
(causasportnews / red. / 22. Januar 2021) Ende des vorletzten Jahres verurteilte das Bezirksgericht Willisau den bekannten Schweizer Springreiter Paul Estermann wegen mehrfacher, vorsätzlicher Tierquälerei (Art. 26 Abs. 1 lit. a Tierschutzgesetz), belegte ihn mit einer bedingten Geldstrafe und büsste ihn mit 4000 Schweizer Franken. Die erste Strafinstanz sah es am 20. November 2019 (Urteilsdatum) als erwiesen an, dass der erfolgreiche Pferde-Sportler zwei Pferden starke Peitschenhiebe, die mehr als nur Spuren hinterliessen und als Misshandlungen qualifiziert wurden, verabreicht hatte. Gegen die Verurteilung appellierte der Reiter (causasportnews vom 21. Dezember 2020). Das angerufene Luzerner Kantonsgericht bestätigte nun die Verurteilung des Reiters erwartungsgemäss und sprach ihn einzig wegen Vorfällen, die sich zwischen 2014 und 2017 ereignet hatten, frei. Die Berufungsinstanz erhöhte dennoch das Strafmass leicht; hingegen wurde die von der Vorinstanz ausgefällte Busse fallen gelassen.
Die Anklageschrift in der «Causa Paul Estermann» liest sich geradezu schockierend, weil gemäss Vorhalt zwei Pferde durch Peitschengebrauch des Reiters massiv malträtiert wurden. So soll Paul Estermann das Pferd «Castlefield Eclipse» im April 2016 übermässig gegen die Flanken und den Unterbauch geschlagen haben, was beim geschundenen Tier zu Schwellungen und Blutungen geführt habe. Kurz vor diesem gravierenden Vorfall soll der Reiter gegenüber demselben Pferd massiv mit der Peitsche aktiv geworden sein. Zudem soll sich Paul Estermann eines Übergriffs am Pferd «Lord Pepsi» im Herbst 2015 schuldig gemacht haben. Für diese Quälereien ist der Reiter nun auch vom Kantonsgericht verurteilt worden. Bezüglich zweier weiterer Vorfälle gegen «Lord Pepsi» zwischen 2014 und 2017 wurde der Beschuldigte freigesprochen. Da das Berufungsurteil noch nicht rechtskräftig ist und nach Vorliegen der Begründung an das Schweizerische Bundesgericht gezogen werden kann, gilt für den erneut verurteilten Reiter nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Wird im Pferdesport gegenüber dem «Sportgerät Pferd» die Peitsche eingesetzt, überkommt den Betrachter seit jeher ein ungutes Gefühl; wer sich etwa das berühmte Pferdehindernisrennen in Aintree bei Liverpool anschaut, packt bei ausreichend vorhandener Empathie regelrecht das Grausen, wenn die Jockeys brutal auf ihre Pferde einschlagen oder die teils geschundenen Kreaturen aus diversen Gründen sogar tot zusammenbrechen – alles zum Gaudi der Spassgesellschaft. Es dürfte sich nur noch um eine Frage der Zeit handeln, bis der Einsatz der Peitsche gegenüber Pferden ganz verboten wird. Je schneller desto besser. Es war auch ein eher schleichender Prozess, bis das Schlagen von wehrlosen Kindern geächtet und schliesslich verboten wurde (aber es natürlich auch so nicht verhindert werden kann, gleich, wie die Dunkelziffer von meistens Gewalttätern in Partnerschaften hoch ist). Das Schlagen von Pferden ist bei exzessivem Gebrauch der Peitsche eine Tierquälerei. Die Integrität des Pferdes wird durch das Tierschutzgesetz geschützt – allerdings relativ lau. Der exzessive Gebrauch der Peitsche gegenüber der wehrlosen Kreatur «Pferd» gilt in diesem Fall als Misshandlung. So qualifizierte auch das Luzerner Kantonsgericht weitgehend die eingeklagten Taten von Paul Estermann als Misshandlungen und verurteilte ihn wegen mehrfacher, vorsätzlicher Tierquälerei. Das Urteil ist im Dispositiv (noch ohne Begründung) eröffnet worden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Berufungsinstanz, wie zuvor das Bezirksgericht Willisau, bei der Sachverhaltsfeststellung insbesondere auf einen Hauptzeugen abgestellt hat, der nota bene mit dem Verurteilten eine private Fehde ausgetragen hatte, was der ganzen Sachlage zusätzliche Brisanz verleiht. Auf die Begründung des Kantonsgerichts Luzern ist zu gegebener Zeit noch einzugehen. Das Urteil des erstinstanzlichen Bezirksgerichts Willisau wird in der nächsten Ausgabe von «Causa Sport (1/2001, erscheint am 31. März 2021) wiedergegeben und kommentiert.