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Verkauf einer Traumvilla wurde zum Albtraum

causasportnews.com – 61/2025, 3. Juli 2025

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(causasportnews / red. / 3. Juli 2025) Alex Wilson ist aktuell der schnellste Mann der Schweiz. Der 34jährige, gebürtige Jamaikaner aus Kingston ist Sprint-Rekordhalter über 100 und 200 Meter. Der bullige Athlet ist mit 78 Kilogramm Gewicht bei einer Grösse von 182 cm eine imposante Erscheinung in den Sprint-Rennen – bzw. war es. Die Karriere des talentierten Sportlers wird wohl für immer und ewig beendet sein, sicher im Jahr 2035. Er wird dann Dopingsperren von insgesamt 14 Jahren abgesessen haben und 45jährig sein. Wie Alex Wilson seinen Lebensunterhalt verdient, weiss niemand so genau. Gemäss seinem Verhalten muss er jedoch als «grosse Nummer» im täglichen Leben eingeschätzt werden. Der Athlet soll den schönen Dingen im Leben nie abgeneigt gewesen sein. Als er aufgrund der ersten Dopingsperre dem aktiven Sport den Rücken kehren musste, fand er offensichtlich Gefallen beispielsweise an attraktiven Liegenschaften. In Riehen bei Basel, einem schmucken Dorf, in dem sich viele Reiche und Schönen aus dem Raum Basel tummeln, fand Alex Wilson Gefallen an einer Traumvilla, die für 6,9 Millionen Franken zu haben war. Die vertraglichen Details waren rasch besiegelt, die Eigentümer zogen aus der Villa aus und zogen in eine kleinere Bleibe. Für sie begann allerdings ein regelrechter Albtraum, denn die vereinbarte Zahlung für den Hauskauf wollte und wollte nicht kommen. U.a. legte der Ex-Athlet als Art Bonitätsnachweis eine Bestätigung der Barclays-Bank über 490 Millionen Euro vor. Allein die vereinbarte Kaufsumme von fast sieben Millionen Schweizer Franken liess jedoch weiter auf sich warten. Dann soll Alex Wilson einen Bankbeleg vorgelegt haben, der beweisen sollte, dass eine Zahlung von sieben Millionen Franken an den das Liegenschaften-Geschäft abwickelnden Notar angewiesen worden sei. Geld floss dennoch weiterhin keines, und der Bankbeleg erwies sich offenbar als Fälschung. Weil auch in der Folge weiterhin kein Geld floss, reichte das Paar, welches die Liegenschaft Alex Wilson verkaufen (und nicht etwa verschenken) wollte, schliesslich Strafanzeige bei der Basler Staatsanwaltschaft gegen aus dem aktiven Sport verbannten Leichtathleten wegen des Verdachts auf Betrug und Urkundenfälschung ein. Per Strafbefehl wurde Alex Wilson wegen des gefälschten Bankbelegs schuld gesprochen und mit einer Geldstrafe belegt. Wegen Betrugs erfolgte bisher keine Sanktion. Der (offenbar) gefallene Sportler und wohl von der (Leichtathletik-)Bahn abgekommene ehemalige Top-Athlet hat allerdings Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben. Falls nicht noch ein juristisches und menschliches Wunder geschieht, wird sich der ehemalige Sprinter in absehbarer Zeit vor dem Strafgericht Basel-Stadt verantworten müssen.

Anmerkung: Für Alex Wilson gilt die Unschuldsvermutung.

Die Geschichte von Alex Wilson, der nach wie vor seine Unschuld beteuert, mutet in der Tat sonderbar an. Dass die Sprint-Rakete in der Lage gewesen sein soll, fast sieben Millionen Franken für eine Traum-Villa hinzublättern, mag niemand so richtig glauben. Weshalb und wie Alex Wilson den Eindruck erwecken konnte, diese doch erkleckliche Summe für den Hauskauf «stemmen» zu können, ist ein anderes Rätsel in dieser abenteuerlichen Geschichte. Auf den juristischen Ausgang dieser Angelegenheit wird man gespannt warten. Das Schicksal der Villa mit dem potentiellen Käufer Alex Wilson ist zwischenzeitlich besiegelt: Wegen des Gerangels um den geplatzten Kauf / Verkauf des Anwesens gingen zwei Jahre verloren. Sicher ist derzeit, dass der neue Eigentümer des Basler Nobel-Anwesens nicht Alex Wilson heissen wird. Die Liegenschaft ist wieder auf dem Markt – der Albtraum um das Anwesen perpetuiert sich insbesondere für die Verkäuferschaft…

Joseph Blatters letzter Auftritt in einem skurrilen Schauprozess?

