(causasportnews / red. / 22. April 2016) Mitte kommender Woche, am 27. April 2016, werden die signifikant geänderten Statuten des Weltfussballverbandes FIFA in Kraft treten. Im Fokus des Interesses werden dabei vor allem diejenigen Statutenbestimmungen stehen, die die Organisation der FIFA sowie die Tätigkeit ihrer Funktionäre (insbesondere etwa Amtszeitbeschränkungen und Offenlegung der Vergütungen) betreffen; diese machen den Kern der jüngsten, allgemein als eminent wichtig empfundenen FIFA-Reformen aus.
Mit der Statutenrevision einher geht jedoch auch eine weitere, für die Zukunft der FIFA richtungsweisende Bestimmung: Gemäss dem neuen Art. 3 der FIFA-Statuten verpflichtet sich die FIFA, „alle international anerkannten Menschenrechte zu respektieren“ und sich für den Schutz dieser Rechte einzusetzen. Zusammen mit dem bereits vorbestehenden, im Zuge der jüngsten Statutenrevision nur marginal ergänzten „Nichtdiskriminierungsartikel“ (Art. 4 der FIFA-Statuten, in dessen Titel nun aber auch der Ausdruck „Gleichheit der Geschlechter“ prominent figuriert) werden die Aktivitäten des Sportverbandes zusehends mit einem „guten Gewissen“ unterlegt. Es wird interessant sein zu sehen, wo die FIFA schliesslich die Grenze ziehen wird – Umwelt- und Tierschutz, Armutsbekämpfung, Minderheitenschutz? Die Liste von potenziell (auch) noch aufzunehmenden Aspekten ist lang.
Dabei ist bereits die (rechtliche) Tragweite des neuen Art. 3 der FIFA-Statuten nicht ohne Brisanz. Der Schutz von Menschenrechten ist primär Aufgabe der Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft, nicht von privaten Einrichtungen und Organisationen wie der FIFA. Im Grunde haben die einzelnen Staaten sicherzustellen, dass private Einrichtungen im ihrem Hoheitsbereich die Menschenrechte achten – und nicht umgekehrt. Mit der (demnach etwas „konzeptionsfremden“) Selbstverpflichtung der FIFA zur Respektierung „aller international anerkannten Menschenrechte“ könnte die FIFA eine Türe öffnen, die ihr einiges Ungemach einbringen könnte. Zudem ist vollkommen unklar, was unter den Begriff der „international anerkannten Menschenrechte“ fällt. Sollen zu diesen beispielsweise auch sog. „Sozialrechte“ gehören? Über solche und ähnliche Fragen besteht bereits im Rahmen der Diskussionen über den Schutz der Menschenrechte im (zwischen-)staatlichen Kontext Uneinigkeit.
Ein vom renommierten Menschenrechtsexperten Prof. Dr. John Ruggie von der Harvard Kennedy School (Boston, USA) im Auftrag der FIFA kürzlich vorgelegter Bericht zu „FIFA & Human Rights“ hat diesbezüglich nur wenig Erhellendes erbracht. Der Bericht fokussierte hauptsächlich darauf, wie die FIFA die Respektierung der Menschenrechte konkret in ihre weltweiten Aktivitäten einbetten kann. Gestützt auf die Empfehlungen von Prof. Ruggie, dem früheren UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte, beabsichtigt die FIFA nunmehr, eine eigenständige „FIFA Human Rights Policy“ auszuarbeiten, welche die Grundlage für alle künftigen Geschäftsbeziehungen der FIFA bilden soll. Die neue Policy soll dabei insbesondere die Erwartungen definieren, welche die FIFA an ihre Geschäftspartner hat und – als entscheidenden Punkt – als Voraussetzung für das Eingehen einer Geschäftsbeziehung betrachtet. Es scheint, als wolle die FIFA mit solchen Bestrebungen, die im nicht-sportbezogenen Wirtschaftsleben schon länger verbreitet sind (etwa in Form der sog. Business Social Compliance Initiative BSCI), auch im Bereich der immer wichtiger werdenden „Corporate Social Responsibility“ eine Vorreiterrolle unter den internationalen Sportverbänden in Sachen Philantropie übernehmen.
Von besonderer Bedeutung wird allerdings sein, wie die Human Rights Policy schlussendlich um- und durchgesetzt werden wird – ob sie beispielsweise dazu führt, dass Mitgliedsverbände aus bestimmten Ländern vom Bewerbungsprozess für eine Fussballweltmeisterschaft ausgeschlossen oder im Extremfall einem Verband, der den Zuschlag erhalten hat, die Austragungsrechte gar wieder entzogen werden. Oder ob die FIFA bestimmten Unternehmen, die gewisse Menschenrechtsstandards nicht erfüllen, Geschäftsbeziehungen verweigert. Im Zusammenhang mit solchen Vorgängen sind rechtliche Komplikationen freilich nicht weit; so ist nicht ausgeschlossen, dass entsprechend betroffene Unternehmen gegen die FIFA auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts vorzugehen versuchen werden. Dabei ist zwar grundsätzlich anzunehmen, dass die FIFA aufgrund der hehren Motive (Schutz der Menschenrechte) eine gute Argumentationsposition haben wird. Ob diese jeweils vor den zuständigen gerichtlichen Instanzen oder Wettbewerbsbehörden letztlich Bestand haben werden, muss sich zeigen.