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Ach, ich hab’ sie ja nur auf den Mund geküsst…

causasportnews.com – 19/2025, 26. Februar 2025

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(causasportnews / red. / 26. Februar 2025) «Ach, ich hab’ sie ja nur auf die Schulter geküsst», heisst es in der Operette «Der Bettelstudent» von Carl Millöcker; der Österreichische Komponist lebte von 1842 bis 1899. Diese Klamauk-Komposition mit dem Parade-Stück, das etwa von Luciano Pavarotti gekonnt intoniert wurde, wird präsent, wenn es um den modernen «Kuss-Skandal» geht – mit dem Spanischen Fussball-Verbandspräsidenten Luis Rubiales (geboren 1977) in der «Hauptrolle». Der ehemalige Fussballspieler und Verbandsfunktionär hat weit mehr getan, als eine Nationalmannschafts-Spielerin anlässlich der Siegerehrung nach dem Gewinn des WM-Titels der Spanischen Frauen-Nationalmannschaft 2023 auf die Schulter geküsst. Der Mund der Akteurin Jennifer Hermoso war das Objekt der Funktionärs-Begierde. Angeblich gegen ihren Willen presste der Verbandspräsident seinen Mund auf den Mund der Spielerin. Eine Tat, die natürlich unverzeihlich ist, auch wenn dieser Kuss (nur?) eine Steigerung der Gepflogenheiten der Moderne gegenüber den Verhaltensweisen zur Zeit des «Bettelstudent» bedeutete. Einvernehmlich oder eben nicht – das war und ist die Grundsatzfrage, welche vor allem von der Öffentlichkeit diskutiert wurde und wird: Die «Kuss-Attacke» des Verbands-Funktionärs war natürlich ein Macho-Gehabe des eitlen Spaniers, der nach diesem Fehltritt, den es nach wie vor nicht zu beschönigen gilt, alles verlor, was man verlieren kann: Sein geliebtes Funktionärsamt, seinen gesellschaftlichen Status und seine Reputation. Ein sexueller Übergriff oder eine sexuelle Aggression ist kein Kavaliersdelikt, und man will derartige Figuren des öffentlichen Lebens abstrafen und vollumfänglich scheitern sehen. Früher geschah das an den Stamm-Tischen, heute über die sozialen Medien.

Juristisch ist der gegen den Willen der Spielerin applizierte Kuss nun kürzlich ebenfalls aufgearbeitet worden. Luis Rubiales wurde vom Staatsgerichtshof in Madrid wegen des sexuellen Übergriffs mit einer Geldstrafe von 11 000 Euro belegt; eine Gefängnisstrafe blieb ihm erspart. Vom Vorwurf der Nötigung wurde der Ex-Spitzen-Funktionär freigesprochen.

Zentral im Verfahren war die Frage, ob der «Kuss von Sydney» einvernehmlich (Standpunkt Luis Rubiales) oder nicht einvernehmlich, also nötigend (Standpunkt Jennifer Hermoso), erfolgt sei. Ein als Lippenleser ausgebildeter Mann stützte vor Gericht die stete Beteuerung des Bestraften, der Kuss sei einvernehmlich erfolgt; er habe die Spielerin um Erlaubnis gefragt. Also wahrscheinlich, und so beurteilte es auch das Gericht, keine Nötigung (deshalb der Freispruch in diesem Punkt), sondern einzig (aber immerhin) ein sexueller Übergriff. Die Einwilligung auch bezüglich dieses Übergriffs hatte die happige Geldstrafe zu Folge. Für etliche Erdenbürgerinnen ist diese Verurteilung und die in ihren Augen zu milde Bestrafung von Luis Rubiales ein Skandal. Und was sagt die betroffene, geschädigte Spielerin dazu? Jennifer Hermoso sieht den Schuldspruch gegen den ehemaligen Verbandspräsidenten als Signal, eine wegweisende Entscheidung für die Rechte der Frauen. In einem sozialen Umfeld sei mit dem Urteil ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen worden, in dem noch viel zu tun sei, teilte die 34jährige Weltmeisterin, welche die ausgefällte Strafe als zu mild kritisierte, mit.

