Archiv für den Monat Oktober 2023

«Mund-Küsser» Luis Manuel Rubiales soll drei Jahre aussetzen

causasportnews / Nr. 1075/10/2023, 31. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 31. Oktober 2023). Nun hat es also den als «Mund-Küsser» bekannt gewordenen ehemaligen Präsidenten des Spanischen Fussball-Verbandes, Luis Manuel Rubiales, erwischt: Er soll wegen seiner Übergriffigkeit drei Jahre aussetzen und keine fussball-bezogenen Tätigkeiten mehr ausüben. Der Ausschluss gilt für den nationalen (spanischen) sowie für den internationalen Fussball (unter der Ägide des Welt-Fussballverbandes, FIFA). Dieses Verdikt hat die FIFA soeben bekannt gegeben. Dessen Disziplinarkommission wertete den Kuss des im September unter Druck zurückgetretenen, 46jährigen Spaniers auf den Mund der Nationalmannschafts-Spielerin Jennifer Hermoso nach der Pokalübergabe anlässlich des WM-Finals der siegreichen Spanierinnen gegen die Engländerinnen (Endstand 1:0) in Australien als «übergriffig» und den Ex-Präsidenten des Spanischen Verbandes für den organisierten Fussball weltweit als offenbar nicht mehr tragbaren. Der Ex-Funktionär ist nun hart sanktioniert und aus dem Sport eliminiert worden, nachdem er kurz nach dem Vorfall bereits für 90 Tage suspendiert wurde; seit dem erzwungenen Rücktritt im September hatte der Fehlbare allerdings faktisch bereits keine Fussball-Funktion mehr inne. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes erkannte offenbar, der Ex-Präsident habe mit seinem Kuss auf den Mund der Spielerin deren Würde und Integrität verletzt; offenbar, weil der Entscheid ohne Begründung eröffnet wurde (was möglich ist). Luis Manuel Rubiales kann nun innerhalb von 10 Tagen eine Begründung des Disziplinarkommissions-Entscheids verlangen. Sodann ist es ihm möglich, (verbandsintern) in Berufung gehen. Letztlich kann der FIFA-Berufungsentscheid an den Internationalen Sport-Schiedsgerichtshof in Lausanne (TAS, Tribunal Arbitral du Sport) gezogen werden. Letztlich hätte der gestrauchelte Funktionär die Möglichkeit, gegen die ausgefällte Sanktion, falls sie im verbandsinternen Instanzenzug und am TAS bestätigt werden sollte, am Schweizerischen Bundesgericht anzukämpfen. Das will der sanktionierte Funktionär offenbar tun, denn kurz nach Bekanntgabe des FIFA-Entscheides teilte Luis Manuel Rubiales voller Entschlossenheit mit, gegen diese Entscheidung bis an die letzte Instanz gelangen zu wollen, um Gerechtigkeit zu erlangen und die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ob das Verdikt vom Zürichberg Bestand haben wird, ist ungewiss, bzw. sind die Verfahrenschancen von Luis Manuel Rubiales schwierig abzuschätzen. Gegen den Ex-Funktionär spricht, dass er etwas getan hat, was nicht angeht, und das Vergehen dem Zeitgeist krass widerspricht. In solchen Fällen aufgrund einer Generalklausel, wie Art. 13 des Disziplinarreglementes zu qualifizieren ist, ein Sanktions-Strafmass festzulegen, was dem Übergriff des «Mund-Küssers» als Strafe, etwa unter dem Aspekt der Angemessenheit, gerecht würde, ist schwierig bis fast unmöglich. Sicher wird der gefallene Funktionär, dessen Handlung selbstverständlich unakzeptabel war und nicht zu beschönigen ist, weder im verbandsinternen Verfahren noch vor Gericht «Gerechtigkeit» erlangen. Es entspricht einer notorischen Tatsache, dass man von Gerichten Entscheidungen erhält (falls sich diese überhaupt mit der Sache befassen), selten aber Gerechtigkeit. Insbesondere sind die Vorgaben zum Vereins-Sanktionsrecht zu beachten (basierend auf Art. 70 des Zivilgesetzbuches, ZGB; es ist auch die Rechtsprechung hierzu zu beachten, auch unter Berücksichtigung von Art. 4 ZGB).

Jedenfalls scheint es klar zu sein: Der «Mund-Kuss» von Sydney kann noch nicht ad acta gelegt werden. Vielmehr scheint das Weitere in dieser «Causa» vorgezeichnet: affaire à suivre…

