Schlagwort-Archive: Tourismus

Vor einem Jubiläums-Stau am Mount Everest

causasportnews / Nr. 1020/05/2023, 28. Mai 2023

(causasportnews / red. / 28. Mai 2023) Der Pfingstmontag, 29. Mai 2023, wird, je nach Sichtweise, ein ganz spezielles Datum für den Alpinismus, den Bergsport oder den Berg-Tourismus sein. Vor genau 70 Jahren standen erstmals zwei Menschen auf dem Dach der Welt, auf dem 8849 Meter hohen Gipfel des Mount Everest. Der Neuseeländer Edmund Hillary (verstorben 2008) und der Nepalese Tenzing Norgay (verstorben 1986) sorgten für eine alpinistische Sensation um den höchsten, wenn auch klettermässig nicht schwierigsten Berg der Welt. Seit dieser Erstbesteigung rankten sich in der Folge Mysterien, Mythen und Märchen um die höchste Erhebung der Welt, vor allem bezüglich der sog. «Todeszone» (über 8000 Meter ü. M.). Ein Geheimnis, das nie gelüftet werden dürfte, ist die Kernfrage um die Erstbesteigung an jenem denkwürdigen 29. Mai 1953: Wer von den beiden Pionieren des Alpinismus, die an jenem Freitag im Mai ganz oben auf dem Gipfel des Mount Everest standen, befand sich zuerst auf dem Gipfel? War es der Leader des Zweier-Teams, Sir Edmund Hillary, oder waren es der Neuseeländer und der Nepalese örtlich und zeitlich gemeinsam, welche quasi Hand in Hand ihre Kletterschuhe auf den höchsten Punkt der Erde setzen? Dass es der berühmteste Sherpa der Welt war, der effektiv zuerst oben ankam, gilt als unwahrscheinlichstes Szenario. Für die Südtiroler Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner, der 1978 mit dem Österreicher Peter Habeler den Everest erstmals ohne Sauerstoffmaske bestieg, ist das alles nur ein sinnloses «Kaffeesatz-Lesen». Ob 1953 der Neuseeländer oder der Nepalese miteinander oder eine Sekunde nacheinander über die Nepal-Südroute auf dem Gipfel ankamen, sei bergsteigerisch so irrelevant wie die Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei war.

Auch heute, 70 Jahre nach der Erstbesteigung, hat der Berg der Berge, an dem seit 1921 318 Menschen, 231 beim Aufstieg, 87 beim Abstieg, ihr Leben verloren, nichts von seinem Nimbus verloren. Das zeigte im Zeitalter des kommerziellen Alpinismus’ eindrücklich das Bild vom Stau unter dem Everest Gipfel, das «Causa Sport» im Jahr 2019 als Cover verwendete («Causa Sport» 3/2019). Die Zeiten haben sich geändert. Versuchten es nach der Erstbesteigung weitere Alpinistinnen und Alpinisten, den längst verwehten Spuren von Edmund Hillary und Tenzing Norgay zu folgen, prävalierte in den letzten Jahren immer mehr das Geschäft am Berg. Expeditionen zuhauf versuchten, immer mehr auch zahlende Kunden auf das Dach der Welt zu bringen – mit wechselhaften Erfolgen. Immer noch relativ wenige Menschen, weit mehr Männer als Frauen, schaffen es, oben auch anzukommen, auch wenn sich unterhalb des Gipfels immer wieder gigantische Staus am Berg und vor allem am «Hillary Step» auf 8790 Metern Höhe bilden, was für die ganze Welt aufgrund von 2019 entstandenen Aufnahmen eindrücklich dokumentiert wurde. Wer es am Everest bis zur Felsstufe, dem legendären «Hillary Step», die in Würdigung des Erstbesteigers so genannt wurde, schafft, hat gute Chancen, danach auch den Gipfel zu erreichen. Doch auch die dunklen Seiten der Aktivitäten am berühmtesten Berg der Welt können nicht ausgeblendet werden. Im Schnitt sterben acht Menschen jährlich am Mount Everest. Bis auf eine Höhe von 7000 Metern fordern vor allem Lawinenniedergänge Opfer, weiter oben sind Sturzfolgen die Haupt-Todesursache. Oft brechen Besteigerinnen und Besteiger zudem an Erschöpfung zusammen. Der Andrang am Berg, der heuer im Jubiläumsjahr alle Rekorde brechen wird, ist in den letzten Jahren immer intensiver geworden. Reinhold Messner, der als erster Mensch alle 14 Berge der Welt ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat, schätzt die Phänomene wohl realistisch ein: Am Everest gehe es nicht mehr um Alpinismus, sondern um kommerziellen Tourismus, sagt der bekannt exzentrische, 78jährige Italiener, der auf Schloss Juval im Vinschgau in der Nähe von Meran weitgehend als Selbstversorger lebt. Wie auch immer. Es ist damit zu rechnen, dass im Jubiläumsjahr 2023 die Marke von 1000 Alpinistinnen und Alpinisten, welche das Dach der Welt erreichen, geknackt werden dürfte – so ist auch der Jubiläums-Stau am Everest vorprogrammiert.