Da ein Strafgericht einzig einen Sachverhalt juristisch zu beurteilen hat, könnte die Tat von Sydney unter Umständen letztlich auch mit einem Freispruch enden. Affaire à suivre also. Denn gemäss Medienberichten wollen sowohl der Verurteilte Luis Rubiales als auch die Geschädigte Jennifer Hermoso das Urteil des Staatsgerichtshofs weiterziehen.

Im «Bettelstudent» knallte die von Oberst Ollendorf ungefragt auf die Schulter geküsste Laura diesem einen Fächer ins Gesicht. Wäre der Vorfall von Sydney allenfalls nicht besser auf diese Weise erledigt worden, wenn Jennifer Hermoso wegen der behaupteten sexuellen Aggression einfach gleich bei Tatbegehung vor der Weltöffentlichkeit dem Spanischen Funktionär die Faust ins Gesicht geschlagen hätte? Dann wäre alles klar gewesen. Oder doch nicht ganz?

«Causa Luis Rubiales” – mehr als ein Schmetterlingseffekt?

causasportnews / Nr. 1128/04/2024, 7. April 2024

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(causasportnews / red. / 7. April 2024) Der gefallene, ehemalige Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF), Luis Rubiales, ist nach dem Mundkuss, den er seiner frischgebackenen Weltmeisterin Jennifer Hermoso anlässlich der Siegerehrung nach dem gewonnenen WM-Finalspiel 2023 (Spanien gewann 1:0 gegen England) verabreicht hat, tief gefallen. So tief, dass ein noch tieferer Fall nicht mehr für möglich gehalten werden könnte. Doch im schon an sich heissen «#MeeToo-Fegefeuer», das der Funktionär seit Monaten ertragen muss, wird immer wieder ein Brikett mehr aufgelegt. Soeben ist der 46jährige Ex-Fussball-Funktionär auf dem Madrider Flughafen verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen worden. Grund für den wohl temporären Freiheitsentzug ist aber nicht (primär) der Kuss-Skandal, sondern es sind angeblich Unregelmässigkeiten in Verträgen, die der ehemalige Fussball-Präsident zumindest mitzuverantworten hat, die zur Polizeiaktion geführt haben. Die Rede ist u.a. von Korruption und Geldwäscherei. Ob die Verhaftung von Luis Rubiales auch im Zusammenhang mit dem verhängnisvollen Kuss in Australien zu sehen ist, scheint unklar, ist aber wohl nicht ausgeschlossen. Apropos Kuss: Nach wie vor ungeklärt ist der Umstand, ob erstens der Kuss einvernehmlich (zwischen dem damaligen Präsidenten Luis Rubiales und der Spielerin Jennifer Hermoso) erfolgte, und zweitens, ob die Weltmeisterin vom küssenden Ex-Funktionär und Personen aus seinem Umfeld dazu gedrängt oder genötigt wurde, den Kuss als einvernehmlich erfolgt darzustellen. Wie dem auch sei: Auch wenn der Kuss von Sydney vom 20. August 2023, sollte er nicht einvernehmlich erfolgt sein, durch nichts zu rechtfertigen ist, sind die Folgen für den ehemaligen Verbandspräsidenten vernichtend hart (er ist vom Weltfussballverband FIFA gesperrt worden, Strafverfahren sind hängig), weshalb nun doch die Frage der Verhältnismässigkeit bezüglich der erfolgten und noch zu erwartenden Sanktionen und Bestrafungen zu stellen ist. Auch in dieser «Causa Luis Rubiales» wird jedenfalls die berühmte «Schmetterlingstheorie» zum Thema. Diese besagt: Bewegt ein Schmetterling seine Flügel, kann dadurch letztlich ein Tornado ausgelöst werden. Die andauernden Reaktionen nach dem Kuss von Sydney lassen jedenfalls einen Schmetterlingseffekt erkennen. Subjektiv bedeutet die aktuelle Situation für Luis Rubiales denn auch wohl mehr als «nur» ein Tornado, eher eine individualisierte Apokalypse mit total vernichtender Wirkung.