Amnesie rettet Gianni Infantino vor Strafverfolgung

causasportnews / Nr. 1074/10/2023, 29. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 29. Oktober 2023) Die juristische Vergangenheitsbewältigung im Weltfussball dauert seit bald acht Jahren an. Seither sind einige Fussball-Funktionäre, vorwiegend aus Südamerika, der Strafverfolgung, die auch mit Verurteilungen endeten, zugeführt worden. Aber auch der ehemalige Präsident des Weltfussball-Verbandes, Joseph Blatter(aus Visp im Wallis), der anfangs 2016 regelrecht vom FIFA-Thron gefegt wurde, ist immer noch daran, juristische «Baustellen» zu entrümpeln. Der aktuelle «Zufalls»-Präsident des Verbandes, Gianni Infantino (aus Brig im Wallis), steht seinem Vorgänger in nichts nach: Seit er am 26. Februar 2016 zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde, ist die Justiz zum getreuen Begleiter seiner Präsidentschaft geworden. Doch, jetzt, endlich, herrscht Hochstimmung beim 53jährigen Walliser im Home of FIFA in Zürich (oder wo er sich aufhalten mag) – dank der Schweizerischen Bundesanwaltschaft. Sie hat soeben in einem eher grotesk, denn ernsthaft anmutenden Vorgang à la «Loriot» (Bernhard-Viktor von Bülow) eine wegweisende Entscheidung gefällt: Informelle Geheimtreffen zwischen dem selbstgefälligen Walliser aus Brig (Artikel-Überschrift des Journalisten Thomas Schifferle: «Diese Selbstgefälligkeit Gianni Infantinos!») und dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber (im August 2020 wegen der FIFA-Angelegenheit aus dem Amt «ausgeschieden») haben keine strafrechtliche Folgen; die Verfahren werden eingestellt. Diese Entwicklung war vorauszusehen, denn Amtsgeheimnisverletzungen, Amtsmissbrauch und Begünstigung müssen zuerst einmal bewiesen werden – vom Staat, nicht von den Beschuldigten. Der einzige Umstand, der nicht wegzudiskutieren ist, aber auch nicht belegt werden kann (weil er inexistent ist), ist die versäumte Protokollierung der Treffen in Bern zwischen dem Bundesanwalt und dem FIFA-Präsidenten. Ist auch nicht so dramatisch, denn wo kein Rauch ist, ist schliesslich auch kein Feuer – oder anders: «Quod non est in actis, non est in mundo» (was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt; ein Grundsatz, der schon im Römischen Recht herrschte). Die fehlende Protokollierung der Treffen soll nun zu einer Kostenauflage zu Lasten von Michael Lauber führen.

Gianni Infantino feiert seinen «Sieg» nach der erfolgten Verfahrenseinstellung durch die beiden mit dieser Untersuchung betrauten ausserordentlichen Bundesanwälte, die dem schweizerischen Justiz-Filz entstammen und in ihrem Alter mit diesen Untersuchungs-Jobs nochmals Gelegenheit erhielten, sich ihre Altersrenten schön aufzubessern oder mit dieser Form von Nebenbeschäftigung Kasse zu machen (die Verfahren werden die Steuerzahler hunderttausende von Franken kosten) geradezu überschwänglich. Der FIFA-Präsident, der Muhammad Ali des Fussball-Funktionärswesens («Ich bin der Grösste!») und Michael Lauber haben ihre mit weissen Krägen bedeckten Hälse wohl deshalb aus den Schlingen ziehen können, weil sie offenbar an einer in Strafverfahren hilfreichen Krankheit leiden: An Amnesie (Gedächtnisverlust). Wenn sich der höchste und wichtigste Sport-Repräsentant der Welt und der oberste Ermittler und Ankläger der Schweiz mehrmals treffen und nicht mehr wissen, was Inhalt dieser Besprechungen war (deshalb wurden wohl auch keine Protokolle erstellt), muss es sich hier zweifelsfrei um ein dramatisches Krankheitsbild handeln. Da keine anderweitigen Beweise vorlagen und die Beschuldigten selbstverständlich ein «Recht auf Gedächtnisverlust» haben, ist die Logik der Geschehnisse die, dass solche Verfahren eingestellt werden, denn der Staat hat in einem Verfahren und allenfalls im Rahmen einer Anklage die Tatbestandsmässigkeit, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens und das Verschulden der Beschuldigten zu beweisen. Das gelang in dieser «Causa» offensichtlich nicht. Gianni Infantino, der sich längst ins Zentrum des Universums gestellt hat (seine Lieblingsworte sind «ich» oder «mein» Fussball), obwohl er für den Fussball bisher etwa soviel erreicht hat wie die Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die Deutsche Bundeswehr, und diesen einzig verwaltet (und es sich so gut gehen lässt), kann sich nun bei seinen Selbstdarstellungen mit einem weiteren Attribut behelfen: Nachdem er sich anlässlich der WM-Endrunde in Katar behindert, schwul, afrikanisch, arabisch, als Einwanderer, usw. gefühlt hatte, kommt nun eben die Amnesie (Gedächtnisverlust), die ihn nun in jedem Fall vor Strafverfolgung bewahrt hat, hinzu. Hinweis an den FIFA-Präsidenten: Die Amnesie immer an erster Stelle nennen, dann erübrigt sich der Rest…

