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WM-Endrunden-Zuschlag an Saudi-Arabien – nur ein nichtiger «Bauchjuristen»-Entscheid»

causasportnews Nr. 1076/11/2023, 4. November 2023

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(causasportnewes / red. 4. November 2023) Vom ehemaligen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter wurde dessen Aussage kolportiert, Juristen seien so notwendig wie ein Kropf. Ab und zu brauchte der Nicht-Jurist aus dem Wallis allerdings dann doch juristischen Beistand. Beim aktuellen FIFA-Präsidenten Gianni Infantino präsentiert sich die Ausgangslage anders: Der Walliser ist gelernter Jurist, was er allerdings meist gekonnt kaschiert. Geht es um’s Recht, relativiert der 53jährige Chef des Weltfussballverbandes den juristischen Wert seiner Person gleich selber. So soll er immer wieder gesagt haben, Formal-Juristen seien ihm ein Graus. Er fühle sich vielmehr als «Büüüchjurist», was aus dem Walliser-Deutsch übersetzt «Bauchjurist» bedeutet; will sagen, ein Jurist, der die Klippen auch auf den juristischen Weltmeeren vornehmlich mit Gefühl, Cleverness und Schlauheit umschifft.

Das alles könnte sich nun nach dem faktisch erfolgten Zuschlag der Fussball-WM-Endrunde 2034 ändern. Triefend vor Selbstgefälligkeit hat der «Bauchjurist» Gianni Infantino der Welt verkündet, die WM-Endrunde2034 finde in Saudi-Arabien statt – auch mangels Bewerbungs-Alternativen. Die Welt ist bestürzt, Journalisten sprechen von einem Taschenspieler-Trick, der diese Vergabe möglich gemacht habe, doch weitgehend herrscht Resignation nach dem durchexerzierten «Bauchjuristentum». Doch hat Gianni Infantino seinen Vergabe-Entscheid zu früh kommuniziert und gefeiert? Ein Blick auf die formelle Rechtslage zeigt, dass die Vergabe des bedeutendsten Sportanlasses der Welt an Saudi-Arabien, das von vielen Beobachtern immerhin als «Schurkenstaat» bezeichnet wird, noch keineswegs besiegelt ist – wenn sich dann oder wann Opposition regt.

Wahrscheinlich hat der FIFA-Präsident die Statuten «seines» Verbandes zuwenig genau beachtet oder sich einfach darüber hinweggesetzt. Die Kompetenz zur Bestimmung (Beschlussfassung) des Austragungsortes der WM-Endrunde liegt klar und unmissverständlich beim FIFA-Kongress, der Vereinsversammlung der FIFA-Mitglieder (211 nationale Fussball-Verbände). So lautet Art. 28 Abs. 2 lit. s) der Vereinsstatuten wie folgt (zwingende Geschäfte des FIFA-Kongresses): «Abstimmung zur Bestimmung des Austragungsortes der Endrunde der Fussball-Weltmeisterschaft.» (ein weiterer, klarer Hinweise in den Statuten findet sich, in holpriger Sprache, in Art. 34 Abs. 10: «Dies gilt nicht für die Bestimmung des Austragungsortes der Endrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft, der vom Kongress durch Abstimmung bestimmt wird). Diese zwingende Kompetenz(zu)ordnung wurde im Zuge der FIFA-Reformen festgelegt, nachdem sich das Vergabe-System, das die Bestimmung des WM-Endrunden-Austragungsortes durch die Exekutive (FIFA-Exekutivkomitee) vorsah, in der Vergangenheit als manipulations- und korruptionsanfällig erwiesen hatte (211 Nationalverbände, juristische Personen, sind weniger bestechungsanfällig als eine Handvoll Exekutivmitglieder, natürliche Personen). Nach dem aktuellen Vergabe-Verdikt des Präsidenten verletzt dieses die zwingend festgelegte, statutarische Kompetenzordnung des Verbandes; die kommunizierte Vergabe-Entscheidung ist zufolge der Verletzung der FIFA-Kompetenzordnung nichtig, und nicht nur anfechtbar.

Die Entscheidung des FIFA-Präsidenten präsentiert sich so, als wäre sie nicht geschehen, d.h, sie hat formell keinen Bestand. In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine Vergabe eben nicht erfolgt ist. Diese Nichtigkeit könnte auf Antrag eines jeden FIFA-Mitglieds gerichtlich festgestellt werden. Gianni Infantino wäre allerdings nicht Gianni Infantino, wenn er diesen Entscheid früher oder später nicht vom FIFA-Kongress bestätigen lassen würde. Auf diesem Wege könnte er einen formell einwandfreien Kongress-Beschluss bezüglich der WM-Endrunden-Vergabe 2034 an Saudi-Arabien bewirken. Lediglich «Büüüchjuristerei» hilft ihm in dieser Causa im Moment aber nicht.