Ein Aufschrei, ein Schrei, ein Kuss, und noch ein Kuss

causasportnews / Nr. 1126/03/2024, 31. März 2024

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(causasportnews / red. / 31. März 2024) Seit der Kuss-Attacke des ehemaligen Spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales gegenüber der frischgebackenen Weltmeisterin Jennifer Hermoso anlässlich der Siegerehrung nach dem gewonnen Fussball-WM-Titel des Spanischen Frauen-Teams im letzten Sommer gehen die Wogen deswegen immer noch hoch. Sobald in der persönlichen Demontage des ehemaligen Top-Funktionärs des Spanischen Fussballs ein weiterer Schritt erfolgt, schreit die Öffentlichkeit erneut auf: Es geht in Richtung: «Kreuzigt ihn». Ja, was hat er denn getan? Sicher nicht nichts, und die Tat des Spanischen Fussball-Machos’ ist grundsätzlich nicht zu entschuldigen. Sie gehört verurteilt und sanktioniert, doch jetzt wäre man allmählich geneigt zu fordern: «Lasst es nun gut sein». Doch es geschieht das Gegenteil. Luis Rubiales wird wohl im laufenden Strafprozess nach dem Kuss-Skandal im Gefängnis für sein Tat büssen. Die Anklagebehörde hat zweieinhalb Jahre Haft wegen sexueller Aggression gefordert sowie die Bezahlung einer 50’000 Euro-Entschädigung an die betroffene Spielerin. Vorgeworfen wird ihm zudem, dass er (mit Dritten) die geküsste Spielerin dergestalt unter Druck gesetzt habe, dass der Kuss nicht gegen ihren Willen, sondern einvernehmlich, erfolgt sei. Der bald 47jährige Ex-Funktionär, der bereits alle Fussball-Funktionen und Reputationen verloren hat und auch gesellschaftlich erledigt ist, büsst für sein Verhalten hart. Die Frage, ob diese zivil- und strafrechtliche Sanktions- und Bestrafungskampagne gegenüber dem Ex-Funktionär noch verhältnismässig ist, lässt der gesellschaftliche Mainstream nicht zu. Der Aufschrei seit der Tat ist flächendeckend anhaltend und wird nicht so rasch verstummen. Ob Luis Rubiales beim Sturm, der nach wie vor über ihn fegt, sich im berühmten Gemälde «Der Schrei» von Edvard Munch wiederkennt, ist nicht bekannt. Er ist weder Maler noch Sänger und muss wohl einfach einstecken und individuell und alleine seine Tat verarbeiten und erkennen müssen, dass ein derartiger Kuss in der heutigen Zeit ungeahnte Folgen zeitigen kann. Wenn er das Rad der Zeit nur ein paar Jahrzehnte zurückdrehen könnte, z.B. ins Jahr 1979! Da sorgte zwar ein besonderer Kuss für Schlagzeilen, doch weil der Welt-Kommunismus schon damals (wie heute) alle Taten und Aktionen legitimiert(e) und das Geschehene zwischen zwei Männern natürlich einvernehmlich erfolgte, zum Wohl einer gleichgeschalteten und gerechten Welt selbstverständlich, wird jene Aktion rein politisch-historisch betrachtet, oder avantgardistisch mit Blick auf moderne, gesellschaftlich Anschauungen.

