Schlagwort-Archive: Viola Amherd

Von der Wiege bis zur Urne – Turne!

Magglingen / Macolin by Jean-Daniel Echenard

(causasportnews / red. / 18. November 2020) Es mag daran liegen, dass der (aktive) Sport derzeit kaum mehr stattfindet, und falls dennoch, unter wenig freudvollen Rahmenbedingungen und oft unter teilweisem oder ganzem Ausschluss der Öffentlichkeit. Vielleicht auch deshalb steht bezüglich des Sportes nicht die Aktivbetätigung der Sportheroen und -protagonisten im Vordergrund, sondern Geschichten und Vorkommnisse rund um den Sport.

Beispiel Turnen: Ist derzeit vom Schweizerischen Turnverband (STV), einer der grössten Sportorganisationen des Landes, mit gegen 400’000 Mitgliedern, die Rede, denkt kaum jemand an die hehren Worte des Schriftstellers, Malers und Kabarettisten Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Gustav Bötticher), der die Bedeutung des Turnens motivierend und auffordernd so umschrieb: «Von der Wiege bis zur Urne – turne, turne, turne!». Es ist in der Realität alles viel schlimmer. In Verruf geraten ist in den letzten Wochen der STV wegen jahrelanger, unakzeptabler, ja sogar brutaler Trainingsmethoden, an der in der Vergangenheit vor allem Turnerinnen zu leiden hatten. Die Vorgehensweisen sollen teils im Schweizerischen Sport-Leistungszentrum Magglingen, das sich im Bundesbesitz befindet, Usus gewesen sein. Nun sind erste Köpfe von offenbar Verantwortlichen gerollt, und auch die helvetische Sportministerin (welche zugleich auch Verteidigungsministerin ist), Bundesrätin Viola Amherd, sieht sich einem Scherbenhaufen gegenüber; die Eidgenossenschaft hat wegen der Verhältnisse in Magglingen mehr als nur ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es werden Verhältnisse manifest, die an den ehemaligen DDR-Sport erinnern. Da hilft als Erklärung für das Desaster auch nicht, dass in der Schweiz traditionell die Armee und der Sport unter einem Dach organisiert sind. Zwischen Sport und Militär existieren seit jeher Parallelitäten und Synergien; auch heute noch. Flugs ist nach dem Bekanntwerden des Skandals im Turnen eine Untersuchungskommission eingesetzt worden, um die Missstände zu durchleuchten und den Weg für Konsequenzen zu ebnen. Die Einsetzung von Kommissionen und Arbeitsgruppen bedeutet in der Regel Hilflosigkeit und Kapitulation vor den Gegebenheiten. Auch eine «Ethikkommission» soll es ab sofort im organisierten Turnsport geben. Nicht gedacht als «Feigenblatt» wie etwa im Weltfussball nach den Korruptionsskandalen. Unschön ist bei der ganzen Sache, dass jahrelange Missstände erst jetzt ans Licht gezerrt werden – etwa so, wie in der Katholischen Kirche: Viele Missbrauchsopfer melde(te)n sich nach behaupteten Missbräuchen erst nach Jahrzehnten. Der jetzige «Knall» im Turnsport ist vielleicht in der Tat hauptsächlich auf «Corona» und das dadurch veränderte Leben der Menschen zurückzuführen. Und weil der organisiert Turnsport ebenfalls praktisch lahmgelegt ist. Die Anschuldigungen der Sportlerinnen sind durchaus glaubwürdig, vor allem auch deshalb, weil sich Vertreter des Männerturnens derzeit, wohl nicht ganz freiwillig, nicht müde werden zu betonen, dass bei ihnen immer alles bestens (gewesen) sei.