«Mund-Küsser» Luis Manuel Rubiales soll drei Jahre aussetzen

causasportnews / Nr. 1075/10/2023, 31. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 31. Oktober 2023). Nun hat es also den als «Mund-Küsser» bekannt gewordenen ehemaligen Präsidenten des Spanischen Fussball-Verbandes, Luis Manuel Rubiales, erwischt: Er soll wegen seiner Übergriffigkeit drei Jahre aussetzen und keine fussball-bezogenen Tätigkeiten mehr ausüben. Der Ausschluss gilt für den nationalen (spanischen) sowie für den internationalen Fussball (unter der Ägide des Welt-Fussballverbandes, FIFA). Dieses Verdikt hat die FIFA soeben bekannt gegeben. Dessen Disziplinarkommission wertete den Kuss des im September unter Druck zurückgetretenen, 46jährigen Spaniers auf den Mund der Nationalmannschafts-Spielerin Jennifer Hermoso nach der Pokalübergabe anlässlich des WM-Finals der siegreichen Spanierinnen gegen die Engländerinnen (Endstand 1:0) in Australien als «übergriffig» und den Ex-Präsidenten des Spanischen Verbandes für den organisierten Fussball weltweit als offenbar nicht mehr tragbaren. Der Ex-Funktionär ist nun hart sanktioniert und aus dem Sport eliminiert worden, nachdem er kurz nach dem Vorfall bereits für 90 Tage suspendiert wurde; seit dem erzwungenen Rücktritt im September hatte der Fehlbare allerdings faktisch bereits keine Fussball-Funktion mehr inne. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes erkannte offenbar, der Ex-Präsident habe mit seinem Kuss auf den Mund der Spielerin deren Würde und Integrität verletzt; offenbar, weil der Entscheid ohne Begründung eröffnet wurde (was möglich ist). Luis Manuel Rubiales kann nun innerhalb von 10 Tagen eine Begründung des Disziplinarkommissions-Entscheids verlangen. Sodann ist es ihm möglich, (verbandsintern) in Berufung gehen. Letztlich kann der FIFA-Berufungsentscheid an den Internationalen Sport-Schiedsgerichtshof in Lausanne (TAS, Tribunal Arbitral du Sport) gezogen werden. Letztlich hätte der gestrauchelte Funktionär die Möglichkeit, gegen die ausgefällte Sanktion, falls sie im verbandsinternen Instanzenzug und am TAS bestätigt werden sollte, am Schweizerischen Bundesgericht anzukämpfen. Das will der sanktionierte Funktionär offenbar tun, denn kurz nach Bekanntgabe des FIFA-Entscheides teilte Luis Manuel Rubiales voller Entschlossenheit mit, gegen diese Entscheidung bis an die letzte Instanz gelangen zu wollen, um Gerechtigkeit zu erlangen und die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ob das Verdikt vom Zürichberg Bestand haben wird, ist ungewiss, bzw. sind die Verfahrenschancen von Luis Manuel Rubiales schwierig abzuschätzen. Gegen den Ex-Funktionär spricht, dass er etwas getan hat, was nicht angeht, und das Vergehen dem Zeitgeist krass widerspricht. In solchen Fällen aufgrund einer Generalklausel, wie Art. 13 des Disziplinarreglementes zu qualifizieren ist, ein Sanktions-Strafmass festzulegen, was dem Übergriff des «Mund-Küssers» als Strafe, etwa unter dem Aspekt der Angemessenheit, gerecht würde, ist schwierig bis fast unmöglich. Sicher wird der gefallene Funktionär, dessen Handlung selbstverständlich unakzeptabel war und nicht zu beschönigen ist, weder im verbandsinternen Verfahren noch vor Gericht «Gerechtigkeit» erlangen. Es entspricht einer notorischen Tatsache, dass man von Gerichten Entscheidungen erhält (falls sich diese überhaupt mit der Sache befassen), selten aber Gerechtigkeit. Insbesondere sind die Vorgaben zum Vereins-Sanktionsrecht zu beachten (basierend auf Art. 70 des Zivilgesetzbuches, ZGB; es ist auch die Rechtsprechung hierzu zu beachten, auch unter Berücksichtigung von Art. 4 ZGB).

Jedenfalls scheint es klar zu sein: Der «Mund-Kuss» von Sydney kann noch nicht ad acta gelegt werden. Vielmehr scheint das Weitere in dieser «Causa» vorgezeichnet: affaire à suivre…

Amnesie rettet Gianni Infantino vor Strafverfolgung

causasportnews / Nr. 1074/10/2023, 29. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 29. Oktober 2023) Die juristische Vergangenheitsbewältigung im Weltfussball dauert seit bald acht Jahren an. Seither sind einige Fussball-Funktionäre, vorwiegend aus Südamerika, der Strafverfolgung, die auch mit Verurteilungen endeten, zugeführt worden. Aber auch der ehemalige Präsident des Weltfussball-Verbandes, Joseph Blatter(aus Visp im Wallis), der anfangs 2016 regelrecht vom FIFA-Thron gefegt wurde, ist immer noch daran, juristische «Baustellen» zu entrümpeln. Der aktuelle «Zufalls»-Präsident des Verbandes, Gianni Infantino (aus Brig im Wallis), steht seinem Vorgänger in nichts nach: Seit er am 26. Februar 2016 zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde, ist die Justiz zum getreuen Begleiter seiner Präsidentschaft geworden. Doch, jetzt, endlich, herrscht Hochstimmung beim 53jährigen Walliser im Home of FIFA in Zürich (oder wo er sich aufhalten mag) – dank der Schweizerischen Bundesanwaltschaft. Sie hat soeben in einem eher grotesk, denn ernsthaft anmutenden Vorgang à la «Loriot» (Bernhard-Viktor von Bülow) eine wegweisende Entscheidung gefällt: Informelle Geheimtreffen zwischen dem selbstgefälligen Walliser aus Brig (Artikel-Überschrift des Journalisten Thomas Schifferle: «Diese Selbstgefälligkeit Gianni Infantinos!») und dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber (im August 2020 wegen der FIFA-Angelegenheit aus dem Amt «ausgeschieden») haben keine strafrechtliche Folgen; die Verfahren werden eingestellt. Diese Entwicklung war vorauszusehen, denn Amtsgeheimnisverletzungen, Amtsmissbrauch und Begünstigung müssen zuerst einmal bewiesen werden – vom Staat, nicht von den Beschuldigten. Der einzige Umstand, der nicht wegzudiskutieren ist, aber auch nicht belegt werden kann (weil er inexistent ist), ist die versäumte Protokollierung der Treffen in Bern zwischen dem Bundesanwalt und dem FIFA-Präsidenten. Ist auch nicht so dramatisch, denn wo kein Rauch ist, ist schliesslich auch kein Feuer – oder anders: «Quod non est in actis, non est in mundo» (was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt; ein Grundsatz, der schon im Römischen Recht herrschte). Die fehlende Protokollierung der Treffen soll nun zu einer Kostenauflage zu Lasten von Michael Lauber führen.

