Schlagwort-Archive: Leichtathletik

Caster Semenya bringt die Schweizer Justiz in die Bredouille

causasportnews / Nr. 1038/07/2023, 20. Juli 2023

Photo by Sora Shimazaki on Pexels.com

(causasportnews / red. / 20. Juli 2023) Der Fall der Leichtathletin Caster Semenya beschäftigt u.a. auch die (Sport-)Justiz seit Jahren. Die 32jährige Südafrikanerin ist sportlich herausragend, eine Frau, die biologisch ein Mann ist und über deren Testosteronwerte (Testosteron leitet sich ab aus den Worten «testis», Hoden, und «Steroid», Grundgerüst verschiedener Hormone) seit ihren Erfolgen, vor allem als Olympiasiegerin und Weltmeisterin über die Mittelstrecke (800 Meter), diskutiert wird. Mehr als zu Diskussionen veranlasst sieht sich der vom ehemaligen Briten Sebastian Coe präsidierte Leichtathletik-Dachverband World Athletics, der das Thema «Intersexualität» in der Leichtathletik regeln muss und dies auf verschiedene Weise versucht hat. So hat der Verband Testosteron-Regeln erlassen, nach denen Caster Semenya ihr Testosteron-Niveau hätte senken müssen, um weiter bei den Frauen starten zu können. Die Thematik ist eingestandenermassen derart, dass eine diesbezügliche Verbandsregelung nur falsch sein konnte; eine ungemütliche Situation also für den Weltverband. Gegen die Testosteron-Regelung 2018 klagte die Südafrikanerin am Internationalen Sportschiedsgericht TAS (Tribunal Arbitral du Sport) in Lausanne. Das Gericht, dafür bekannt, dass bei Klagen von Athletinnen und Athleten beklagte Verbände selten ins Unrecht versetzt werden, betrachtete die World Athletics-Regelung zwar als diskriminierend, sie sei jedoch im Interesse der Chancengleichheit unter den Athletinnen und Athleten gerechtfertigt. Caster Semenya gelangte an das Schweizerische Bundesgericht (vgl. causasportnews vom 4. Juni 2019), welches den Entscheid des TAS erwartungsgemäss bestätigte. Wenn immer irgendwie möglich, schützt das Bundesgericht die Verbände und hält u.a. konsequent an der Irrmeinung fest, das TAS sei, wie ein ordentliches staatliches Gericht, als unabhängig zu qualifizieren. Die Athletin rügte im bundesgerichtlichen Verfahren bezüglich der Verbandsregelung u.a. vergeblich verschiedene Verstösse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Beurteilung der Verbands-Testosteronordnung durch das TAS.

Caster Semenya zog ihren Fall nach der Niederlage am Schweizerischen Bundesgericht an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der nun kürzlich die Schweiz ins Unrecht versetzte. So wurde etwa erkannt, dass es in der Schweiz keinen ausreichenden Rechtsbehelf geben würde, mit welchem gravierende Verletzungen der EMRK gerügt und überprüft werden könnten; die Feststellung, die Athletin sei von den Schweizerischen Gerichten unzureichend angehört worden, bedeutet einen sport-juristischen Knalleffekt, der nichts anderes besagt, als dass der Instanzenzug in der Schweiz mit Blick auf die Überprüfungsmöglichkeiten (konkret der EMRK-Garantien) durch helvetische Gerichte ungenügend und mangelhaft sei. Die Schweiz also eine «Bananenrepublik» in punkto Justiz also, wie es der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger im Zuge der Fussball-Verfahren in der Schweiz immer wieder zu sagen pflegte (vgl. etwa causasportnews vom 12. Juni 2022)? Nicht ganz so schlimm, aber doch mehr als ein bemerkenswerter Fingerzeig aus Strassburg, der die Schweiz in die juristische Bredouille bringt. Es verwundert allerdings nicht, dass dieser Schock-Entscheid in der Schweiz vor allem medial unter dem Deckel gehalten wurde und wird. Das Strassburger Gericht konnte das Urteil des Schweizer Bundesgerichts zwar nicht ändern, jedoch die Schweiz wegen des ungenügenden Rechtsbehelfssystems rügen. Es ist mehr als peinlich für die Schweiz, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land, das auf sein Rechts(behelfs)system besonders stolz ist, derart rügt, ins Unrecht versetzt und gravierende Lücken in dieser Rechtsordnung geisselt.

Die Schweiz wird versuchen, die der Leichtathletin verwehrten EMRK-Rechtsschutzgarantien als Einzelfall abzutun. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass künftig weitere Sportler/innen Caster Semenya nachahmen werden und die Schweiz ein echtes Rechtsschutzproblem, vor allem im internationalen Kontext, bekommen wird.