causasportnews.com – 22/2025, 7. März 2025

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(causasportnews / red. / 7. März 2025) Joseph Blatter, der jahrelange König des internationalen Fussballs, zuerst als Generalsekretär, dann als Präsident der FIFA, hat in seiner Laufbahn einiges erlebt und vieles bewegt – Positives und Negatives. Nun war die Öffentlichkeit vor ein paar Tagen Zeuge, als der bald 89jährige, vom Leben und der Arbeit gezeichnete ehemalige Top-Fussball-Funktionär, wohl ein letztes Mal auf die grosse Bühne trat und sich unter den Augen der Weltpresse im Baselbieter Strafjustizzentrum gegenüber einem Vorwurf des Weltfussballverbandes FIFA und der Bundesanwalt zur Wehr setzte. Zusammen mit seinem ehemaligen Freund und Ex-Fussballspieler sowie Ex-Funktionär Michel Platini verteidigte er sich gegenüber der Bundesanwaltschaft und der FIFA gegen die Vorwürfe des Betrugs und der Urkundenfälschung. Ungeachtet aller Beschuldigungen von rechtlicher Relevanz gab der wohl bedeutendste Fussball-Funktionär aller Zeiten im Prozess ein dramatisches Bild des körperlichen Zerfalls und der Wehrlosigkeit ab. Es war geradezu skurril, welcher Schauprozess hier im beschaulichen Basel gegen einen alten Mann mit körperlichen Gebrechen inszeniert wurde. Alles andere als ein Freispruch für Joseph Blatter und Michel Platini wäre eine Justiz-Sensation. Deshalb fragte sich männiglich: Musste das sein? Selbstverständlich ist es bis jetzt nicht klar, weshalb die FIFA auf Geheiss des damaligen FIFA-Präsidenten, eben Joseph Blatter, dem bald 70jährigen, ehemaligen UEFA-Präsidenten, der dafür auserkoren war, die Nachfolge von Joseph Blatter als FIFA-Präsident anzutreten, zwei Millionen Franken aus der FIFA-Kasse zahlen liess. Es ging offenbar um die Abgeltung von Beraterleistungen, die der Franzose auf Geheiss des Präsidenten gegenüber der FIFA erbracht haben soll. Klar scheint jedenfalls zu sein, dass die Zahlung von den zuständigen Überwachungs-Instanzen im Weltverband genehmigt worden ist. Wie also so etwas Betrug sein könne, fragte der trotz seines Alters zur Hochform aufgelaufene Walliser die zahlreichen, angereisten Journalisten. Der Prozess musste durchgeführt werden; ein Opportunitätsprinzip kommt in derartigen Strafverfahren nicht zur Anwendung. Das Gericht, das statt in Bellinzona im Baselbiet tagte, wird demnach bald einen Entscheid fällen. Am 25. März ist die Urteilseröffnung vorgesehen. In Muttenz waren die beiden Beschuldigten, Joseph Blatter und Michel Platini, persönlich anwesend. Sie gaben sich überzeugt, dass sie von der Anklage freigesprochen würden. Entsprechend plädierten ihre Anwälte. Nachdem es in dieser Causa erstinstanzlich vor drei Jahren Freisprüche abgesetzt hatte, ist dieser Optimismus der Beschuldigten wohl berechtigt. Die FIFA nahm am Prozess schon gar nicht mehr teil, was von Prozess-Beobachtern als «feige» oder als Kapitulation vor dem Naheliegenden qualifiziert wurde. Dafür legte sich die in erster Instanz unterlegene Bundesanwaltschaft ins Zeug.

Dieser regelrechte Schauprozess gegen zwei Funktionäre, die wenig ehrenvoll aus ihren Ämtern geschieden waren, erlebte in Muttenz einen geradezu grotesken Höhepunkt: Die Bundesanwaltschaft verlangte die Einfügung eines Zeitungsartikels ins Aktendossier. Dies wurde letztlich gestattet, dürfte aber an der gewonnenen Überzeugung des Gerichts nicht mehr viel ändern. Zwar schrieb die «Neue Zürcher Zeitung», die nicht gerade dem «Pro-Blatter-Lager» zugeordnet wird, in fetten Lettern: «Zeitungsartikel belastet Joseph Blatter schwer» (4. März 2025). Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Juristen sind sich einig: Wenn mit einem Zeitungsartikel Beweis geführt werden soll, ist dies eher als Verzweiflungsakt der Anklage zu qualifizieren. On verra…

Ach, ich hab’ sie ja nur auf den Mund geküsst…

causasportnews.com – 19/2025, 26. Februar 2025

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(causasportnews / red. / 26. Februar 2025) «Ach, ich hab’ sie ja nur auf die Schulter geküsst», heisst es in der Operette «Der Bettelstudent» von Carl Millöcker; der Österreichische Komponist lebte von 1842 bis 1899. Diese Klamauk-Komposition mit dem Parade-Stück, das etwa von Luciano Pavarotti gekonnt intoniert wurde, wird präsent, wenn es um den modernen «Kuss-Skandal» geht – mit dem Spanischen Fussball-Verbandspräsidenten Luis Rubiales (geboren 1977) in der «Hauptrolle». Der ehemalige Fussballspieler und Verbandsfunktionär hat weit mehr getan, als eine Nationalmannschafts-Spielerin anlässlich der Siegerehrung nach dem Gewinn des WM-Titels der Spanischen Frauen-Nationalmannschaft 2023 auf die Schulter geküsst. Der Mund der Akteurin Jennifer Hermoso war das Objekt der Funktionärs-Begierde. Angeblich gegen ihren Willen presste der Verbandspräsident seinen Mund auf den Mund der Spielerin. Eine Tat, die natürlich unverzeihlich ist, auch wenn dieser Kuss (nur?) eine Steigerung der Gepflogenheiten der Moderne gegenüber den Verhaltensweisen zur Zeit des «Bettelstudent» bedeutete. Einvernehmlich oder eben nicht – das war und ist die Grundsatzfrage, welche vor allem von der Öffentlichkeit diskutiert wurde und wird: Die «Kuss-Attacke» des Verbands-Funktionärs war natürlich ein Macho-Gehabe des eitlen Spaniers, der nach diesem Fehltritt, den es nach wie vor nicht zu beschönigen gilt, alles verlor, was man verlieren kann: Sein geliebtes Funktionärsamt, seinen gesellschaftlichen Status und seine Reputation. Ein sexueller Übergriff oder eine sexuelle Aggression ist kein Kavaliersdelikt, und man will derartige Figuren des öffentlichen Lebens abstrafen und vollumfänglich scheitern sehen. Früher geschah das an den Stamm-Tischen, heute über die sozialen Medien.

