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Der Fall Manuel Gräfe – oder die Sache mit den Alterslimiten

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(causasportnews / red. / 28. Februar 2023) Dass Sportfunktionäre nicht gerade zu derjenigen Spezies gehören, welche von ihren Ämtern einfach so lassen wollen, ist hinlänglich bekannt. So war es nicht nur mit dem ehemaligen, heute 87jährigen Joseph Blatter, der 2016 gezwungen wurde, sein Amt als FIFA-Präsident, allerdings aus anderen Gründen, abzugeben. Zuvor wurde innerhalb und ausserhalb des Weltfussballverbandes diskutiert, wie beim Vorgänger von Gianni Infantino auf dem FIFA-Thron eine «Alters-Guillotine» greifen könnte. Es wurde dann in den Statuten festgeschrieben, dass der Präsident maximal drei Amtsperioden à vier Jahre absolvieren dürfe. Dieser Fall ist wieder omnipräsent geworden, als bekannt wurde, dass der Deutsche Spitzen-Schiedsrichter Manuel Gräfe (Jahrgang 1973) gegen die Regelung des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), wonach Top Schiedsrichter mit 47 Jahren die Schiedsrichter-Pfeifen abzugeben habe, juristisch ankämpfen wolle. Der Berliner Referee zog vor Gericht und machte gegenüber dem DFB Ansprüche auf Schadenersatz und Entschädigung zufolge Altersdiskriminierung durch den nationalen Verband geltend. Kürzlich (Verkünddatum 25. Januar 2023) hat das Landgericht Frankfurt a.M. (am Sitz des DFB) die Klage des ehemaligen Schiedsrichters teilweise gutgeheissen und den DFB verurteilt, Manuel Gräfe eine Entschädigung für den geltend gemachten Nichtvermögensschaden von Euro 48’500.– zu bezahlen. Der Kläger liess durch seinen Düsseldorfer Anwalt, den Sportrechtsspezialisten Dr. Olaf Methner, ausführen, der DFB halte, wie etwa früher die FIFA, an einer starren Jahresregelung fest, was das Gericht allerdings verneinte. Das Landgericht liess die ursprüngliche Feststellungsklage durch eine Leistungsklage erweitern und sprachen dem Kläger die Entschädigung gestützt auf § 15 Abs. 2 des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu. Nebst anderen Feststellungen erkannte das Landgericht Frankfurt, dem ehemaligen Schiedsrichter sei es nicht gelungen, eine Benachteiligung wegen des Alters darzulegen. Eine absolute Altersgrenze von 47 Jahren sei gemäss DFB-Regelwerk nicht zu erkennen, doch könne grundsätzlich eine tatsächliche Benachteiligung aus jedem Tun oder Unterlassen (konkret durch den DFB) abgeleitet werden. Unstreitig sei, dass der DFB Bewerbungen von Schiedsrichtern ab dem 47. Lebensjahr anders behandle als diejenigen jüngerer Bewerber. Den Äusserungen des Verbandes, so das Gericht, sei zu entnehmen, dass die Schiedsrichtertätigkeit auf dem Platz tatsächlich mit 47 Jahren ende. Es liege demnach konkret eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Ex-Schiedsrichters Manuel Gräfe vor. Wörtlich hält das Gericht fest: «…erscheint es im Ergebnis willkürlich, für die Bestimmung des Zeitpunktes des Ausscheidens als Schiedsrichter in den Eliteligen auf das Erreichen einer starren Altersgrenze – hier von 47 Jahren – abzustellen.». Aus Aspekten der Qualitätssicherung sei auch nicht auf ein Alter von 47 Jahren abzustellen, da allein aus dem Alter kein Rückschluss auf die Tauglichkeit des Schiedsrichters zu ziehen sei. Das Landgericht Frankfurt qualifizierte die Geldentschädigung von Euro 48’500.– als zwar notwendig, aber auch als ausreichend.

Schiedsrichter Manuel Gräfe will zufolge der teilweisen Abweisung der Schadenersatzansprüche gegen das Urteil Berufung einlegen.

Auf «Eis» gelegt: Beach-Volleyballerinen gewinnen gegen ihren Verband

(causasportnews / red. / pd.,13. Oktober 2020) Ein sowohl bemerkenswertes als auch wegweisendes Urteil hat das Landgericht Frankfurt am Main gefällt: Zwei professionell aktive Beach-Volleyballerinnen sind mit ihrer Schadenersatzklage gegen den zuständigen Sport-Fachverband durchgedrungen, weil dieser sie für internationale Wettkämpfe nicht mehr zugelassen und an ihrer Stelle andere Sportlerinnen nominiert hatte, obwohl die Klägerinnen teils sportlich erfolgreicher waren als ihre Konkurrentinnen. Es sind ihnen 17 000 US-Dollar insbesondere für entgangene Turnier-Preisgelder zugesprochen worden; das soeben bekanntgewordene Urteil vom 7. Oktober 2020 der 6. Zivilkammer (Aktenzeichen 2-06 O 457/19) ist noch nicht rechtskräftig und kann beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Der beklagte Verband machte verschiedene Gründe geltend, weshalb die Sportlerinnen nicht mehr für internationale Wettbewerbe nominiert worden waren. So wurde etwa der Qualifikationsdruck um freie Turnierplätze ins Feld geführt, weshalb seitens des Verbandes eine Nominierungs-Konsolidierung mit neuen Teams angestrebt worden sei.

Nebst der Begründung in der Sache selber lässt die Entscheidung mit Blick auf die Zuständigkeitsfrage aufhorchen: Das Verfahren zur Beurteilung der Forderungsklage hätte an sich vor ein Schiedsgericht gebracht werden müssen. Die entsprechende Schiedsvereinbarung wurde nun allerdings von dem von den Klägerinnen angerufenen, staatlichen Gericht in Frankfurt als unwirksam qualifiziert, «weil sich die Klägerinnen nicht freiwillig der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen» hätten, so das Gericht. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im «Fall Pechstein» ist bei Leistungssportlerinnen und -sportlern von einer unfreiwilligen Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsbarkeit auszugehen, wenn die Berufsathletinnen und -athleten «vor der Wahl stehen, eine Schiedsklausel anzunehmen, um durch die Ausübung ihres Sportes ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, oder sie nicht zu akzeptieren und damit vollständig auf ihren Lebensunterhalt durch Ausübung des Sports zu verzichten», begründete das Frankfurter Landgericht die Entscheidung betreffend der gerichtlichen Zuständigkeit weiter. Von einer unfreiwilligen Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit sei auch dann auszugehen, falls die Volleyballerinnen die Klauseln kritiklos unterzeichnet hätten, heisst es weiter in der Entscheidung. Klar war für das Gericht der Umstand, dass die Unterwerfung der von monopolistischen Sportverbänden verlangten Schiedsklauseln die rechtssuchende Sportlerin oder den Sportler benachteilige. Somit erklärte das Landgericht Frankfurt unmissverständlich, dass die im Sport durchwegs gängigen und verlangten Schiedsvereinbarungen grundsätzlich mit dem Erfordernis der unabhängigen Gerichtsbarkeit nicht in Einklang zu bringen seien.

«Causa Sport» (4/2020; http://www.causasport.org) wird auf dieses Urteil zurückkommen.