Der Fall manifestiert ein grundlegendes Problem im Schweizerischen Rechtswesen: Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass der Rechtsprechungs-Instanzenweg bis zum Bundesgericht immer steiniger wird. Die Überprüfungsbefugnisse der Instanzen nach oben werden immer enger, oder man könnte bilanzieren: Je höher die juristische Instanz, desto dünner die Luft für Rechtssuchende. Wer nicht schon in unteren Gerichtsinstanzen die Weichen auf Sieg stellen kann, wird im Rahmen der Instanzenzüge regelmässig abgewatscht, und letztlich wimmelt auch das Bundesgericht Rechtssuchende nach Möglichkeit oft mit allerlei Formalien ab. Vor allem die Rechtsprechung des obersten Schweizer Gerichts bezüglich zu überprüfender TAS-Entscheide ist durchwegs befremdlich bis krude. Aufgrund beschränkter Kognitionen (Überprüfungsbefugnisse) gelingt es dem Bundesgericht immer wieder, nach TAS-Urteilen vor allem Sportverbände und das Internationale Olympische Komitee (IOK) bei Beschwerden von Sportlerinnen und Sportlern juristisch schadlos zu halten. Insbesondere der Umstand, dass die TAS-Schiedsgerichtsbarkeit von den monopolistischen Sportverbänden dem organisierten Sport in mehr als unanständiger Art und Weise aufgenötigt wird, perlt an den Richterinnen und Richter im «Mon-Repos» in Lausanne konstant ab.

Nach dem Banken- das Sport-Chaos

causasportnews, Nr. 1002/03/2023, 30. März 2023

Photo by Anthony : ) on Pexels.com

(causasportnews / red. / 30. März 2023) Noch sitzt der Schock nach dem Desaster um die Schweizer Grossbank «Credit Suisse» vor rund zehn Tagen tief, und allmählich wird klar, dass der Kollaps des ehemals renommierten Geldhauses eine regelrechte Bankenkrise ausgelöst hat. Die Schweizer können offenbar nicht mehr «Banking», und die Hilflosigkeit, die den Finanzplatz Schweiz erfasst hat und offenkundig flächendeckend prägt, hat mit der Revitalisierung des ehemaligen UBS-Managers Sergio Ermotti, der nun nach der (vom Staat erzwungenen) Übernahme der «Credit Suisse» durch die UBS diese Bank, die vor 15 Jahren selber «pleite» war, leiten soll, den Gipfel der Hilflosigkeit in dieser Branche erreicht. Chaos pur also im «Banking».

Chaos pur aber auch im organisierten Sport, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOK) in Lausanne soeben entschieden hat, allen Sportverbänden zu empfehlen, Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weissrussland wieder an internationalen Wettbewerben zuzulassen. Die heuchlerische Begründung: Die Aktiven, welche zwar den Kriegstreiber-Nationen angehören, könnten schliesslich für das Geschehen nichts. Vor genau einem Jahr ist das Altfrauen- und Altherren-Gremium in der Westschweiz dafür eingetreten, Athletinnen und Athleten der beiden Schurken-Staaten nicht mehr am organisierten, globalen Sport teilnehmen zu lassen. Die damals vorgegebene, relativ stringente Linie hat in den letzten Monaten immer mehr Wirrungen und Irrungen erfahren. Der Verein IOK mit dem Deutschen Präsidenten Thomas Bach an der Spitze, der nicht gerade als Russen-Feind bekannt ist und dem persönliche Interessen bezüglich Russland nachgesagt werden, beugt sich jetzt den Gegebenheiten und den Sachzwängen nach über einem Jahr Ukraine-Krieg und verschreibt sich der beliebtesten, nicht-sportlichen Disziplin im Rahmen des Komitees und des organisierten Weltsportes, nämlich dem Sport-Opportunismus. Dabei prävaliert das Motto: Kommerz über alles, organisiert von Funktionären, meist mit Eigeninteressen, ohne «Cojones» (Eier), wie es vor allem auf den Sportplätzen jeweils so schön heisst (das gilt versinnbildlicht selbstverständlich auch für die Sport-Funktionärinnen aus aller Welt, welche ebenfalls im internationalen Sport mitmischen).

Das IOK wäre allerdings nicht das IOK, wenn die Verantwortung für die realen Entscheide nun nicht an die internationalen Sportfachverbände delegiert würde. Das IOK bestimmt, ausbaden müssen das Problem bezüglich der Zulassung russischer und weissrussischer Athletinnen und Athleten ab sofort die Fachverbände, von denen es, auch in den obersten Chargen, von Russinnen und Russen wimmelt. Die internationalen Fachverbände im Boxen und im Schach werden sogar von dubiosen Russen und sog. «Freunden» des Haupt-Kriegstreibers im Kreml präsidiert! Die «heisse Kartoffel» bezüglich der Entscheidungen mit Blick auf die Zulassungen von Aktiven aus den beiden Ländern an die Fachverbände weiterzureichen, ist also ein geschickter Schachzug des IOK, um sich von Verantwortung und Konsequenzen zu entlasten – oder sich davor zu drücken. Im Moment noch gradlinig zeigt sich der Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), Sebastian Coe, der erklärt hat, sich in der global einzuordnenden bedeutungsvollen Leichtathletik dafür einsetzen zu wollen, dass auch künftig im internationalen Sport russische und weissrussische Aktive ausgeschlossen werden und bleiben. Bis zu den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris wird noch einiges an Wasser die «Seine» herunterfliessen. Vor kurzer Zeit haben die Fechter, wen wundert’s, entschieden, dass Vertreterinnen und Vertreter der beiden Kriegstreibers-Staaten im internationalen Sport wieder mittun dürfen. Es ist selbstverständlich nur Zufall, dass der IOK-Präsident einmal selber Olympiasieger und Weltmeister im Fechten war…

