Archiv für den Monat Juli 2024

Unerträglich lange strafrechtliche Aufarbeitung der Folgen des Bergsturzes von Bondo

causasportnews / Nr. 1166/07/2024, 30. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 30. Juli 2024) Vor ziemlich genau sieben Jahren, am 23. August 2017, ereignete sich an der Nordflanke des Piz Cengalo (3363 m. ü. M.) auf dem Gebiet von Bondo im Bergell (Kanton Graubünden) ein gewaltiger Bergsturz. Acht Personen wurden auf einem frei gegebenen Wanderweg verschüttet und konnten bis heute unter den ungefähr zwanzig Meter hohen Steinmassen noch nicht geborgen werden. 2019 kam die Staatsanwaltschaft Graubünden zum Schluss, der Bergsturz sei nicht vorhersehbar gewesen. Für den Tod der Berggänger könne niemand (strafrechtlich) verantwortlich gemacht werden. Das Schweizerische Bundesgericht verlangte auf Beschwerde von Angehörigen der Verschütteten hin, der Fall müsse in strafrechtlicher Hinsicht neu aufgerollt werden. Die Untersuchungs- und Anklagebehörde gab ein Gutachten beim Geologen Thierry Oppikofer in Auftrag, das Ende des letzten Jahres ergab, dass sich der Bergsturz durch zahlreiche Vorboten (u.a. durch Steinschlag) angekündigt habe. Die Wanderwege im betroffenen Abschnitt des Piz Cengalo hätten deshalb gesperrt werden müssen. Nun werden die Ermittlungen sieben Jahre nach dem Bergsturz weitergeführt; allenfalls haben letztlich die Gerichte zu entscheiden, ob die Beschuldigten wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Beschuldigt sind Personen, teils Mitarbeiter des Kantons und der Behörden, denen vorgeworfen werden könnte, dass sie trotz der «zahlreichen Vorboten» am Berg die Wanderwege im betroffenen Gebiet und am Unglücksort nicht geschlossen, sondern freigegeben haben.

Das Prozessthema ist im Spannungsfeld zwischen «Eigenverantwortung» (hier von Berggängern) und der Verantwortlichkeit von (Dritt-)Personen für Wandernde in den Bergen (z.B. von Behörden und Ämtern) anzusiedeln. Die juristisch relevante Grundsatzfrage: «Wo hört die Eigenverantwortung des Bergsportlers auf und in welchen Situationen darf das Individual-Schicksal in die Hände Dritter (öffentliche Hand, Behörden, Ämter, usw.) gelegt werden?», ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Dennoch befremdet in diesem konkreten Fall der Umstand, dass die strafrechtliche Aufbereitung des fatalen Bergsturzes Jahre in Anspruch nimmt. Der Vorfall ereignete sich 2017, und es ist davon auszugehen, dass weitere Jahre ins Land ziehen werden, bis letztlich eine rechtkräftige, strafrechtliche Beurteilung des Unglücks vorliegt. Natürlich ist diese Situation für die Hinterbliebenen der Opfer ebenso belastend wie der Druck eines Strafverfahrens bezüglich der beschuldigten Personen; es muss von einer geradezu unerträglichen Situation für alle Betroffenen gesprochen werden. Tendenziell kann aufgrund dieses (Einzel-)Falles aber nicht geschlossen werden, dass sich bei derartigen Unglücksfällen in den Bergen eine juristische Beurteilungs-Tendenz weg von der Eigenverantwortung abzeichnet. Im Strafrecht ist jeder Fall einzeln zu beurteilen. Eine Verurteilung Dritter bei Bergunfällen ist objektiv betrachtet eher seltener als umgekehrt. Wer Bergsport betreibt, hat sich eigenverantwortlich zu verhalten. Erst, wenn besondere Umstände vorliegen, kann ein strafrechtliches Verschulden Dritter zum Thema werden.

«Causa Sport» zwischen Fussball-Europameisterschaft und Olympia

causasportnews / Nr. 1165/07/2024, 28. Juli 2024

(causasportnews / red. / 28. Juli 2024) Die neue Nummer der digital verbreiteten, interdisziplinären Sport-Fachzeitschrift «Causa Sport» befasst sich zwar auch, aber eher am Rande mit der Fussball-Europameisterschaft 2024, die vom 14. Juni bis zum 14. Juli in Deutschland ausgetragen wurde und mit der sportlichen Krönung der Spanischen Nationalmannschaft zu Ende ging. Das Turnier verlief zwar problemlos, aber einige Aspekte im Rahmen der Europameisterschaft sorgten für Gesprächsstoff. So etwa die Schiedsrichter-Leistungen, die auch deshalb hinterfragt wurden, weil die Unparteiischen immer mehr «ferngesteuert» agieren (z.B. durch den «VAR», Video Assistant Referee»); Diskussionen um Schiedsrichterentscheide auf dem Spielfeld wurden während der Partien in epischer Breite debattiert und definitive Entscheidungen erst nach langen Diskussionen gefällt. Apropos Diskussionen: Diese wollte man mit der neuen «Kapitänsregel» eindämmen. An den Diskussionen auf den Spielfeldern dürfen sich demnach nur noch die Spielführer der Mannschaften beteiligen. Für die Akteure auf dem Feld gilt das «Diskussions-Verbot».