Ein sport-ökologischer Super-GAU vor den Ski-Rennen am Matterhorn

causasportnews / Nr. 1073/10/2023, 26. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 26. Oktober 2023) Es waren schockierende Bilder von der Ski-Rennpisten-Präparation in Zermatt, welche national und international verbreitet wurden: Bagger machten sich am Theodolgletscher, genannt nach dem legendären Walliser Bischof, dem hl. Theodul, ziemlich unchristlich zu schaffen, um die Weltcuppiste, die von Zermatt ins italienische Cervinia führt, herzurichten. Das alleine wäre in Anbetracht der ökologisch aufgeladenen Atmosphäre, in der sich die Welt befindet, schon ein Sündenfall vor der Schöpfung. Bald wurde jedoch klar, dass alles noch viel schlimmer ist: Die Planierungsarbeiten auf dem Gletscher wurden teils ausserhalb der bewilligten Abfahrtsflächen ausgeführt. So sah es jedenfalls die Baukommission des Kantons Wallis, die umgehend nach Bekanntwerden des Vorgangs einen Baustopp verhängte. Sie sollte mit ihrer Einschätzung richtig liegen. Obwohl die Zermatter Verantwortlichen eher in Optimismus und in Schadensbegrenzung machten, ist es nun klar, dass die Arbeiten am Gletscher ausserhalb des bewilligten Streckengebietes erfolgten. Ein sport-ökologischer Super-GAU also vor den Rennen, zu denen am 11./12. November (Männer) und am 18./19. November (Frauen) vor der Kulisse des welt-berühmten Matterhorns gestartet werden soll.

Der Skisport auf Renn-Ebene steht seit geraumer Zeit im Clinch mit dem Zeitgeist. Gerade der global stattfindende Weltcup-Zirkus ist längst ins Fadenkreuz der Natur- und Klima-Schützer geraten. Sogar Top-Athletinnen und -Athleten bekunden teils Mühe, um die Umweltbelastungen ihres Sportes mitzutragen; sie sitzen allerdings in der ökologischen Nachhaltigkeitsfalle, da sie bei der Sportausübung den Nachhaltigkeitsvorgaben schlicht nicht gerecht werden können. Der Vorfall in Zermatt ist jedenfalls nicht dazu angetan, die ökologischen Bedenken bezüglich dieser Sportart zu zerstreuen. Wenn dann noch ausserhalb bewilligter Gebiete die Natur, hier die eh schrumpfende Gletscherwelt des Wallis, malträtiert wird, erträgt dies weder Spass noch kann Toleranz erwartet werden. Da nützt es auch nichts, wenn die Verantwortlichen vor Ort und der Streckenchef, der ehemalige Abfahrts-Olympiasieger Didier Défago, den Vorfall relativieren und rechtfertigen. Auch wenn die Uhren im Wallis bekanntlich durchwegs etwas anders ticken und gegenüber touristischen und sportlichen Aktivitäten seitens der Behörden und der Bevölkerung immer wieder eher nachsichtiges Agieren und Verhalten festzustellen ist, kann der (widerrechtlich) erfolgte Gletscher-Eingriff mit Baumaschinen nicht schöngeredet werden. Dies hat dennoch der OK-Chef der Zermatter Weltcuprennen versucht, der es übertrieben findet, dass an den drei auf dem Theodulgletscher eingesetzten Baggern ein Exempel statuiert wird, «während 3000 Menschen drei Wochen auf einem Kreuzfahrtschiff reisen und keiner etwas sagt.» (Sonntags-Zeitung, Zürich, 22. Oktober 2023). Dass solche Rechtfertigungsversuche eher schlecht aufgenommen werden und bekanntlich Empathie und Intelligenz nicht allen Interessenvertretern auch im Sport geschenkt ist, macht die Sache auch nicht besser. Für Zermatt und die Matterhorn-Gegend wird dieser Vorfall als «Super-GAU» nachhaltig wirken. Was dem Bekanntheitsgrad und der Bedeutung der Region sowie dem «Brand Matterhorn Zermatt» allerdings kaum schaden wird. In der schnelllebigen Zeit vergisst man schnell, wenn auch, wie hier, nicht immer restlos. Bis zur Austragung der Rennen der Männer und der Frauen im November wird der Frevel an der Natur zwar weiterhin im In- und Ausland für Gesprächsstoff sorgen, obwohl in diesem Jahr das wichtigste Problem am Ende des Mattertals gelöst ist: Im Abfahrtgebiet liegt bereits genug Schnee…

Bussengelder der FIA ausser Kontrolle?

causasportnews / Nr. 1072/10/2023, 24. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 24. Oktober 2023) Zu behaupten, die Formel 1 sei derzeit an Spannung kaum zu überbieten, wäre wohl einigermassen übertrieben. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass Max Verstappen trotz des erneuten WM-Titelgewinns 2023 nach wie vor siegeshungrig ist, wie beim Grossen Preis der USA am Wochenende in Austin (Texas). Der Vollerfolg wird auch in den letzten vier Rennen dieser Saison vor allem über den niederländisch-belgischen Champion gehen. Fällt im Motorsport auf dieser Ebene das Überraschungs-Moment weg, hilft in der Regel eine Disqualifikations-Orgie, wie sie sich nun in Amerika ereignet hat. Die Verletzung der technischen Regularien in dieser Sportart, in der vor allem das extrem komplexe und komplizierte Sportgerät «Auto» im Mittelpunkt des Geschehens steht, hat am letzten Formel 1-GP dafür gesorgt, dass die Rangliste erst lange nach der Ziel-Durchfahrt der Autos in Austin feststand. Vor allem die Disqualifikation des während vieler Jahren erfolgreichsten Fahrers, Lewis Hamilton, sorgte für mehr als nur Gesprächsstoff. Der Rekord-Weltmeister beendete das Rennen auf dem zweiten Platz, bevor er von der Rennleitung wegen reglementswidrig montierten Bodenplatten am Mercedes aus der Rangliste gestrichen wurde.