Juristisch ist der gegen den Willen der Spielerin applizierte Kuss nun kürzlich ebenfalls aufgearbeitet worden. Luis Rubiales wurde vom Staatsgerichtshof in Madrid wegen des sexuellen Übergriffs mit einer Geldstrafe von 11 000 Euro belegt; eine Gefängnisstrafe blieb ihm erspart. Vom Vorwurf der Nötigung wurde der Ex-Spitzen-Funktionär freigesprochen.

Zentral im Verfahren war die Frage, ob der «Kuss von Sydney» einvernehmlich (Standpunkt Luis Rubiales) oder nicht einvernehmlich, also nötigend (Standpunkt Jennifer Hermoso), erfolgt sei. Ein als Lippenleser ausgebildeter Mann stützte vor Gericht die stete Beteuerung des Bestraften, der Kuss sei einvernehmlich erfolgt; er habe die Spielerin um Erlaubnis gefragt. Also wahrscheinlich, und so beurteilte es auch das Gericht, keine Nötigung (deshalb der Freispruch in diesem Punkt), sondern einzig (aber immerhin) ein sexueller Übergriff. Die Einwilligung auch bezüglich dieses Übergriffs hatte die happige Geldstrafe zu Folge. Für etliche Erdenbürgerinnen ist diese Verurteilung und die in ihren Augen zu milde Bestrafung von Luis Rubiales ein Skandal. Und was sagt die betroffene, geschädigte Spielerin dazu? Jennifer Hermoso sieht den Schuldspruch gegen den ehemaligen Verbandspräsidenten als Signal, eine wegweisende Entscheidung für die Rechte der Frauen. In einem sozialen Umfeld sei mit dem Urteil ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen worden, in dem noch viel zu tun sei, teilte die 34jährige Weltmeisterin, welche die ausgefällte Strafe als zu mild kritisierte, mit.

Da ein Strafgericht einzig einen Sachverhalt juristisch zu beurteilen hat, könnte die Tat von Sydney unter Umständen letztlich auch mit einem Freispruch enden. Affaire à suivre also. Denn gemäss Medienberichten wollen sowohl der Verurteilte Luis Rubiales als auch die Geschädigte Jennifer Hermoso das Urteil des Staatsgerichtshofs weiterziehen.

Im «Bettelstudent» knallte die von Oberst Ollendorf ungefragt auf die Schulter geküsste Laura diesem einen Fächer ins Gesicht. Wäre der Vorfall von Sydney allenfalls nicht besser auf diese Weise erledigt worden, wenn Jennifer Hermoso wegen der behaupteten sexuellen Aggression einfach gleich bei Tatbegehung vor der Weltöffentlichkeit dem Spanischen Funktionär die Faust ins Gesicht geschlagen hätte? Dann wäre alles klar gewesen. Oder doch nicht ganz?

Skrupellose Schumacher-Erpresser schuldig gesprochen

causasportnews.com – 16/2025, 19. Februar 2025

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(cauasportnews / red. / 19. Februar 2025) Es ist wohl etwas vom Niederträchtigsten, aus dem Elend oder dem Unglück anderer, vorwiegend Prominenter, Kapital schlagen zu wollen. So kommt es immer wieder vor, und es erstaunt nicht, dass der ehemalige Formel 1-Champion Michael Schumacher einmal mehr ein Opfer dieser Begierde geworden ist. Der Ende 2013 beim Skifahren in den französischen Alpen schwer verunglückte, heute 56jährige Deutsche befindet sich offenbar zufolge des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas in derart schlechter physischer und psychischer Verfassung, dass er seit dem Unfall durch seine Familie von der Öffentlichkeit abgeschirmt wird. Zur Befriedigung medialer und anderer Gelüste wird allerdings immer wieder versucht, z.B. Fotos vom Ex- Formel 1-Star, der in seinem Anwesen in Gland am Genfersee betreut und gepflegt wird, zu erhaschen. Solches Fotomaterial eignet sich bestens, um auch erpresserisch aktiv zu werden. Das geschah bisher einige Male, und stets wurde die Forderung gegenüber der Familie Schumacher erhoben, Fotos oder vertrauliche Unterlagen zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher zu veröffentlichen, wenn nicht ansprechende Summen bezahlt würden. Man bewegt sich in der «Causa Schumacher» im Millionenbereich. Ein derartiger Vorgang, der juristisch «Erpressung» genannt wird, wurde kürzlich strafrechtlich beurteilt, nachdem von der Familie Schumacher Millionen verlangt wurden, damit es zu keiner Veröffentlichung von Fotos, Videos und Patientenakten im Darknet betreffend des schwer verletzten Ex-Rennfahrers kommen würde. Die Erpressung misslang und endete mit einer Verurteilung der Täter aus dem Türsteher-, Security- und Personenschützer-Milieu. Einer der verurteilten Männer missbrauchte in übelster Art seine Stellung als ehemaliger Sicherheits-Mitarbeiter bei der Familie Schumacher, was die langjährige und immer noch aktive Managerin von Michael Schumacher und Vertraute der Familie, Sabine Kehm, nachvollziehbar emotional so kommentierte: «Der Vertrauensbruch dieses ehemaligen Mitarbeiters tut besonders weh.»