Soeben sind die Olympischen Spiele in Paris eröffnet worden (sie werden bis zum 11. August dauern). Der Sport-Gigantismus prägte die feierliche Eröffnung der Spiele. Die Teilnehmer/innen wurden mit Booten die Seine heruntergeschickt. Obwohl der Fluss eher einer Kloake ähnelt, hat die Bürgermeisterin der Stadt, Anne Hidalgo, die Seine nach einem persönlich vorgenommenen Bade-Test als unbedenklich bebadbar erklärt. Dem olympischen Eröffnungs-Klamauk auf der Seine folgt nun der traditionelle, olympische Betrieb. Auch Olympia ist geeignet, in etlichen Bereichen sport-wissenschaftlich unter die Lupe genommen zu werden. In «Causa Sport» geschieht dies mit aktuellen Bezügen, aber in bescheidenem Rahmen. Vor allem im Vorfeld der Spiele stand die Konformität des Ausschlusses russischer Sportlerinnen und Sportler von den Spielen im Fokus. Um das Krieg führende Russland nicht total zu brüskieren, hat das Internationale Olympische Komitee (IOK) die Teilnahme-Kategorie «Team unter neutraler Flagge» geschaffen. Das Sportfest des Jahres darf natürlich auch ein wenig opportunistisch sein.

In der aktuellen Ausgabe finden sich ausserhalb der Fussball-Europameisterschaft und der Olympischen Spiele diverseste Behandlungs-Schwerpunkte. Eingehend wird die Drohgebärde des Internationalen Fussball-Verbandes (FIFA) mit den geäusserten Wegzugs-Gelüsten beleuchtet (der Verband, ein Verein nach Schweizerischem Recht) liebäugelt damit, seinen Sitz dereinst von Zürich (wieder) nach Paris (!) oder in ein arabisches Land zu verlegen. On verra!- Schliesslich werden in «Causa Sport» verschiedenste Gerichtsurteile im Zusammenhang mit dem Sport behandelt.

«Causa Sport» (und nun die neue Ausgabe 1/2024) kann über «Swisslex» (Schweiz), über die Juristischen Datenbank des Verlags «Manz», rdb.at (Österreich), und über den Verlag Verlag «Duncker & Humblot» (Deutschland) abgerufen werden.

Der Sport frisst seine Kinder

causasportnews / Nr. 1164/07/2024, 26. Juli 2024

(causasportnews / red. / 26. Juli 2024) Man weiss, wie es sich mit den Revolutionen verhält. Sie sind ab und zu und immer wieder prädestiniert, ihre eigenen Kinder zu fressen. Manchmal ist es im Sport ähnlich, wobei die Ebenen vielfältiger sein können. Es gibt den Sport auf und neben dem Platz, wobei im Rahmen der ersten Konstellation die Aktiven (damit sind auch die Frauen gemeint) im Zentrum stehen, in der zweiten Situation diejenigen Personen, welche den Sport ermöglichen, organisieren und verwalten; unter diese Spezien sind insbesondere die Funktionäre (damit sind ebenfalls die Frauen gemeint) zu subsumieren. Zwei Beispiele aus den beiden Bereichen haben in den letzten Tagen für Schlagzeilen gesorgt. Beiden Menschen hat der Sport viel gegeben und für sie im Aktiv- und im weniger aktiven Bereich eine bedeutende Plattform abgegeben. Bevor alles anders wurde.

Zu beginnen ist mit dem passiven Bereich. Jetzt sitzt er endlich ein, frohlockten die Geschädigten von Franz A. Zölch, der rechtskräftig wegen Betrugs verurteilte, ehemalige Eishockey-Top-Funktionär (vgl. auch causasportnews vom 19. Juni 2024). Der Tausendsassa, der sich gewandt und souverän auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegte, der gefeierte Medienjurist, der (Miliz-)Offizier im Generalsrang, der Vorzeige-Sport-Funktionär, usw., rutschte nach seiner blendenden Karriere ausserhalb der Eishockey-Felder allmählich mit seinen geschäftlichen Aktivitäten in ein finanzielles Desaster und versuchte sich fieberhaft in Geldbeschaffungs-Massnahmen. Letztlich resultierte dennoch die Pleite. Unbefriedigte Darlehensgeber, vor allem Freunde aus seinem Umfeld, sahen sich vom Strahle-Mann betrogen, und die Strafjustiz sah es letztlich auch so. So wurde der gefeierte, heute 75 Jahre alte Überflieger von gestern, zum verurteilten, gefallenen Straftäter von heute, der zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt wurde, jedoch aus welchen Gründen sich bis jetzt dem Strafvollzug entziehen konnte. Dem korrupten Filz im Kanton Bern sei Dank, wurde gemunkelt. Wahrscheinlicher ist, dass ein Grund für den Strafvollzugs-Nichtantritt mit dem verschlechterten Gesundheitszustand der Verurteilten zusammenhing. Seit ein paar Tagen sitzt der massiv Gestrauchelte trotz allem. Es ist dies der Schlusspunkt einer auch traurigen Geschichte, bezüglich der man sich innigst wünschen würde, sie wäre nicht geschehen.