Entzweit der Skisport die (europäische) Einheit?

Photo by Paweu0142 Fijau0142kowski on Pexels.com

(causasportnews / red. / 5. Dezember 2020) Gemeinhin wird dem Sport völkerverbindende Bedeutung nachgesagt, aber er kann offenbar auch «entzweiend» wirken, wie das Beispiel des Skisports zeigt. Beziehungsweise wird aktuell ersichtlich, wie nationales Denken und Handeln im Zeitalter von «Corona» prävaliert. Die Rede ist nun allerdings nicht vom kommerziell geprägten, organisierten Spitzen-Sport, sondern vom alpinen Skizirkus für alle, den sog. Alpinen Breitensport. Auch dieser weist bekannterweise bedeutende wirtschaftliche Komponenten auf. In den Skigebieten wird nicht nur Sport getrieben, sondern auch gegessen, (reichlich) getrunken; zudem erfolgt eine breitgefächerte Verlustierung; siehe Ischgl. Und das ist bei diesem Problem auch der springende Punkt. Frankreich, Italien und Deutschland tendieren dazu, ihre traditionellen Skigebiete erst nach den Feiertagen wieder frei zu geben – oder die angekündigten Restriktionen erst allmählich im neuen Jahr zu lockern. Falls es «Corona» dann zulässt. Österreich als klassisches Wintersportland ist sich (auch) der wirtschaftlichen Verantwortung in der «Corona»-Zeit bewusst und möchte eher einen liberalen Weg einschlagen, was Lockerungen von angeordneten Massnahmen anbelangt. Soweit, so gut. Wenn nun nicht die Schweiz einfach hineingrätschen würde: Das in den Augen insbesondere der Deutschen «sonderbare Bergvolk» stört die europäische Harmonie, indem es auch hier einen Sonderweg beschreiten will. Das kann die Schweiz natürlich. Immerhin gehört die Eidgenossenschaft nicht der Europäischen Union (EU) an und darf sich (einstweilen) auf die nationale Eigenständigkeit besinnen. «Im Wallis wird über die Festtage Ski gefahren und in den Restaurants gegessen», brachte es der Walliser Staatsrat Christoph Darbellay kürzlich auf den Punkt. Und der Schweizer Tourismus applaudierte. Das sorgt in den Alpenländern Frankreich, Italien und Deutschland für Verstimmung; Österreich hält sich in dieser Frage aus naheliegenden Gründen ziemlich bedeckt. Dafür schlägt der Eidgenossenschaft aus Brüssel nun ein eisiger Wind entgegen. Das alles in einem Zeitpunkt, da die Schweiz ein sog. «Rahmenabkommen» mit der EU anstrebt und eine grundsätzliche getroffene Einigung in delikaten Punkten nachverhandeln will. Da würde in der EU-Zentrale schon ein wenig Solidarität in der Krise erwartet. Klar ist, dass die Bekämpfung von «Corona» und die zu ergreifenden Massnahmen nationale Aufgaben sind. Aber ein wenig Solidarität würde die EU von der Schweiz in dieser Frage im Rahmen des Breitensportes, bei dem es sich nicht spassen lässt, durchaus erwarten. Die (vermeintliche) Aufmüpfigkeit und die harte Haltung sind unter dem Aspekt des europäischen Solidargedankens in der Tat erstaunlich, auch wenn es bei der liberalen Handhabung der «Corona»-Massnahmen vor allem um nationale Belange geht. Erstaunlich auch deshalb, weil vor allem die Schweizer Politik vor Europa geradezu kuscht und sich vor den EU-Repräsentanten jeweils unterwürfig in den Staub zu werfen pflegt. Doch jetzt zeigt das Bergvolk, europäisch gesprochen, «Cojones». Wirtschaftliche Überlegungen, auch im Zusammenhang mit dem traditionellen Skisport, sind in einem Land ohne Bodenschätze von derartiger Relevanz, dass sogar die so gefährdete, europäische Harmonie hintanstehen muss. Aber irgendwann wird «Corona» Geschichte sein; ebenso die Gefahr, dass der europäische Einheitsgedanke aufgrund der Auswüchsen dieser Pandemie auch ausserhalb der Union nachhaltig Schaden nehmen könnte.