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Das traurige Leben von Sir Bradley Wiggins «danach»

causasportnews / Nr. 1175, 29. August 2024

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(causasportnews / red. / 29. August 2024) Vom 21. bis 29. September 2024 werden in Zürich die Rad- und Para-Cycling-Weltmeisterschaften ausgetragen. Dass mit Blick auf diesen Grossanlass eitel Freude am Austragungsort Zürich herrschen würde, wäre eine zu optimistische Einschätzung. Vor allem wird moniert, dass diese Weltmeisterschaften den privaten Verkehr tangieren bis verunmöglichen, was für viele Menschen in Zürich und in den Agglomerationen bereits jetzt ein Problem darstellt. Die bevorstehenden, sportlichen Höhepunkte werden ausgeblendet oder marginalisiert.

Zeit also, um sich mit Vergangenem aus dem Strassen-Radsport zu befassen und auseinanderzusetzen. Dazu gehört Historisches; vor den Weltmeisterschaften in Zürich und nach den beiden Höhepunkten der internationalen Radsportsaison 2024 (Giro d’Italia und Tour de France) geben die aktuellen und ehemaligen Helden der Landstrasse spannende Themenbereiche ab, welche das Publikum zu Hause und an den Strassenrändern faszinieren und fesseln. Was gibt es beispielsweise Attraktiveres, als mittelbar die Hochs (von Aktivkarrieren) und Tiefs (im Leben von Sportlerinnen und Sportlern nach den aktiven Laufbahnen) mitzuerleben? Die Medien tun alles dafür, um diesen Mix von Triumph, Not und Elend am Leben zu erhalten. Wie sagte es einst der ehemalige Deutsche Bundespräsident Christian Wulff aufgrund selber gemachter Erfahrungen trefflich: «Die Medien fahren mit dir hoch, wie in einem Lift; sie begleiten dich dann aber auch, wenn es nach unten geht.».

Einer der aktuell in den Medien figuriert und ebenfalls erlebt hat, was es heisst, ganz oben zu sein, um dann wieder unten anzukommen, ist der ehemalige britische Rad-Star Bradley Wiggins. Der Gewinner der Tour de France (2012), von fünf Olympischen Goldmedaillen und acht Weltmeistertiteln ist obdachlos; «couchsurfen» bei Verwandten und Bekannten nennt er das ironisch. Beim Rücktritt vom aktiven Sport 2016 war der 44jährige Ex-Champion mehrfacher Millionär; 13 Millionen Pfund sollen es gewesen sein, die sich nun verflüchtigt haben. Innerhalb von acht Jahren implodierte das ehemals geordnete Sportlerleben des Briten, dem aufgrund seiner Erfolge die Ehre zuteil wurde, sich «Sir» nennen zu dürfen. Den Tritt, den er auf dem Rennrad oft perfekter fand als seine Gegner, fand er im Sportlerleben «danach» nicht mehr. Schulden in Millionenhöhe sollen ihn als Geschäftsmann erdrückt haben, seine Familie mit Kindern zerbrach, eine weitere Beziehung endete im Desaster. Bradley Wiggins spricht über seine Situation mit turbulenter Kindheit und Jugend ehrlich und ohne Mitleid erwecken zu wollen. Nur über einen Punkt in seinem doch traurigen Leben spricht er nicht: Über die immer wieder aufgetretenen Doping-Anschuldigungen. Hätte der ehemalige Rad-Star sein turbulentes Leben gegen ein einfacheres eintauschen wollen? Seine typische Antwort: «Ja, aber es hat mich dafür zu einer besseren Person gemacht». Dem Radsport hat er definitiv den Rücken gekehrt, auch nachdem er sich erfolglos mit einem eigenen Radsport-Team versucht hat. So wird Bradley Wiggins in Zürich Ende September kaum dabei sein, weder als Zuschauer noch als TV-Kommentator. Wer will sich schon die (Radsport-)Welt von einem gefallenen Helden erklären lassen? Im Moment verscherbelt der Brite übrigens seine Markenrechte – oder versucht es zumindest.