Beispiel Frauenboxen: Seit Jahren soll es im Deutschen Frauenboxen, nicht gerade eine der femininsten, sportlichen Betätigungsmöglichkeiten, zu sexueller Gewalt gekommen. Im Zuge der Kampagne «Couch, don’t touch me», wurde eine Lawine losgetreten, die dokumentieren soll, welche unglaubliche Verhältnisse hinter den Kulissen des Frauenboxsportes offenbar herrschen. Die Rede ist von gravierenden Missbräuchen junger Athletinnen durch Trainer und Hilfspersonen, die unter der Ägide des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) wirkten und teils immer noch wirken. Von einem «System des sexuellen Missbrauchs» ist die Rede und sogar davon, dass Opfer selber noch Zeugen von Vergewaltigungen geworden seien (vgl. «Der Spiegel», 47/2020, 100 f.). Auch hier wird breitgefächert untersucht, und in Baden-Württemberg ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wie die Verfahren ausgehen werden, ist grundsätzlich leicht abzuschätzen: Boxerinnen werden behaupten, dass es zu Vergewaltigungen gekommen sei, Beschuldigte dürften einwenden, dass die Geschlechtsakte einvernehmlich erfolgt seien; wie sonst im Leben. Rechtsfolge: Freispruch. Es sei denn aktuell, dass eben Zeugen glaubwürdig Wahrgenommenes bestätigen.

Aktuell also Unappetitliches in Individualsportarten, in denen die starke Physis ein Kernelement dieser Betätigungen ist und die oft nicht so robuste Psyche der Sportlerinnen massivst verletzt worden ist – alles aufgedeckt in der Zeit von «COVID-19».

Schön „aufgelegt“ für die Schweizer Sportministerin

Bundesrätin Viola Amherd (© www.parlament.ch)

(causasportnews / red. / 29. Mai 2020) Es kam so, wie es „causasportnews“ bereits skizziert hatte: Im Kampf um Moneten, Macht und Mythen rund um das legendäre „Lauberhorn“-Rennen erfolgte gestern eine Einigung im Vermarktungsstreit (causasportnews vom 26. Mai 2020). Seit langer Zeit bekämpfen sich die Organisatoren des Skisport-Klassikers im Berner Oberland und der Fachverband „Swiss Ski“– es ging vor allem um viel Geld. Der Zwist ist von den Wengnener Organisatoren sogar vor den Internationalen Sport-Schiedsgerichtshof „Tribunal Arbitral du Sport“ (TAS) getragen worden. Nun herrscht Einigkeit, alle Streitigkeiten sind vergessen, und alle, die Vertreter von „Swiss Ski“ und die Protagonisten des Wengnener Organisationskomitees, haben sich wieder lieb. Möglich gemacht hat es letztlich die Schweizer Sport- und Verteidigungsministerin Viola Amherd, die zum „Krisengipfel“ nach Bern geladen hatte. Dass der „Friedenspfeife“ weisser Rauch entsteigen würde, war vorauszusehen. Oder wie es die Fussballer sagen würden: „Schön aufgelegt für Viola Amherd“ (jemandem, dem man den Ball „auflegt“, braucht diesen nur noch zu verwerten). Das wurde entsprechend zwecks Gesichtswahrung von den Interessengruppen aus Sport, Sportpolitik, aus der Wirtschaft und anderen Menschen guten Willens vorbereitet, doch die Sportministerin aus dem Kanton Wallis hatte dennoch ihr als Juristin angeeignetes Mediationsgeschick einzubringen. Aber immerhin das. Was genau am „Krisengipfel“ beschlossen worden ist, wurde bis jetzt der Öffentlichkeit vorenthalten; sicher ist, dass die Klage des Organisationskomitees gegen „Swiss Ski“ am TAS zurückgezogen wird. Vermutet wird, dass zwecks „Terrainbereinigung“ auch Mittel der öffentlichen Hand zugesichert worden sind. Getreu der von Joseph Blatter gepflegten Philosophie: „Was man mit Geld regeln kann, soll man so regeln“. Nachdem der Staat im Zuge von „Corona“ kaum mehr Segmente ausmachen kann, über die das Füllhorn sonst noch ausgeschüttet werden könnte, kam die entsprechende Regelung des „Lauberhorn“-Vermarktungszwistes gerade zur richtigen Zeit. Die Einigung von Bern hat unter anderem manifest werden lassen, dass das „Lauberhorn“-Rennen nicht nur ein Sportanlass, sondern ein Kulturgut von helvetischer Bedeutung mit internationaler Ausstrahlung ist.