Zeit also für Gesprächsstoff der anderen Art, für welchen aktuell die Fédération Internationale de L’automobile (FIA) mit Sitz in Paris sorgt. Unter der Ägide dieses Weltverbandes bewegt sich auch das Milliarden-Unternehmen Formel 1. Der Motorsport-Weltrat der FIA hat vor ein paar Tagen beschlossen, dass bei Satzungsverletzungen Bussen (sie werden grundsätzlich unter den Begriff der Vereinsstrafen subsumiert; vgl. Urs Scherrer, Sportrecht, 2001, 181 ff.), die auch in der Königsklasse des Automobil-Rennsports immer wieder ausgefällt werden, bis zu einer Million Euro verhängt werden können. Bis jetzt konnten beim Vorliegen von Sanktions-Tatbeständen lediglich Bussen bis zu 250 000 Euro ausgefällt werden. Die FIA begründet diesen Entscheid damit, dass die Bussen-Obergrenze während der letzten zwölf Jahre unverändert geblieben sei und den aktuellen Umständen des modernen Rennsports nicht immer gerecht würden. Die Fahrer sprechen davon, dass das Thema «Bussen» so aus dem Ruder laufe. Mercedes-Pilot George Russell äusserte sich verärgert und hielt fest, dass das neue Bussensystem «ausser Kontrolle» geraten sei. Immerhin würden auch einige Fahrer in der obersten Liga des Motorsports keine Million Euro verdienen.- Dazu ist zu sagen, dass die nun festgelegte Million Euro eine Obergrenze bildet und eine allfällige Busse aufgrund des konkreten Falles, also etwa des Reglementsverstosses, festgelegt wird. Für die Fahrer bildet auch der Umstand, dass ausgefällte und von der FIA vereinnahmte Bussen angeblich irgendwo im Verbands-Dickicht versickern, ein Grund zur Unzufriedenheit. Grenzen für die Festlegung der Bussen setzt natürlich auch das Recht. Obwohl die FIA ihren Sitz in Frankreich hat, dürften der Rechtsrahmen für Bussen nach Schweizerischem Recht nicht unberücksichtigt bleiben, dies vor allem deshalb, weil der Internationale Sport-Schiedsgerichtshof seinen Sitz in Lausanne hat und Bussen-Entscheide letztlich in der Schweiz überprüft würden. Werden Bussen, was hier einmal in den Raum gestellt wird, nach Schweizerischem Recht beurteilt, sind vor allem die Artikel 160 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR), die im Sanktionsrecht und bei der Ausfällung von Bussen analog angewendet werden können, zu beachten. Insbesondere müssen ausgefällte Bussen, die in diesem Rahmen als Vereinsstrafen zu qualifizieren sind (gestützt auf Art. 70 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB), verhältnismässig sein. Wenn also ein Formel 1-Fahrer, der keine Million Euro verdient, aufgrund eines Reglementsverstosses mit einer Million Euro gebüsst würde, wäre das unverhältnismässig. Das Gericht hätte sog. übermässig hohe «Bussen» nach pflichtgemässem Ermessen (Art. 4 ZGB) herabzusetzen. Die neue Festlegung der Bussen-Obergrenze mag auf den ersten Blick exorbitant erscheinen, dem Sanktionsrecht der FIA unterstellte Personen sind diesem Bussen-Rahmen jedoch nur theoretisch ausgesetzt. Im Bereich der Rechtsanwendung (Festlegung der Bussen-Höhe) muss u.a. den gegebenen Umständen und dem Verschulden des Betroffenen Rechnung getragen werden (vgl. dazu zudem grundsätzlich Urs Scherrer / Rafael Brägger, in: Basler-Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel, 2022, Rz. 18 ff. zu Art. 70 ZGB).

“And the winner is … Saudi-Arabia”

causasportnews / Nr. 1071/10/2023, 18. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 18. Oktober 2023) Unvergessen sind die Momente der Bekanntgaben des Weltfussball-Verbandes FIFA, als der damalige FIFA-Präsident Joseph Blatter als oberster Repräsentant der globalen Fussball-Weltgemeinschaft z.B. am 6. Juli 2000 den Ausrichter der WM-Endrunde 2006 verkündete: «And the winner is … Germany» (das war auch die Geburtsstunde des Deutschen «Sommermärchens»); oder am 2. Dezember 2010 der Schock, nicht nur für die Fussball-Welt: «And the winner is … Qatar» (der wohl umstrittenste Vergabeentscheid bezüglich einer WM-Endrunde im Winter im von vielen ungeliebten Wüstenstaat, 2022). Die Vergaben bezüglich der nächsten WM-Endrunden sind zwischenzeitlich klar geworden (2026: USA, Mexiko, Kanada), bzw. wurden sie vorgespurt (2030: Marokko, Portugal, Spanien als Gastgeber, und andere).