Das Amtsgericht Wuppertal fällte kürzlich gegen die angeklagten Männer diskussionslose Urteile, wie die Deutsche Nachrichtenagentur «dpa» vermeldete:

«Für die gescheiterte Erpressung der Familie von … Michael Schumacher hat die Justiz bis zu drei Jahre Haft verhängt. Der mehrfach vorbestrafte 53jährige Hauptangeklagte wurde … wegen versuchter Erpressung in einem besonders schweren Fall zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, sein Sohn erhielt wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung in einem besonders schweren Fall zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, sein Sohn erhielt wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung ein halbes Jahr Haft auf Bewährung und 1200 Euro Geldauflage. Ein ehemaliger Sicherheitsmitarbeiter bei der Familie wurde ebenfalls wegen Beihilfe zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 2400 Euro Geldauflage verurteilt. Der 53Jährige habe mit seinem Vertrauensbruch den wesentlichsten Tatbeitrag geleistet und die Sache ins Rollen gebracht», hiess es in der «dpa»-Meldung im Nachgang zur Gerichtsverhandlung vom 12. Februar 2025 in Wuppertal. Nachtrag: Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Im Falle des Ex-Sicherheitsmitarbeiters ist seitens der Familie Schumacher Berufung angekündigt worden.

Die Angeklagten blieben anlässlich der Verhandlung in Wuppertal nicht unter sich. Der Zuschauerbereich war vollbesetzt mit Sympathisanten der Angeklagten aus der nationalen Türsteher- und Security-Szene, wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» das Treiben im Gerichtssaal beschrieb. «In den hinteren Reihen herrschte zuweilen Stimmung wie bei einem Klassenausflug. … Hey Bruda, Digga, Habibi. Grosses Hallo.» («Der Spiegel», 8/2025, 15. Februar 2025, 36 f.).- Das ist offensichtlich der Nährboden, auf dem menschenverachtende Skrupellosigkeit gedeiht.

Sportler als Vergewaltiger – die Sache mit den «Vieraugen-Delikten»

causasportnews / 1202/11/2024, 19. November 2024

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(causasportnews / red. / 19. November 2024) In letzter Zeit herrschte der Eindruck vor, Sportler hätten ihre Triebe nicht mehr oder immer weniger im Griff. «Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt», hiess es allerdings schon in Goethes «Erlkönig». Der thematisierte «Naturgeist» war alles andere als das, was heute mit dem menschlichen Triebleben gleichgesetzt wird. Der Betrachter der Sport-Szene mag sich täuschen, doch sorgen Sportler immer mehr für Schlagzeilen auch neben den Spiel- und Sportfeldern. Die Thematik ist nicht selten unappetitlich. Oft beschuldigt eine Frau einen Sportler der unangebrachten Annäherung oder sogar der Vergewaltigung. Die Fälle, die mit Negativ-Grundton in die Öffentlichkeit getragen werden, sind insofern meist speziell, weil nicht selten Behauptung gegen Behauptung steht. Die Frau legt dar und behauptet, der Mann negiert und bestreitet. Oft ist es schwierig, die objektive Wahrheit zu ermitteln, weil sich zwei Positionen konträr gegenüberstehen und die involvierten Parteien an ihren Darstellungen festhalten. Man spricht dann von sog. «Vieraugen-Delikten». Kommt der Vorgang zur juristischen Beurteilung, geht es letztlich um die Glaubwürdigkeit der Beteiligten.

Derzeit steht einer der besten Fussballspieler der Welt im Fokus von Beschuldigungen wegen einer angeblichen Vergewaltigung, der französische Top-Spieler Kylian Mbappé. Dieser steht aktuell bei Real Madrid unter Vertrag, nachdem sein Transfer von Paris Saint-Germain nach Spanien im Sommer nicht ganz geräuschfrei verlief. Mit der französischen Nationalmannschaft ist er 2018 Weltmeister geworden. Der Kapitän des Nationalteams ist im Moment unter Druck – eben, weil degoutante Vergewaltigungs-Anschuldigungen im Raum stehen. Die Vorfälle, die sich in einem Hotel in Stockholm in der Zeitspanne vom 9. bis 11. Oktober dieses Jahres zugetragen haben sollen, scheinen den 25jährigen Fussballspieler derart zu belasten, dass er derzeit auch nicht mehr für die französische Nationalmannschaft aufläuft. Wer die Beschuldigungen erhoben hat, ist aktuell weder bekannt noch klar. Der Fussballspieler weist jede Schuld von sich und kündigt im Gegenzug Verleumdungsklagen an. Ob die Angelegenheit schliesslich ein gerichtliches Nachspiel haben wird, ist ungewiss. Oft hält man es in der Branche mit der Philosophie des ehemaligen FIFA-Präsidenten, Joseph Blatter: «Was man korrekterweise mit Geld regeln kann, soll man mit Geld regeln.».