Die Rede ist vom sozialistisch, kommunistisch motivierten Bruderkuss zwischen dem DDR-«Oberindianer» Erich Honecker (wie der Apparatschik aus dem Osten vom Rocksänger Udo Lindenberg in seinem Stück «Sonderzug nach Pankow» besungen wurde) und dem Sowjet-Generalsekretär, Leonid Breschnew. Der Kuss erregte zwar Aufsehen (auch wenn sich gewisse Menschen dadurch angewidert fühlten), aber letztlich wurde diese Szene mit zwei Männern, die sich zum Wohle des Kommunismus’ innig auf den Mund küssten, Kult. Er wurde entsprechend legitimiert. Das Presse-Photo von Régis Bossu, das damals um die Welt ging, erreichte perpetuiert in zahlreichen Facetten und Erscheinungen den Nimbus eines Welt-Kunst-Phänomens, ähnlich wie Edvard Munchs «Schrei» um 1900 herum.

Ein Kuss ist eben nicht einfach ein Kuss. Die juristische Aufarbeitung der Kussattacke von Luis Rubiales zeigt es: Entscheidend ist bei einem Kuss in der Öffentlichkeit einzig die Motivation und der Grund, welcher der Aktion zu Grunde liegt, und nicht der Kuss an sich, vor allem, wenn das Element der Einvernehmlichkeit nicht gegeben ist. Die Befriedigung von niedrigsten Gelüsten und Machtausübung, wie sie beim Kuss des Ex-Fussball-Präsidenten vermutet wird und durchwegs als bewiesen gilt, gehört definitiv nicht dazu. Erich Honecker und Leonid Breschnew küssten zum Wohl der Welt einvernehmlich, Luis Rubiales benahm sich als Vertreter der Macho-Kultur in Spanien schweinisch-männlich und egoistisch; deshalb gehört er ans Kreuz. So einfach ist das.

«Mund-Küsser» Luis Manuel Rubiales soll drei Jahre aussetzen

causasportnews / Nr. 1075/10/2023, 31. Oktober 2023

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(causasportnews / red. / 31. Oktober 2023). Nun hat es also den als «Mund-Küsser» bekannt gewordenen ehemaligen Präsidenten des Spanischen Fussball-Verbandes, Luis Manuel Rubiales, erwischt: Er soll wegen seiner Übergriffigkeit drei Jahre aussetzen und keine fussball-bezogenen Tätigkeiten mehr ausüben. Der Ausschluss gilt für den nationalen (spanischen) sowie für den internationalen Fussball (unter der Ägide des Welt-Fussballverbandes, FIFA). Dieses Verdikt hat die FIFA soeben bekannt gegeben. Dessen Disziplinarkommission wertete den Kuss des im September unter Druck zurückgetretenen, 46jährigen Spaniers auf den Mund der Nationalmannschafts-Spielerin Jennifer Hermoso nach der Pokalübergabe anlässlich des WM-Finals der siegreichen Spanierinnen gegen die Engländerinnen (Endstand 1:0) in Australien als «übergriffig» und den Ex-Präsidenten des Spanischen Verbandes für den organisierten Fussball weltweit als offenbar nicht mehr tragbaren. Der Ex-Funktionär ist nun hart sanktioniert und aus dem Sport eliminiert worden, nachdem er kurz nach dem Vorfall bereits für 90 Tage suspendiert wurde; seit dem erzwungenen Rücktritt im September hatte der Fehlbare allerdings faktisch bereits keine Fussball-Funktion mehr inne. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes erkannte offenbar, der Ex-Präsident habe mit seinem Kuss auf den Mund der Spielerin deren Würde und Integrität verletzt; offenbar, weil der Entscheid ohne Begründung eröffnet wurde (was möglich ist). Luis Manuel Rubiales kann nun innerhalb von 10 Tagen eine Begründung des Disziplinarkommissions-Entscheids verlangen. Sodann ist es ihm möglich, (verbandsintern) in Berufung gehen. Letztlich kann der FIFA-Berufungsentscheid an den Internationalen Sport-Schiedsgerichtshof in Lausanne (TAS, Tribunal Arbitral du Sport) gezogen werden. Letztlich hätte der gestrauchelte Funktionär die Möglichkeit, gegen die ausgefällte Sanktion, falls sie im verbandsinternen Instanzenzug und am TAS bestätigt werden sollte, am Schweizerischen Bundesgericht anzukämpfen. Das will der sanktionierte Funktionär offenbar tun, denn kurz nach Bekanntgabe des FIFA-Entscheides teilte Luis Manuel Rubiales voller Entschlossenheit mit, gegen diese Entscheidung bis an die letzte Instanz gelangen zu wollen, um Gerechtigkeit zu erlangen und die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ob das Verdikt vom Zürichberg Bestand haben wird, ist ungewiss, bzw. sind die Verfahrenschancen von Luis Manuel Rubiales schwierig abzuschätzen. Gegen den Ex-Funktionär spricht, dass er etwas getan hat, was nicht angeht, und das Vergehen dem Zeitgeist krass widerspricht. In solchen Fällen aufgrund einer Generalklausel, wie Art. 13 des Disziplinarreglementes zu qualifizieren ist, ein Sanktions-Strafmass festzulegen, was dem Übergriff des «Mund-Küssers» als Strafe, etwa unter dem Aspekt der Angemessenheit, gerecht würde, ist schwierig bis fast unmöglich. Sicher wird der gefallene Funktionär, dessen Handlung selbstverständlich unakzeptabel war und nicht zu beschönigen ist, weder im verbandsinternen Verfahren noch vor Gericht «Gerechtigkeit» erlangen. Es entspricht einer notorischen Tatsache, dass man von Gerichten Entscheidungen erhält (falls sich diese überhaupt mit der Sache befassen), selten aber Gerechtigkeit. Insbesondere sind die Vorgaben zum Vereins-Sanktionsrecht zu beachten (basierend auf Art. 70 des Zivilgesetzbuches, ZGB; es ist auch die Rechtsprechung hierzu zu beachten, auch unter Berücksichtigung von Art. 4 ZGB).