Die (Selbst)-Zerstörung des «Denkmals» Jan Ullrich

causasportnews / Nr. 1085/11/2023, 29. November 2023

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(causasportnews / red. / 29. November 2023) Deutschland erlebte in den letzten Jahrzehnten zumindest drei Ausnahme-Sportler (sorry, dass keine Frauen dabei sind…), in alphabetischer Reihenfolge: Boris Becker, Michael Schumacher und Jan Ullrich. In ihren Sportarten waren sie als Aktive das Mass aller Dinge. Der nun 56jährige, ehemalige Tennis-Star Boris Becker erlebt bis heute mehr als nur ein Wechselbad der Gefühle; Exzesse aller Art katapultier(t)en den Leimener vorwiegend und permanent auf den Medien-Boulevard. In der Öffentlichkeit zofft er sich meist wegen Banalitäten mit Schönen, (Pseudo-)Reichen und Nichtsnutzen der Entertainment-Branche herum, aktuell mit dem Comedian Oliver Pocher, den erstaunlicherweise viele Menschen lustig finden, nicht nur im Fernsehen der in diesem Leben zu kurz Gekommenen, Diskriminierten und Missverstandenen. Soeben hat «Bobele», wie Boris Becker von den Deutschen liebevoll genannt wird, ein Verfahren gegen Oliver Pocher am Oberlandesgericht Karlsruhe gewonnen. Immerhin, obwohl es um eine primitive Pocher-Pöbelei ging, mit der man die überlastete Justiz auch noch auf Trab halten kann. Doch Boris Becker lässt sich von diesem Mann – verständlicherweise – nicht alles gefallen. Recht hat er; Recht bekommen hat er nun auch.- Nur traurig und tragisch muss man das Schicksal von Michael Schumacher qualifizieren, der auf den Rennstrecken ein Überflieger war, dem jedoch die Aktivitäten auf der Skipiste in Méribel zum Verhängnis wurden. Vor jetzt dann genau zehn Jahren, am 29. Dezember 2013, hat der bald 55jährige Formel 1-Rekord-Weltmeister faktisch diese Welt verlassen. Vor ihm verneigen sich Deutschland und die ganze Welt weiterhin.-

Der Tour-de-France-Sieger von 1997, Jan Ullrich, hat neben weiteren grandiosen Erfolgen mit seinen Leistungen in Deutschland einen Radsport-Boom sondergleichen ausgelöst und sich so einen sicheren Platz in den Helden-Chroniken des Sports gesichert. Nach der Aktiv-Karriere fasste der Radsport-Crack im bürgerlichen Leben nicht mehr ansatzweise so Fuss wie in den Renn-Pedalen. Es waren nicht Pleiten, Pech und Pannen, die den Werdegang nach dem Sport des heute 49jährigen Ausnahme-Athleten prägten, sondern vielmehr Abstürze jeglicher Art. Immer wieder rankten sich Manipulations-Gerüchte um Jan Ullrich und das berühmte Telekom-Radsport-Team. Bis heute liess sich das Doping-Gespenst im Umfeld des ehemaligen Athleten nicht mehr verscheuchen. Doch nun herrschen Klarheit und Transparenz. Im Vorfeld der Dokumentation «Der Gejagte» auf Amazon-Prime konnte Jan Ullrich nicht mehr anders, als jetzt zu gestehen «Ich habe gedopt» (vgl. auch causasportnews vom 22. November 2023). Von welchen Teufeln der Ex-Radsportler geritten wird, damit er hic et nunc gesteht, bleibt ein grösseres Geheimnis als die seit Jahrzehnten in der Welt herumschwirrenden Doping-Geschichten und -Vermutungen, nicht nur um Jan Ullrich. Mit dem Geständnis hat Jan Ullrich eine Art «Neugeburt» erlebt, wie er sagt. In der Tat ist diese Beichte in der Öffentlichkeit ein Opfer auf dem Altar des kommerziellen Entertainments. Der oft als labil bezeichnete Jan Ullrich ist offensichtlich gedrängt worden, sein Geständnis nun publikumswirksam zu platzieren. Die Promotour für die Dokumentation ist zum Medien-Happening verkommen. Der Versuchung, noch einmal im Scheinwerferlicht der Medien zu stehen, hat den Ex-Radsportler offensichtlich (nebst etwas Kleingeld) dazu bewogen, sein Geständnis, ohne «mea culpa», öffentlich zu machen. Es wird das letzte Mal sein. Die «Neugeburt» hat die «Legende Jan Ullrich» entmystifiziert. Eigentlich hat er an seiner Selbstzerstörung als Sport-Denkmal mitgewirkt. Er hat nicht erkannt, dass die «Freunde» aus dem Medien-Geschäft vor allem sich am nächsten sind. Einzig ihnen nützt das Geständnis zur heutigen Zeit. Für Jan Ullrich könnte es noch knüppeldick kommen. Nur der Top-Ex-Fahrer wird sich nun wohl darauf einstellen müssen, dass ihm Titel und Siege von damals aberkannt werden. Aber vielleicht gehört das zur «Neugeburt».