Gianni Infantino feiert seinen «Sieg» nach der erfolgten Verfahrenseinstellung durch die beiden mit dieser Untersuchung betrauten ausserordentlichen Bundesanwälte, die dem schweizerischen Justiz-Filz entstammen und in ihrem Alter mit diesen Untersuchungs-Jobs nochmals Gelegenheit erhielten, sich ihre Altersrenten schön aufzubessern oder mit dieser Form von Nebenbeschäftigung Kasse zu machen (die Verfahren werden die Steuerzahler hunderttausende von Franken kosten) geradezu überschwänglich. Der FIFA-Präsident, der Muhammad Ali des Fussball-Funktionärswesens («Ich bin der Grösste!») und Michael Lauber haben ihre mit weissen Krägen bedeckten Hälse wohl deshalb aus den Schlingen ziehen können, weil sie offenbar an einer in Strafverfahren hilfreichen Krankheit leiden: An Amnesie (Gedächtnisverlust). Wenn sich der höchste und wichtigste Sport-Repräsentant der Welt und der oberste Ermittler und Ankläger der Schweiz mehrmals treffen und nicht mehr wissen, was Inhalt dieser Besprechungen war (deshalb wurden wohl auch keine Protokolle erstellt), muss es sich hier zweifelsfrei um ein dramatisches Krankheitsbild handeln. Da keine anderweitigen Beweise vorlagen und die Beschuldigten selbstverständlich ein «Recht auf Gedächtnisverlust» haben, ist die Logik der Geschehnisse die, dass solche Verfahren eingestellt werden, denn der Staat hat in einem Verfahren und allenfalls im Rahmen einer Anklage die Tatbestandsmässigkeit, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens und das Verschulden der Beschuldigten zu beweisen. Das gelang in dieser «Causa» offensichtlich nicht. Gianni Infantino, der sich längst ins Zentrum des Universums gestellt hat (seine Lieblingsworte sind «ich» oder «mein» Fussball), obwohl er für den Fussball bisher etwa soviel erreicht hat wie die Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die Deutsche Bundeswehr, und diesen einzig verwaltet (und es sich so gut gehen lässt), kann sich nun bei seinen Selbstdarstellungen mit einem weiteren Attribut behelfen: Nachdem er sich anlässlich der WM-Endrunde in Katar behindert, schwul, afrikanisch, arabisch, als Einwanderer, usw. gefühlt hatte, kommt nun eben die Amnesie (Gedächtnisverlust), die ihn nun in jedem Fall vor Strafverfolgung bewahrt hat, hinzu. Hinweis an den FIFA-Präsidenten: Die Amnesie immer an erster Stelle nennen, dann erübrigt sich der Rest…

“And the winner is … Saudi-Arabia”

causasportnews / Nr. 1071/10/2023, 18. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 18. Oktober 2023) Unvergessen sind die Momente der Bekanntgaben des Weltfussball-Verbandes FIFA, als der damalige FIFA-Präsident Joseph Blatter als oberster Repräsentant der globalen Fussball-Weltgemeinschaft z.B. am 6. Juli 2000 den Ausrichter der WM-Endrunde 2006 verkündete: «And the winner is … Germany» (das war auch die Geburtsstunde des Deutschen «Sommermärchens»); oder am 2. Dezember 2010 der Schock, nicht nur für die Fussball-Welt: «And the winner is … Qatar» (der wohl umstrittenste Vergabeentscheid bezüglich einer WM-Endrunde im Winter im von vielen ungeliebten Wüstenstaat, 2022). Die Vergaben bezüglich der nächsten WM-Endrunden sind zwischenzeitlich klar geworden (2026: USA, Mexiko, Kanada), bzw. wurden sie vorgespurt (2030: Marokko, Portugal, Spanien als Gastgeber, und andere).

Demnächst steht die Vergabe der WM-Endrunde 2034 an. Bis zum 31. Oktober können Bewerbungen angekündigt werden, jedoch scheint es sicher, dass Saudiarabien den Zuschlag erhalten wird (Anmerkung: die Vergabe erfolgt immer an einen Nationalverband oder an mehrere Verbände zugleich, wie erstmals 2002 an Japan und Südkorea). Das Land, das nicht nur wegen der derzeitigen politischen Lage von einigen Seiten als «Schurkenstaat» qualifiziert wird, hat jedenfalls, bisher einzig, die Bewerbung für 2034 angekündigt. Es wird sich wohl bei dieser Faktenlage und aufgrund der Affinitäten der FIFA-Führung gegenüber Saudiarabien kaum noch ein anderes Land bewerben. Der vergebende Weltfussball-Verband FIFA hat die Bewerbung Saudiarabiens vor ein paar Tagen bekannt gegeben. Es war dies eine «Quasi-Vergabe», weil der Vergabeentscheid von der Gesamtheit aller FIFA-Nationalverbände, dem sog. «FIFA-Kongress», getroffen werden muss. Eingefädelt hat diese Ausgangslage, unter Aushöhlung der statutarisch festgelegten Vergabe-Kompetenzordnung, FIFA-Präsident Gianni Infantino, der, sobald ihm nach diesem Fait accompli der «Quasi-Vergabe» der FIFA-Kongress grünes Licht gegeben hat, mit stolzgeschwellter Brust offiziell verkünden wird: «And the winner is … Saudi-Arabia». Oder könnte es doch noch anders kommen? Nachdem sich die Lage im nahen Osten in absehbarer Zeit kaum mehr beruhigen lassen dürfte und sich Saudiarabien, das Land, in das derzeit auch Top-Fussballspieler en masse ziehen, derzeit an Palästina (!) annähert, kann alles möglich werden, auch was die sport-politischen Auswirkungen – und wohl leider auch Ausweitungen – des Krieges zwischen Israel und Palästina anbelangt. Schaun wir mal, würde die Fussball-Ikone Franz Beckenbauer wohl sagen.