Jedenfalls scheint es klar zu sein: Der «Mund-Kuss» von Sydney kann noch nicht ad acta gelegt werden. Vielmehr scheint das Weitere in dieser «Causa» vorgezeichnet: affaire à suivre…

Ein Kuss bestätigt die «Schmetterlingstheorie»

causasportnews / Nr. 1057/09/2023, 11. September 2023

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(causasportnews / red. / 11. September 2023) Kann ein Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen? Ja, so ist es, wenn man der berühmten «Schmetterlingstheorie» Glauben schenken will. Kann aber auch ein Kuss einen Glaubenskrieg entfesseln oder gängige Moralvorstellungen und Weltanschauungen in einem bedeutenden Fussball-Land zumindest ins Wanken bringen? Oder eine Nation sogar spalten? – Auch das ist wohl nach dieser Theorie möglich.

Er wird wohl zum «Kuss des Jahres», den der Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF) «seiner» siegreichen Spielern Jennifer Hermoso am 20. August 2023 nach dem Finalsieg der Spanierinnen zumindest ungestüm appliziert hat. Auf den Mund, ohne jegliches Einverständnis seitens der Spielerin und ohne jeglichen Rechtfertigungsgrund. Seither ist nicht nur die globale Fussballwelt aufgewühlt. Es ist klar, dass so etwas nicht geht. Doch ist, bzw. war der Vorgang dazu angetan, Luis Rubiales abzuschiessen? Es haben sich zwischenzeitlich zwei Lager formiert: Die Gegner der Aktion des Verbandspräsidenten, die seinen Kopf fordern; und die Verfechter der Verhältnismässigkeit, welche sich im für den Präsidenten schlechtesten Fall für eine angemessene, sprich milde Sanktionierung für die «Kuss-Attacke» stark mach(t)en. Praktisch die ganze Weltöffentlichkeit fühlt sich seit dem Spanierinnen-Sieg in Australien berufen, sich hier einzubringen. Der Welt-Fussballverband FIFA hat den 46jährigen Spanier auf Druck schon einmal von der Ausübung seiner Funktionärs-Aktivitäten suspendiert. Offenbar nicht ganz freiwillig hat die beküsste Spielerin kürzlich den in ihren Augen übergriffigen Funktionär angezeigt und damit die strafrechtliche Ebene beschritten. Video-Bilder zeigen allerdings, dass sich Jennifer Hermoso nach dem emotionalen Ausbruch von Luis Rubiales nach dem Finalspiel in Sydney nicht wahnsinnig über den präsidialen Kuss echauffiert hatte. Die zuständige oder nicht zuständige Staatsanwaltschaft in Spanien («Tatort» war Australien) ermittelt nun wegen des möglichen, teils behaupteten sexuellen Übergriffs. Die Kernfrage wird sein: War der Kuss sexuell und/oder macho-mässig und/oder rein emotional motiviert? Nun hat sich die Situation im Hauptpunkt geklärt. Verbandspräsident Luis Rubiales ist per sofort zurückgetreten, auch als Vize-Präsident des Kontinentalverbandes UEFA. Der Druck auf ihn, der sich auch starrsinnig und uneinsichtig zeigte, wurde zu gross. Die «Kuss-Attacke» von Sydney, die sich zum Tornado entwickelte, hat sich «Schmetterling-theoretisch» bestätigt.