An Schulden zerbrach (auch) ein ganz Grosser des Radsports. Bradley Wiggins im Velo-Sattel entzückte bis 2012 die Massen. Als 32jähriger gewann er als erster Brite die berühmteste Rundfahrt der Welt, die Tour de France. Im Zeitfahren sicherte er sich danach Olympisches Gold; weitere Erfolge an Olympia folgten. Der Umstand, dass derzeit die Sport-Community auf die Olympischen Spiele nach Paris schaut, mag ein Grund dafür sein, dass von den grandiosen Erfolgen von Bradley Wiggins, der hierfür als «Sir» geadelt wurde, im Moment gerade wieder viel gesprochen wird. Nach seinem Rücktritt vor acht Jahren stellten sich geschäftlichen Erfolge für Sir Bradley Wiggins nicht so ein wie die vormals sportlichen. Sein erstrampeltes Vermögen von geschätzten 13 Millionen Pfund löste sich gleichsam in Luft auf, und es resultierten sogar Schulden. Bei Freunden und Bekannten soll er dezeit «couchsurfen». Der heute 44jährige Sir Bradley Wiggins wäre jedoch nicht Bradley Wiggins, wenn er nicht auch dieser Situation etwas Positives abgewinnen würde. Sein zuvor turbulentes Leben habe er gegen ein Einfaches eingetauscht. Das weise den Vorteil auf, dass ihn dies zu einer besseren Person gemacht habe, sagte der ehemalige, gefeierte Radsport-Held gegenüber Journalisten.- Dem ist wohl nichts beizufügen…

Spanien im sportlichen «Hoch» – und eine Ursachenforschung mit Brisanz

causasportnews / Nr. 1163/07/2024, 22. Juli 2024

(causasportnews / red. / 22. Juli 2024) Werden ausserordentliche, sportliche Leistungen vollbracht, wird in der heutigen Zeit, die von Lug und Trug befallen ist, postwendend die Grundsatzfrage gestellt: Kann das sein – oder: Wie kann das sein? So ergeht es derzeit dem Spanischen Sport, der aktuell das Mass aller sportlichen Dinge zu sein scheint. Nachdem Carlos Alcaraz ganz locker das berühmteste Tennis-Turnier (in Wimbledon) gewonnen hatte, doppelte die Spanische Nationalmannschaft am Abend des 14. Juli nach und sicherte sich souverän den Fussball-Europameisterschafts-Titel. Das war wohl ein bisschen gar viel für die übrige Sportwelt, vor allem für Deutschland, das anlässlich des Kontinental-Turniers im eigenen Land eine veritable Bruchlandung hinlegte, zufälligerweise mit einem Ausscheiden im Viertelfinale gegen … Spanien (vgl. auch causasportnews vom 18. Juli 2024). Rein zufällig wird nun eine ausgedehnte Ursachenforschung mit Blick auf das Sportwunder in Spanien betrieben, die Brisantes zu Tage fördert: Spanische Erfolge im Sport sind nicht nur das Resultat intensivsten Trainings seitens der Athletinnen und Athleten, sondern es soll Doping im Spiel sein; sog Staatsdoping sogar. Diese Ungeheuerlichkeiten sind der ARD-Dokumentation «Geheimsache Doping: Schmutzige Spiele» zu entnehmen. Die Deutschen sind bekannt, berühmt und berüchtigt für Undercover-Recherchen, welche jeweils nicht nur die Sport-Welt aufschrecken. Jetzt haben sie kurz vor Olympia in Paris wieder zugeschlagen. Diesmal sind die Recherche-Ergebnisse besonders Aufsehen erregend, jedoch nicht sakrosankt. Die Hintergrund-Reportage stützt sich auf Aussagen, ja Enthüllungen, des als «Doping-Arzt» bekannt gewordenen Eufemiano Fuentes, einen 69jährigen Sport-Mediziner aus … Spanien, der immer wieder mit Dopingskandalen in diversesten Sportarten in Verbindung gebracht worden ist. Der «Doping-Gehilfe» aus der Medizinal-Branche soll einem Undercover-Recherche-Team auf den Leim gekrochen sein und packte soeben rücksichtslos aus. Der äusserst umstrittene und auch vorbestrafte Mediziner hat in der ARD-Dokumentation angegeben, dass er gleichsam als Agent des Spanischen Staates agiert habe. Sein Auftrag habe gelautet: Er solle tun, was er tun müsse; das Ziel sei zu helfen, Medaillen und Titel für Spanien zu erringen.

Die ganzen, neuen Enthüllungen aus der Alchemisten-Küche des Doping-«Gehilfen» Eufemiano Fuentes muten einigermassen sonderbar an. Für die Glaubwürdigkeit des Arztes, der in den letzten Jahren in unzählige Verfahren verwickelt war, spricht der Umstand, dass er von der Justiz Spaniens immer wie ein rohes Ei behandelt worden ist. Doch das alleine macht Eufemiano Fuentes nicht a se glaubwürdig(er). Dagegen, dass die ganzen Doping-Enthüllungen, über die der Arzt spricht, regelrechte Räubergeschichten sind, spricht ebenfalls einiges. So beispielsweise, sagt Eufemiano Fuentes heute, sei er schon vor 1992 als Beauftragter Spaniens dafür auserkoren worden, mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele 1992 in Barcelona alles (medizinisch Mögliche?) zu tun, um am Grossanlass im eigenen Land für eine ansehnliche Medaillenausbeute der Sportlerinnen und Sportler Spaniens zu sorgen. Dies, nachdem der Medaillenertrag vier Jahre zuvor in Seoul mit einmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze recht kümmerlich war. In Barcelona ging mit Spanien ein neuer Stern am Olympischen Himmel auf: Spanische Athletinnen und Athleten gewannen 13 mal Gold, sieben Mal Silber und zweimal Bronze. War das (auch) die Wirkung des staatlich geförderten Dopings, wie es Eufemiano Fuentes behauptet? Imitierte Spanien das, was die Staatsdoper früher in der damaligen DDR und in der zerbrochenen UdSSR inszenierten? Nobody knows – oder fast niemand weiss es. Übrigens weist das Nationale Olympische Komitee Spaniens alle Anschuldigungen, welche darauf abzielen, die Sauberkeit, Integrität und Transparenz des Spanischen Olympia-Sports in Frage zu stellen, zurück. Das Thema wird die Welt wohl bis nach Abschluss der Spiele in Paris (11. August) dennoch beschäftigen.