Der Fussball-WM-Vergabepoker mit Zerstörungspotential

causasportnews / Nr. 1067/10/2023, 8. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 8. Oktober 2023) Seit Geld und Geist im Sport um die Vorherrschaft kämpfen, dabei der Geist oft willig, das Fleisch aber schwach ist, wird alles versucht, um die Sport-Geldmaschinerie am Laufen zu halten, will heissen, noch rasanter an der pekuniären Spirale zu drehen. Dabei wird mit Blick auf Gewinnmaximierungen einiges in Kauf genommen. Das Sport-Marketing ist die Disziplin im Sport, welche dazu berufen ist, die wirtschaftliche Seite der Körper- und Geistesbewegung im Sport adäquat und immer intensiver zu gewichten. Wenn die Kasse stimmt, wird auch die Gefährdungswirkung mit Blick auf den Sport in Kauf genommen. Was im empirischen Marketing bedeutet: Jedes Produkt ist letztlich geeignet, sich selbst vernichten zu können.

Ein schönes, besser ein geradezu traumatisches Bild, wie das weltweit beste Sport-Produkt, die WM-Endrunde der Fussballer (sorry, liebe Frauen, es sind hier die Männer gemeint!), der Selbstzerstörung entgegenschlittert. Der Welt-Fussballverband FIFA macht es möglich. Die WM-Endrunde, die künftig noch aufgeblähter abgehalten wird, soll nicht mehr nur von einem Nationalverband und zudem in Schurken-Staaten (z.B. 2018 in Russland) durchgeführt werden, sondern in mehreren Ländern (ähnlich wie 2002 in Südkorea und Japan). Wie demnächst, 2026, wenn die Erzfeinde Amerika und Mexiko sowie Kanada die Fussballwelt willkommen heissen. Da kündigte US-Präsident Joe Biden auf wackligen Beinen und mit zittrigem Stimmchen soeben ziemlich kleinlaut an, an der von Donald Trump initiierten Mauer zwischen den USA und Mexiko werde weitergebaut. Mauern und Zäune können bekanntlich auch völkerverbindend sein, nicht nur der Sport und seine Schokoladenseiten. Apropos USA: Die FIFA als Organisatorin der Männer-WM gab kürzlich bekannt, 100 Arbeitsplätze von Zürich nach Amerika zu verlegen. Ein bisschen Opportunismus darf schliesslich auch sein. Das auch stets über der FIFA hängende US-Damoklesschwert darf den globalen Fussball schliesslich weder gefährden noch zerstören. Die Drei-Länder-WM 2026 wird nun von der Interkontinental-Weltmeisterschaft 2030 noch in den Schatten gestellt. Über drei Kontinente soll sich das grösste Fest des Sportes erstrecken, in Portugal, Spanien, Marokko, Argentinien, Uruguay und Paraguay wird gespielt werden. Nicht nur die anlässlich der WM-Endrunde herumreisenden Mannschaften werden einen «einzigartigen weltweiten Fussabdruck» hinterlassen, wie sich FIFA-Präsident Gianni Infantino, der «es» wohl richtig gedacht hat, zitieren liess (womit der Walliser natürlich nicht den ökologischen Fussabdruck gemeint hat), sondern auch für die global zirkulierenden Fans sind die 104 Spiele, die 2030 ausgetragen werden, eine Herausforderung. Danach wird 2034 der Weg frei sein für Saudiarabien, das Land, in das derzeit nicht nur abgehalfterte Kicker-Stars ziehen. Der Golfstaat pumpt seit geraumer Zeit Milliarden welcher Währung auch immer in den Sport, und er wird sich die Gastgeberrolle für den wichtigsten Sportanlass der Welt kaum mit anderen Ausrichtern teilen.

Selbstverständlich bedeuten diese Entwicklungen sowie der damit zusammenhängende WM-Austragungspoker nicht den Tod des von der Welt geliebten Fussballsportes. Sie könnten aber zum Mahnmal dafür werden, wie Geld den sportlichen Geist allmählich zu zerstören in der Lage ist. Der aktuelle und künftige WM-Vergabepoker, ein permanenter Prozess im Weltfussball, ist ein reales Beispiel dafür, wie die Fussball-WM-Endrunde, das weltweit beste Marketing-Produkt, allmählich dem «Gott Mammon» geopfert wird.