Demnächst steht die Vergabe der WM-Endrunde 2034 an. Bis zum 31. Oktober können Bewerbungen angekündigt werden, jedoch scheint es sicher, dass Saudiarabien den Zuschlag erhalten wird (Anmerkung: die Vergabe erfolgt immer an einen Nationalverband oder an mehrere Verbände zugleich, wie erstmals 2002 an Japan und Südkorea). Das Land, das nicht nur wegen der derzeitigen politischen Lage von einigen Seiten als «Schurkenstaat» qualifiziert wird, hat jedenfalls, bisher einzig, die Bewerbung für 2034 angekündigt. Es wird sich wohl bei dieser Faktenlage und aufgrund der Affinitäten der FIFA-Führung gegenüber Saudiarabien kaum noch ein anderes Land bewerben. Der vergebende Weltfussball-Verband FIFA hat die Bewerbung Saudiarabiens vor ein paar Tagen bekannt gegeben. Es war dies eine «Quasi-Vergabe», weil der Vergabeentscheid von der Gesamtheit aller FIFA-Nationalverbände, dem sog. «FIFA-Kongress», getroffen werden muss. Eingefädelt hat diese Ausgangslage, unter Aushöhlung der statutarisch festgelegten Vergabe-Kompetenzordnung, FIFA-Präsident Gianni Infantino, der, sobald ihm nach diesem Fait accompli der «Quasi-Vergabe» der FIFA-Kongress grünes Licht gegeben hat, mit stolzgeschwellter Brust offiziell verkünden wird: «And the winner is … Saudi-Arabia». Oder könnte es doch noch anders kommen? Nachdem sich die Lage im nahen Osten in absehbarer Zeit kaum mehr beruhigen lassen dürfte und sich Saudiarabien, das Land, in das derzeit auch Top-Fussballspieler en masse ziehen, derzeit an Palästina (!) annähert, kann alles möglich werden, auch was die sport-politischen Auswirkungen – und wohl leider auch Ausweitungen – des Krieges zwischen Israel und Palästina anbelangt. Schaun wir mal, würde die Fussball-Ikone Franz Beckenbauer wohl sagen.

Reinhold Messner droht dem Guinness-Verlag mit Klage

causasportnews / Nr. 1070/10/2023, 16. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 16. Oktober 2023) Wenn es um Rekorde aller Art geht, spielt in der Regel auch das Guinness-Buch der Rekorde eine Rolle. Wer einen Rekord erzielt, sieht es meistens nicht ungern, wenn seine Höchst- und/oder Extremleistung in dieser Publikation, die seit 1955 jährlich erscheint, vermerkt wird oder ist. Das gilt auch für Rekord- und Ausnahmeleistungen im Bergsport. In dieser Extrem-Sparte tobt seit geraumer Zeit ein Disput, man kann es auch einen Streit nennen, darüber, wer als erster Mensch der Welt alle 14 Achttausender des Planeten bestiegen hat. Natürlich ist dies der Südtiroler Reinhold Messner – davon geht die Welt seit Jahren aus. Dieser Rekord-Eintrag ist seit Reinhold Messners vollbrachter Leistung im Guinness-Buch vermerkt. Doch seit der Himalaja-Chronist Eberhard Jurgalski mit seiner These an die Öffentlichkeit gelangt ist und diese bis heute als authentisch qualifiziert, nämlich, dass Reinhold Messner zumindest auf einem Achttausender nicht auf dem Gipfel gestanden habe, ist die «Rekord-Welt» eine andere geworden. Gemäss dem Chronisten soll das Bergsteiger-Ausnahmetalent aus dem Vinschgau 1985 bei der Besteigung des 8091 Meter hohen Annapurna dessen Gipfel in Tat und Wahrheit um einige Meter verpasst haben; so habe der heute 79jährige Südtiroler eben «nur» 13 Achttausender bestiegen und nicht – rekord-relevant – 14 (causasportnews berichtete verschiedentlich darüber, zuletzt am 13. Oktober 2023). Nach wie vor ist es sowohl unklar als auch umstritten, ob eine Gipfelbesteigung bedeutet, dass der betreffende Alpinist oder die Alpinistin seinen oder ihren Fuss exakt auf den höchsten Punkt des Berges gesetzt habe. Es ist evident, dass gerade in diesen Höhen nicht jeder exakte Gipfelpunkt leicht zu lokalisieren ist.

Aktuell wollte das Guinness-Buch aufgrund der andauernden und vom Deutschen Eberhard Jurgalski losgetretenen Diskussion die Ehre des Erst-Besteigungsrekords aller 14 Achttausender der Welt Reinhold Messner entziehen. Doch zwischenzeitlich hat der Guinness-Verlag seine Entscheidung offenbar rückgängig gemacht, wie Medienberichten, insbesondere dem «Spiegel», zu entnehmen ist. Doch Reinhold Messner, durch die anhaltende Diskussion gekränkt und verärgert, ist mit dieser alpinen «restitutio in integrum» (Wiederherstellung des vormaligen Zustandes) nicht einverstanden. Falls dies geschieht, hat er dem Guinness-Verlag schon einmal eine Klageandrohung zukommen lassen. Der Top-Alpinist hat erklärt, Bergsteigen habe nichts mit Rekorden zu tun; deshalb wolle er gar nicht (mehr) in einem solchen Ranking erscheinen. Wie diese Sache ausgehen wird, ist unklar. Klar ist jedoch, es ist eine affaire à suivre.

