causasportnews / Nr. 1015/05/2023, 10. Mai 2023

(causasportnews / red. / 10. Mai 2023) Eigentlich wäre es angezeigt, nebst dem Gerede über Umweltschutz, ökologische Fussabdrücke und Empörungen bezüglich Umwelt-Belastungen, den Worten und den Pseudo-Aktivitäten aller Art Taten folgen zu lassen. Dass der belastete und malträtierte Planet, der wärmer und wärmer wird und die Menschen sehenden oder nicht sehenden Auges der von Auguren und Experten prophezeiten Öko-Katastrophe entgegenschlittern, ist offensichtlich und nicht mehr abwendbar. Jedes vernunftbegabte Wesen kann sich der Tatsache nicht erwehren, dass die Rettung von Mutter Erde nur mit Verzicht möglich ist. Allerdings geschieht das Gegenteil: Noch nie war die Mobilität der Massen derart intensiv wie heute, noch nie wurde soviel gereist und dadurch der Planet neuen, intensiveren und nicht abschätzbaren Belastungen ausgesetzt, noch nie hinterliessen Menschen in der mobilen, globalen Welt unbekümmert oder bewusst derartige ökologische Fussabdrücke wie derzeit, und über die Umweltkatastrophe, welche der Krieg zwischen Russland und der Ukraine verursacht, mag schon gar niemand reden; Gewissensberuhigung durch Ignorieren wird das dann genannt.
Verzicht wäre also angesagt, doch niemand hört oder sieht hin. Niemand handelt auch entsprechend. Die Verzichtsforderungen, werden sie dann und wann erhoben, betreffen stets die anderen. Auch im organisierten, globalen Sport gilt das Prinzip «Wegschauen und Ignorieren statt Handeln». Wenigstens hat der Sport ein Mittel gefunden, um zumindest in der bisherigen Form weiter kutschieren zu können. Die Zirkusse des Weltsports wollen und müssen weiter am Leben erhalten werden – «the show must go one»; und wie! Zum Beispiel der Formel 1-Zirkus, der während einer Renn-Saison von Kontinent zu Kontinent und zurück hetzt. Oder der Ski-Weltcup-Zirkus, der ohne belastende Fliegerei nicht funktioniert. Oder der Tennis-Zirkus, der die Akteurinnen und Akteure durch die Welt reisen lässt. Oder der Radsport-Zirkus: In bedeutenden Rennen ist der Auto-Begleittross jeweils weit grösser als das Fahrerfeld. Auch dieser Zirkus hetzt – nicht auf Fahrrädern – um den Globus.
Doch wenigstens spielt die Gewissensberuhigung im globalen Sport. Das geschieht vorwiegend durch Öko-Belastungskompensationen. Kein Verzicht also, aber wenigstens das Verzichtsmanko kompensieren. Zum Beispiel mit der Pflanzung von Bäumen und Sträuchern. Der internationale Fussball macht’s vor, die andern Vielflieger-Athletinnen und -Athleten haben den Ball aufgenommen. Man pflanze, so das aktuelle Credo, pro Athletin oder Athleten etwa pro geflogene 1000 Kilometer einen Baum, dann ist der die Umwelt belastende Mensch mit sich im Reinen. Der ökologisch motivierte Ablasshandel liegt voll im Trend. Für alle Nicht-Katholikinnen und -Katholiken: Unter «Ablass» wird der Erlass von Sünden gegen Entrichtung einer Sündenstrafe verstanden. Ob im Fussball, in der Formel 1, im Skisport oder in anderen Sport-Disziplinen: Dem Ablasshandel im Sport kommt vergebende und gewissensreinigende Kraft zu. Statt Flugmeilen-Bonus heisst es nun: Pro Flugkilometer ein Stück Baum pflanzen. Das Traumpaar aus dem Skisport macht es vor und legt noch einen drauf: Mikaela Shiffrin und Alexander Kilde haben soeben einen offenen Brief der Umweltorganisation Greenpeace, der an den FIS-Präsidenten Johan Eliasch und an den Ski-Verband mit Sitz im Kanton Bern gerichtet ist, unterzeichnet. Darin wird unter anderem eine Einschränkung der Reiseaktivitäten im Ski-Zirkus verlangt, eine Forderung, die natürlich verpuffen wird, die aber beim Publikum gut ankommt. Auch soll, wegen der Schneemangellage, später in die kommende Ski-Saison gestartet werden. Das wird sich heuer zweifelsfrei bis zum 11. November richten lassen, wenn am Matterhorn zu den Weltcup-Rennen gestartet werden soll. Vor allem der Skisport ist in punkto Umweltthematik seit jeher unter Beobachtung, spätestens, seit der damalige, inzwischen verstorbene FIS-Präsident Gian Franco Kasper erklärt hat, in Diktaturen sei es einfacher als in Demokratien, mit dieser Thematik umzugehen…
Gereist, geflogen und Auto gefahren wird auch im kommenden Winter. Letztlich reisen die Sportlerinnen und Sportler aller Schattierungen bekanntlich nur deshalb, um den umweltschonenden Heimaktivistinnen und Aktivisten den globalen Sport trotz allem in die guten Stuben zu zaubern. Derartiger Philanthropismus kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Publikum klatscht Beifall bei derart verantwortungsbewusstem Handeln. Der moderne Ablasshandel hat es in sich: Statt für die Vergebung der Sünden zu bezahlen heisst es nun: Pflanzt Bäume und Sträucher, liebe Sportlerinnen und Sportler; oder lässt es die Verbände richten. Auf dass sich das Sport-Publikum zu Hause trotz Krisen aller Art noch lange an den sportlichen Höchstleistungen, die rund um die Welt er- und vollbracht werden, ergötzen kann.