WEKO-Schlittschuhfahren mit Spieleragenten

causasportnews / Nr. 1066/10/2023, 1. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 1. Oktober 2023) Wie heisst es so schön: Von Gerichten und Behörden bekommt man Entscheidungen und Urteile, aber selten Gerechtigkeit; ab und zu ist das allerdings deckungsgleich. An dieses Bonmot dürften sich die Schweizer Spieleragenten erinnert haben, als vor ein paar Tagen die Entscheidung der Schweizerischen Wettbewerbskommission (WEKO) bekannt wurden, keine vorsorglichen Massnahmen gegen den Fussball-Weltverband (FIFA) bezüglich der neuen Spielervermittler-Regelung vom 16. Dezember 2022 zu erlassen. Was heisst, dass die umstrittene, an sich weltweit geltende Branchen-Berufsregulierung der FIFA marktwirtschftsrechtlich kaum mehr abzuwendend sein wird (vgl. auch causasportnews vom 31. Juli 2023). Somit wird der Weltverband die Vermittler und Berater im globalen Kontext unter seine Fittiche nehmen und deren Geschäftsaktivitäten weitgehend kontrollieren können – vor allem auch die Geldflüsse bei der Abwicklung von Fussball-Transfers. Das ärgert zwar die Swiss Football Agents Association (SFAA), doch hat sich dieser Branchenverband der Agenten mit dem Begehren bei der WEKO selber ins juristische Abseits manövriert. Der WEKO-Entscheid, die Vermittlerregelung der FIFA auf vorsorglichem Wege nicht zu unterbinden, sondern nun eine Vorabklärung vorzunehmen, bedeutet nichts anderes, als die WEKO, die vor allem aus Beamten, Politikern und linientreuen Juristen besteht, jetzt mit den Spieler-Agenten Schlittschuh fährt. Oder anders: Diese Schweizer Bundesbehörde, welche u.a. Markt-Missbräuche, schädliche Kartelle, usw. verhindern sollte und allgemein für die Sicherstellung des Marktes sorgen müsste, wird nun während Jahren vor sich hinwerkeln und letztlich kaum etwas, konkret, zuungunsten der FIFA entscheiden. Oder dann vielleicht ein paar laue Empfehlungen abgeben. So gesehen ist die Nicht-Gewährung vorsorglicher Massnahmen präjudizierend und bedeutet, dass die FIFA seitens der WEKO dereinst nichts zu befürchten hat. Dies, obwohl Experten davon ausgehen, dass die FIFA-Regelung in vielen Punkten wettbewerbswidrig ist; und allgemein rechtswidrig. Es wäre nicht auszumalen, wenn die WEKO in zehn Jahren die FIFA-Reglung als unhaltbar qualifiziert würde und so Schadenersatzbegehren etwa der Spielervermittler-Gilde auslösen würde. Bedeutend ist der WEKO-Entschied dieser Schweizer Behörde (die WEKO ist kein Gericht) im Rahmen der abgewiesen vorsorglichen Massnahmen vor allem deshalb, weil die FIFA ihren Sitz in der Schweiz, in Zürich, hat und diese Berufsreglung des Internationalen Verbandes auf die ganz Welt und den globalen Fussball ausstrahlt.

Was nun noch bleibt, sind juristische Schritte, welche Betroffene in den einzelnen Ländern vornehmen können. So hat die Zivilkammer des Landgerichts Dortmund im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes am 24. Mai 2023 die im Dezember 2022 beschlossen Spielervermittler-Regelung der FIFA ausgesetzt. In Deutschland darf die FIFA-Regelung also vorderhand und bis auf Weiteres nicht angewendet werden, was das Gericht der FIFA und dem Deutschen Fussball-Bund (DFB) unter Androhungen verboten hat. Das ist insofern beachtlich, als Deutschland kein Fussball-Zwergstaat und nicht nur ein unbedeutendes Mitglied der FIFA mit 211 nationalen Verbänden ist und das Gericht in Dortmund im Reglement zudem auch europa-rechtswidrige Elemente erblickte. Das Reglement wird also einer europarechtlichen Überprüfung unterzogen. Das wäre also ein Fingerzeig, um in den einzelnen Ländern die FIFA-Regelung doch noch zu Fall zu bringen. Es verwundert, dass die Schweizer Spieleragenten nicht gleich an die zuständigen Gerichte gelangt sind, sondern das «Spiel» mit der WEKO aufgenommen haben – und nun kläglich gescheitert sind.

Die «Kölner Keller-Kinder» und die sportlich-/wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten

causasportnews / Nr. 1059/09/2023, 18. September 2023

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(causasportnews / red. / 18. September 2023) In Fussball-Deutschland herrscht wieder Normal-Zustand, oder, wie man es auch elegant sagen könnte: courant normal. Die Bundesliga gehört zu den bedeutendsten Ligen der Welt, und derzeit zieht sie alles und alle in ihren Bann. Die Kardinalfrage im Deutschen Liga-Geschäft lautet natürlich, ob es in der laufenden Saison 2023/24 einer Mannschaft gelingen wird, den FC Bayern-München am erneuten Titelgewinn zu hindern. Die Konkurrenz, es sind dies die üblichen «Verdächtigen», unternimmt alles, um die Dominanz der Mannschaft von Thomas Tuchel zu brechen. Viele Klubs haben allerdings nicht nur den Meister-Titel im Fokus, es gibt Mannschaften, die sich auf andere Weise im Liga-Business und vielleicht dann doch dereinst auch «europäisch» behaupten wollen, etwa der 1. FC Köln.

Hier wirkt seit kurzer Zeit ein Mann, der angetreten ist, um den Mythen umrankten «Karnevalsverein» in höhere Sphären zu führen, und zwar auf vernünftige Art und Weise, soweit das im Fussball überhaupt möglich ist. Die Rede ist hier nicht von Trainer Steffen Baumgart, sondern von Geschäftsführer Christian Keller, der seit kurzer Zeit in Köln wirkt und bestrebt ist, die sportlichen und wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten des Fussballs in Einklang zu bringen; das wird auch Fussball-Wirtschafts-Balance genannt. Selbstverständlich funktioniert das nur, wenn sich der sportliche Erfolg einstellt. Aktuell sieht das im 1. FC Köln gerade nicht danach aus. Nach vier Spieltagen in der laufenden Meisterschaft haben die «Geissböcke», wie die Kölner auch genannt werden, lediglich einen Punkt auf dem Konto. Der Sport-Direktor ist also gefordert, wenn er die Erkenntnisse seiner Doktorarbeit «Steuerung von Fussballunternehmen. Finanziellen und sportlichen Erfolg langfristig gestalten» in die Realität umsetzen will. Für CHF 69.90 oder etwa für den gleichen Betrag in Euro kann in der Doktorarbeit (zu beziehen im Erich Schmidt Verlag in Berlin) des Kölner Fussball-Managers nachgelesen werden, wie Christian Keller seinen Thesen Fussball-Realität einhauchen will. Was der Sport-Direktor bei seiner Arbeit in Köln erschwerend zu berücksichtigen hat, ist der Umstand, dass er seine Dissertation vor fast 15 Jahren verfasst hat; seither hat sich auch im Bundesliga-Fussball einiges verändert. Das ist aber wohl nicht der Grund, dass der Bundesliga-Auftakt 23/24 in Köln unter Sportdirektor Christian Keller massiv versiebt worden ist und die Liga teilweise von den «Kölner Keller-Kindern» spricht.

