Sportwetten als ökonomische Forschungsobjekte

(causasportnews / rbr. / 12. Januar 2019) Dass Sport eine Art Lebensschule ist, dürfte heute niemand mehr in Abrede stellen. Erkenntnisse aus der Sportwelt lassen sich aber auch für konkrete ökonomische Zwecke nutzbar machen. Das zeigt eine Studie von zwei britischen Ökonomen, welche die Effizienz des Marktes für Anlagefonds anhand eines Vergleichs mit dem Sportwettenmarkt untersucht haben (vgl. auch „Neue Zürcher Zeitung“ vom 10. Januar 2019).

Sportwetten: Auffallende Ähnlichkeiten zu Anlagefonds

Bei Anlagefonds wird unterschieden zwischen aktiven und passiven Fonds. Der Hauptunterschied liegt in den Anlagezielen. Aktive Fonds(die „klassischen“ Anlagefonds) versuchen, eine höhere Rendite zu erzielen als der ihnen zugrundeliegende Vergleichsindex (z.B. der Swiss Market Index SMI). Zu diesem Zweck werden sie von einem Fondsmanager – wie der Name sagt – aktiv verwaltet: Die einzelnen Positionen werden laufend analysiert, Gewichtungen vorgenommen, Prognosen getätigt, usw. Bei passiven Fondshingegen – auch Exchange Traded Funds (ETF) oder Indexfonds genannt – wird kein solcher Einfluss auf die Zusammensetzung des Portfolios genommen. Vielmehr werden die eingelegten Gelder entsprechend dem Index (Anzahl und Gewichtung) angelegt mit dem Ziel, diesen Index möglichst genau nachzubilden. Die Kursschwankungen des Fonds entsprechen damit denjenigen des Indexes. Folglich beschränkt sich die Fondsverwaltung bei den passiven Fonds im Wesentlichen auf die Wiederanlage und die Ausschüttung von Dividenden sowie die Anpassung des Fonds an Indexveränderungen. Dadurch sind die Verwaltungskosten bei den passiven Fonds wesentlich niedriger als bei den aktiven. Sowohl aktive als auch passive Fonds unterstehen in der Schweiz als sog. kollektive Kapitalanlagendem Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen vom 23. Juni 2006 (KAG).

Im Jahr 2019 werden in den Vereinigten Staaten die passiven Fonds gegenüber den aktiven voraussichtlich erstmals in der Mehrheit und damit neu die grösste Produktekategorie für Aktieninvestments sein. Potenziell ist dieser Umstand eine Gefahr für die Effizienz der Märkte, da effiziente Märkte darauf angewiesen sind, dass die Anleger sich Informationen beschaffen. Gerade das geschieht bei passiven Fonds naturgemäss nicht. Die erwähnte Studie deutet indessen darauf hin, dass eine Ineffizienz der Märkte gleichwohl nicht zu befürchten ist.

Für ihre Erkenntnisse haben sich die Forscher Erfahrungen aus dem Bereich der Sportwetten – konkret auf Tennis und Fussball – zunutze gemacht. Jährlich im Juni wird im Queen’s Club in London ein ATP-Tennisturnier ausgetragen, das als eines der wichtigsten Vorbereitungsturniere für Wimbledon gilt. In geraden Kalenderjahren finden jeweils gleichzeitig Fussball-Welt- oder -Europameisterschaften statt (z.B. 2018 die WM-Endrunde in Russland oder 2016 die EM in Frankreich). Das wiederum führt dazu, dass in diesen Jahren weniger auf das Tennisturnier in Queen‘s gewettet wird, weil sich Gelegenheitswetter eher den Fussballwettbewerben zuwenden. Umgekehrt handelt es sich damit bei den Personen, die auf Queen’s wetten, überwiegend um gut informierte Wetter. Die Forscher fanden nun heraus, dass der Tenniswettmarkt in den ungeraden Jahren – also in den Jahren, in denen kein Fussball-Grossanlass stattfindet, die weniger informierten Wettenden also aktiver im Tennis sind – wesentlich effizienter ist. Oder anders: Der Umstand, dass die informierten Wettenden in der Mehrzahl sind, führt nicht zu effizienteren Märkten; vielmehr scheint gerade das Gegenteil der Fall zu sein.

Was auf den ersten Blick erstaunt, lässt sich – wiederum am Beispiel des Sports – relativ einfach erklären: Informierte Wettende gehen davon aus, gegenüber den schlechter informierten Gelegenheitswettern einen Vorteil zu haben. Sie recherchieren deshalb Informationen über die Spieler, deren Formstand, Verletzungen, die Spielpaarungen, Auslosungen, usw. Das Vorhandensein uninformierter Wettender ist dabei aus ihrer Sicht ein Anreiz: Auf deren Kosten möchten die informierten nämlich einen Gewinn erzielen. In den ungeraden Jahren sind mehr uninformierte Wettende am Spiel beteiligt, wodurch auch der Anreiz für die Informierten steigt, sich zusätzliche Informationen zu beschaffen und so angeblich einen Vorteil zu erlangen. Gibt es umgekehrt keine oder nur wenige solcher uninformierten Wettender, sinkt für die informierten der Anreiz, Informationen zu sammeln (dieser Effekt hält zeitlich jedoch i.d.R. nicht unbeschränkt an; ist ein Markt effizient, schwindet der Anreiz, sich Informationen zu beschaffen, und die informierten Akteure verlassen den Markt wieder. Dadurch wird Letzterer wieder ineffizient). Angewendet auf Anlagefonds bedeutet dies, dass der Markt dann effizienter ist, wenn mehr „uninformierte“ Anleger – also solche, die den Markt nicht analysieren (lassen), sondern passiv und streng nach Index anlegen – beteiligt sind. Damit kann aber auch der prognostizierte Anstieg des Anteils an passiven Fonds dazu führen, dass die Aktienmärkte letztlich nicht ineffizienter, sondern gar effizienter funktionieren werden. Das hier wiedergegebene Beispiel illustriert ferner, dass sowohl Wetten auf Sportereignisse als auch Anlagen am Kapitalmarkt letztlich ein erhebliches aleatorisches Element innewohnt: Ein ertragsreicher Anlagetipp und eine Wette auf die Siegermannschaft sind sich ähnlicher, als es Fondsmanager (und Wettende) wahrhaben wollen…

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