«Ringer-Parabel» – Clinch zwischen muslimischen Ringern und Kampfrichterin führt zu mehrmonatigen Sperren

(causasportnews / rbr. / 18. Januar 2019) Religiöse Neutralität und Gleichberechtigung der Geschlechter sind zwei der obersten Gebote im (organisierten) Sport. Entsprechend sehen die Regelwerke des Internationalen Olympischen Komitees (s. die Olympische Charta) und wohl sämtlicher nationalen und internationalen Sportverbände ein Verbot der Diskriminierung aus religiösen Gründen sowie aufgrund des Geschlechts vor.

Vor Diskriminierung geschützt werden sollen dadurch naturgemäss in erster Linie die Sportler. Dass die Athleten diskriminierende Handlungen allerdings nicht nur erleiden, sondern auch selber begehen können, zeigt ein aktueller Fall aus Deutschland: In einem Mannschaftskampf des Ringervereins RWG Hanau/Erlensee (Vorort von Frankfurt a.M., Hessen) gegen den AC Goldbach im Dezember 2018 hatten sich drei Ringer geweigert, sich von einer weiblichen Kampfrichterin berühren zu lassen. Es ging u.a. um einen (reglementarisch vorgeschriebenen) Handschlag mit der Kampfrichterin, eine Fingernagelkontrolle durch diese sowie die Überprüfung der Rücken der Athleten auf Öl. Die Ringer – zwei Russen und ein Bulgare und alle drei muslimischen Glaubens – führten für ihre Weigerung religiöse Gründe an. Sie machten zudem geltend, es bislang noch nie mit einer Frau als Kampfrichterin zu tun gehabt zu haben. Die Kampfrichterin, gleichzeitig Vizepräsidentin des Hessischen Ringerverbands (HRV), disqualifizierte die drei Ringer deswegen.

In der Folge sperrte der Rechtsausschuss des HRV die drei Ringer bis zum 31. Juli 2019. Er begründete dies damit, dass es „keine zwingende theologische Begründung“ für das Verhalten der Athleten (die offenbar schon seit mehreren Jahren in Deutschland leben) gebe. Keine Sanktion sprach der Rechtsausschuss hingegen gegen den Ringerverein aus, weil diesen hinsichtlich des Verhaltens der Ringer kein Verschulden treffe. Diese „Ringer-Parabel“ – die Erinnerungen an die sog. „Handschlagverweigerer“ aus dem basellandschaftlichen Therwil weckt (zwei muslimische Oberstufenschüler hatten sich im Jahr 2016 geweigert, ihrer Lehrerin zum Abschied die Hand zu reichen) – führt einmal mehr das stete Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und geordnetem (und sicherem) Sportbetrieb vor Augen. Ähnliche Fälle aus der Vergangenheit betrafen bspw. ein Kopftuchverbot im Basketball (Fall Sura al-Shawk gg. Nord-Ostschweizer Basketballverband, s. Causa Sport 2010, 59 ff. und 2013, 317) oder Fussballer, die beim Torjubel mittels der Leibchen unter ihren Matchtrikots religiöse Botschaften verbreiteten (Fall Eduardo/Grasshopper Club Zürich).

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