Jedenfalls spürt der 46jährige Fussball-Manager mit Doktortitel, dass das Bonmot vom Geld, das keine Tore schiesst, nur bedingt zutrifft. Ohne geeignetes Spielermaterial, das seinen Preis hat, geht wenig oder auch nichts. Die Balance zwischen sportlichem Erfolg und wirtschaftlichem Reüssieren zu finden ist nicht leicht. Christian Keller agiert durchaus liga-konform im Transfer-Geschäft. Er bekommt aber auch die unerfreulichen Seiten bei Spieler-Akquisitionen zu spüren. Im Moment hängt über dem 1. FC Köln ein Verbands-Damoklesschwert: Der Internationale Fussballverband (FIFA) hat den Klub mit einer Transfersperre belegt, weil dieser (vor der Ära Christian Keller) einen Spieler zum Vertragsbruch angestiftet haben soll, um diesen dann selber zu verpflichten. Das Internationale Sport-Schiedsgericht (TAS; Tribunal Arbitral du Sport) in Lausanne hat das harte FIFA-Verdikt gegen die Kölner einstweilen ausgesetzt (vgl. causasportnews vom 13. Juni 2023), aber die Folgen wären wohl verheerend, wenn der Transfer-Bann letztlich umgesetzt würde.

Christian Keller darf sich gar nicht ausmalen, wie eine derartige Verbands-Sanktion, die zweifelsfrei als unverhältnismässig und juristisch als unhaltbar qualifiziert werden dürfte, letztlich wirken könnte. Die Fussball-Kardinalfrage, die sich auch Christian Keller immer wieder stellt («da ist zuviel Geld im System», vgl. etwa Der Spiegel, 36/2023), ob Geld nun Tore schiesst oder nicht, wäre dann obsolet.

«Kuss-Skandal»: Nun das Schweigen der (Un-)Schulds-Lämmer

causasportnewes / Nr. 1054/08/2023, 31. August 2023

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(causasportnews / red. / 31. August 2023) Und plötzlich herrscht Schweigen im grossen «Kuss-Skandal», das einzige Thema, das nach und von der Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft von diesem Turnier übrigblieb (vgl. zuletzt causasportnews vom 28. August 2023). Was ist geschehen? causasportnews zieht nach dem Vorfall anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales am 20. August die Spielerin der Weltmeisterinnen-Equipe, Jennifer Hermoso, auf den Mund küsste, zum Monatsende eine Zwischenbilanz.

Dabei ist generell festzuhalten, dass das, was sich in der Öffentlichkeit oder auch nicht abspielt oder nicht, in der Regel unter ethischen oder juristischen Gesichtspunkten beurteilt wird, falls die Empörungs- und Betroffenheitsgesellschaft tangiert wird oder sich berühren lässt. Die Grenzen sind diesbezüglich fliessend. Die Moralkeule zu schwingen oder juristisch zu urteilen, auch über Sachverhalte, die nicht erstellt sind, ist en vogue; die konventionellen Medien, oder was von ihnen übriggeblieben ist, haben die Rolle des früheren Wirtshaus-Stammtisches übernommen. Dafür garantieren die sog. «neuen Medien» einen modernen und adäquaten Lebensstandrad und viel mehr Lebensqualität. Ein sich in der Öffentlichkeit bewegender Mensch zumindest ohne Handy am Ohr oder in der Hand ist ein Aussenseiter.

So kam es, dass die Kuss-Attacke des Verbandspräsidenten die Massen geradezu elektrisierte, und die Medien den Shitstorm, der sich über Luis Rubiales zu entladen begann, willfährig befeuerten. Der Mob rief zur Kreuzigung des Bösewichtes auf, und die verluderte Medienmeute hechelte im Gleichschritt hinterher. Diese Form von Sexismus geht nicht, befanden alle zur Meinungsäusserung berufenen Menschen guten Willens und Verfechter von Tugend und Moral: Das Publikum, die Medien, Sportfunktionäre, Interessenorganisationen aller Art, Regierungsmitglieder, die Vereinten Nationen, usw.; der Weltfussballverband FIFA als oberste moralische und juristische Instanz des globalen Fussballs machte, wie immer, wenn mit dem Strom geschwommen werden soll, gleich Nägel mit Köpfen und sperrte den obersten Missetäter des Spanischen Fussballs gleich für drei Monate. Dumm nur für (fast) alle, dass zwischenzeitlich sogar mit den Gralshütern der menschlichen Moral Zweifel am bereits final beurteilten Tatbestand aufgekommen sein mögen. Weshalb sonst herrscht in der «Causa Rubiales / Hermoso» plötzlich rundherum Schweigen? Dieses dürfte wohl nicht einfach die Folge des Hungerstreiks der Mutter von Luis Rubiales sein, die sich mit dieser Aktion gegen die globale Hetze gegen ihren Sohn protestiert hat und sich zwischenzeitlich in Spitalpflege befindet.

