos ausgebeutet werden, die Erklimmung des Mount Everest (8848 Meter ü. M.), des Mount Godwin Austen (K2; 8610 Meter) oder des Kangchendzönga (8586 Meter) ermöglichen. Die Besteigung dieser und weiterer Gipfel in der «Todeszone» geht einher mit Dramen, Tragödien und Todesmärschen in Eis, Schnee sowie bei Winden und Stürmen. Der pervertierte Alpinismus, der also zum Tourismus verkommen ist, beschert den Daheimgeblieben auch immer wieder kaum für möglich gehaltene Bilder, etwa die berühmt gewordene «Stau»-Aufnahme unter dem Gipfel des Mount Everest (vgl. Titelbild von Causa Sport 3/2019 – causasportnews vom 28. Mai 2023).

Wenn Bilder sprechen, wird alles noch nachvollziehbarer. So verhält es sich aktuell mit dem Tod des pakistanischen Trägers Mohammed Hassan, bzw. mit den Umständen dieses Todes. Video-Aufnahmen zeigen den Mann, der auf dem Weg zum Gipfel des K2 stürzte und ums Leben kam. Dieses Faktum alleine könnte noch als Folge des am Berg eingegangenen Risikos qualifiziert werden; wer in der «Todeszone» unterwegs ist, hat auch das Sterben einzukalkulieren. Doch was sich an der Unfallstelle abspielte, war nicht nur dramatisch und entsetzlich, sondern geradezu surreal. Bergsteiger passierten die Unfallstelle des noch lebenden Pakistaners (dieser stürzte ein paar Meter ab und wurde dann von seiner Seilschaft wieder in die Spur gezogen), überstiegen ihn, den zum Hindernis gewordenen Sterbenden, gleichsam, um raschmöglichst auf den Gipfel des K2 zu gelangen. Um den Sterbenden kümmerte sich keiner. Der Träger im Todeskampf war einzig ein Hindernis für die Berggänger, welche in diesem Moment über eine Fast-Leiche gingen, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen und die Besteigung des K2 frenetisch – unempathisch – bejubelten. Im Nachhinein hat sich nun eine Diskussion entwickelt, ob der qualvoll Verstorbene hätte gerettet werden können – nicht, ob er hätte gerettet werden müssen. Ethik am Berg ist etwa so skurril wie der Einsatz von Weihwasser gegen alles Teuflische. Jetzt wird das Thema, wie üblich in der heutigen Zeit, auf eine juristische Ebene verlagert: Die pakistanischen Behörden haben Untersuchungen aufgenommen. In den Medien wird hauptsächlich diskutiert, ob es – theoretisch – drei, vier oder sechs Leute gebraucht hätte, um den regelrecht krepierenden Mohammed Hassan zu retten.

Der Bergsport, der eben nach Meinung von Reinhold Messner zum Bergtourismus mutierte, ist wohl, wie dieser aktuelle Fall belegt, ein Abbild, wie die heutige Gesellschaft funktioniert. Zwar wird Betroffenheit markiert, die Welt findet ein solches Vorkommnis erschütternd, schockierend, dramatisch und empörend, aber auf einen Nenner gebracht ist dieses Fazit zu ziehen: Eigeninteressen und Egoismus überlagern alle übrigen Untugenden und Werte. So gesehen sind die Umstände des Todes des pakistanischen Trägers, der inmitten von Bergsteigern auf rund 8300 Metern über Meer am K2, rund 300 Meter unterhalb des Gipfels starb, und auch Opfer des egoistischen Verhaltens der Mit-Bergsteiger wurde, nichts Aussergewöhnliches. Wie die Reaktionen der Betroffenheits- und Empörungsgesellschaft zeigen.

Mehr Suchtpotential bei online-Sportwetten?