Der Entscheid des IOK ist bei Menschen, die guten Willens sind und sich auch noch den wichtigsten, ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlen, schlecht angekommen und hat teils eine Schockwirkung gezeitigt. Aus der Ukraine sind zwischenzeitlich Boykott-Bekräftigungen bekannt geworden. Dafür sollte die organisierte Sportwelt an sich Verständnis haben. Sollen sich ernsthaft Sportlerinnen und Sportler der drei Länder auf dem Sportfeld messen, bei den Siegerehrungen auf dem selben Podest stehen und sich am Schluss gemeinsam brüderlich und schwesterlich unter die Duschen stellen?

Zum Olympia-Start: Leichtathletik im Elend

Photo by Vladislav Vasnetsov on Pexels.com

(causasportnews / red. / 24. Juli) Kurz vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Tokio platzte im Schweizer Sport eine «Doping-Bombe»; als ob «Corona» nicht schon genug Probleme bereiten würde: Die Schweizer Medaillen-Hoffnung Kariem Hussein wurde (offenbar) wegen der Verwendung einer Gly-Coramin-Lutschtablette Doping-positiv getestet und gleich für neun Monate gesperrt. Der 32jährige Hürdenspezialist stand sofort zur Verfehlung und akzeptiert die ausgefällte Sanktion. Anlässlich eines Leichtathletik-Meetings in Langenthal Ende Juni lief der ausgebildete Arzt in die Doping-Falle und muss nun die Spiele in Tokio im Fernsehen verfolgen. Nebst dem Reputationsschaden hat der Hürdenläufer nach dem Doping-Befund massive, pekuniäre Einbussen zu gewärtigen. Der erfolgreiche Sportler, der in den letzten Jahren als «Marke» aufgebaut worden ist, dürfte wohl vor allem Sponsoringgelder verlustig gehen. Derzeit ist allerdings noch unklar, wie die teils attraktiven Sponsoring-Partner des Doping-Delinquenten, wie Nike, BMW oder Geberit, auf den Dopingfall reagieren werden. Der «Fall Kariem Hussein» manifestiert auch die Risiko-Problematik, wenn Sponsoren auf Individual-Athleten setzen.

Die Schweizer Leichtathletik stand im Vorfeld von Olympia unter keinem guten Stern: Die Medaillen-Hoffnung über 100 und 200 Meter, Alex Wilson, stellte in Atlanta (USA) über die beiden Distanzen gleich zwei Fabelrekorde auf: 9,84 Sekunden (über 100 Meter) und 19,89 Sekunden (über 200 Meter). Danach begannen die Diskussionen über die Rechtmässigkeit der erzielten Zeiten; von Manipulation und Betrug war und ist die Rede, und auch der Umgang des Athleten mit einem lebenslang gesperrten «Doping-Trainer» sorgte zumindest für gewaltige Negativ-Stimmung gegen das «Kraftpaket» mit Jamaika-Wurzeln. Tendenziell sieht es derzeit danach aus, als würden die vom 30jährigen Alex Wilson erzielten Zeiten nicht homologiert werden. Diese Ausgangslage ist wohl nicht gerade als ideal mit Blick auf Tokio zu werten.

Nichts zu tun mit Olympia 2020, ausgetragen 2021, hat eine andere, in der Westschweiz lebende Leichtathletik-Hoffnung ohne Schweizer Pass. Tolossa Chengere, ein begnadeter Langenstreckenläufer aus Äthiopien, versucht seit rund 20 Jahren, mit Tricks und Schlichs das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen. Vor einer Woche liess der Zürcher «Tages-Anzeiger» diese «Bombe» platzen: Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden sei, habe sich der Sportler, Jahrgang 1979 oder 1984, während Jahren gegen die Ausschaffung zur Wehr gesetzt. Bis jetzt erfolgreich; der Läufer befindet sich nach wie vor in der Schweiz. Seine Leistungen verschlechterten sich im Verlaufe der Jahre zusehends. Mit der Geschichte im «Tages-Anzeiger» vom 17. Juli 2021 wurden die Machenschaften, Betrügereien und Lügengebäude des Äthiopiers schonungslos angeprangert. Das alles unter dem für die linke Zeitung ungewohnt scharfen Titel «Das Lügenkonstrukt des Laufstars». Auch diese Geschichte ist für die Leichtathletik nicht gerade image-fördernd…