Sehenden Auges in die Niederlage: IOK geht gegen die CAS-Urteile in den «Russland-Fällen» vor

(causasportnews / red. / 4. Mai 2018) Der Vorstand („Executive Board“) des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) hat beschlossen, die vom Internationalen Sportschiedsgericht (Court of Arbitration for Sport, CAS) gefällten Urteile in den russischen Doping-Fällen an das Schweizerische Bundesgericht weiterzuziehen. Die entsprechenden Rechtsmittel werden – dessen ist sich der IOK-Vorstand um den Präsidenten Thomas Bach offenbar durchaus bewusst – zwar kaum Aussicht auf Erfolg haben. Laut dem IOK-Präsidenten habe sich der Vorstand aber im Interesse derjenigen Athleten, die den russischen (behauptetermassen gedopten) Sportlern in Wettkämpfen unterlegen seien, zu diesem Schritt entschlossen. Dass das IOK gegen Urteile des CAS beim Bundesgericht vorgeht, ist eine absolute Ausnahmeerscheinung, wenn nicht gar ein vollständiges Novum. Das mag freilich darauf zurückzuführen sein, dass das IOK bislang vom CAS in aller Regel Recht erhalten hat.

Anfang Februar 2018 hat das IOK allerdings eine herbe Serie von Niederlagen vor dem Sportschiedsgericht erlitten: Das CAS hat die Ausschlüsse von Einzelsportlern, welche die IOK-Disziplinarkommission im Dezember 2017 ausgefällt hatte, ganz bzw. teilweise aufgehoben, und zwar in nicht weniger als 39 Fällen. Begründet wurden die Urteile durchwegs mit einer ungenügenden Beweislage (siehe Causa Sport News vom 2. Februar 2018 und vom 7. Februar 2018). In Anbetracht dessen stellte sich der IOK-Vorstand nunmehr auf den Standpunkt, dass die CAS-Entscheide „nicht unbedingt bedeuteten, dass die betroffenen russischen Athletinnen und Athleten tatsächlich unschuldig seien“. Demnach sehe sich das IOK gehalten, die Entscheide durch das Schweizerische Bundesgericht überprüfen zu lassen, und seien die Erfolgsaussichten auch noch so gering.

Tatsächlich scheitern Beschwerden gegen CAS-Urteile beim Bundesgericht in aller Regel. Und in den hier relevanten Fällen, bei denen offenbar Beweisfragen eine zentrale Rolle gespielt haben, dürfte dies erst recht eintreten, da das Bundesgericht die durch das CAS vorgenommene Beweiswürdigung nur äusserst restriktiv überprüft. Das IOK dürfte also sehenden Auges in eine weitere Serie von juristischen Niederlagen schlittern. Der Beschluss des IOK-Vorstands, dennoch ans Bundesgericht zu gelangen, ist demnach wohl als in erster Linie politisch motiviert zu qualifizieren. Die Botschaft des IOK soll offenbar sein: „Seht her, wir haben alles getan, aber die Gerichte haben uns einfach nicht Recht gegeben“. Der sprichwörtliche „schwarze Peter“ soll mal wieder herumgereicht werden. Dabei übersieht das IOK freilich, dass letztlich doch es selbst – bzw. das IOK-Disziplinarorgan – es war, das seine „Hausaufgaben“ nicht ordentlich gemacht und Sanktionen auf ungenügender Grundlage verhängt hat. Und wie jeder halbwegs versierte Jurist weiss, lassen sich Unzulänglichkeiten bei der Beweisführung in Rechtsmittelverfahren ganz generell nur schwer verbessern…

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