
Joseph S. Blatter | Bild: Alexanderps
(causasportnews / red. / 18. April 2016) Der abgetretene FIFA-Präsident Joseph Blatter hat fraglos viel Positives für den Fussball, ja für den Sport insgesamt bewirkt. Sein Ausscheiden aus dem Weltfussballverband war indessen negativ geprägt, und während der letzten Phase seines Wirkens als Top-Funktionär legte sich zusehends ein Schleier von Günstlingswirtschaft, Korruption und diskutabler Unternehmungsstruktur über die FIFA, das Lebenswerk und die „Geliebte“ (O-Ton) des zwischenzeitlich 80 Jahre alt gewordenen Wallisers. Der Schnitt mit der FIFA ist für Joseph Blatter noch nicht endgültig vollzogen: Die Bundesanwaltschaft ermittelt weiter gegen ihn und bezüglich der durch den Weltverband wegen Verstössen gegen das FIFA-Ethikreglement verhängten Sanktionen läuft das Verfahren vor dem Sportschiedsgericht CAS noch. Bei der FIFA ist der Ex-Präsident zur Zeit eine „persona non grata“ – isoliert, ge- und verbannt. Das hindert ihn aber offenbar nicht daran, sich in der Öffentlichkeit zu äussern und insbesondere seinen Unmut gegen das ihm Widerfahrene kund zu tun. So, wie es Joseph Blatter vergangene Woche an der Universität Basel – im Rahmen einer von der Juristischen Fakultät organisierten Podiumsdiskussion – getan hat. Zu Beginn der Veranstaltung wurde er allerdings von Studenten in klassenkämpferischen Art niedergeschrien; gegen Ende musste er sich dann vom früheren Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Luis Moreno Ocampo, bezüglich des „richtigen“ Verhaltens im Umgang mit Korruption coram publico belehren lassen (pro memoria: Moreno Ocampo war 2012 für die damals neu geschaffene Position des Vorsitzenden der Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission im Gespräch gewesen; ihm wurde letztlich aber der Amerikaner Michael J. Garcia vorgezogen – ein Umstand, zu dem Moreno Ocampo in seiner Diskussion mit Joseph Blatter gewiss die erforderliche objektive Distanz hatte…). Dazwischen durfte sich der Ex-FIFA-Präsident die von Studenten der Juristischen Fakultät in einer ganzen Woche (!) erarbeiteten Vorschläge für (weitere) FIFA-Reformen anhören – gemäss Prof. Mark Pieth, der die Podiumsdiskussion organisiert hatte, waren darunter durchaus neue und beachtenswerte Ideen. Ob Domenico Scala, der Vorsitzende der FIFA Audit und Compliance Kommission, und Francois Carrard, der Vorsitzende der FIFA-Reformkommission, die beide über Monate hinweg unter Rückgriff auf hochkarätige Insider aus dem Fussballbusiness umfassende Reformvorschläge in Bezug auf die FIFA ausgearbeitet haben (und von denen die allermeisten nun auch tatsächlich umgesetzt werden), diese Einschätzung teilen, ist nicht bekannt.
Man muss sich fragen, weshalb sich Joseph Blatter solche Auftritt antut. Dass sich das Publikum daran ergötzt, wenn eine Person auf diese Weise fast schon „vorgeführt“ wird, ist keine Überraschung mehr. Jedenfalls haben auch die Organisatoren der Basler Veranstaltung dem Walliser, der nach eigenen Worten „nie aufgibt“, mit diesem Event keinen Dienst erwiesen. Der ehemalige FIFA-Präsident sich selbst mit der Teilnahme daran allerdings auch nicht. Und es könnte noch schlimmer kommen. Denn Joseph Blatter hat ein Buch geschrieben. „Sepp Blatter, Mission & Passion Fussball“ wird es heissen. Offenbar hat er das Buch schreiben lassen, und zwar von einem früheren persönlichen Kommunikationsmitarbeiter der FIFA, der zusammen mit Joseph Blatter den Dienst im Weltfussballverband quittierte. Am 21. April 2016 soll es der Öffentlichkeit vorgestellt werden, und zwar im Restaurant „Sonnenberg“ in Zürich, das – nota bene – der FIFA gehört und an einen Event-Manager verpachtet ist. In der „Höhle des Löwen“ wird sich Sepp Blatter also zu Wort melden. Nur hundert Meter vom früheren FIFA-Sitz entfernt, in dem er über Jahre die Grundsteine zur Erfolgsgeschichte des Weltfussballverbandes gelegt hat. Er wird seine Sichtweise der Dinge darlegen. Aus dem Stand heraus und zwischen Buchdeckeln. Und sich anlässlich eines (weiteren) Podiumsgesprächs mit zwei Linken (!) austauschen. All das ist dem Ex-FIFA-Präsidenten fraglos unbenommen. Aber muss das wirklich auch alles gemacht werden? Sepp Blatter, eine Persönlichkeit des Fussballs, will offenbar Gegengewichte zur öffentlichen, klar negativ gefärbten Meinung setzen. Und seine „Claqueure“ und Einflüsterer halten ihn offenkundig nicht davon ab. Sie profitieren vor allem persönlich von der Show, die sie selbst inszenieren – in ihrem Sinne, aber nicht im Sinne der Sache; und schon gar nicht im Interesse des ehemaligen FIFA-Präsidenten. Würde Joseph Blatter wenigstens bis auf Weiteres alleine die Fakten sprechen lassen, wäre ihm vermutlich weitaus mehr gedient. „Si tacuisses, philosophus mansisses“ wäre die Losung gewesen, die man ihm hätte zuflüstern müssen. Denn die Zeit heilt Wunden und lässt einiges vergessen, auch im Fussball. Und die moderne Sport-Geschichte ist überwiegend interpretationsfrei.