Tödlicher Wettkampf in Felsen, Eis und (Neu-)Schnee

causasportnews / Nr. 1069/10/2023, 13. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 13. Oktober 2023) Dass das Wetteifern um Rekorde im Zusammenhang mit den höchsten Bergen der Welt teils dekadente Züge annimmt, ist hinreichend bekannt. Spezielle und auch traurige Bergsteiger(innen)-Geschichten schreibt nun der ganz in Tibet gelegene Shishapangma, der mit 8027 der niedrigste Achttausender der Welt und gleichzeitig der vierzehnthöchste Berg auf dem Planeten ist. Der Erstbesteigung erfolgte am 2. Mai 1964; der Berg ist seit geraumer Zeit immer wieder Objekt von Rekordversuchen aller Art. Beim Versuch, als erste Frau aus den USA alle vierzehn Achttausender bestiegen zu haben, kam es vor ein paar Tagen am Shishapangma zu zwei Dramen mit brutalem Ausgang: Die US-Bergsteigerin Anna Gutu und der nepalesische Bergführer Mingmar Sherpa kamen rund zweihundert Meter unterhalb des Gipfels in einer Lawine ums Leben. Mit der Besteigung des niedrigsten Achttausenders hätte es die Amerikanerin geschafft gehabt, als erste Frau aus den USA alle Berge über 8000 Meter bezwungen zu haben. Die Alpinistin bestieg in diesem Jahr die dreizehn Achttausender. Der Shishapangma sollte für sie die Krönung, gleichsam das Finale, der Erfolgsserie werden.- An diesem Berg kam es aber noch schlimmer: Gleichzeitig mit der Todesnachricht von Anna Gutu und Mingma Sherpa wurde aus Tibet gemeldet, dass die Amerikanerin Gina Marie Rzucidlo mit ihrem Bergführer Tenjen Lama Sherpa am selben Berg von einer Lawine verschüttet worden seien. Es wird angenommen, dass auch diese Seilschaft das Rekordbestreben in den höchsten Bergen nicht überlebt hat; die Leichen wurden noch nicht gefunden. Erschreckende Ironie der Geschichte: Anna Gutu und Gina Marie Rzucidlo befanden sich im gnadenlosen Wettstreit, als erste US-Frau alle vierzehn Achttausender der Erde bestiegen zu haben. Die Rekordbemühungen der beiden Bergsteigerinnen wurde also zum tödlichen Wettkampf in Felsen, Eis und Neu-Schnee, dem die Natur ein Ende setzte. Derzeit und immer wieder sorgt eine weitere Geschichte aus dem Bergsport für Gesprächsstoff: In diversen Medien breitet der Berg-Chronist Eberhard Jurgalski erneut seine Dauer-These aus, dass die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner gar nicht alle vierzehn Achttausender der Welt bestiegen, bzw. nicht die Gipfel aller Achttausender erreicht habe (vgl. auch causasportnews vom 29. Juli 2022 und vom 9. Oktober 2022). Der höchste Punkt eines Berges ist der Gipfel, doch im Bereich der Todeszonen können diese nicht immer eindeutig ausgemacht werden. In den Bergen auf über 8000 Metern sind die höchsten Erhebungen bisweilen unübersichtlich und auch oft nicht eindeutig auszumachen. Der Chronist hat aktuell vertieft alle Expeditionen jener 44 Menschen überprüft, die angeblich auf allen 14 Berggipfeln über 8000 Meter standen. Nun zofft sich Chronist Eberhard Jurgalski mit der Tiroler Bergsteiger-Legende darüber, ob Reinhold Messner effektiv auf allen 14 Achttausender-Gipfeln stand oder nicht.

Tödliche Langweile als sportlicher Wirtschaftskiller

causasportnews / Nr. 1068/10/2023, 10. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 10. Oktober 2023) Eigentlich sieht sich die Geldmaschine Formel 1 mit einem Luxusproblem konfrontiert – würde man meinen: Mit dem holländisch-belgischen Ausnahmekönner Max Verstappen verfügt die Serie über einen der besten Rennfahrer aller Zeiten. Soeben hat der gerade 26 Jahre alte Sohn des ehemaligen Formel 1-Rennfahrers Jos Verstappen den dritten Formel 1-Weltmeistertitel in Serie ins Trockene gefahren; und der Pilot des Österreichischen «Red Bull»-Teams, das über Geld ohne Ende zu verfügen scheint, ist drauf und dran, alle Rekorde in der Formel 1 zu brechen. Dafür werden ihm wohl noch etwa zehn Jahre bleiben. Noch stehen in der Saison 2023 sechs Rennen aus, doch mit der Sicherstellung des WM-Titels Nummer 3 am Wochenende in Katar ist der Königsklasse des Motorsports heuer jegliche Spannung genommen. Max Verstappen ist also für die Formel 1, vor allem in sportlicher Hinsicht, ein Segen, in wirtschaftlicher Hinsicht nun eher ein Fluch. Keine Spannung mehr, die Domination der Formel 1 durch den Motorsport-Superstar in den nächsten Jahren scheint vorgezeichnet, was die Formel 1-Community zu nerven beginnt. Tödliche Langweile ist mehr als ein Wirtschaftshemmnis auch in dieser Sportart, die nicht nur vom hoch-technisierten Sportgerät «Auto» lebt, sondern auch von fahrerischen Ausnahmekönnern. Nun also das: Spannung weg, keine Renn-Emotion mehr und in den kommenden Jahren dürfte sich Max Verstappen todsiegen. Er könnte auch den Rekord von Lewis Hamilton und Michael Schumacher, die je sieben Mal Formel 1-Weltmeister wurden, brechen, wenn das Erfolgspaket «Red Bull» (mit dem Technik-Genie Adrian Newey) / Max Verstappen noch ein paar Jahre zusammenwirkt, was vertraglich bis 2028 festgeschrieben ist.