Europameisterschafts-Nachwehen und ein besonderes Sportler-«Coming-out»

causasportnews / Nr. 1162/07/2024, 18. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 18. Juli 2024) Erst ein paar Tage sind vergangen, seit sich Spanien den Fussball-Europameisterschaftstitel 2024 glorios erspielt hat. Doch dieses Thema ist aus den Medien bereits verschwunden; daran, dass der Fokus bereits in Richtung der Olympischen Sommerspiele in Paris (26. Juli – 11. August) gerichtet ist, kann es nicht (alleine) liegen. Zumindest eine Nachlese aus sportlicher Sicht wäre angebracht. Doch wird alles relativiert, weil mit Spanien zweifellos die «richtige» Nationalmannschaft den Titel geholt hat. Spanien über alles, wäre man geneigt festzustellen. Das Endspiel zwischen Spanien und England war etwas vom Besten, was der Nationalmannschafts-Fussball in den letzten Jahren zu bieten hatte. Markant war, dass auf Spielerseite offensichtlich im Moment ein Generationenwechsel eingeläutet worden ist. Kein einziger Spieler überragte im Turnier alle und alles, und nicht ganz zufällig finden sich immerhin gleich sechs (!) Akteure mit gleichviel Toren an der Spitze des Torschützen-Klassements. Der 31jährige Harry Kane und der soeben 17 Jahre alt gewordene Lamine Yamal erzielten neben vier weiteren Akteuren je drei Tore an dieser Kontinental-Meisterschaft. Welch’ ein Kontrast: Der Kapitän der Engländer, im Final sogar ausgewechselt, beförderte sich in Deutschland gleich selber ins sportliche und emotionale Elend. Beim FC Bayern-München fragt man sich, ob der Gentlemen Harry Kane noch in der Lage sein wird, seinen Klub in der Saison 2024/25 zu einem Vollerfolg zu führen. Anders der unbekümmert aufspielende Spanier Lamine Yamal, wohl ein künftiger Top-Star mit bald horrendem Transferwert. Der Titel mit Spanien wird ihn beflügeln.

Dass das Turnier auch im internationalen Kontext keine markanten Konturen hinterlassen wird, ist einerseits der schnelllebigen Zeit, in der sich die Sportveranstaltungen geradezu jagen, zuzuschreiben, anderseits dürfte konkret das frühe Ausscheiden Deutschlands ein Stimmungs- und Hoffnungskiller für das ganze Turnier und ganz Europa gewesen sein. Das «Märchen» der Deutschen von 2006 wiederholte sich nicht, und nach dem Aus gegen Spanien war das Turnier für Deutschland nur noch une chose à endurer (eine Sache zum Ertragen). Als Negativum im Rahmen der Europameisterschaft müssen die durchwegs katastrophalen Schiedsrichter-Leistungen erwähnt werden. Dafür tragen die Schiedsrichter weder eine kollektive noch individuelle Schuld, auch nicht der bemitleidenswerte Anthony Taylor, der das Spiel zwischen Spanien und Deutschland arbitrierte. Durch den Einsatz der technischen Hilfsmittel (VAR, verkabelte Schiedsrichter, etc.) wurde der Spielfluss geradezu gehemmt und das Spiel letztlich zerstört. Es wurde nach jeder klaren und unklaren Spiel-Konstellation diskutiert statt akzeptiert. Das führte dann auch dazu, dass Spaniens Marc Cucurella noch im Final von den Deutschen ausgepfiffen wurde, weil Schiedsrichter Anthony Taylor ein Foul des Verteidigers nicht als Foul qualifizierte, wofür der Chelsea-Klubspieler allerdings rein gar nichts konnte. Frustrations-Bewältigung auf deutsche Art, wird das offensichtlich genannt. Sport ist eben auch Irrationalität und Hass zugleich.

In Deutschland erregte zum Abschluss des Turniers nicht die Leistung der Deutschen Fussball-Nationalmannschaft die Gemüter, sondern das «Coming-out» eines ehemaligen Deutschen Formel 1-Piloten, Ralf Schumacher. Weil Sport eben mehr als nur körperliche Ertüchtigung bedeutet, wurde das Bekenntnis des Bruders von Michael Schumacher zum medialen Gassenhauer. Ein ehemaliger Individualsportler und dazu noch der Bruder eines der besten Sportler, den die Welt erlebt hatte, eine sexuelle Ausrichtung, die mit Sport, spezifisch mit dem Automobil-Rennsport, was auch immer zu tun haben mag, das sind die Zutaten, mit dem der heutige Medien-Kuchen gebacken wird. Ein Ex-Sportler (zudem aus einer Sportart, welche den heterosexuellen Männlichkeitswahn bis vor kurzem besonders glorifizierte), bald 50, in der Mitte des Lebens stehend – aus diesem Stoff werden Historien gestrickt, welche in diese Welt der Toleranz, des allseitigen Verständnisses und der diversen Weltanschauungen passen.

