
(causasportnews / red. / 22. April 2021) Seit nicht einmal einer Woche ist die Absonderungsliga mit dem sinnlichen Titel «European Super League» (ESL) der Fussball-Schocker des Jahres – oder sogar des Jahrzehnts. Zwölf europäische Top-Klubs haben den Aufstand gewagt und die Sezession vom organisierten Klubfussball der Verbände geprobt. Es bleibt beim Versuch: Der «Klassenkampf» der grosskapitalistischen Klubs, welche sich von jeglicher Fussball-Solidarität verabschieden wollten, ist zu Gunsten des sportlichen Proletariats ausgegangen – das Kapital hat eine Abfuhr erlebt; die Fans, das fussballerische Proletariat in den kapitalistischen Klubs, gaben den Ausschlag dafür, dass «arm» gegen «reich» obsiegte. Einmal mehr zeigte es sich, dass die «Kraft von der Strasse» auch im Sport-Klassenkampf den Ausschlag über Sieg und Niederlage geben kann.
Kaum ein Insider der Fussball-Szene hat das Bestreben der renommierten Klubs, sich vom Verbandsfussball zu verabschieden, wirklich ernst genommen. Das blieb den Medien, die sich ob des Themas regelrecht ereiferten und diesen Vorgang kommentierten, als ginge es um den Beitritt der Schweiz zur oder um den Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union, durchwegs verborgen. Wahrscheinlich war alles nur ein Test, um die Reaktionen auf Pläne, die durchaus einmal in die manifest gewordene Richtung gehen könnten, abzufühlen. Hätte das Projekt eine profunde, zielstrebige und insbesondere realitäts-ausgerichtete Umsetzung erfahren, wäre es nicht bereits nach ein paar Tagen seit Bekanntgabe der Pläne wieder eingestampft worden. Dass der Versuchs-Ballon nicht einmal eine Woche wie ein Damoklesschwert über dem Klubfussball schweben sollte, war wohl ein Teil des Marketings. Dafür spricht vor allem, dass sich die Protagonisten des kapitalistischen Projektes umgehend reumütig vor den mobilisierten Fans, die derzeit eh vom unmittelbaren Fussball ausgeschlossen sind, in den Staub geworfen und letztere um Verzeihung gebeten haben. Zu vieles bei diesem Wellenschlag schien geplant und alles andere als zufällig. Juristisch wäre die angedachte Liga zweifelsfrei nicht zu stoppen gewesen. Das schweizerische Kartellrecht hätte den in der Schweiz domizilierten Verbänden UEFA und FIFA den juristischen Dolchstoss versetzt. Bei derartigen Auswirkungen von Sport-Monopolbetrieben verstehen eidgenössische Behörden und Gerichte keinen Spass.
Die Niederlage des Kapitals bei diesem Aufstand des Klub-Proletariats war vorgezeichnet und von den Initianten der ESL wohl auch so einkalkuliert worden. Es sollte letztlich (nur) ein Zeichen gesetzt und sensibilisiert werden. Das ist gelungen. Die abtrünnigswilligen Klubs stemmten sich auf diese Weise wohl gegen die Verbände, vor allem gegen die UEFA, welche die internationalen Klub-Wettbewerbe immer mehr aufbläht und (wirtschaftliche) Solidarität über sportliche Leistungen zu stellen gewillt ist. Auch die FIFA könnte die Lehre aus dem Geschehenen ziehen und sich durchaus überlegen, ob die für den Weltfussballverband systemfremde «Klub-Weltmeisterschaft» in der Tat weitere, teilnehmende Klubs erträgt.
Sicher zu Unrecht ist gegenüber den sezessionswilligen Klubs der Vorwurf des pekuniär-egoistischen Verhaltens erhoben worden. Selbstverständlich geht es im kommerziellen Fussball immer um Finanzielles. Das leben die Verbands-Funktionäre, die sich selber ungeniert die Taschen füllen, durchwegs vor. Solidarität im Klubfussball fordern und sich individuell, insbesondere pekuniär, ideal positionieren, ist ein Modell, das in der Politik seit jeher verbreitet ist. Beispielsweise in der ehemaligen «DDR». Da liessen es sich Erich Honecker und seine roten Brüder in der SED und im Staatsrat gut gehen, während ein Grossteil des Volkes noch nie eine Banane von nahem gesehen hatte. Kommunismus predigen und Kapitalismus geniessen ist eben auch eine Eigenheit des Klassenkampfes, der in den letzten Tage im Fussball-Business in spezieller Art ausgetragen und vom Klub-Proletariat gewonnen wurde. Das Kapital hat eine wohl ausgewogen kalkulierte Niederlage erlitten. Doch, wie faltete Uli Hoeness damals die Fans der Bayern zusammen: «Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alle finanziert?».