Matterhorn statt Lauberhorn – oder beides?

© chriscom

(causasportnews / red. / 26. Mai 2020) Es ist, wie es oft im organisierten Sport ist, der weltweit im Fokus steht: Es geht um viel Geld, um Eitelkeiten und um Gesichtsverluste; und frei nach dem Motto: Wenn Du mir meine Sandburg zerstörst, zerstöre ich Deine!

Seit einigen Wochen hält eine Sport-Polit-Groteske nicht nur am (Ski-)Sport Interessierte in Atem. Es geht um das legendäre „Lauberhorn“-Rennen, neben der „Streif“-Abfahrt in Kitzbühel der Höhepunkt eines jeden Ski-Winters. Das Organisationskomitee in Wengen fordert von Swiss-Ski, dem Schweizerischen Dachverband für den Skisport, mehr Geld für die Durchführung der Rennen in Sichtweite der berühmten Eiger-Nordwand. Eine Million Schweizer Franken mehr sollen die Verbandsoberen nach Wengen zahlen, fordern die wackeren Berner am Internationalen Sport-Schiedsgericht (TAS) in Lausanne von Swiss-Ski; der Verband hält die Rechte an den grossen Sponsoring-Paketen und generiert viel Geld für die Verwertung der Medienrechte. Swiss-Ski wirft den Wengener Organisatoren vor, das Marketingpotential rund um die „Lauberhorn“-Rennen nicht optimal auszunützen. Seit langer Zeit wird am TAS um Geld gestritten. Um den Druck auf die Wengener zu erhöhen, haben die Verantwortlichen von Swiss-Ski beim Internationalen Ski-Verband (FIS) beantragt, den Abfahrts-Klassiker aus dem Weltcup-Programm zu kippen. Wintersport ohne das „Lauberhorn“ wäre so etwas wie Angela Merkel mit guter Laune – undenkbar. Zwischenzeitlich ist auch Zermatt in die sich (vermeintlich) abzeichnende Organisations-Lücke gesprungen und hat angekündigt, ein Abfahrtsrennen vom Fusse des Matterhorns bis ins Aostatal zu organisieren und dieses im Weltcup-Kalender etablieren zu wollen. Matterhorn statt Lauberhorn also. Nun bahnt sich im Konflikt eine Lösung an. Auf kommenden Donnerstag hat die Schweizer Sportministerin Viola Amherd die Streitparteien zu einem „Friedensgipfel“ geladen. Doch bereits heute ist nicht mehr daran zu zweifeln, dass es eine Lösung in dieser prestigeträchtigen Angelegenheit geben und das „Lauberhorn“-Rennen weiter im Weltcup-Kalender der FIS figurieren wird. Zum Befreiungsschlag hat eine zugesagte Spende von 300 000 Schweizer Franken einer Privatperson beigetragen. So wird die helvetische Sportministerin aus dem Wallis am Donnerstag die politisch (für sie) nicht unwichtige Wende stolz verkünden können, nämlich, dass das „Lauberhorn“-Rennen gerettet sei. Als Walliserin wird sie sich dann vornehm mit der realistischen Einschätzung zurückhalten, dass bald einmal auch zu einem spektakulären Abfahrtsrennen in ihrem Heimat-Kanton, vor der Matterhorn-Kulisse, gestartet werden dürfte. Lauberhorn und Matterhorn, das wird künftig die Devise sein.

