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(causasportnews / red. / 2. Februar 2018) Dass ein Beschuldigter mangels Beweisen freigesprochen wird, ist im Grunde nichts Aussergewöhnliches. Wenn aber 28 bzw. 39 von 42 Sportlern (bei drei noch nicht abgeschlossenen Verfahren) im Rahmen von Sanktionsverfahren zu Folge ungenügender Beweislage rechtlich rehabilitiert werden, lässt dies mehr als aufhorchen. Geschehen ist das Unerwartete nun rund eine Woche vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Südkorea. Das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne hat die Ausschlüsse von Einzelsportlern, welche die Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) im Dezember des letzten Jahres ausgefällt hat, ganz bzw. teilweise aufgehoben. Drei Verfahren sind am TAS noch hängig. Begründet wurden die IOK-Sanktionen von der vom Schweizer Anwalt Denis Oswald präsidierten Kommission auf Grund von Informationen des „Kronzeugen“ Grigori Rodschenkow und gestützt auf den sog. „McLaren-Bericht“ zu den Doping-Betrugspraktiken im russischen Sport im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi. Das TAS hingegen qualifizierte die Beweislage als ungenügend und nahm demzufolge die entsprechenden sanktionsrechtlichen Total- bzw. Teil-Korrekturen vor. Für das IOK bedeutet dieses Verdikt einen sport-juristischen Super-GAU, zeigt jedoch gleichzeitig, dass auch Sanktionsverfahren in Sportverbänden formellen und materiell-rechtlichen Anforderungen genügen müssen, um letztlich auch einer gerichtlichen Beurteilung Stand halten zu können. Das IOK indessen ist bekannt dafür, dass die interne Sportorganisations-Justiz noch nach alter Väter Sitte unter Führung altgedienter Sport-Funktionäre und von eingespielten Seilschaften, die sich meistens an den „guten alten Zeiten“ orientieren, praktiziert wird. Entschieden wird oft im Dunstkreis von Ethik und unter Hochhaltung von Grundsätzen, welche höchstens noch Turnvater Jahn zur Ehre gereichen würden – allerdings nicht mehr so frisch, auch nicht mehr so fromm und schon gar nicht mehr richtig frei. In dieser brisanten Angelegenheit konnte das TAS kaum anders als eine Rechtskontrolle dergestalt vornehmen, ob aktuelles Schweizer Vereinsrecht von der IOK-Disziplinarkommission richtig angewendet worden ist. Ist es zweifellos nicht. Das Sport-Schiedsgericht erkannte keine ausreichenden Sachverhalts-Grundlagen, um die vom IOK ausgefällten Sanktionen als rechtens zu qualifizieren. Neben dem juristischen Debakel musste das IOK wohl auch erkennen, dass es sich nicht talis qualis auf das TAS, welches dem IOK nicht nur örtlich nahe steht, verlassen kann. Oftmals werden vom TAS Entscheide des IOK bestätigt, die wohl einer Rechtskontrolle durch ein staatliches Gericht kaum standhalten würden. Die TAS-Rechtsprechung hinterlässt deshalb oft einen zwiespältigen Eindruck, vor allem dann, wenn ausländische Richter die Anwendung schweizerischen Rechts vornehmen. Eine umstrittene, geschlossene Schiedsrichterliste fördert die Glaubwürdigkeit des TAS auch nicht gerade. Gleichwohl hat die interne IOK-Rechtsprechung in den spektakulären „Russen-Fällen“ nun juristischen Schiffbruch erlitten. Aber auch in anderen Fällen musste das IOK mitunter empfindliche Niederlagen vor dem TAS gewärtigen. Dies im Gegensatz etwa zum bedeutendsten Internationalen Sport-Fachverband, der FIFA. Der Weltfussballverband verfügt über eine ausgewogene, interne Verbands-Rechtsprechung, die vom TAS nur ausnahmsweise korrigiert werden muss. Aufgrund der Gesamtumstände kann sich das IOK aktuell nicht einmal mit dem Argument, es habe ja gewollt, aber ein Gericht hätte dies nun verunmöglicht, aus der Affäre ziehen. Neben der juristischen Katastrophe ist für die Olympioniken aus Lausanne auch das mediale Desaster kaum mehr zu steigern. Und trotzdem werden in einer Woche einmal mehr „die besten Olympischen Spiele, die es je gab“ eröffnet werden – natürlich mit den freigesprochenen Russen am Start…