Neues i.S. „Sommermärchen“: Bundesgericht erteilt ehemaligem FIFA-Generalsekretär Abfuhr

(causasportnews / rbr. / 15. Januar 2019) Der ehemalige Generalsekretär der Fédération Internationale de Football Association (FIFA), Urs Linsi, hat im Rahmen von Untersuchungen gegen ihn im Nachgang zu den „Sommermärchen“-Aufklärungen (WM-Vergabe 2006 an den Deutschen Fußball-Bund, DFB) einen herben prozessualen Rückschlag erlitten. Wie kürzlich bekannt geworden ist, erlaubt das Schweizerische Bundesgericht (BGer) der Bundesanwaltschaft (BA), bei Urs Linsi sichergestellte Unterlagen auszuwerten (Urteil BGer 1B_196/2018 vom 26. November 2018).

Die BA führt gegen Urs Linsi seit mehr als zwei Jahren eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, StGB), des Betrugs (Art. 146 StGB), der Veruntreuung (Art. 138 StGB) und der Geldwäscherei (Art. 305bisStGB). Die Untersuchung betrifft die ominöse Zahlung von EUR 6,7 Mio., die im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschafts-Endrunde 2006 vom DFB über die FIFA an den zwischenzeitlich verstorbenen Adidas-Eigentümer Robert Louis-Dreyfusgeflossen war. Den gleichen Betrag hatte Robert Louis-Dreyfus zuvor an eine Gesellschaft des damaligen FIFA-VizepräsidentenMohamed Bin Hammamaus Katar überwiesen (vgl. causasportnews vom 4. Mai 2017 und causasportnews vom 7. März 2016). 2015 gab der DFB bei einer Anwaltskanzlei eine interne Untersuchung in Auftrag. In deren Bericht vom 4. März 2016, in welchen die Untersuchung mündete, wird auch der Name Urs Linsis mehrfach erwähnt. Die BA wirft ihm vor, an der Rückzahlung eines vom DFB nicht geschuldeten „Darlehens“ aus DFB-Mitteln und an der Verschleierung der Herkunft deliktisch erlangter Vermögenswerte beteiligt gewesen zu sein.

Im Rahmen der erwähnten Untersuchung führte die BA am 23. November 2016 in den Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten Urs Linsis eine Hausdurchsuchung (Art. 244 f. der Schweizerischen Strafprozessordnung, StPO) durch. Dabei stellte sie 39 Asservate sicher. Urs Linsi verlangte daraufhin die Siegelung der betreffenden Gegenstände (Art. 248 Abs. 1 StPO). Am 13. Dezember 2016 stellte die BA deshalb beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern (ZMG) ein Entsiegelungsgesuch (Art. 248 Abs. 2 StPO), welches dessen Präsident am 15. März 2018 teilweise guthiess (Entscheid KZM 16 1708). Gegen diesen Entscheid erhob Urs Linsi am 16. April 2018 Beschwerde in Strafsachen an das BGer (Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG) und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Rückgabe aller versiegelten Objekte.

Das BGer erwog, dass es sich beim angefochtenen Teil-Entsiegelungsentscheid nicht um einen End-, sondern um einen strafprozessualen Zwischenentscheid (Art. 93 BGG) handle, der das Strafverfahren nicht abschliesse. Dem Beschwerdeführer müsse daher, damit die Beschwerde zulässig sei, ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Dieser und insbesondere seine Geheimhaltungsinteressen seien vom Inhaber der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände ausreichend zu substanziieren und glaubhaft zu machen (vgl. Art. 42 BGG). Das blosse Motiv, strafprozessuale Beweiserhebungen zu unterbinden, sei hingegen nicht ausreichend. Dasselbe gelte für den Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreite, in den Akten bleibe bzw. durchsucht werde. Das BGer betrachtete die in der Beschwerdeschrift enthaltenen Ausführungen hierzu als den gesetzlichen Substanziierungsanforderungen nicht genügend. Der Beschwerdeführer habe keine konkreten rechtlich geschützten Geheimnisse (z.B. Zeugnisverweigerungsrecht, Berufs- oder Geschäftsgeheimnis) dargelegt, die einer Entsiegelung entgegenstünden. Solche ergäben sich auch nicht, soweit überhaupt möglich, aus den übrigen Verfahrensakten. Demzufolge trat es auf die Beschwerde Urs Linsis gegen den Entsiegelungsentscheid des ZMG gar nicht ein. Dessen Entscheid ist damit rechtskräftig. Die Beschwerde Urs Linsis ist somit bereits aus formalen Gründen gescheitert. Die BA darf die sichergestellten Beweismittel nun durchsuchen. Die BA steht diesbezüglich zeitlich unter Druck; es droht nämlich die Verjährung, liegen die untersuchten Vorfälle doch schon rund vierzehn Jahre zurück (2005/2006). Die Verjährungsfrist beträgt generell zehn (Vergehen, Art. 10 Abs. 3 StGB) bzw. fünfzehn Jahre (Verbrechen, Art. 10 Abs. 2 StGB; Art. 97 Abs. 1 StGB). In diesem Umstand dürfte auch das Motiv für die Beschwerdeführung liegen. Es dürfte dennoch interessant sein, was das nun zu entsiegelnde Beweismaterial zu Tage fördert. Für Urs Linsi gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung („Causa Sport“ wird in Heft 1/19 auf die Entscheidung zurückkommen).

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