Die «Causa Rubiales (Täter) / Hermoso (Opfer)» hatte die individuell-konkrete Sphäre des Geschehens längst verlassen. Der Vorgang wies immer mehr generell-abstrakte Züge auf. Je länger die Affäre andauerte, desto vordergründiger stand die Frage im Raum, ob Spanien grundsätzlich ein Macho-Land sei. Zudem, ob in der Fussball-Welt, in dem sich z.B. Funktionäre (vor allem gegenüber Frauen) offenbar alles (oder einiges) erlauben dürfen, die Machokultur gesellschaftlich prävaliert. Wie verhält es sich zudem mit dem Status der (vermeintlich?) emanzipierten, spanischen Gesellschaft? Die Grundsatzfrage, die auch nach dem Rücktritt des Verbandspräsidenten weiterhin im Raum stehen wird, lautet schlicht: Wie weit dürfen Spaniens Machos gehen? In dem erfolgsverwöhnten Fussball-Land werden die Verhaltens-Massstäbe in derartigen Dingen wohl immer noch etwas salopper angelegt als anderswo. Der «Fall Luis Rubiales» ist zwar nun in einer ersten Phase abgeschlossen. Der entfesselte Tornado hat dem Präsidenten keine andere Wahl mehr gelassen, als zurückzutreten. Von Tornados ereilt werden nicht immer die «Richtigen»; sie sind immer «ungerecht». Es wird sich weisen, ob es in dieser Angelegenheit zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen wird. Falls nicht, wird die Diskussion wohl endlos weitergeführt werden (müssen). Der Umstand, dass sich der Verbandspräsident anlässlich des Finalspiels in Sydney auch noch in den Schritt gegriffen hatte, dürfte bei der Beurteilung des Verschuldens, der Vorwerfbarkeit, nicht allzu schwer wiegen; so etwas (mit zusätzlicher «Geruchskontrolle») hatte der damalige Deutsche Bundestrainer Joachim Löw 2016 schliesslich auch unbeschadet überstanden (wenn auch die Intuitionen der beiden Funktionäre bei ihren Aktionen offensichtlich nicht dieselben waren).