Diskriminierung eines biologischen Mannes im «Lady’s First»

causasportnews / Nr. 1161/07/2024, 15. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 15. Juli 2024) Die folgende Geschichte, die sich in Erlangen (Deutschland) zutrug, sei lediglich vorgetragen, nicht jedoch kommentiert. Sie endet mit dem einstweiligen Fazit, dass ein biologischer Mann, der sich als Frau fühlt, wegen Diskriminierung durch das «Lady’s First», ein Fitnessstudio für Frauen, entschädigt werden soll.

Die Geschichte trug sich so zu: Doris Lange betreibt im mittelfränkischen Erlangen ein Fitnessstudio («Lady’s First») für Frauen. Ein Mann, der sich als Frau begreift, wollte Mitglied in diesem Fitnessstudio werden, was Doris Lange jedoch ablehnte. Der Mann, der sich als Transfrau vorstellte, wünschte, ein Probetraining zu absolvieren. Die Inhaberin des «Lady’s First» lehnte dies mit einem Verweis auf das Hausrecht ab; ein Fitnessstudio-Vertrag kam demnach nicht zustande. Es meldete sich in der Folge die Antidiskriminierungsbeauftragte der Deutschen Bundesregierung bei Doris Lange. Vorgeschlagen wurde von ihr, dass die Fitnessstudio-Betreiberin dem Mann eine angemessene Entschädigung von 1000 Euro für die erlittene Persönlichkeitsverletzung nach dem durch das Studio verweigerten Vertragsabschluss bezahlen solle. Offenbar unstrittig ist das Faktum, dass konkret aus juristischer Sicht eine Diskriminierung des Mannes, bzw. des männlichen Geschlechts, vorliege. Doris Lange wendete vergeblich ein, sie wolle, dass ihr Studio ein sicherer Ort für Frauen bleibe, deshalb habe sie den Mann abgelehnt.

Strittig ist nun allerdings, ob die Antidiskriminierungsbeauftragte für die rechtliche Beurteilung der Diskriminierung überhaupt zuständig sei. Dies scheint eher nicht der Fall zu sein. Der Anwalt der Studio-Betreiberin ist, wohl zu Recht, der Meinung, der Fall sei von den Gerichten zu beurteilen und nicht von der Antidiskriminierungsbeauftragten. Somit wird wohl ein Gerichtsverfahren unumgänglich werden. Doris Lange musste sich für diesen Rechtsstreit, der dauern und sogar mehrere Gerichtsinstanzen beschäftigen könnte, anwaltlichen Beistand sichern. Sie lancierte zur Begleichung von Gerichts- und Anwaltskosten einen öffentlichen Spendenaufruf. Innert 24 Stunden kamen mehr als 10 000 Euro zusammen. Die Studio-Betreiberin bedankte sich für die «Welle der Solidarität» und für die eingegangenen Spendengelder. Affaire à suivre, wäre man geneigt festzuhalten.

(Quelle: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, 6. Juni 2024)

Ein Fussball-Turnier wie ein Verwandten-Besuch

causasportnews / Nr. 1160/07/2024, 11. Juli 2024

(causasportnews / red. / 11. Juli 2024) Was haben Fussball-Turniere, wie die noch laufende Fussball-Europameisterschaft in Deutschland, und Verwandten-Besuche gemeinsam? Es wird ätzend, wenn «es» zu lange dauert und die Erwartungen unerfüllt bleiben.

So empfindet Europa die Fussball-Europameisterschaft 2024, die seit dem 14. Juni in Deutschland ausgetragen wird und am 14. Juli mit dem Finalspiel zwischen Spanien und England ihren sportlichen Höhepunkt erreichen wird. Seit Gastgeber Deutschland von Spanien aus dem Rennen geworfen wurde, ist es vorbei mit der Gastfreundschaft Deutschlands gegenüber den teilnehmenden Teams aus Europa. Zum Glück sind es jetzt nur noch zwei. Die ursprüngliche Hoch-Stimmung, von den Medien angeheizt, ist seit dem 5. Juli abends im Eimer, das einmal mehr heraufbeschworene Fussball-Märchen in Deutschland ist zur Gruselgeschichte verkommen. Deutschland mag gar nicht mehr hinsehen und hat sich nach der Niederlage gegen Spanien umgehend vom Turnier abgewendet. Man sehnt sich nur noch das Ende des Wettbewerbs mit fremden Teams im Land herbei. Allgemein herrschte die Überzeugung vor, dass in diesem Turnier (wieder einmal) die Unbesiegbarkeit des deutschen Fussballs beweisen werden sollte. In kürzester Zeit hat Deutschland jedoch das geschafft, was als überwunden galt: Ein toller Gastgeber zu sein, der die Welt mit offenen Armen empfängt, sich jedoch nun als schlechter Verlierer entpuppt. Statt sich mit dem vorzeitigen Turnierende abzufinden, ist ein von Schiedsrichter Anthony Taylor nicht gepfiffenes Handspiel des Spaniers Marc Cucurella zum umfassenden Ärgernis geworden; wie wenn ein gepfiffener Elfmeter schon eine Tor-Garantie wäre…