Der frühere französische Nationalspieler Wissam Ben Yedder ist kürzlich wegen sexueller Gewalt gegenüber einer 23jährigen Frau zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der ehemalige Kapitän von AS Monaco hat die Vorhalte bestritten und lediglich den Tatbestand der Trunkenheit am Steuer zugegeben. Das Gericht sah es anders. – Unschönes in dieser Hinsicht ist auch aus Korea zu vermelden. Noch vor dem Jahresende soll ein Urteil bezüglich gravierender Vorwürfe gegen den ehemaligen Nationalspieler Hwang Ui-jo ergehen. Der 32jährige Stürmer ist beschuldigt worden, Geschlechtsverkehr mit zwei Frauen gegen deren Willen gefilmt zu haben. Er hat sich soeben für schuldig erklärt und wartet nun auf das Urteil des Gerichts in Seoul.

Derartige Konstellationen finden sich natürlich nicht nur im (Fussball-)Sport. Aufsehen erregte kürzlich ein Vergewaltigungsprozess in Chur im Kanton Graubünden. Angeklagt wurde ein Richter, der sich Übergriffigkeiten gegenüber einer Mitarbeiterin geleistet hatte. Dieses «Vier Augen-Delikt» endete in der Beurteilung mit einem Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten und zu Gunsten der Geschädigten. Dem Gericht schien die Version der Frau als plausibler als diejenige des angeklagten Richters.- Also kein Messen mit zweierlei Ellen; oder kein: «Quod licet Jovi, non licet bovi» (was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt).

Unerträglich lange strafrechtliche Aufarbeitung der Folgen des Bergsturzes von Bondo

causasportnews / Nr. 1166/07/2024, 30. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 30. Juli 2024) Vor ziemlich genau sieben Jahren, am 23. August 2017, ereignete sich an der Nordflanke des Piz Cengalo (3363 m. ü. M.) auf dem Gebiet von Bondo im Bergell (Kanton Graubünden) ein gewaltiger Bergsturz. Acht Personen wurden auf einem frei gegebenen Wanderweg verschüttet und konnten bis heute unter den ungefähr zwanzig Meter hohen Steinmassen noch nicht geborgen werden. 2019 kam die Staatsanwaltschaft Graubünden zum Schluss, der Bergsturz sei nicht vorhersehbar gewesen. Für den Tod der Berggänger könne niemand (strafrechtlich) verantwortlich gemacht werden. Das Schweizerische Bundesgericht verlangte auf Beschwerde von Angehörigen der Verschütteten hin, der Fall müsse in strafrechtlicher Hinsicht neu aufgerollt werden. Die Untersuchungs- und Anklagebehörde gab ein Gutachten beim Geologen Thierry Oppikofer in Auftrag, das Ende des letzten Jahres ergab, dass sich der Bergsturz durch zahlreiche Vorboten (u.a. durch Steinschlag) angekündigt habe. Die Wanderwege im betroffenen Abschnitt des Piz Cengalo hätten deshalb gesperrt werden müssen. Nun werden die Ermittlungen sieben Jahre nach dem Bergsturz weitergeführt; allenfalls haben letztlich die Gerichte zu entscheiden, ob die Beschuldigten wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Beschuldigt sind Personen, teils Mitarbeiter des Kantons und der Behörden, denen vorgeworfen werden könnte, dass sie trotz der «zahlreichen Vorboten» am Berg die Wanderwege im betroffenen Gebiet und am Unglücksort nicht geschlossen, sondern freigegeben haben.

Das Prozessthema ist im Spannungsfeld zwischen «Eigenverantwortung» (hier von Berggängern) und der Verantwortlichkeit von (Dritt-)Personen für Wandernde in den Bergen (z.B. von Behörden und Ämtern) anzusiedeln. Die juristisch relevante Grundsatzfrage: «Wo hört die Eigenverantwortung des Bergsportlers auf und in welchen Situationen darf das Individual-Schicksal in die Hände Dritter (öffentliche Hand, Behörden, Ämter, usw.) gelegt werden?», ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Dennoch befremdet in diesem konkreten Fall der Umstand, dass die strafrechtliche Aufbereitung des fatalen Bergsturzes Jahre in Anspruch nimmt. Der Vorfall ereignete sich 2017, und es ist davon auszugehen, dass weitere Jahre ins Land ziehen werden, bis letztlich eine rechtkräftige, strafrechtliche Beurteilung des Unglücks vorliegt. Natürlich ist diese Situation für die Hinterbliebenen der Opfer ebenso belastend wie der Druck eines Strafverfahrens bezüglich der beschuldigten Personen; es muss von einer geradezu unerträglichen Situation für alle Betroffenen gesprochen werden. Tendenziell kann aufgrund dieses (Einzel-)Falles aber nicht geschlossen werden, dass sich bei derartigen Unglücksfällen in den Bergen eine juristische Beurteilungs-Tendenz weg von der Eigenverantwortung abzeichnet. Im Strafrecht ist jeder Fall einzeln zu beurteilen. Eine Verurteilung Dritter bei Bergunfällen ist objektiv betrachtet eher seltener als umgekehrt. Wer Bergsport betreibt, hat sich eigenverantwortlich zu verhalten. Erst, wenn besondere Umstände vorliegen, kann ein strafrechtliches Verschulden Dritter zum Thema werden.

