causasportnews, Nr. 1002/03/2023, 30. März 2023

(causasportnews / red. / 30. März 2023) Noch sitzt der Schock nach dem Desaster um die Schweizer Grossbank «Credit Suisse» vor rund zehn Tagen tief, und allmählich wird klar, dass der Kollaps des ehemals renommierten Geldhauses eine regelrechte Bankenkrise ausgelöst hat. Die Schweizer können offenbar nicht mehr «Banking», und die Hilflosigkeit, die den Finanzplatz Schweiz erfasst hat und offenkundig flächendeckend prägt, hat mit der Revitalisierung des ehemaligen UBS-Managers Sergio Ermotti, der nun nach der (vom Staat erzwungenen) Übernahme der «Credit Suisse» durch die UBS diese Bank, die vor 15 Jahren selber «pleite» war, leiten soll, den Gipfel der Hilflosigkeit in dieser Branche erreicht. Chaos pur also im «Banking».
Chaos pur aber auch im organisierten Sport, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOK) in Lausanne soeben entschieden hat, allen Sportverbänden zu empfehlen, Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weissrussland wieder an internationalen Wettbewerben zuzulassen. Die heuchlerische Begründung: Die Aktiven, welche zwar den Kriegstreiber-Nationen angehören, könnten schliesslich für das Geschehen nichts. Vor genau einem Jahr ist das Altfrauen- und Altherren-Gremium in der Westschweiz dafür eingetreten, Athletinnen und Athleten der beiden Schurken-Staaten nicht mehr am organisierten, globalen Sport teilnehmen zu lassen. Die damals vorgegebene, relativ stringente Linie hat in den letzten Monaten immer mehr Wirrungen und Irrungen erfahren. Der Verein IOK mit dem Deutschen Präsidenten Thomas Bach an der Spitze, der nicht gerade als Russen-Feind bekannt ist und dem persönliche Interessen bezüglich Russland nachgesagt werden, beugt sich jetzt den Gegebenheiten und den Sachzwängen nach über einem Jahr Ukraine-Krieg und verschreibt sich der beliebtesten, nicht-sportlichen Disziplin im Rahmen des Komitees und des organisierten Weltsportes, nämlich dem Sport-Opportunismus. Dabei prävaliert das Motto: Kommerz über alles, organisiert von Funktionären, meist mit Eigeninteressen, ohne «Cojones» (Eier), wie es vor allem auf den Sportplätzen jeweils so schön heisst (das gilt versinnbildlicht selbstverständlich auch für die Sport-Funktionärinnen aus aller Welt, welche ebenfalls im internationalen Sport mitmischen).
Das IOK wäre allerdings nicht das IOK, wenn die Verantwortung für die realen Entscheide nun nicht an die internationalen Sportfachverbände delegiert würde. Das IOK bestimmt, ausbaden müssen das Problem bezüglich der Zulassung russischer und weissrussischer Athletinnen und Athleten ab sofort die Fachverbände, von denen es, auch in den obersten Chargen, von Russinnen und Russen wimmelt. Die internationalen Fachverbände im Boxen und im Schach werden sogar von dubiosen Russen und sog. «Freunden» des Haupt-Kriegstreibers im Kreml präsidiert! Die «heisse Kartoffel» bezüglich der Entscheidungen mit Blick auf die Zulassungen von Aktiven aus den beiden Ländern an die Fachverbände weiterzureichen, ist also ein geschickter Schachzug des IOK, um sich von Verantwortung und Konsequenzen zu entlasten – oder sich davor zu drücken. Im Moment noch gradlinig zeigt sich der Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), Sebastian Coe, der erklärt hat, sich in der global einzuordnenden bedeutungsvollen Leichtathletik dafür einsetzen zu wollen, dass auch künftig im internationalen Sport russische und weissrussische Aktive ausgeschlossen werden und bleiben. Bis zu den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris wird noch einiges an Wasser die «Seine» herunterfliessen. Vor kurzer Zeit haben die Fechter, wen wundert’s, entschieden, dass Vertreterinnen und Vertreter der beiden Kriegstreibers-Staaten im internationalen Sport wieder mittun dürfen. Es ist selbstverständlich nur Zufall, dass der IOK-Präsident einmal selber Olympiasieger und Weltmeister im Fechten war…
Der Entscheid des IOK ist bei Menschen, die guten Willens sind und sich auch noch den wichtigsten, ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlen, schlecht angekommen und hat teils eine Schockwirkung gezeitigt. Aus der Ukraine sind zwischenzeitlich Boykott-Bekräftigungen bekannt geworden. Dafür sollte die organisierte Sportwelt an sich Verständnis haben. Sollen sich ernsthaft Sportlerinnen und Sportler der drei Länder auf dem Sportfeld messen, bei den Siegerehrungen auf dem selben Podest stehen und sich am Schluss gemeinsam brüderlich und schwesterlich unter die Duschen stellen?