Dummerweise für die Treiberinnen und Treiber dieser aktuellen Hatz zirkuliert ein Video im Netzt, das den Vorwurf der sexistischen Handlung anlässlich der Kuss-Attacke in Sydney ins Wanken bringt. Obwohl sie permanent von allen Seiten bearbeitet wird, hat sich die Kuss-geschädigte Spielerin geweigert, den Verbandspräsidenten explizit des Sexismus zu bezichtigen. Vielleicht war die zweifelsfrei nicht zu beschönigende Kuss-Attacke eher emotional denn sexistisch motiviert? On verra. Ist ja auch nicht so schlimm, wenn sich dieser Skandal letztlich als Mini-Skandal erweisen sollte. Was kümmern die Meute und die Medien schliesslich Individual-Schicksale? Die gab es schliesslich nicht nur im digitalen Zeitalter. Unschuldige wurden immer wieder verurteilt und die Affaire Alfred Dreyfus wurde ebenso überstanden. Die Geschichte wiederholt sich stets, und nach wie vor lautetet eine Maxime auch unserer heutigen Gesellschaft: «Lob der Schuldigen, Tadel der Unschuldigen». Wie die der Vorgang um Luis Rubiales einmal in diesen Kontext einzuordnen sein wird, dürfte sich bald weisen.

Luis Rubiales: Ein «Vier-Augen-Delikt», begangen in der Öffentlichkeit

causasportnews / Nr. 1053/08/2023, 28. August 2023

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(causasportnews / red. / 28. August 2023) Vor rund einer Woche erspielten sich die Spanischen Frauen den Fussball-Weltmeistertitel. Statt der erfreulichen sportlichen Nachlese beherrscht im Nachgang zur Pokalübergabe an die Spanierinnen ein einziges Thema die globale Welt, nicht nur die Sport-Welt: Der Kuss des Verbandspräsidenten Luis Rubiales gegenüber der Spielerin Jennifer Hermoso (vgl. auch causasportnews vom 24. August 2023). Unbestritten ist es zu verurteilen, was der RFEF-Präsident mit seiner Lippen-Kuss-Attacke zum Nachteil von Jennifer Hermoso getan hat; so etwas geht selbstverständlich nicht. Doch die Moralkeulen aus allen Lagern und Ecken wurden nach der Pokalübergabe in Sydney immer heftiger geschwungen. Luis Rubiales muss weg; was ihm vorgeworfen wird, ähnelt Taten, die sonst als in der Regel im Verborgenen verübte «Vier-Augen-Delikte» (Vergewaltigungen, Missbräuche aller Art, sexualisierte Gewalt, usw.) qualifiziert werden. In der «Causa Rubiales / Hermoso» war die ganze TV-Welt Zeugin des Geschehens: Kein Zweifel, Luis Rubiales hat im sportlichen Freudentaumel «seine» Spielerin, wohl eher emotional statt sexistisch motiviert, auf den Mund geküsst. Wer sich die Mühe nimmt, die Szene genau anzuschauen, wird sehen, dass das Vorgefallene mit dem, was die Welt gemeinhin unter «Vier-Augen-Delikten» versteht, nicht zu vergleichen ist. Jennifer Hermoso äusserte sich später nach der Kuss-Attacke so, sie habe sich «verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der sie nicht zugestimmt» habe. Das wird wohl durch die Bilder nicht ganz so bestätigt, weil die Spielerin anlässlich der Kuss-Szene immerhin den Verbandspräsidenten umarmt und mit Körper-Klapsen bedacht hatte. Bei der Beurteilung der Kuss-Attacke lassen sich eher keine Rückschlüsse auf eine Einwilligung der Spielerin in diese präsidiale Emotion, die im besagten Kuss gipfelten, schliessen, jedoch kann wohl offen gelassen werden, ob aufgrund der Umstände von einer konkludenten Einwilligung durch die geküsste Spielerin gesprochen werden kann. Das alles ist im Moment nicht unwichtig, da der Vorfall von Sydney nun die Juristen beschäftigen wird. Schon nach dem WM-Finalspiel und der Pokalübergabe an die Spanierinnen ging das Kesseltreiben gegen den Verbands-Präsidenten der los. Vor allem seitens der RFEF ertönten immer lauter Forderungen nach einem Rücktritt von Luis Rubiales. Dann mischte sich auch die Politik (in den wohlverstanden «apolitischen Sport») ein. Die Spanische Regierung erklärte, sich dafür einsetzen zu wollen, dass der Verbands-Präsident zügig seinen Posten zu räumen hätte. Auch Gewerkschaften mach(t) en Druck, Spielerinnen wollen den Präsidenten weg haben, und unter normalen Umständen wäre dies auch das Ende der Präsidialherrschaft von Luis Rubiales gewesen. Für Ende letzter Woche war eine Rücktrittserklärung des Küssers von Sydney erwartet worden, doch Luis Rubiales zeigte sich, obwohl dem Tod durch die Öffentlichkeit geweiht, störrisch wie ein Stier in einer spanischen Stierkampf-Arena.