Das bittere Ende eines ehemaligen Sport-Funktionärs der Spitzenklasse

causasportnews / Nr. 1152/06/2024, 19. Juni 2024

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(causasportnews / red. / 19. Juni 2024) In den 1990er-Jahren erlangte er einen besonderen Bekanntheitsgrad als Präsident der Professional-Abteilung des Schweizerischen Eishockeyverbandes, der Eishockey Nationalliga GmbH. Diese Abteilung führte er während mehr als zehn Jahren souverän und nachhaltig. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere machte der heute 75jährige Franz A. Zölch auch auf anderen Ebenen von sich reden. Er war vielumjubelter Starjurist (obwohl sein juristischer Ausbildungs-Rucksack eher nicht sehr gewichtig war), insbesondere im Bereich Medienrecht, Brigade-General (Miliz-Brigadier) der Schweizer Armee (Hauptverantwortlicher des Truppen-Informationsdienstes, TID), und auch auf dem politischen und gesellschaftlichen Parkett kam niemand am umtriebigen Hansdampf in allen gesellschaftlichen Gassen vorbei. Zusammen mit seiner damaligen Gattin, der immer noch hoch-angesehenen Berner Ex-Regierungsrätin Elisabeth Zölch, verkörperten der Spiezer Hoteliers-Sohn mit Ehefrau nicht nur in Bern und Umgebung so etwas wie das Traumpaar des helvetischen Jetsets. Was Elisabeth und vor allem Franz A. (A steht für Adolf) Zölch auch taten, wurde zum Medienthema oder zum Gegenstand von «Homestorys». Franz A. Zölch hatte sein juristisches Handwerk beim legendären Zürcher Medienrechtler und Anwalt Hans W. Kopp erlernt, dessen Frau, Elisabeth Kopp, erste Bundesrätin wurde und, weil sie ihren Mann wegen eines Klienten gewarnt hatte, unrühmlich aus der Landesregierung verjagt wurde. Franz A. Zölch verhedderte sich letztlich im Medien-Dickicht. In seiner Situation fuhren die Medien mit Franz A. Zölch hoch, und fuhren mit ihm auch wieder hinunter. Irgendwann, nach dem der Ex-Eishockey-Funktionär sein Präsidentenamt abgegeben hatte, muss etwas Gravierendes vorgefallen sein. Offenbar, so die Gerüchteküche, hatte der joviale und vertrauenerweckende Berner Oberländer, in seiner Medienrechts-Kanzlei einen potenten Klienten verloren; das Geld wurde knapp und knapper. So ging es dann bergab. Franz A. Zölch bewegte sich immer mehr in Richtung «Schuldenfallen». Letztlich wurde gemutmasst, der von ihm angehäufte Schuldenberg sei im Bereich von zehn Millionen Franken anzusiedeln. In dieser wirtschaftlich elenden Situation soll der ehemalige Starjurist und anerkannte, erfolgreiche Ex-Eishockey-Präsident, der gesellschaftlich längst erledigt war, begonnen haben, Freunde und Bekannte anzupumpen, um dem finanziellen Elend zu entrinnen. Dumm nur, dass Franz A. Zölch offenbar nie daran dachte, die erbettelten Darlehen zurückzuzahlen. Der im 76. Lebensjahr stehende, ehemalige prominente Erfolgsmann wurde 2022 rechtskräftig wegen mehrfachen Betrugs verurteilt und mit 4 Jahren und 5 Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert. Angeblich wegen eines Nierenleidens entzog sich Franz A. Zölch bis heute dem Strafvollzug. Die Gläubiger wirkten aktiv mit, dass der Verurteilte sich nicht definitiv der Strafe würde entziehen können. Geschädigte versuchten, die zuständigen Behörden zu aktivieren, damit das Urteil endlich vollzogen würde. Vor dem Wohnhaus des Verurteilten positionierten sich Mahnwachen, usw. Nun hat das Bundesgericht entschieden, dass der Strafvollzug umgehend anzuordnen sei und die geltend gemachten, gesundheitlichen Argumente gegen den Vollzug der Haftstrafe nicht greifen würden. So endet die Geschichte eines ehemaligen erfolgreichen Menschen und umjubelten Ex-Sportfunktionärs nun für ein paar Jahre hinter Gittern. Die Lehre aus diesen Gegebenheiten mit bitterem Ende: Immer nur so lange Schritte unternehmen, wie es die Beinlängen zulassen…