Deutschland ärgert sich über alle und alles, nur nicht über sich selbst. Die Medien gehen pfleglich mit der National-Mannschaft um, derweil Bundestrainer Julian Nagelsmann die Schuld am Turnier-Ausscheiden überall sucht, nur nicht bei sich; klar, der Mann hat nicht gespielt und ist so wenig «Schuld» am Ausscheiden Deutschlands wie Marc Cucurella, der wenig dafür kann, dass der Schiedsrichter nicht auf Penalty erkannt hat. Es fehlt die Erkenntnis, dass diese Mannschaft den Peak einfach überschritten hat und die eingesetzten Fussball-Oldies mit den Besten nicht mehr mithalten können. Es war geradezu unerträglich mitanzusehen, wie sich einzelne Spieler selbst demontierten, etwa der Säulenheilige Toni Kroos, der sich im Spiel gegen Spanien nur noch mit Brutalo-Fouls zu helfen wusste; nota bene ohne vom Platz gestellt worden zu sein. Auch nach Tagen seit dem fussballerischen Super-GAU ist die Frustbewältigung und sind die Schuldzuweisungen für das Turnier-Ende immer noch im vollen Gange. Der Handspiel-Verursacher, der Chelsea-Verteidiger Marc Cucurella, der ein regelrechtes Abbild von Jesus Christus ist, konnte im Halbfinalspiel gegen Frankreich keinen Ball berühren, ohne nicht heftig von den Deutschen ausgepfiffen zu werden! Also ans Kreuz mit ihm! Aber, was hat er denn getan? Ans Kreuz mit ihm! Dafür, dass eben der Schiedsrichter keinen Hand-Elfmeter gepfiffen hatte, kann Marc Cucurella wahrlich nichts. Es war wohl auch kein Hand-Elfmeter. Jedenfalls hat der Schiedsrichter aufgrund seiner Wahrnehmung so entschieden und einen sog. «Tatsachenentscheid» gefällt. Solche Entscheide sind unumstösslich und schon gar nicht justiziabel, ob falsch oder nicht falsch (im Gegensatz etwa zu regeltechnischen Fehlern). So sind die nun abflauenden Forderungen nach einem Wiederholungsspiel, von unqualifizierten Medien-Schaffenden geschürt, lediglich mühsamer Populismus.

Womit wir wieder bei den Verwandten angelangt wären. Am 14. Juli werden alle National-Mannschaften wieder aus Deutschland abgereist sein. Dann dürften die zwischen Spanien und Deutschland hin- und hergeschossenen Giftpfeile wohl Geschichte sein, vor allem dann, wenn sich Spanien die Fussball-Krone aufsetzen sollte. Das Ende des Turniers ist für die geschundene deutsche Fussball-Seele Balsam. Und wie sagte es Julian Nagelsmann: Jetzt wird die Fussball-WM-Endrunde 2026 ins Visier genommen. Nicht Deutschland muss dann die «Freunde» aus aller Welt willkommen heissen, sondern die USA, Kanada und Mexiko sind Gastgeber. Als Gast lebt es sich an einem Fussball-Turnier zweifellos leichter denn als Gastgeber, vor allem dann, wenn der Erfolgsdruck ins Unermessliche steigt…

Schumacher-Erpresser versuchten private Fotos zu Geld zu machen

causasportnews / Nr. 1159/07/2024, 8. Juli 2024

(causasportnews / red. / 8. Juli 2024) Die neuste, geradezu ungeniessbare Erpresser-Geschichte um den seit über zehn Jahren der Öffentlichkeit entrückten Ex-Rekord-Weltmeister in der Formel 1, Michael Schumacher (vgl. auch causasportnews vom 29. Juni 2024), fördert immer mehr Details zu Tage. So geht es nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft um private Fotos, an deren Nichtveröffentlichung die Familie Schumacher, die den verunglückten, heute 55jährigen Ex-Star konsequent von der Öffentlichkeit abschirmt, ein Interesse haben könne. Die beiden in Deutschland verhafteten Täter sollen der Familie des Ende 2013 verunglückten und schwer verletzten ehemaligen Top-Sportlers zum Beweis, dass solche Aufnahmen existieren und im Besitze der Täter seien, Fotos zugeschickt haben; Michael Schumacher hat damals offenbar ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Die Erpressung ist gescheitert, die Täter konnten vor der Deliktsvollendung verhaftet werden und sitzen derzeit in Untersuchungs-Haft. Soeben ist zudem ein Hintermann in der Affäre festgenommen worden, der als Mitarbeiter der Familie Schumacher mit der Beschaffung der Fotos in Verbindung gebracht wird. Da die Familie Schumacher im Kanton Waadt in der Schweiz wohnt (und sich der verunglückte Ex-Champion dort wohl im Kreise seiner nächsten Verwandten aufhalten dürfte), ist auch die Schweiz von Ermittlungen betroffen.

Somit gilt es als erstellt, dass der Erpressungsversuch mit Privatfotos vorgenommen worden ist; ebenso, dass in der Erpressungssache selbst keine Weiterungen mehr zu befürchten sind. Unklar ist jedoch, was auf den Fotos, mit denen die Erpressung vorgenommen wurden, zu sehen ist und was mit ihnen geschieht. Zeitungen in Deutschland meldeten, die Bildaufnahmen würden die Formel 1-Legende nach dem schweren Skiunfall in Méribel in den französischen Alpen am 29. Dezember 2013 zeigen. Das heisst, dass die Welt offenbar ein reales Interesse daran hat, den wohl traurigen Zustand von Michael Schumacher bildlich nachvollziehen, bzw. miterleben zu können. Letztlich ist dies nichts als unappetitlicher Voyeurismus, also ein Kernthema gewisser Medien, vor allem der Boulevard- und Regebogenpresse. Die Sensationslüsternheit zumindest eines Teils der Menschheit bewirkt, dass der Unfall-Vorgang von Méribel und die Folgen des tragischen Ereignisses Menschen dazu verleiten oder animieren, das Elend anderer zu Geld zu machen – indirekt und mit gütiger Mithilfe eines Teils der Medien.