13. Mai 2020: Ein Glückstag für den Schweizer Sport

(causasportnews / red. / 13. Mai 2020) Dem 13. Mai wird gemeinhin eine gewisse Symbolik, tendenziell in negativer Hinsicht, zugeordnet. Das Datum lässt immer wieder Raum für Spekulationen und Deutungen. Auch was den Sport betrifft. Für ihn ist der 13. Mai 2020 in der Schweiz in jedem Fall ein Glückstag. Mit Genugtuung und Stolz hat die helvetische Sportministerin Viola Amherd verkündet, dass nun nach dem Geldsegen, der in den letzten Wochen über die offenbar marode Wirtschaft niedergeprasselt ist, nun auch der Sport mit pekuniärer Glückseligkeit bedacht wird. 350 Millionen Schweizer Franken sollen die Schweizer Fussball- und Eishockeyligen vom Staat erhalten; zu einem grossen Teil handelt es sich dabei um A-fonds-perdu-Zahlungen, die über der Sportindustrie ausgeschüttet werden; teils handelt es sich um Darlehen. Begründet wird die generöse Handlung der Schweizer Regierung mit dem Faktum, dass der organisierte Sport viele Arbeitsplätze am Leben erhalten müsse, die im Zuge der „Corona“-Pandemie gefährdet sind.

Apropos Arbeitsrecht: Obwohl noch nicht klar ist, wann und ob die Professionalliga im Fussball ihren Betrieb (mit „Geisterspiele“) demnächst aufnehmen wird, haben lediglich zwei Klubs am vergangenen Montag wieder mit dem Trainingsbetrieb begonnen: Der aktuelle Leader in der Super League, der FC St. Gallen, sowie der Challenge Club mit Aufstiegsambitionen, der Grasshopper Club Zürich, der neuerdings von Chinesen über Wasser gehalten wird (causasportnews vom 14. April 2020). Die anderen Professional-Klubs verzichten derweil auf einen organisierten Trainingsbetrieb, um der Kursarbeitsentschädigung nicht verlustig zu gehen. Die Behörden haben unmissverständlich klargestellt, dass die Ansprüche für Kurzarbeitsentschädigungen umgehend entfallen würden, sobald der Klub-Trainingsbetrieb wieder aufgenommen wird. Das Verhalten der meisten Vereine, ausgenommen der aktuelle Leader FC St. Gallen und GC Zürich, zeigt nicht nur, wie der sportliche Gehalt einer wieder aufgenommenen Meisterschaft einzustufen ist: Spielbetrieb ohne Training – eine seriöse Vorbereitung für einen Wettkampfbetrieb sieht wohl anders aus. Man muss dann bei Aufnahme des Spielbetriebs wohl von einer klaren Verzerrung des Wettbewerbs sprechen, wenn Mannschaften aus rein pekuniären Gründen auf geordnete Trainings verzichten. Aber nach der frohen Botschaft aus der Bundeshauptstadt vom 13. Mai sind die Klubs eh aller finanzieller Sorgen enthoben, und auf die angedachten, künftigen „Geisterspiele“ bei Fortsetzung der Fussball-Meisterschaft kann somit auch getrost verzichtet werden. Die politisch motivierte Grosszügigkeit des Bundesrates stösst allerdings bereits auf massive Kritik. Dass mit Bundesbeiträgen gut bezahlt Fussball- und Eishockey-Professionals alimentiert werden, ist alles andere als unumstritten. Frau und Herr Schweizer haben zudem weitgehend Probleme damit, dass von Misswirtschaft, Hooliganismus und anderen Negativpunkten gebeutelte Sportarten grosszügig mit Steuergeldern bedacht werden. Aber was sich für die Wirtschaft im Allgemeinen ziemt, soll auch im Sport gelebt werden. Und an den Umstand, dass der Sport in der Schweiz weitgehend eine rein private Angelegenheit ist, mag sich in der aktuellen Krisenzeit schon gar niemand mehr erinnern.