Alexander Zverevs Achterbahn der Gefühle

causasportnews / Nr. 1150/06/2024, 11. Juni 2024

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(causasportnews / red. / 11. Juni 2024) Für einen Sportler oder eine Sportlerin gibt es nichts Schöneres als zu siegen. Der Sport ist grundsätzlich unkompliziert und sorgt für unmittelbare Klarheit – in Form von Sieg und Niederlage. Nach Beendigung eines sportlichen Wettbewerbs oder Wettkampfs steht der Sieger oder die Siegerin fest – ausgenommen, die Mühlen der Sportjustiz kommen noch zum Zuge. Auch dieser Umstand wird «Verlängerung» genannt. Im täglichen Leben ist oft alles viel schwieriger. Vieles kann lange bis ewig dauern, und ebenso vieles bleibt am Ende unklar, anders als im Sport.
Der Tennis-Star Alexander Zverev erlebte in dieser Hinsicht in den letzten Tagen eine umgekehrte Konstellation im Spannungsfeld von Sport und profaner Realität, welche ihm eine Achterbahn der Gefühle bescherte.
Der 27jährig Deutsche verlor am Wochenende das Finalspiel beim Prestige-Turnier French Open auf nicht zwingende Weise. Statt Carlos Alcaraz hätte der Sieger auch … Alexander Zverev heissen können. Das Glück war dem gross-gewachsenen Tennis-Helden jedoch nicht hold. Es war letztlich so, dass der Olympiasieger in der Tat kein Glück hatte – und dann noch Pech dazu kam, wie dies einst der ehemalige, heute 60jährige Fussballspieler Jürgen Wegmann bei einer ähnlichen Situation auf den Punkt brachte. Soweit die sportliche Seite mit Bezug auf Alexander Zverev.
Gleichzeitig zum Turnier in Paris hatte der Hamburger eine private «Baustelle» am Amtsgericht Berlin-Tiergarten aufzuräumen. Es ging um häusliche Gewalt zum Nachteil einer Ex-Freundin. Deswegen wurde gegen den Tennis-Professional 2023 ein Strafbefehl in der Höhe von 450 000 Euro erlassen. Dagegen legte Alexander Zverev Widerspruch ein. Ein paar Tage vor dem Finalspiel in Paris stellte das Amtsgericht in Berlin den Prozess ein und hob den Strafbefehl auf. Alle Parteien stimmten letztlich dieser Einstellung des Verfahrens nach langer Verfahrensdauer zu, nachdem die Anschuldigungen der Ex-Freundin wegen Widersprüchen in sich zusammen fielen. Mit dieser Prozess-Einstellung und der Aufhebung des Strafbefehls von 2023 ist eine Geldauflage in der Höhe von 200 000 Euro verbunden. Ein Betrag, den Alexandr Zverev natürlich mit Leichtigkeit «stemmen» kann. Hauptsache, er ist dieses Prozessbelastung los, und es gilt für ihn selbstverständlich und definitiv die Unschuldsvermutung. Dank dieses Verfahrenserfolgs kann er die Schmach der Niederlage von Paris wegstecken. Für einmal war der Sieg neben dem Sportplatz wichtiger als der Triumph auf demselben. In diesem Sinn hätte sich der Tennisstar zweifellos entschieden, wenn er vor die Wahl gestellt worden wäre, im Gerichtssaal zu gewinnen aber auf dem Sportplatz, wenn auch unglücklich, zu verlieren.

«Causa Luis Rubiales” – mehr als ein Schmetterlingseffekt?

causasportnews / Nr. 1128/04/2024, 7. April 2024

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(causasportnews / red. / 7. April 2024) Der gefallene, ehemalige Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF), Luis Rubiales, ist nach dem Mundkuss, den er seiner frischgebackenen Weltmeisterin Jennifer Hermoso anlässlich der Siegerehrung nach dem gewonnenen WM-Finalspiel 2023 (Spanien gewann 1:0 gegen England) verabreicht hat, tief gefallen. So tief, dass ein noch tieferer Fall nicht mehr für möglich gehalten werden könnte. Doch im schon an sich heissen «#MeeToo-Fegefeuer», das der Funktionär seit Monaten ertragen muss, wird immer wieder ein Brikett mehr aufgelegt. Soeben ist der 46jährige Ex-Fussball-Funktionär auf dem Madrider Flughafen verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen worden. Grund für den wohl temporären Freiheitsentzug ist aber nicht (primär) der Kuss-Skandal, sondern es sind angeblich Unregelmässigkeiten in Verträgen, die der ehemalige Fussball-Präsident zumindest mitzuverantworten hat, die zur Polizeiaktion geführt haben. Die Rede ist u.a. von Korruption und Geldwäscherei. Ob die Verhaftung von Luis Rubiales auch im Zusammenhang mit dem verhängnisvollen Kuss in Australien zu sehen ist, scheint unklar, ist aber wohl nicht ausgeschlossen. Apropos Kuss: Nach wie vor ungeklärt ist der Umstand, ob erstens der Kuss einvernehmlich (zwischen dem damaligen Präsidenten Luis Rubiales und der Spielerin Jennifer Hermoso) erfolgte, und zweitens, ob die Weltmeisterin vom küssenden Ex-Funktionär und Personen aus seinem Umfeld dazu gedrängt oder genötigt wurde, den Kuss als einvernehmlich erfolgt darzustellen. Wie dem auch sei: Auch wenn der Kuss von Sydney vom 20. August 2023, sollte er nicht einvernehmlich erfolgt sein, durch nichts zu rechtfertigen ist, sind die Folgen für den ehemaligen Verbandspräsidenten vernichtend hart (er ist vom Weltfussballverband FIFA gesperrt worden, Strafverfahren sind hängig), weshalb nun doch die Frage der Verhältnismässigkeit bezüglich der erfolgten und noch zu erwartenden Sanktionen und Bestrafungen zu stellen ist. Auch in dieser «Causa Luis Rubiales» wird jedenfalls die berühmte «Schmetterlingstheorie» zum Thema. Diese besagt: Bewegt ein Schmetterling seine Flügel, kann dadurch letztlich ein Tornado ausgelöst werden. Die andauernden Reaktionen nach dem Kuss von Sydney lassen jedenfalls einen Schmetterlingseffekt erkennen. Subjektiv bedeutet die aktuelle Situation für Luis Rubiales denn auch wohl mehr als «nur» ein Tornado, eher eine individualisierte Apokalypse mit total vernichtender Wirkung.