causasportnews / Nr. 1045/08/2023, 9. August 2023

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(causasportnews / red. 9. August 2023) online-Sportwetten sind beliebt, aber auch nicht vorbehaltsfrei unproblematisch. Die Sportveranstalter, dazu sind teils auch die Sportverbände zu zählen, sehen in dieser Spielart die Integrität des sportlichen Wettkampfbetriebs gefährdet. Mit Blick auf die Fussball-WM-Endrunde 2006 in Deutschland sah sich der Weltfussballverband (FIFA) beispielsweise veranlasst, im Zusammenhang mit Sportwetten ein umfassendes (Früh-)Warnsystem zu betreiben (und hierfür eine spezialisierte Unternehmung zu gründen, die Gesellschaft «Early Warning System GmbH»), um allfällige, besondere Vorkommnisse anlässlich der WM-Spiele feststellen und Ungemach abwenden zu können. Nach dem Fall des von der Wettmafia bestochenen Schiedsrichters Robert Hoyzer, ein Skandal, der Deutschland 2005 erschütterte, wollte der Weltverband am WM-Austragungsort Deutschland keinerlei Risiken eingehen und kehrte für den Integritätsschutz bezüglich des sportlichen Geschehens alles Denkbare und Mögliche vor. Geprägt wurde der Begriff «Sportwetten-Betrug», wobei evident ist, dass hier nicht die Sportwette an sich betrugs-anfällig war, sondern der Sport selber. Das ist auch aktuell noch so, und heute, wie damals, bilde(te)n die sog. «Live-Wetten» das signifikante Problem. Wetten, die während eines Fussballspiels getätigt werden können, machen einen besonderen Integritätsschutz mit Blick auf den sportlichen Wettbewerb notwendig. Derartige Wetten sind vielfältig; so kann z.B. während eines laufenden Spiels darauf gewettet werden, ob und in welcher Minute ein Elfmeter gepfiffen oder eine rote Karte gezeigt wird, ob ein Spiel in die Verlängerung geht und wann und welcher Spieler des Feldes verwiesen wird. Im Umfeld des Sportes existieren natürlich auch geradezu perverse Wetten, etwa, wann und wo der nächste Trainer entlassen wird, in welchem Radrennen sich der nächste, tödliche Unfall ereignet und ob im Rahmen einer Extrem-Bergbesteigung eine Seilschaft wieder vollzählig zurückkehrt. Derartige Wetten werden praktisch ausschliesslich im illegalen Bereich angeboten.

Spezielle Sportwetten-Dimensionen gibt selbstverständlich der online-Sportwetten-Markt ab. Dieser Business-Zweig hat im internationalen Kontext gewaltige Dimensionen erreicht. Zu einem grossen Teil sind diese Wetten illegal und werden weltweit von auch in dieser Hinsicht von als liberal bekannten Ländern (in Europa z.B. Malta, Zypern, Gibraltar) aus angeboten, weitgehend über das Internet. Das online-Sportwetten-Geschäft lief deshalb bis vor kurzem an der Schweiz vorbei und fand ausschliesslich im Ausland oder vom Ausland aus statt. Seit rund drei Jahren sind in der Schweiz auch online-Casinos zugelassen; die Spiel-Variante wird von etwa der Hälfte der Casinos angeboten. Damit ist es möglich geworden, über die Schweiz im Sportwetten-Geschäft aktiv mitzuwirken, was bedeutet, dass dieses Business der Illegalität entzogen worden ist. Doch wo Freude herrscht, ziehen meistens auch düstere Wolken auf. Weil die Sportwetten in der Schweiz sehr beliebt geworden sind, ist dadurch auch das Spielsucht-Risiko gestiegen. Live-Sportwetten weisen gemäss einer von der Eidg. Spielbankenkommission in Auftrag gegebenen Studie ein ähnlich hohes Suchtpotential auf wie die Automatenspiele in den Casinos. Die gesetzlich vorgeschriebene Bekämpfung der Spielsucht, auch bei online-Sportwetten, gestaltet sich in der Praxis offenbar schwierig. Zwar können auch im Sportwetten-Bereich Spielsperren gegenüber Spielsüchtigen verhängt werden, doch in diesen Fällen wandern die Betroffenen nicht selten ins Ausland und in den illegalen Sportwetten-Markt ab. Der Nutzen von Spielsperren im Rahmen der Suchtprävention ist zumindest umstritten.

So wird weiterhin relativ unkontrolliert und hilflos mit Blick auf die Suchtbestrebungen der Player im Markt und aufgrund der gesetzlichen Vorgaben auf sportliche Sachverhalte gewettet. Nicht verifizierbar ist der Wett-Typus bezüglich des Schweizer Fussball-Nationaltorhüters, Yann Sommer, soeben nach Italien «transferiert». Obwohl er mit dem FC Bayern München einen Arbeitsvertrag bis 2026 abgeschlossen hatte, gehört sein fussballerisches Wirken an der Isar bereits wieder der Vergangenheit an. Eine Wette darauf, wie lange es der bald 35jährige Schweizer, respektlos demontiert und desavouiert von Sachverständigen, Pseudo-Experten sowie misanthropischen Dumm-Schwätzern und Ignoranten, im Münchner Klub aushalten würde, ist zwar nicht belegt, wäre aber durchaus plausibel. Wer richtig vorausgesagt, bzw. darauf gewettet hätte, dass Yann Sommer bereits nach einem halben Jahr im wahrsten Sinne des Wortes real aus dem Schatten von Manuel Neuer, dem Torhüter, den der Schweizer zu ersetzen hatte (und dies unter den gegebenen Umständen nicht schlecht gemacht hat), heraustreten würde, wäre mit diesem Tip kaum reich geworden.