Fussball-Europameisterschaft – völlig losgelöst von der Erde bis zum realen Empfinden

causasportnews / Nr. 1158/07/2024, 7. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 7. Juli 2024) Seit dem Wochenende steht es fest: Der Fussball-Europameister wird, in alphabetischer Reihenfolge aufgezählt, heissen: England, Frankreich, Niederlande oder Spanien. Es fehlt in der Aufzählung: Deutschland!

Eine Fussball-Europameisterschaft ist, wenn sie dann ausgetragen wird, nicht nur ein Märchen oder das Abbild einer Parallelwelt (völlig losgelöst von der Erde gemäss aktueller Turnier-Hymne), in die sich die reale Welt hineinsteigert, sondern eine durchaus menschliche Angelegenheit. Seit dem letzten Freitag erlebt das in aller Konsequenz Deutschland. Da war alles auf EM-Titel programmiert – und nun das! Die Neuauflage eines Märchens, von 2006 (WM), sollte es werden. Alles «über den Wolken» angesiedelt («Der Spiegel», 22. Juni). Für den von Deutschland eingeplanten EM-Titel wurde der «Fussballkanzler», Turnierdirektor Philipp Lahm, für zuständig erklärt («Der Spiegel», 15. Juni 2024). «Ho-ja, ho-ja», ho» («Der Spiegel», 29. Juni 2024), 50 Jahre nach dem letzten Titel im eigenen Land (Fussballweltmeister 1974) war der Kontinental-Titel 2024 ein «Must», schliesslich sehnte sich das Land nach einem Erfolgserlebnis auf einer Ebene, die das Leben leicht macht: Im Fussball. Etwas mehr als eine Woche vor dem Finalspiel in der deutschen Kapitale erlebte Deutschland jedoch eine Trilogie des Schreckens, von völlig losgelöst bis total aufgelöst. Eine Deutsche Bundesregierung im Koma, die Deutsche Bundesbahn im Jahrhundert-Dilemma und nun noch die Deutsche Nationalmannschaft im Selbstzerstörungs-Modus. Etwas anderes als der EM-Titel kam in Deutschland gar nicht in Frage. Was nicht sein darf, wird nicht sein; und es kam dennoch anders. Auch nach dem KO in der KO-Phase des Turniers gegen Spanien am 5. Juli abends tat sich Eigenartiges im Land der Dichter, Denker und Deutschen Bundestrainer, immerhin über 80 Millionen an der Zahl. Der «Spiegel», sonst bemüht zu sagen was ist (gemäss Leitspruch von «Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein), bastelte weit im Vorfeld des Turniers am Mythos der Unbesiegbarkeit der Deutschen Nationalmannschaft im Rahmen der Europa-Meisterschaft mit. Als die Druckerschwärze von Heft 28 am 6. Juli 2024 noch trocknete, war das Drama um das Nationalteam am Vorabend bereits Tatsache. «Der Spielmacher» titelten die Hamburger Magazin-Macher über den Bundestrainer und Fussball-Säulenheiligen Julian Nagelsmann, «jung sei er, lässig und eloquent», auch ein Meister der Inszenierung, aber vor allem der Europameister-Macher Deutschlands. Zu diesem Zeitpunkt, als der neue «Spiegel», Nr. 28, ausgeliefert wurde, konnte der zur Fussball-Ikone emporstilisierte Jung-Trainer wenigstens eine Qualifikation abwenden: Erfolglos! Aufgezeichnet wird im aktuellen Heft die Geschichte bis zum Gewinn des Europameisterschafts-Titels im eigenen Land in fünf Akten, zuzüglich des vorangestellten Prologs; der letzte, krönende Akt sollte am 14. Juli in Berlin, im Finalspiel, über den Rasen gehen. Nun ist der Vorhang zehn Tage zuvor mit dem Ausscheiden Deutschlands am Heim-Turnier gefallen. Nicht unerwartet fallen die Deutsche Öffentlichkeit und die Medienmeute nun weder über die gescheiterte Mannschaft noch über Julian Nagelsmann her. Schuld war schliesslich nur der Schiedsrichter, der den Deutschen gegen Spanien einen Elfmeter verweigerte (als ob jeder gepfiffene Penalty auch mit einem erzielten Tor gleichzusetzen wäre…). In der Tat waren die Schiedsrichterleistungen an diesem Turnier schwach bis katastrophal. Die aufgezwungenen technischen und digitalen Hilfsmittel verunmöglichen dem bedauernswerten Unparteiischen jedoch, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Es wird vor allem bei jedem Foul, vermeintlichem Abseits und nach jedem Aufreger im Spiel diskutiert statt entschieden. Der digitale Wahnsinn, inklusive Video Assistant Referee, hat die Zerstörung des Fussballs eingeläutet. Apropos Julian Nagelsmann: Er weiss um die Wichtigkeit des Prinzips «Hoffnung», auch im Fussball. Nachdem seine in den Interviews vergossenen Tränen bald getrocknet waren, stimmt er die Deutsche Nation nun auf den WM-Titel 2026 ein. Was sollte er sonst tun? Der Mann, erst 37 Jahre alt, muss schliesslich noch ein paar Jahre arbeiten, und dem Trainer-Fachkräftemangel im Fussball auf Klubebene kann er nach dem «Abenteuer FC Bayern München» auch nichts mehr Wirksames entgegensetzen.