Kreuzigungsbestrebungen nach Fussball-Funktionärs-Kuss

causasportnews / Nr. 1052/08/2023, 24. August 2023

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(causasportnews / red. / 24. August 2023) Noch ist keine Woche vergangen, seit die Fussballerinnen Spaniens erstmals den Weltmeistertitel errungen haben. Vom Sport spricht schon kaum mehr jemand, bewegender (i.S. «Der bewegte Mann») ist eine Drei-Sekunden-Szene anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als der Spanische Verbandspräsident im Freudentaumel offensichtlich über sich und seine Gefühle die Kontrolle verlor und etwas Unglaubliches tat: Luis Rubiales hatte Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst! Seit dieser Entgleisung des Verbandspräsidenten bei der WM-Siegerehrung stehen nicht mehr die siegreichen Spielerinnen im Mittelpunkt des Interesses nach dem grandiosen Finalsieg gegen die Engländerinnen. Vielmehr Luis Rubiales, auf den nach seiner Missetat zum Halali geblasen wurde und nun immer mehr geblasen wird. Zu Recht muss der Präsident wegen seiner unkontrollierten Tat Kritik und Häme einstecken. Doch allmählich beherrscht der «Kuss von Sydney» die Schlagzeilen nicht nur in der nationalen Presse Spaniens, sondern in der ganzen Welt. Zwischenzeitlich haben sich Politikerinnen und Politiker sowie alle Menschen, die sich dem Bösen in der Welt entgegenstellen, zu Wort gemeldet. So wird auch die moderne Empörungsgesellschaft in Schwung gehalten, befeuert von Moralisten und Pharisäern, welche die ethischen Massstäbe auf diesem Planeten vorgeben. Die Wogen auf Luis Rubiales’ deplatziertes Verhalten schlagen immer höher, und nun dürfte er sich bald im Feld der Ex-Präsidenten dieser Welt wiedersehen. Das Vorkommnis in Australien, das grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist, erinnert an das, was vor rund 2000 Jahren geschah, als das Volk nach der Frage, was Jesus denn getan habe, seine Kreuzigung verlangte. Die moderne Kreuzigung im organisierten, globalen Sport ist gleichzusetzen mit dem Verlust von (Funktionärs-)Ämtern. Das ist nicht mehr so schlimm wie eine Kreuzigung, insbesondere der Verhältnismässigkeits-Grundsatz kann so hochgehalten werden. So wird jetzt, wie in der «Causa Luis Rubiales» ständig nachgelegt, bis der Angeschossene nicht mehr in Amt und Würde gehalten werden kann. Apropos Würde: Nach der Kuss-Attacke durch Luis Rubiales kommt nun weiteres Ungemach auf den 46jährigen ehemaligen Fussball-Spieler: Auf der Ehrentribüne soll er sich mit seinen Genitalien beschäftigt haben, und frühere Vorkommnisse in Spaniens Fussball, bei denen auch die Dienste von Escort-Damen thematisiert wurden, machen den angezählten Verbandspräsidenten nun noch verwundbarer.

Wenn ein derartiger Vorfall alles andere im Fussball Spaniens nach der für diesen Verband so erfolgreichen Weltmeisterschaft in den Hintergrund drückt, dürfte die Welt in der Tat nicht mehr so sein, wie sie einmal war (was grundsätzlich nicht zu bemängeln ist) – oder doch? Wie sieht es die von der Kuss-Attacke des Präsidenten direkt betroffene Jennifer Hermoso? «Es hat mir nicht gefallen», sagte sie in einer ersten Reaktion. «Aber was hätte ich tun sollen», fragte sie? Weiteres und Intimeres zum Thema war der erfolgreichen Spielerin bis jetzt nicht zu entlocken. Zu erwarten war, dass die Gerechten, Rechtsgelehrten und Politiker des Welt-Fussballverbandes FIFA auf den Empörungszug aufspringen würden. Der Weltverband ermittelt nun disziplinarisch. Dabei dürfte die Qualifikation des applizierten Kusses im Vordergrund stehen (der Kuss, ein mit dem Mund durchgeführter Körperkontakt, ähnlich, so wie es Luis Rubiales getan hat, eine Tätlichkeit im strafrechtlichen Sinne also). Gleichheit und Respekt zwischen Frauen und Männern gilt es im Weltfussball zu schützen. Der ehemalige Deutsche Komiker Viktor von Bülow, alias Loriot, hat das immer ein wenig pragmatisch, wenn auch resignierend gesehen, wenn es um die Belange zwischen den Geschlechtern ging: «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». So ist es offenbar.