Nun wurde der Weltfussball-Verband FIFA in Zürich aktiviert, um den «Schandfleck Luis Rubiales» aus dem Sport zu tilgen. Die Ethik-Kommission, die gemäss Ethik-Kodex unmoralisches Tun, Handeln und Unterlassen im Sinne von Vereinsstrafen (Art. 70 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB) zu sanktionieren hat, sperrte den Verbands-Präsidenten umgehend weltweit für drei Monate. Weil es schwer fällt, einen Ethik-Tatbestand im FIFA-Ethik-Kodex, der durch Luis Rubiales hätte verletzt werden können, zu eruieren, hat sich die Kommission mit generellen Vorwürfen und den unverbindlichen Generalklauseln beholfen. Dazu zwei Bemerkungen: Die FIFA betont bei jeder Gelegenheit das Apolitische im Sport, blendet aber die starke Einmischung der Spanischen Regierung in diesem Fall aus. Die einstweilige FIFA-Sanktion entspringt natürlich nicht einem Gerechtigkeitssinn in der Zentrale in Zürich, zumal sich in der Sache in Spanien zwei Lager gebildet haben. Das Kontra-Rubiales-Lager im Spanischen Verband kann auf die Lobby am Zürcher Sonnenberg setzen; diese ist mit Spanischen Funktionären, welche nicht gerade als Platzhirsche im Schweizerischen Recht gelten, durchsetzt, weshalb nun unter dem sport-juristischen FIFA-Mäntelchen Sportpolitik gegen Luis Rubiales und seine Gefolgsleute betrieben werden wird. Für den vorläufig für 90 Tagen suspendierten Präsidenten sieht es nicht gut aus, obwohl seine Chancen, gegen die verhängte Sanktion juristisch anzukämpfen, an sich gut wären, aber wohl Theorie bleiben werden. Die FIFA kann sich im Anfechtungsfall zuverlässig auf das verbandslastige Sport-Schiedsgericht Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne verlassen. Hier gegen die FIFA anzukämpfen ist etwa so nutzlos wie der Todeskampf des Stiers in einer Spanischen Arena…Fazit dieser Geschichte: O tempora, o mores!

Kreuzigungsbestrebungen nach Fussball-Funktionärs-Kuss

causasportnews / Nr. 1052/08/2023, 24. August 2023

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(causasportnews / red. / 24. August 2023) Noch ist keine Woche vergangen, seit die Fussballerinnen Spaniens erstmals den Weltmeistertitel errungen haben. Vom Sport spricht schon kaum mehr jemand, bewegender (i.S. «Der bewegte Mann») ist eine Drei-Sekunden-Szene anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als der Spanische Verbandspräsident im Freudentaumel offensichtlich über sich und seine Gefühle die Kontrolle verlor und etwas Unglaubliches tat: Luis Rubiales hatte Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst! Seit dieser Entgleisung des Verbandspräsidenten bei der WM-Siegerehrung stehen nicht mehr die siegreichen Spielerinnen im Mittelpunkt des Interesses nach dem grandiosen Finalsieg gegen die Engländerinnen. Vielmehr Luis Rubiales, auf den nach seiner Missetat zum Halali geblasen wurde und nun immer mehr geblasen wird. Zu Recht muss der Präsident wegen seiner unkontrollierten Tat Kritik und Häme einstecken. Doch allmählich beherrscht der «Kuss von Sydney» die Schlagzeilen nicht nur in der nationalen Presse Spaniens, sondern in der ganzen Welt. Zwischenzeitlich haben sich Politikerinnen und Politiker sowie alle Menschen, die sich dem Bösen in der Welt entgegenstellen, zu Wort gemeldet. So wird auch die moderne Empörungsgesellschaft in Schwung gehalten, befeuert von Moralisten und Pharisäern, welche die ethischen Massstäbe auf diesem Planeten vorgeben. Die Wogen auf Luis Rubiales’ deplatziertes Verhalten schlagen immer höher, und nun dürfte er sich bald im Feld der Ex-Präsidenten dieser Welt wiedersehen. Das Vorkommnis in Australien, das grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist, erinnert an das, was vor rund 2000 Jahren geschah, als das Volk nach der Frage, was Jesus denn getan habe, seine Kreuzigung verlangte. Die moderne Kreuzigung im organisierten, globalen Sport ist gleichzusetzen mit dem Verlust von (Funktionärs-)Ämtern. Das ist nicht mehr so schlimm wie eine Kreuzigung, insbesondere der Verhältnismässigkeits-Grundsatz kann so hochgehalten werden. So wird jetzt, wie in der «Causa Luis Rubiales» ständig nachgelegt, bis der Angeschossene nicht mehr in Amt und Würde gehalten werden kann. Apropos Würde: Nach der Kuss-Attacke durch Luis Rubiales kommt nun weiteres Ungemach auf den 46jährigen ehemaligen Fussball-Spieler: Auf der Ehrentribüne soll er sich mit seinen Genitalien beschäftigt haben, und frühere Vorkommnisse in Spaniens Fussball, bei denen auch die Dienste von Escort-Damen thematisiert wurden, machen den angezählten Verbandspräsidenten nun noch verwundbarer.

Wenn ein derartiger Vorfall alles andere im Fussball Spaniens nach der für diesen Verband so erfolgreichen Weltmeisterschaft in den Hintergrund drückt, dürfte die Welt in der Tat nicht mehr so sein, wie sie einmal war (was grundsätzlich nicht zu bemängeln ist) – oder doch? Wie sieht es die von der Kuss-Attacke des Präsidenten direkt betroffene Jennifer Hermoso? «Es hat mir nicht gefallen», sagte sie in einer ersten Reaktion. «Aber was hätte ich tun sollen», fragte sie? Weiteres und Intimeres zum Thema war der erfolgreichen Spielerin bis jetzt nicht zu entlocken. Zu erwarten war, dass die Gerechten, Rechtsgelehrten und Politiker des Welt-Fussballverbandes FIFA auf den Empörungszug aufspringen würden. Der Weltverband ermittelt nun disziplinarisch. Dabei dürfte die Qualifikation des applizierten Kusses im Vordergrund stehen (der Kuss, ein mit dem Mund durchgeführter Körperkontakt, ähnlich, so wie es Luis Rubiales getan hat, eine Tätlichkeit im strafrechtlichen Sinne also). Gleichheit und Respekt zwischen Frauen und Männern gilt es im Weltfussball zu schützen. Der ehemalige Deutsche Komiker Viktor von Bülow, alias Loriot, hat das immer ein wenig pragmatisch, wenn auch resignierend gesehen, wenn es um die Belange zwischen den Geschlechtern ging: «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». So ist es offenbar.