causasportnews / 1191/10/2024, 15. Oktober 2024
(causasportnews / red. / 15. Oktober 2024) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxembourg vom 4. Oktober 2024 in der Sache des bald 40jährigen ehemaligen Berufs-Fussballspielers Lassana Diarra könnte Weiterungen erfahren und Folgen zeitigen. Der französische Ex-Fussballprofessional bewirkt mit seiner Klage und dem juristischen Erfolg in Luxembourg, dass das internationale Transfersystem des Welt-Fussball-Verbandes (FIFA) mit Sitz in Zürich aus den Angeln gehoben werden könnte, zumindest teilweise (vgl. auch causasportnews vom 5. Oktober 2024). Unter anderem hat die höchste Gerichtinstanz der Europäischen Union eine Arbeitsvertrags-Schutzbestimmung der FIFA zugunsten von Klubs für EU-rechtswidrig erklärt. Der Weltfussballverband ist bestrebt, Arbeitsverträge zwischen Spieler und Klubs zu schützen, indem die einschneidenden Folgen von Vertragsbrüchen auch künftigen Arbeitgebern (Klubs) der Spieler überbürdet werden. Spieler sollen nicht nach Belieben aus bestehenden Arbeitsvertragsverhältnissen aussteigen können; solche Verträge sollen also nicht ungestraft gebrochen werden können, beziehungsweise sollen potentiell künftige Klubs, welche mit Spielern selber kontrahieren möchten, davor abgehalten werden, Vertragsbrüche im Rahmen aktueller Arbeitsvertragsverhältnisses zu provozieren oder zu begünstigen, indem sie folgenlos einen vertragsbrüchigen Akteur übernehmen können.
Beispiel: Wenn ein Fussballspieler (Arbeitnehmer) grundlos (ohne einen sog. «wichtigen Grund»; aus «wichtigem Grund» – vgl. dazu etwa Art. 337 des Schweizerischen Obligationenrechts, OR, folgenlose Beendigung eines Arbeitsvertragsverhältnisses) vorzeitig ein befristetes Arbeitsvertragsverhältnis beendet, soll ein neuer Arbeitgeber (Klub)den Spieler nicht ohne sportliche und pekuniäre Folgen übernehmen können, also nicht straflos mit ihm kontrahieren dürfen. Dieser Druck wird durch eine verbandsrechtliche Reglung bewirkt, um Klubs davor abzuhalten, vertragsbrüchige Spieler zu übernehmen, also mit ihnen neue Arbeitsverträge abzuschliessen. Dies ist nach FIFA-Doktrin ein verbandsrechtlich motivierter Beitrag zur Vertragsstabilität zum Schutz bestehender Arbeitsvertragsverhältnisse zwischen Spielern und Klubs. Nun geraten nach der EuGH-Entscheidung arbeitsvertragliche Normen und verbandsrechtliche Bestimmungen der FIFA in ein kaum überbrückbares Spannungsfeld.
In der Vergangenheit ist eine Vielzahl von Fällen bekannt geworden, in denen Arbeitsvertragsverhältnisse vor Ablauf der befristeten Vertragszeit beendet wurden, damit die betreffenden Spieler zu anderen Klubs wechseln konnten. Beim Vorliegen wichtiger Gründe war und ist dies unproblematisch. Hingegen nicht, falls kein wichtiger Grund gegeben war, um das Vertragsverhältnis vorzeitig und unerlaubterweise zu beenden. In diesen Fällen mit internationalen Bezugspunkten sanktionierte die FIFA auf Antrag des «alten» Klub des Spielers den Akteur und verpflichtete diesen zu Schadenersatzzahlungen und fällte weiter Sanktionen aus. Für Zahlungen wurden zudem die neuen Klubs solidarisch in die Pflicht genommen. Und genau diese Solidarverpflichtung des am «gebrochenen» Arbeitsvertragsverhältnis nicht beteiligten (neuen) Klubs qualifiziert der Europäische Gerichtshof in der «Causa Lassana Diarra» als nicht europarechts-konform.
Jahrelang entsprach es der FIFA-Praxis, dass ein am Vertragsbruch nicht beteiligter, neuer Klub unter FIFA-Sanktionen zu leiden hatte. So auch etwa im Fall des Spielers Jaka Cuber Potocnik, der nach Auffassung seines ehemaligen Klubs Olimpija Ljubljana ungerechtfertigterweise aus einem bestehenden Vertrag ausstieg und mit dem 1. FC Köln ein Arbeitsvertragsverhältnis begründen wollte, jedoch wegen der nicht rechtmässigen Vertragsbeendigung mit dem slowenischen Klub mit einem Transferbann bis Ende Jahr und einer Busse belegt und für die auch der Kölner Klub solidarisch haftbar gemacht wurde. Kurz nach Bekanntwerden des Urteils aus Luxembourg qualifizierten die Kölner Klub-Verantwortlichen die Sanktionen der FIFA in «ihrem» Fall als widerrechtlich und prüfen nun Schadenersatzforderungen.- Weitere Vorgänge dieser Art könnten in Schadenersatz-Begehren ausmünden. Ob nun eine eigentliche Klagewelle anrollen wird, dürfte sich zeigen. Zentral bei der Beurteilung des Umstandes, ob ein Spieler im konkreten Fall zu Recht oder zu Unrecht aus einem Arbeitsvertragsverhältnis ausgestiegen ist, hängt von der rechtlichen Beurteilung des «wichtigen Grundes» ab. In diesem Zusammenhang muss vor allem die Rechtsprechung des Tribunal Arbitral du Sport» (TAS) in Lausanne hinterfragt werden. FIFA-Entscheide, die an das TAS weitergezogen werden, werden von diesem als verbandsfreundlich geltenden Sport-Schiedsgericht praktisch immer geschützt, meistens danach auch vom Schweizerischen Bundesgericht, das TAS-Urteile nur ein paar hundert Meter von der TAS-Zentrale in Lausanne entfernt (einzig) durch strikte Rechtskontrolle überprüft.