PS Selbstverständlich werden an dieser Stelle die Doping-Betrügereien jeglicher Art und in jeglichen Sparten weder gutgeheissen noch schöngeschrieben.

Tour de France – ob das noch Sport ist?

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(causasportnews / red. / 27. Juli 2022) Das härteste Radrennen der Welt, die Tour de France (TdF), wird bisweilen auch «Tour der Leiden» und ähnlich genannt. Kein Sportanlass brachte soviele Helden hervor und liess unzählige Hoffnungen scheitern, wie die «Grande Boucle» in der über 100jährigen Geschichte. Die TdF bildet auch die Historie unzähliger Dramen, persönlicher Abstürze, mirakulöser Erfolge und spektakulärer Ereignisse. Sie ging vor ein paar Tagen mit dem Gesamtsieg des Dänen Jonas Vingegaard zu Ende. Die Veranstaltung ist seit Jahren umstritten, nicht erst, seit das Teilnehmerfeld so richtig durchgedopt worden ist. Anlässlich der Ausgabe 2022 gedachte vor allem Deutschland des Heldenaktes von Jan Ullrich, der vor genau 25 Jahren das Radrennen für sich entschied – um bald danach abzustürzen. In diesen Tagen erzählt das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» das Sportler- und Privatleben der revitalisierten Sport-Legende nach, dies aktuell unter dem Generaltitel «Die Tragik eines Betrügers» («Der Spiegel», 23. Juli 2022). Es ist eine Geschichte, die an sich eher in die Rubrik «Helden-Recycling» passen würde. So ist es mit den Medien: Sie fahren mit den Helden, die es werden wollen oder es schon sind, hoch oder noch höher, im «Fall Jan Ullrich» bezüglich seiner Gewaltsleistungen an der TdF mitjubelnd bis zur Alpe d’Huez hinauf und bis nach Paris; sie sind dann auch dabei, wenn es, in welcher Hinsicht auch immer, wieder bergab geht. So, wie dies bei Jan Ullrich nach seinen grössten Triumphen geschah.

Grundsätzlich war die aktuelle Auflage 2022 der TdF sportlich nichts aussergewöhnlich Spektakuläres. Das Übliche halt: courant normal à la Tour de France eben. Zwar rollte die Veranstaltung unter dem Damoklesschwert der drei Krisen, welche die Welt derzeit beherrschen und die allgemein mehr als nur stimmungsdämpfend sind: «Corona-Krise», «Ukraine-Krise», «Klima-Krise». Die letztgenannte Krise bekam das TdF-Peloton heuer besonders zu spüren. Bei 40 Grad Luft- und 60 Grad Asphalttemperaturen kam zur sportlichen Härte noch die brutale Hitz dazu – permanent aufgezeigt in stundenlangen TV-Übertragungen, welche dem Leiden der Fahrer ein Gesicht gaben. Auch wenn die Organisatoren der Rundfahrt die aufgeheizten Strassen mit Sprühfahrzeugen kühlten (sinnigerweise aber nicht die Fahrer), war die 109. Auflage der Tour etwas Besonderes und verlieh der «Klima-Krise» eine spezielle und sportliche Ausdrucksweise. Weshalb letztlich nicht nur die Medien die unbeantwortbare Frage in den Raum stellten, ob das denn alles noch Sport sei.

