causasportnews / Nr. 1098/01/2024, 7. Januar 2024

(causasportnews / red. / 7. Januar 2024) Allmählich wird gewahr, wie der Französische Staatspräsident Emmanuel Macron der Schweiz die Olympischen Winterspiele 2030 wegschnappte – oder sich die Schweizer Sport-Funktionärskaste sowie die Sportministerin vom begnadeten Strippenzieher aus dem westlichen Nachbarland übertölpeln liessen (vgl. auch causasportnews vom 1. Dezember 2023).
Vorspiel I: Das Internationale Olympische Komitee (IOK), ein Schweizer Verein mit Sitz in Lausanne, bekundet immer grössere Mühe, um valable und unumstrittene Ausrichter-Destinationen für Olympische Sommer- und Winterspiele zu finden. Mit Blick auf die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2030 wurde der Sitzstaat des IOK, die Schweiz, vom IOK lange Zeit mit allen Mitteln umgarnt und bekniet, die Olympia-Wettkämpfe (dezentral) in der Schweiz auszutragen. Mit Hängen und Würgen erklärten sich die obersten helvetischen Sport-Funktionäre bereit, den Grossanlass 2030 hier durchzuführen. Auch die Schweizer Regierung schaltete die Olympia-Ampeln auf «grün». Die vereinigte Schweizer Sport- und Polit-Prominenz feierte sich und den Olympia-Zuschlag bereits ausgiebig, in Verkennung der Ereignisse, die sich am 15. November 2023 zutrugen und wie sie zum Jahresende 2023 von der Boulevard-Zeitung «Blick» (Sonntags-Blick vom 31. Dezember 2023) nachgezeichnet wurden.
Vorspiel II: An jenem Tag traf Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu einem Staatsbesuch in der Schweiz (!) ein. Die Schweiz fühlte sich ob des französischen Antichambrierens geehrt und huldigte dem Staatsoberhaupt. Man war beste Freunde; der Champagner floss in der Bundeshauptstadt Bern in Strömen. Doch Emmanuel Macrons Besuch hatte vor allem einen Zweck, nachdem die Gelüste der Franzosen auf Olympia auch im Winter nicht mehr verborgen blieben: Die Winterspiele 2030 nach Frankreich zu holen. Man ahnte es – nur die Schweiz glaubte weiterhin an das Gute in den Menschen; und an das Faktum, dass nach der Vergabe der Olympischen Sommerspiele in diesem Jahr an Paris alles in trockenen Tüchern sei.
Hauptakt I: Während Emmanuel Macron anlässlich seines Staatsbesuches vorwiegend in Bern hofiert wurde, begab sich seine Entourage zur gleichen Zeit nach Lausanne, um am Sitz des IOK für Frankreich 2030 zu lobbyieren. IOK-Präsident Thomas Bach und der Französische Staatspräsident waren sich schon vorher grundsätzlich einig geworden, dass die Olympischen Winterspiele 2030 in den französischen Alpen durchzuführen seien.
Hauptakt II: Als die Schweizer Sport- und Politelite auch an jenem 15. November 2023 immer noch vom Zuschlag der Spiele 2030 träumte und dieses Ereignis feierte, platzte am 29. November 2023, zwei Wochen nach dem Staatsbesuch von Emmanuel Macron in der Schweiz, die «Bombe». Aus Paris (!), nicht aus Lausanne, verkündete das IOK, dass Frankreich die Olympischen Winterspiele 2030 austragen könne. Die Schweiz, so das IOK, dürfe aber bezüglich der Winterspiele 2038 in einen «privilegierten Dialog» treten, was bedeutet, dass der Schweiz die Ehre zukommen wird, ernsthaft, gnädigst und beinahe konkurrenzlos mit dem IOK sprechen zu dürfen…
Fazit: Das IOK liess die Schweizer Sport- und Polit-Elite von Olympischen Winterspielen träumen, die eigentlich keine unumstrittene Destination austragen wollte – bis Frankreich, das in punkto Sport im globalen Kontext derzeit alles aufsaugt, was möglich ist, das IOK zu umgarnen begann. Aus welchen Gründen auch immer! Die Schweiz liess sich übertölpeln und erlitt in diesem Olympia-Poker eine schmähliche Niederlage. Die trägen Verbands-Funktionäre und insbesondere eine naive, unbedarfte und beratungs-immune Sportministerin ohne jegliches diplomatisches Geschick, die übrigens in diesem Jahr sogar als Bundespräsidentin amtet, waren den taktischen, ja hinterlistigen Spielen von Emmanuel Macron und Thomas Bach nicht gewachsen. Diesen IOK-Nackenschlag versuchen die geprügelten Verbands-Amateure der helvetischen Sportpolitik nun in einen Sieg umzudeuten, indem sie den «privileged dialogue» mit dem IOK als grosse Errungenschaft darzustellen versuchen. Dass Sport und Politik in der Schweiz trotz dieses «Privilegs» fähig sind, die Winterspiele 2038 in die Schweiz zu holen, glauben wohl lediglich diese selber. Nur weil sie dann in diesem Poker dem gewieften Gegner Emmanuel Macron nicht mehr gegenüberstehen werden, heisst das noch lange nicht, dass «es» mit der Vergabe 2038 klappen wird! Die Realität stirbt zuletzt: Eigentlich hat es die Schweiz aber auch nicht nötig, zum globalen Spielball der Sport-Politik zu werden. Doch diese Erkenntnis geht den federführenden Protagonistinnen und -en in der Schweiz ab. Im Moment ist trotz schönfärberischer Rhetorik insbesondere aus Bern und nach der Umdeutung der Vergabe-Niederlage in einen Sieg ein breitgefächertes Wundenlecken angesagt.