Nachdem Turnierdirektor Phillipp Lahm (gemäss «Spiegel» der «Fussballkanzler») die Veranstaltung im eigenen Land nun ohne die Heim-Mannschaft zu Ende bringen muss, bricht auch den Real-Politikern eine wichtige Profilierungs-Plattform weg. Bis jetzt waren in Deutschland diesbezüglich insbesondere der wirkliche Bundeskanzler, Olaf Scholz, und die Aussenministerin, Annalena Baerbock, aktiv. Bundeskanzler Scholz mit seinem Dackelblick, der wohl kaum einen Fussball von einer Wassermelone (innen rot, aussen grün) zu unterscheiden im Stande ist, schwimmt opportunistisch auf jeder Welle mit, die tapsige Politikerin opfert sogar ihre grüne Gesinnung, wenn sie etwa mit dem Mittel des Sports Wahlkampf betreiben kann. In dieser Hinsicht, wenn es um die Nutzung von Sport-Plattformen durch Politiker geht, ist der Sport mitunter auch gerecht. Nachdem der Türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seiner Mannschaft gegen die Niederlande im Stadion den Rücken stärken und so die «Wolfsgruss» Geschichte und seine Auswirkungen legitimieren wollte, regelten die Holländer das Problem auf sportliche Weise, sorgten für Remedur und warfen die Türken aus dem Turnier. Statt dass die UEFA-Funktionäre aus Nyon den «Wolfs-Grüsser» Merih Demiral in seinem Tun einfach ignoriert hätten, sorgten sie mit einer unsinnigen Formal-Sperre für zwei Spiele für eine regelrechte Affäre und provozierten letztlich den Präsidenten-Auftritt der Türkei in Deutschland. Es ist nicht auszumalen, wenn die Türken nun das Halbfinale bestreiten könnten…

Noch eine Woche bis zum Final-Spiel der Europa-Meisterschaft 2024 in Berlin. Die Deutschen werden froh sein, wenn dieser Spuck nun bald vorbei sein wird. In der realen Fussball-Welt ist die Nation seit dem 5. Juli abends wieder angekommen.

Dominic Lobalu in Paris im «Flüchtlingsteam»

causasportnews / Nr. 1157/07/2024, 3. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 3. Juli 2024) Am Ende dieses Monats werden in Paris die Olympischen Sommerspiele (vorgesehen vom 26. Juli – 11. August 2024) beginnen. Mit dabei sein wird der Weltklasse-Leichtathlet Dominic Lobalu, ein 26jähriger Flüchtling aus dem Südsudan, der sich seit einigen Jahren in der Schweiz aufhält und dem LC Brühl angehört. Seit der Super-Athlet kürzlich in Rom (für die Schweiz) den Europameistertitel im 10 000 Meter-Rennen gewonnen hat, gehört das Ausnahmetalent zu den ernsten Olympia-Medaillenanwärtern. Doch Olympische Spiele sind etwas anderes als Leichtathletik-Europameisterschaften. In den Kontinental-Wettkämpfen konnte Dominic Lobalu für die Schweiz starten. Mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele präsentiert sich die Ausgangslage grundlegend anders. Um in Paris für die Schweiz auf Medaillenjagd gehen zu können, ist die Schweizerische Nationalität des oder der Startenden eine Teilnahmebedingung (betreffend Dominic Lobalu vgl. auch causasportnews vom 23. Juni 2024). Als Flüchtling verfügt Dominic Lobalu über keinen Schweizer Pass. Also ist es ihm, weil die Athletinnen und Athleten von den Nationalen Olympischen Komitees nominiert werden, verwehrt, für die Schweiz zu starten. Nach dem Europameisterschafts-Gold durch den Südsudanesen mit Aufenthaltsort in der Schweiz in Rom kämpften die Funktionäre in der Schweiz vor allem beim Internationalen Olympischen Komitee (IOK) darum, dass die Medaillenhoffnung für das Land Schweiz würde an den Start gehen können. Das IOK verweigerte jedoch die Startberechtigung von Dominic Lobalu für dieses Land, was zwar korrekt ist, jedoch für die Schweizerischem Sport-Offiziellen schwer verständlich zu sein scheint (das IOK findet sonst immer eine Umgehungslösung, auch konkret etwa für Athletinnen und Athleten der kriegsführenden Nation Russland; da nützte auch die Aussage der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo nichts, welche mehrmals bekräftigte, dass sie in Paris keine Russinnen und Russen am Start sehen wolle; was natürlich nicht der Fall sein wird. Für die Flüchtlings-Fälle kennt das IOK die Institution des «Flüchtlingsteams» (Olympic Refugee Team), was bei den gewaltigen Flüchtlingsströmen auf der ganzen Welt wohl nicht ganz ohne ist. Die Olympioniken aus Lausanne haben Dominic Lobalu offeriert, in Paris in diesem «Flüchtlingsteam» an Olympia teilzunehmen. Nach längerer Bedenkzeit willigte der Top-Athlet nun ein und wird als Angehöriger des Olympia-«Flüchtlingsteams» an den Start gehen. Der geflüchtete Südsudanese hat zwischenzeitlich eingesehen, dass er offiziell für die Schweiz nicht würde starten können. Besser also in diesem Team als gar nicht, wird sich der begnadete Läufer letztlich gesagt haben. Mit ein bisschen «Swissness» und aus Dankbarkeit gegenüber der Schweiz und gegenüber den Menschen in der Schweiz, die ihn unterstützen, wird Dominic Lobalu dennoch an der Seine starten: «In Paris werde ich mit der Schweiz im Herzen laufen», sagt er.