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Die Schweiz und die Türkei können es nicht miteinander

(causasportnews / red. / 25. Februar 2023) Es gibt Menschen, die können es nicht miteinander. Es gibt aber beispielsweise auch Länder, die sich nicht mögen oder die sich sogar spinnefeind sind. Zur letztgenannten Kategorie gehören offenbar die Türkei und die Schweiz, was einigermassen sonderbar ist, zumal die Türkei etwa das Schweizerische Privatrecht rezipiert hat. Doch wenn es dann um Fussball geht, schlägt die Stimmung bald einmal in Hass und Gewalt um. Weshalb, ist unklar, aber es ist einfach so. In schlechtester Erinnerung sind die Gewaltszenen im November 2005 in der Türkei, als sich die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft im Hexenkessel von Istanbul durchsetzte und sich für die Fussball-WM-Endrunde in Deutschland 2006 qualifizierte. Das WM-Aus ertrugen die Türken schlecht, und auf dem Spielfeld und auf dem Weg in die Stadion-Kabinen griffen türkische Spieler und Offizielle Mitglieder und Offizielle der Schweizer Nationalmannschaft mit roher Gewalt an und inszenierten Hetzjagden, welche in die WM-Geschichte eingingen. Die Schweizer kloppten tapfer zurück, weshalb sich der Internationale Fussballverband FIFA in Zürich nach der Schlacht von Istanbul veranlasst sah, das umfassendste Disziplinarverfahren seiner Geschichte durchzuführen, um die übelsten Schläger, Treter und Provokateure zu sanktionieren. Die Schweiz schrieb danach ein Teil des «Sommermärchens» 2006 in Deutschland mit, die Türken leckten zu Hause ihre Wunden nach dem WM-Aus und der Gewaltorgie in Istanbul.

Vor ein paar Tagen kehrten Schweizer Helferinnen und Helfer aus dem Erdbebengebiet in der Türkei zurück und wurden von in der Schweiz lebenden Türkinnen und Türken mit tosendem Applaus am Flughafen empfangen. Also lieben sich Türken und Schweizer im Grunde genommen doch? Für die Schweiz war es selbstverständlich, der malträtierten Türkei zu helfen, auch wenn diese Hilfe in einem Land, in dem ein vom Volk gewählter Staatspräsident wütet und das Land derzeit ins Mittelalter zurückwirft, notwendig wurde. Recep Tayyip Erdogan sind westliche Exzesse, wie sie in seinen Augen auch in der Schweiz stattfinden, ein Gräuel.

Einige Tage später trat der FC Basel zum Playoff-Hinspiel in der Conference League beim Türkischen Meister Trabzonspor an. Im Land, das gerade eine gewaltige Naturkatastrophe erlebte, ein Wahnsinn: Trotz Tausender von Toten und flächendeckender Zerstörung ging Fussball trotzdem, so zumindest sah es der organisierende Europäische Fussballverband UEFA. Dass die Türken gegen die Basler 1:0 siegten, war keine Überraschung. Trabzonspor spendete übrigens die Match-Einnahmen den Erdbebengeschädigten. Im Rückspiel machte der FC Basel mit einem 2:0 dann alles klar und warf den Türkischen Meister aus der Conference League. Danach herrschte am Rheinknie so etwas wie courant normal, wenn Türken und Schweizer im Fussball aufeinandertreffen: Zwar lief das Spiel im Stadion gesittet ab, aber danach lieferten sich «Fans» der beiden Mannschaften im Dreiländereck bis in die frühen Morgenstunden regelrechte Strassenschlachten. Und so wurde es wieder einmal klar: Die Schweiz und die Türkei können es einfach doch nicht miteinander…

Vom «Schiedsrichter-Jäger» – zum Fussball-Präsidenten

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(causasportnews / red. / 24. November 2020) Zumindest den älteren Sport-Interessierten sind die Szenen, die sich am 7. Oktober 1989 im Fussball-Stadion «Tourbillon» in Sion ereignet haben, noch in Erinnerung. Es waren regelrechte Jagd-Szenen, welche vor allem die TV-Zuschauer schockierten. Die Hatz, eine eigentliche «Hexen- bzw. Schiedsrichter-Jagd», auf den bemitleidenswerten Schiedsrichter Bruno Klötzli war rund um den Erdball nicht nur in den Nachrichten zu sehen. Der «Fall» manifestierte auch ein offensichtliches, gesellschaftliches Problem, etwa den aufgeklärten Umgang mit Autoritäten. Bis anhin galt für einen Schiedsrichter das «noli me tangere» (berühre mich nicht!). Schiedsrichter Bruno Klötzli pfiff auf dem (permanent) «heissen» Terrain des «Tourbillon» just in jenem Sekundenbruchteil das Spiel zwischen dem FC Sion und dem FC Wettingen ab, als der Ball über die Torlinie flog. Kein Tor, entschied er, was den FC Sion und seine fanatischen Anhänger beglückte, den FC Wettingen jedoch in Rage brachte. Das Tor hätte in der Nachspielzeit den Ausgleich für den FC Wettingen bedeutet, der bis zu jener Szene 0:1 im Rückstand lag. Spiel verloren, Frustbewältigung war angesagt. Vor allem vier Spieler verfolgten und attackierten den flüchtenden Schiedsrichter, dessen verängstigter Gesichtsausdruck von den TV-Kameras in brutaler Realität eingefangen wurde. Einer dieser Akteure war der heute 53jährig Reto Baumgartner, der damals für die zwischenzeitlich in der Fussball-Anonymität verschwundenen Aargauer kickte (der FC Wettingen spielte in jenem Jahr im UEFA-Cup u.a. gegen die SSC Napoli – mit Diego Maradona im Kader). Reto Baumgartner und die Mannschaftskollegen Roger Kundert, Alex Germann und Martin Frei wurden für die gravierende Verletzung der Schiedsrichter-Integrität mit harten Sanktionen belegt – Reto Baumgartner mit einem zehnmonatigen Berufsverbot. Später wechselte der Heisssporn zum FC Basel. Seither lebt und arbeitet Reto Baumgartner (als Leiter Berufsbildung des Gewerbeverbandes) in der Region Basel. Der ehemalige Spieler ist natürlich längst geläutert, sogar so, dass ihn kürzlich die Mitglieder des Vereins FC Basel zum Vereinspräsidenten wählten (die Professional-Abteilung des FC Basel, die FC Basel 1893 Aktiengesellschaft, ist mit dem Verein FC Basel nicht identisch; neu ist bei diesem gesellschaftsrechtlichen Konstrukt seit der Wahl von Reto Baumgartner zum Vereins-Präsidenten, dass die Präsidien des Vereins und der Aktiengesellschaft nicht mehr in Personalunion versehen werden).  In der FC Basel 1893 AG wirkt nach wie vor Bernhard Burgener als Präsident. Dieser ist seit geraumer Zeit in der Entertainment-Branche und im TV- und Film-Business tätig. Die damalige Jagd auf Schiedsrichter Bruno Klötzli mit Reto Baumgartner als einer der Hauptdarsteller dürfte trotz der neuen Rolle von Reto Baumgartner im FC Basel kein Verfilmungsthema für Bernhard Burgener werden. Die Hauptdarsteller von damals würden aber zweifellos Stoff für eine Filmgeschichte abgeben. Der attackierte Bruno Klötzli geriet nach dem Skandal in Sion auf die schiefe Bahn, verfiel der Spielsucht, unterschlug Geld und fing sich erst nach Jahren wieder auf. Heute führt er in der Westschweiz ein Restaurant.