Seit die US-Mediengruppe Liberty Media Corporation die Serie 2016 vom Formel 1-Urgestein Bernie Ecclestone übernommen hat, konnte zusätzliches Formel 1-Interesse bei jüngeren Sportkonsumenten und bei Frauen geweckt werden. Vor allem die Netflixserie «Drive to Survive» hat einen zusätzlichen Beachtungsboom ausgelöst. Dieses Interesse scheint nun zu bröckeln, wie Medienberichten zu entnehmen ist. Statt «aufregend», «cool» und «attraktiv», wird die aktuelle Formel 1, wohl auch wegen des Überfliegers bzw. Überfahrers Max Verstappen, nun als «langweilig», «blutarm» und «emotionslos» beurteilt. Der Holländer ist zwar sportlich herausragend unterwegs, das Charisma eines grossen Champions geht ihm jedoch eher ab. Je erfolgreicher der dreifache Weltmeister unterwegs ist, desto mehr Anhänger dieser Sportart schauen sich die Rennen gar nicht mehr an, wollen Max Verstappen beim Siegen also gar nicht mehr zusehen. So hofft die Formel 1, dass bald ein neuer, junger Übergott auf vier Rädern Max Verstappen Paroli bieten kann. Im Moment scheint die sportliche Lage in der Formel 1 zum sportlichen Wirtschaftskiller zu verkommen.

Der Fussball-WM-Vergabepoker mit Zerstörungspotential

causasportnews / Nr. 1067/10/2023, 8. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 8. Oktober 2023) Seit Geld und Geist im Sport um die Vorherrschaft kämpfen, dabei der Geist oft willig, das Fleisch aber schwach ist, wird alles versucht, um die Sport-Geldmaschinerie am Laufen zu halten, will heissen, noch rasanter an der pekuniären Spirale zu drehen. Dabei wird mit Blick auf Gewinnmaximierungen einiges in Kauf genommen. Das Sport-Marketing ist die Disziplin im Sport, welche dazu berufen ist, die wirtschaftliche Seite der Körper- und Geistesbewegung im Sport adäquat und immer intensiver zu gewichten. Wenn die Kasse stimmt, wird auch die Gefährdungswirkung mit Blick auf den Sport in Kauf genommen. Was im empirischen Marketing bedeutet: Jedes Produkt ist letztlich geeignet, sich selbst vernichten zu können.

Ein schönes, besser ein geradezu traumatisches Bild, wie das weltweit beste Sport-Produkt, die WM-Endrunde der Fussballer (sorry, liebe Frauen, es sind hier die Männer gemeint!), der Selbstzerstörung entgegenschlittert. Der Welt-Fussballverband FIFA macht es möglich. Die WM-Endrunde, die künftig noch aufgeblähter abgehalten wird, soll nicht mehr nur von einem Nationalverband und zudem in Schurken-Staaten (z.B. 2018 in Russland) durchgeführt werden, sondern in mehreren Ländern (ähnlich wie 2002 in Südkorea und Japan). Wie demnächst, 2026, wenn die Erzfeinde Amerika und Mexiko sowie Kanada die Fussballwelt willkommen heissen. Da kündigte US-Präsident Joe Biden auf wackligen Beinen und mit zittrigem Stimmchen soeben ziemlich kleinlaut an, an der von Donald Trump initiierten Mauer zwischen den USA und Mexiko werde weitergebaut. Mauern und Zäune können bekanntlich auch völkerverbindend sein, nicht nur der Sport und seine Schokoladenseiten. Apropos USA: Die FIFA als Organisatorin der Männer-WM gab kürzlich bekannt, 100 Arbeitsplätze von Zürich nach Amerika zu verlegen. Ein bisschen Opportunismus darf schliesslich auch sein. Das auch stets über der FIFA hängende US-Damoklesschwert darf den globalen Fussball schliesslich weder gefährden noch zerstören. Die Drei-Länder-WM 2026 wird nun von der Interkontinental-Weltmeisterschaft 2030 noch in den Schatten gestellt. Über drei Kontinente soll sich das grösste Fest des Sportes erstrecken, in Portugal, Spanien, Marokko, Argentinien, Uruguay und Paraguay wird gespielt werden. Nicht nur die anlässlich der WM-Endrunde herumreisenden Mannschaften werden einen «einzigartigen weltweiten Fussabdruck» hinterlassen, wie sich FIFA-Präsident Gianni Infantino, der «es» wohl richtig gedacht hat, zitieren liess (womit der Walliser natürlich nicht den ökologischen Fussabdruck gemeint hat), sondern auch für die global zirkulierenden Fans sind die 104 Spiele, die 2030 ausgetragen werden, eine Herausforderung. Danach wird 2034 der Weg frei sein für Saudiarabien, das Land, in das derzeit nicht nur abgehalfterte Kicker-Stars ziehen. Der Golfstaat pumpt seit geraumer Zeit Milliarden welcher Währung auch immer in den Sport, und er wird sich die Gastgeberrolle für den wichtigsten Sportanlass der Welt kaum mit anderen Ausrichtern teilen.