Nun fühlt Gianni Infantino mit den Fussballerinnen

causasportnews / Nr. 1016/05/2023, 12. Mai 2023

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(causasportnews / red. / 12. Mai 2023) FIFA-Präsident Gianni Infantino ist oft so unberechenbar wie der Fussball selber. Nicht selten sind seine Äusserungen sibyllinisch oder nicht authentisch einzuordnen; oder ab und zu hat er «es» zumindest richtig gedacht, wenn er sich artikuliert. In bester oder schlechter Erinnerung ist sein skurriles Statement, das er im Rahmen der Fussball-WM-Endrunde letztes Jahr in Katar abgab. Danach fühlte er sich unter anderem als Katarer, als Araber, als Afrikaner, als Wanderarbeiter und als Homosexueller (vgl. auch causasportnews vom 18. Dezember 2022). Nun legt er nach und fühlt zumindest mit den Fussballerinnen, die im Sommer die WM-Endrunde in Australien und Neuseeland bestreiten werden. Das WM-Finale der Frauen, das vom 20. Juli bis 20. August 2023 von 32 Mannschaften bestritten werden soll und mit 64 Spielen eine bisher nie dagewesene Intensität erleben wird, hat nur ein Problem: Die Veranstaltung interessiert lediglich marginal. Deshalb fühlt sich Gianni Infantino nun auch als Frau. Dafür setzt er sich vehement für diese WM-Endrunde der Fussballerinnen ein; insbesondere mit Blick auf die Vermarktung des Wettbewerbs. Die Rechnung des 53jährigen Wallisers gestaltet sich einfach: Mehr WM-Spiele werfen mehr Vermarktungsgelder ab. Doch wenn es um das Geld, sprich um die Vermarktung im Fussball, geht, zählen nur die harten Fakten. Das heisst mit Blick auf das anstehende WM-Endrundenturnier der Frauen, dass die Nachfrage nach dem WM-Frauenfussball ziemlich lau ist. Was den FIFA-Präsidenten in Rage versetzt. Weil die Rechtevermarktung harzt, vor allem die TV-Stationen für den Frauenfussball nicht soviel bezahlen wollen, wie es sich Gianni Infantino wünscht, poltert der FIFA-Präsident aus dem Home of FIFA in Zürich, dass die WM-Endrunde der Frauen in Australien/Neuseeland nicht unter Wert veräussert werden dürfe. Das war vor kurzer Zeit noch anders, als die Vermarkter die Rechte am Frauen-Fussball als Geschenk für die einträgliche Vermarktung des WM-Turniers der Männer dazugaben. Im Moment droht dem Weltfussballverband die Quersubventionierung, wie sie bis dato in etwa üblich war: Das Filetstück der WM der Männer warf soviel Geld ab, dass u.a. auf diese Weise auch die Minus-Rechnungen des Frauenfussball ausgeglichen werden konnten. FIFA-Insider munkeln nun, dass die WM-Endrunde der Frauen trotz neu 32 teilnehmenden Frauen-Mannschaften und insgesamt 64 Spielen zum wirtschaftlichen Flop werden könnte. Da hilft nicht, dass sich Gianni Infantino nun zwar nicht gerade als Frau fühlt, aber gezwungenermassen mit diesen fühlt; schliesslich hat er verordnet, dass die Welt den Frauenfussball zu begehren hat. Man hat also den Frauenfussball gut zu finden. Vor allem muss der FIFA-Präsident erkennen, dass es auch Menschen auf dem Planeten Erde gibt, welche schlicht keinen Spass am Frauenfussball haben und sich diese Sparte nicht einfach ideologisch verkaufen lässt. Die geringe(re) Verwertungs-Nachfrage nach dem Frauenfussball drückt somit auf den Preis des Angebots (Frauenfussball im TV, Vermarktungswert, usw.). So einfach, wie sich der Fussball präsentiert, sind auch die Regeln der Ökonomie im Spitzenfussball. Ungeachtet der Gefühlsebene des FIFA-Präsidenten.