Ein Aufschrei, ein Schrei, ein Kuss, und noch ein Kuss

causasportnews / Nr. 1126/03/2024, 31. März 2024

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(causasportnews / red. / 31. März 2024) Seit der Kuss-Attacke des ehemaligen Spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales gegenüber der frischgebackenen Weltmeisterin Jennifer Hermoso anlässlich der Siegerehrung nach dem gewonnen Fussball-WM-Titel des Spanischen Frauen-Teams im letzten Sommer gehen die Wogen deswegen immer noch hoch. Sobald in der persönlichen Demontage des ehemaligen Top-Funktionärs des Spanischen Fussballs ein weiterer Schritt erfolgt, schreit die Öffentlichkeit erneut auf: Es geht in Richtung: «Kreuzigt ihn». Ja, was hat er denn getan? Sicher nicht nichts, und die Tat des Spanischen Fussball-Machos’ ist grundsätzlich nicht zu entschuldigen. Sie gehört verurteilt und sanktioniert, doch jetzt wäre man allmählich geneigt zu fordern: «Lasst es nun gut sein». Doch es geschieht das Gegenteil. Luis Rubiales wird wohl im laufenden Strafprozess nach dem Kuss-Skandal im Gefängnis für sein Tat büssen. Die Anklagebehörde hat zweieinhalb Jahre Haft wegen sexueller Aggression gefordert sowie die Bezahlung einer 50’000 Euro-Entschädigung an die betroffene Spielerin. Vorgeworfen wird ihm zudem, dass er (mit Dritten) die geküsste Spielerin dergestalt unter Druck gesetzt habe, dass der Kuss nicht gegen ihren Willen, sondern einvernehmlich, erfolgt sei. Der bald 47jährige Ex-Funktionär, der bereits alle Fussball-Funktionen und Reputationen verloren hat und auch gesellschaftlich erledigt ist, büsst für sein Verhalten hart. Die Frage, ob diese zivil- und strafrechtliche Sanktions- und Bestrafungskampagne gegenüber dem Ex-Funktionär noch verhältnismässig ist, lässt der gesellschaftliche Mainstream nicht zu. Der Aufschrei seit der Tat ist flächendeckend anhaltend und wird nicht so rasch verstummen. Ob Luis Rubiales beim Sturm, der nach wie vor über ihn fegt, sich im berühmten Gemälde «Der Schrei» von Edvard Munch wiederkennt, ist nicht bekannt. Er ist weder Maler noch Sänger und muss wohl einfach einstecken und individuell und alleine seine Tat verarbeiten und erkennen müssen, dass ein derartiger Kuss in der heutigen Zeit ungeahnte Folgen zeitigen kann. Wenn er das Rad der Zeit nur ein paar Jahrzehnte zurückdrehen könnte, z.B. ins Jahr 1979! Da sorgte zwar ein besonderer Kuss für Schlagzeilen, doch weil der Welt-Kommunismus schon damals (wie heute) alle Taten und Aktionen legitimiert(e) und das Geschehene zwischen zwei Männern natürlich einvernehmlich erfolgte, zum Wohl einer gleichgeschalteten und gerechten Welt selbstverständlich, wird jene Aktion rein politisch-historisch betrachtet, oder avantgardistisch mit Blick auf moderne, gesellschaftlich Anschauungen.

Die Rede ist vom sozialistisch, kommunistisch motivierten Bruderkuss zwischen dem DDR-«Oberindianer» Erich Honecker (wie der Apparatschik aus dem Osten vom Rocksänger Udo Lindenberg in seinem Stück «Sonderzug nach Pankow» besungen wurde) und dem Sowjet-Generalsekretär, Leonid Breschnew. Der Kuss erregte zwar Aufsehen (auch wenn sich gewisse Menschen dadurch angewidert fühlten), aber letztlich wurde diese Szene mit zwei Männern, die sich zum Wohle des Kommunismus’ innig auf den Mund küssten, Kult. Er wurde entsprechend legitimiert. Das Presse-Photo von Régis Bossu, das damals um die Welt ging, erreichte perpetuiert in zahlreichen Facetten und Erscheinungen den Nimbus eines Welt-Kunst-Phänomens, ähnlich wie Edvard Munchs «Schrei» um 1900 herum.

Ein Kuss ist eben nicht einfach ein Kuss. Die juristische Aufarbeitung der Kussattacke von Luis Rubiales zeigt es: Entscheidend ist bei einem Kuss in der Öffentlichkeit einzig die Motivation und der Grund, welcher der Aktion zu Grunde liegt, und nicht der Kuss an sich, vor allem, wenn das Element der Einvernehmlichkeit nicht gegeben ist. Die Befriedigung von niedrigsten Gelüsten und Machtausübung, wie sie beim Kuss des Ex-Fussball-Präsidenten vermutet wird und durchwegs als bewiesen gilt, gehört definitiv nicht dazu. Erich Honecker und Leonid Breschnew küssten zum Wohl der Welt einvernehmlich, Luis Rubiales benahm sich als Vertreter der Macho-Kultur in Spanien schweinisch-männlich und egoistisch; deshalb gehört er ans Kreuz. So einfach ist das.