causasportnews / Nr. 1044/08/2023, 6. August 2023

(causasportnews / red. / 6. August 2023) Wenn das, was nicht sein darf, doch Realität wird, herrschen in der Regel Depression und Frustration vor, aber auch Wut und cholerische Ausbrüche sind die Folgen. Um dies alles zu erfassen und die Phänomene im Nachgang solcher Ereignisse zu deuten und zu erklären, sind die entsprechenden Wissenschaften gefordert, wenn es um Sport geht, vor allem die Sport-Soziologie (es ist dies, auf die Materie Sport bezogen, die Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens der Menschen befasst).
Auslöser dieser Betrachtung ist das sportliche Scheitern der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft an der Fussball-WM-Endrunde in Australien/Neuseeland. Wie in diesen Spalten in den Raum gestellt (causasportnews vom 23. Juli 2023), ist das eingetreten, was sich nicht ereignen durfte, nämlich das Ausscheiden der Deutschen Kickerinnen bereits nach den Gruppenspielen. Die Auswirkungen dieser aus Deutscher Sicht sportlichen Katastrophe auf die Gesellschaft und auf das ganze Land sind heterogen und teils ambivalent. Da wurde alles vorgekehrt, um den Frauenfussball auf die Ebene des Männersports zu hissen, was den Misserfolg noch zerstörerischer werden lässt. Die Ausgangslage nach dem sportlichen Scheitern der Deutschen Frauen hat noch weitreichendere Bedeutung, als wenn die Realitäten sachlich aufgenommen worden wären. Eigentlich geht es «nur» um Fussball. Dieser ist natürlich längst keine «Nebensache» mehr, sondern verkörpert eine Trinität von Sport, Kommerz und Medien. Fussball, nicht nur in Deutschland, ist Opium für’s Volk und insbesondere auch verkaufte Emotion. Betroffen und berührt ist nun letztlich das «Wir- und Selbstwertgefühl einer ganzen Nation («Wir sind Papst»); womit wieder einmal die Bedeutung des Nationalen im Sport bewiesen wäre.
Die Ebenen des Scheiterns lassen sich simplifiziert wie folgt ausmachen:
Vergeigt haben es die Spielerinnen. In Anbetracht des unbestrittenen Umstandes, dass «es» nicht gut lief auf dem Feld («Flasche leer»), kann konstatiert werden, dass dem Scheitern zweifelsfrei kein böser Wille zugrunde lag. Für schlechte Leistungen von Mannschaften im Fussballsport sind nämlich grundsätzlich die Trainer(innen) verantwortlich, konkret die bedauernswerte Martina Voss-Tecklenburg. An den Spielerinnen und an der Trainerin entladen sich Wut, Spott, Häme und Verachtung. Die Deutschen Frauen haben die Nation in einen kollektiven Betroffenheitszustand versetzt. Die nun vollendete Trilogie des Fussball-Kollapses (nach dem Scheitern der Männer an den WM-Endrunden in Russland,2018, und in Katar, 2022) bedeutet den Abschluss der Chronologie der gesamten Deutschen Fussball-Katastrophe. Australien/Neuseeland war kein sportlicher Betriebsunfall, sondern eine Perpetuierung des Fussball-Traumas nach Russland und Katar.
Die Verantwortung für die Abfolge der Misserfolge auf den grossen Bühnen des internationalen Fussballs liegt beim Deutschen Fussball-Bund (DFB), dem grössten Sportverband der Welt. Wenn sportliche Misserfolge zur Regel werden, hat der monopolistische Organisations- und Verwaltungsträger versagt. So, wie derzeit die Regierung des Landes und die Politik im Allgemeinen, die das grundsätzliche Desaster im Land zu verantworten haben und aufgrund der manifestierten Unfähigkeit und Hilflosigkeit als Steigbügelhalter der Alternative für Deutschland (AfD) fungieren. Fussball ist letztlich ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse und führt zur Erkenntnis, nun gesamthaft nicht mehr «Papst» zu sein, was schmerzt und frustriert.
Apropos Frustration: Der kollektive Frust und die Depression nach dem jüngsten Fussball-Debakel werden durch die Medien bewirtschaftet. Blamabel, katastrophal, unverständlich, usw., mit Negativ-Attributen wird in den Gazetten in Deutschland die Gemütslage der Nation präsentiert, nachdem das undenkbare Unmögliche Tatsache wurde. Für einmal fehlt sogar das Zotige in den einschlägigen Medien, vielleicht, weil es aktuell um den Frauen-Fussball geht (eine Bild-Schlagzeile, wie «ausgepoppt», wäre in Anspielung an die Top-Spielerin Alexandra Popp zu befürchten gewesen).
Eigentlich ist ein Fussballspiel nur ein Spiel; was aber, wie das aktuelle Beispiel zeigt, nicht stimmt. Denn alles ist möglich, wenn das im Fussball auf dieser Stufe für unmöglich Gehaltene eintritt. Dann herrscht sogar ein nationaler Ausnahmezustand. Siehe die kollektive Depression, in welche die Deutsche Frauen-Nationalmannschaft das Land versetzt, hat
Da ist man erleichtert, Schweizer/in zu sein. Auch wenn es eine Erlösung war, dass die Schweizerinnen im Achtelfinale gegen die Spanierinnen nur 1:5 verloren haben und das Spiel endlich vorbei war. Noch besser war es, anlässlich der Frauen-WM Österreicher/innen zu sein: Die Schottinnen sorgten Ende 2022 dafür, dass die Österreicherinnen die Reise an das Ende der Welt gar nicht antreten mussten.