Selbstverständlich bedeuten diese Entwicklungen sowie der damit zusammenhängende WM-Austragungspoker nicht den Tod des von der Welt geliebten Fussballsportes. Sie könnten aber zum Mahnmal dafür werden, wie Geld den sportlichen Geist allmählich zu zerstören in der Lage ist. Der aktuelle und künftige WM-Vergabepoker, ein permanenter Prozess im Weltfussball, ist ein reales Beispiel dafür, wie die Fussball-WM-Endrunde, das weltweit beste Marketing-Produkt, allmählich dem «Gott Mammon» geopfert wird.

WEKO-Schlittschuhfahren mit Spieleragenten

causasportnews / Nr. 1066/10/2023, 1. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 1. Oktober 2023) Wie heisst es so schön: Von Gerichten und Behörden bekommt man Entscheidungen und Urteile, aber selten Gerechtigkeit; ab und zu ist das allerdings deckungsgleich. An dieses Bonmot dürften sich die Schweizer Spieleragenten erinnert haben, als vor ein paar Tagen die Entscheidung der Schweizerischen Wettbewerbskommission (WEKO) bekannt wurden, keine vorsorglichen Massnahmen gegen den Fussball-Weltverband (FIFA) bezüglich der neuen Spielervermittler-Regelung vom 16. Dezember 2022 zu erlassen. Was heisst, dass die umstrittene, an sich weltweit geltende Branchen-Berufsregulierung der FIFA marktwirtschftsrechtlich kaum mehr abzuwendend sein wird (vgl. auch causasportnews vom 31. Juli 2023). Somit wird der Weltverband die Vermittler und Berater im globalen Kontext unter seine Fittiche nehmen und deren Geschäftsaktivitäten weitgehend kontrollieren können – vor allem auch die Geldflüsse bei der Abwicklung von Fussball-Transfers. Das ärgert zwar die Swiss Football Agents Association (SFAA), doch hat sich dieser Branchenverband der Agenten mit dem Begehren bei der WEKO selber ins juristische Abseits manövriert. Der WEKO-Entscheid, die Vermittlerregelung der FIFA auf vorsorglichem Wege nicht zu unterbinden, sondern nun eine Vorabklärung vorzunehmen, bedeutet nichts anderes, als die WEKO, die vor allem aus Beamten, Politikern und linientreuen Juristen besteht, jetzt mit den Spieler-Agenten Schlittschuh fährt. Oder anders: Diese Schweizer Bundesbehörde, welche u.a. Markt-Missbräuche, schädliche Kartelle, usw. verhindern sollte und allgemein für die Sicherstellung des Marktes sorgen müsste, wird nun während Jahren vor sich hinwerkeln und letztlich kaum etwas, konkret, zuungunsten der FIFA entscheiden. Oder dann vielleicht ein paar laue Empfehlungen abgeben. So gesehen ist die Nicht-Gewährung vorsorglicher Massnahmen präjudizierend und bedeutet, dass die FIFA seitens der WEKO dereinst nichts zu befürchten hat. Dies, obwohl Experten davon ausgehen, dass die FIFA-Regelung in vielen Punkten wettbewerbswidrig ist; und allgemein rechtswidrig. Es wäre nicht auszumalen, wenn die WEKO in zehn Jahren die FIFA-Reglung als unhaltbar qualifiziert würde und so Schadenersatzbegehren etwa der Spielervermittler-Gilde auslösen würde. Bedeutend ist der WEKO-Entschied dieser Schweizer Behörde (die WEKO ist kein Gericht) im Rahmen der abgewiesen vorsorglichen Massnahmen vor allem deshalb, weil die FIFA ihren Sitz in der Schweiz, in Zürich, hat und diese Berufsreglung des Internationalen Verbandes auf die ganz Welt und den globalen Fussball ausstrahlt.

Was nun noch bleibt, sind juristische Schritte, welche Betroffene in den einzelnen Ländern vornehmen können. So hat die Zivilkammer des Landgerichts Dortmund im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes am 24. Mai 2023 die im Dezember 2022 beschlossen Spielervermittler-Regelung der FIFA ausgesetzt. In Deutschland darf die FIFA-Regelung also vorderhand und bis auf Weiteres nicht angewendet werden, was das Gericht der FIFA und dem Deutschen Fussball-Bund (DFB) unter Androhungen verboten hat. Das ist insofern beachtlich, als Deutschland kein Fussball-Zwergstaat und nicht nur ein unbedeutendes Mitglied der FIFA mit 211 nationalen Verbänden ist und das Gericht in Dortmund im Reglement zudem auch europa-rechtswidrige Elemente erblickte. Das Reglement wird also einer europarechtlichen Überprüfung unterzogen. Das wäre also ein Fingerzeig, um in den einzelnen Ländern die FIFA-Regelung doch noch zu Fall zu bringen. Es verwundert, dass die Schweizer Spieleragenten nicht gleich an die zuständigen Gerichte gelangt sind, sondern das «Spiel» mit der WEKO aufgenommen haben – und nun kläglich gescheitert sind.