«Tour de Suisse 2022»: Ende gut, (fast) alles gut

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(causasportnews / red. / 20. Juni 2022) Noch vor wenigen Tagen war es eine reale Gefahr, dass die «Tour de Suisse 2022» nicht würde zu Ende geführt werden können. Etwa ein Drittel des Teilnehmerfeldes wurde durch das «Corona» eliminiert. Weil das Virus nicht nur unter den Fahrern wütete, sondern auch der Begleittross von ihm befallen wurde, musste das Schlimmste befürchtet werden: Ein Rennabbruch (vgl. auch causasportnews vom 19. Juni 2022). Dass es nicht soweit kam, war so unerklärlich wie der Umstand, dass die Schweizer Rundfahrt plötzlich doch noch bis zum Ende durchgezittert werden konnte. Das lag vielleicht daran, dass die «Tour de Suisse» am Wochenende im Ausland, im Fürstentum Liechtenstein, beendet wurde. Der Brite Geraint Thomas liess sich in Vaduz als sicherer Gesamtsieger feiern. Ende gut, und, trotz «Corona», (fast) alles gut, könnte ein aktuelles Fazit gezogen werden. Die im internationalen Verhältnis bescheidene Tour, die 2020 wegen «Corona» nicht durchgeführt werden konnte, ist nun nicht mehr viel mehr als Geschichte. Nicht nur die Randsport-Community hat den Fokus bereits auf das berühmteste und auch härteste Radrennen auf dem Planeten gerichtet: Auf die «Tour de France 2022», die am 1. Juli 2022 in Kopenhagen beginnen soll. Die «grande boucle» soll zum Radsport-Leckerbissen dieses Jahres werden, doch hängt das «Corona»-Damoklesschwert bedrohlich über der Tour. Die steigenden Fallzahlen in weiten Teilen Europas haben die Organisatoren der «Tour de France» dazu bewogen, die Massnahmen im Kampf gegen das Virus mit allen seinen Mutationen zu verstärken. Das Damoklesschwert «Corona» wird ab 1. Juli 2022 über dem Peloton schweben, verbunden mit der Hoffnung, dass es bis zum Ende der Tour am 24. Juli in Paris nicht plötzlich heruntersausen möge…

Glitschiger und unberechenbarer Radsport

(causasportnews / red. / 30. August 2020) Die Tour de France zählt zu den wichtigsten Sportveranstaltungen der Welt. Obwohl sie im Freien stattfindet, ist sie heuer dennoch ein „Opfer“ von COVID-19 geworden. Aber wenigstens findet sie – unter Beachtung aller denkbaren Schutzvorkehrungen – seit gestern, mit einiger Verspätung, dennoch statt. In und um Nizza machten sich die besten Rad-Professionals auf die rund 3‘500 Kilometer lange Strecke. Zum Wochenend-Beginn war anlässlich der 1. Etappe vor allem das Wetter das Hauptthema. Insbesondere der Deutsche Super-Star und ehemalig Polizist Tony Martin mit dem Spitznamen „Panzerwagen“ sorgte zuvorderst im Feld dafür, dass das Renntempo den gefährlichen, glitschigen Bedingungen angepasst wurde. Weniger Tempo – weniger Stürze, dafür setzt sich „Kollege Panzerwagen“ autoritär und effizient an der Spitze des Peloton ein; und alle akzeptierten Tony Martins Autorität. Dennoch waren auf den übernassen Strassen einige Stürze nicht zu vermeiden; alle endeten glimpflich. Im Schlussspurt setzte sich dann der Norweger Alexander Kristoff durch.- Der Start zur „grand boucle“ in Nizza bedeutete den Auftakt zu einer Fahrt ins Ungewisse. Wegen „Corona“ war es überhaupt verwunderlich, dass zur Tour 2020 nun doch gestartet werden konnte. Statt am 27. Juni ging es jetzt erst am 29. August los. Am 20. September sollte in Paris der Gesamtsieger feststehen. Sollte. Die Verhältnisse sind allerdings derart unkalkulierbar, dass schon eine markante Verschlechterung der Situation im Zuge von COVID-19 ein Rennabbruch wahrscheinlich macht. Schon kurz vor dem Start des Rennens in Nizza wurden aus dem Tour-Tross gleich zwei Ansteckungen bekannt, von denen das Team „Lotto-Soudal“ betroffen ist. Die Belgier vermeldeten allerdings entwarnend, dass zwei „Corona“-Tests nicht negativ ausgefallen waren – was im Klartext positive Befunde bedeutete. Ein bisschen Schönfärberei darf ja sein unter den gegebenen Umständen. Alles in allem ist und bleibt die Tour 2020 unberechenbar; sie steht unter dem Damoklesschwert des vorzeitigen Abbruchs. Das macht das sonst übliche, sportliche Taktieren schwieriger. Wer die diesjährige Frankreich-Rundfahrt gewinnen will, tut gut daran, sich gleich zu Beginn an die Tabellenspitze zu setzen. Darauf zu vertrauen, dass die Tour, wie an sich geplant, (erst) am 20. September zu Ende gehen wird, ist ein riskantes Vabanque-Spiel. Zu unberechenbar sind die Verhältnisse im Zeitalter von COVID-19. Übrigens: Von Doping spricht im Moment im Radsport niemand.